TIME TWIN - Schneller MSG-Schweißen mit zwei Drahtelektroden Heinrich Hackl, Fronius Schweißmaschinen KG, Austria Einleitung Ein weiterer Meilenstein in der erfolgreichen Entwicklungsgeschichte des MSG- Schweißens ist das gemeinsame Abschmelzen von zwei Drahtelektroden in einem Schmelzbad unter einer Schutzgasatmosphäre. Moderne mikroprozessorgesteuerte Stromquellen und ein umfangreiches Wissen über den Werkstoffübergang ermöglichen heute den erfolgreichen praktischen Einsatz. Werkstoffübergang Eine geringe Länge der beiden Lichtbögen führte immer wieder zu Kurzschlüssen zwischen einer Drahtelektrode und dem Schmelzbad. Dabei erlischt auch der Lichtbogen an der zweiten Drahtelektrode. Die dabei entstehende hohe Stromdichte an der ersten Drahtelektrode bricht den Kurzschluß sehr schnell auf. Eine erhebliche Anzahl von Schweißspritzern, Instabilität der beiden Lichtbögen, sowie eine stark schwankende Lichtbogenlänge waren die Folge. Eine größere Lichtbogenlänge verringerte zwar die Spritzerbildung und die Instabilitäten während des Schweißprozesses, jedoch auch die Schweißgeschwindigkeiten. Untersuchungen des MAG-Schweißen mit zwei Drahtelektroden zeigen einen neuen Weg zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des Verfahrens auf. Nach ersten Erfolgen der MAG-Doppeldrahttechnik bei unlegiertem Stahl wurden Anstrengungen unternommen die Ergebnisse auf das MIG-Schweißen von Aluminium zu übertragen. Bei den ersten MIG-Doppeldrahtversuchen mit einer gemeinsamen Stromdüse (Bild 1a) konnte nicht die erwartete Steigerung der Schweißgeschwindigkeit erreicht werden. In einer neuen Versuchsreihe bei der Fronius KG Austria wurde das Gerätekonzept völlig verändert. Anstatt einer gemeinsamen Stromdüse für beide Drahtelektroden wird mit zwei isolierten Stromdüsen (Bild 1b) unter einer gemeinsamen Schutzgasatmosphäre gearbeitet. Beim TIME Twin Prozeß verfügt jede Stromquelle über jeweils eine eigene Steuer- und Regeleinrichtung, eine regelbare Drahtfördereinheit und je eine menügeführte grafische Benutzeroberfläche. Bild 1a. Doppeldrahtschweißen Bild 1b. TIME Twin Prozeß
Mit Hilfe einer Synchronisationseinheit zwischen den beiden Stromquellen können die Werkstoffübergänge beider Drahtelektroden erstmals zeitlich aufeinander abgestimmt werden (Bild 2). Eine Vielzahl von stufenlos einstellbaren Parametern je Stromquelle erlaubt eine problemlose Anpassung der Stromquellen-Charakteristik an die Erfordernisse des Grund- und Zusatzwerkstoffes und des Schutzgases. Bild 2. Zeitlich einstellbarer Werkstoffübergang von Elektrode 1 und Elektrode 2 im Impulsbetrieb Der Impulslichtbogen liefert bei optimal eingestellten Parametern einen kurzschlußfreien spritzerarmen - Ein Tropfen pro Impuls - Werkstoffübergang. Mit der Impulstechnik kann unabhängig von der Lichtbogenleistung eine nahezu konstante Tropfengröße eingestellt werden. Dies ist von besonderer Bedeutung für den Legierungsabbrand der dadurch z. B. bei AlMg-Legierungen, über den gesamten Leistungsbereich annähernd konstant bleibt. Der Impulslichtbogen wird des halb bevorzugt bei Aluminium und Aluminiumlegierungen eingesetzt. Durch den Umstand, daß die Werkstoffübergänge beim TIME Twin Prozeß getrennt einstellbar sind, können auch die Längen der einzelnen Lichtbögen kurz gehalten und außerdem getrennt geregelt werden. Bei kurzen Lichtbögen bleibt das Schmelzbad klein und der restliche Teil der zur Verfügung stehenden Energie kann in Schweißgeschwindigkeit umgesetzt werden. Bei der MIG-Eindrahttechnik kann eine hohe Lichtbogenleistung nur begrenzt in höhere Schweißgeschwindigkeit umgesetzt werden, da mit steigender Leistung der Lichtbogendruck stark zunimmt und das Schmelzbad schwer zu kontrollieren ist. Besonders kritisch ist dieser Effekt im oberen Leistungsbereich. Man hat diesen bei einer 1,2mm AlMg-Drahtelektrode etwa im Bereich von 320 bis 350 Ampere und 20 bis 22 Meter pro Minute Drahtgeschwindigkeit. Mit der TIME Twin Technik wird am vorlaufenden Lichtbogen in der Regel eine geringfügig höhere Leistung eingestellt. Der kalte Grundwerkstoff wird gut aufgeschmolzen und die Wurzel exakt erfaßt. Mit dem nachlaufenden Lichtbogen der zweiten Elektrode wird das Schmelzbad aufgefüllt. Außerdem wird mit dem nachlaufenden Lichtbogen die Ausgasungszeit verlängert. Eine reduzierte Porenanfälligkeit ist das Ergebnis davon. Bild 3. Kontrollierter Werkstoffübergang beim TIME Twin Prozeß
Beim Vergleich der Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von Doppeldrahttechnik und TIME Twin Technik wird ein weiterer Vorteil sichtbar. Beim konventionellen Doppeldrahtschweißen kann aufgrund der unkontrollierbaren Stromverteilungen in der gemeinsamen Stromdüse kein Ein Tropfen pro Impuls Werkstoffübergang pro Elektrode sichergestellt werden. Häufig werden mehrere Impulsfolgen für eine Tropfenablöse benötigt. Dadurch wächst die Tropfengröße stark an, der Werkstoffübergang wird unregelmäßig und Schweißspritzer treten auf. Beim TIME Twin Prozeß tritt dieser Effekt nicht ein. Eine gleichmäßige Tropfengröße als Folge eines exakten Ablösezeitpunktes führt zu spritzerarmen Schweißnähten mit hoher Prozeßstabilität (Bild 3). Gerätetechnik Als Stromquellen dienen die praxiserprobten Inverterstromquellen TPS 450. Die Einschaltdauer beträgt 100 Prozent bei 900 Ampere. Das stromquellenintegrierte Qualitätsüberwachungssystem Q-Master und Q-Vision, ein Diskettenlaufwerk zur Schweißdatendokumentation und ein Roboterinterface sind ebenfalls vorhanden. Bild 6. Schweißbrenner Robacta Twin mit zwei voneinander isolierten Stromdüsen, dualem Kühlsystem und Zwangskontaktierung Schweißstart und Schweißende bei Aluminium Bild 7. Schweißprogramm zur Vermeidung von Kaltstellen bei Aluminium am Nahtbeginn Bild 5: TIME Twin Stromquellen Der Schweißbrenner Robacta Twin ist serienmäßig mit der praxiserprobten Zwangskontaktierung für einen störungsfreien Stromübergang auf die Drahtelektrode ausgerüstet (Bild 6). Das leistungsfähige duale Kühlsystem sorgt für eine effiziente Kühlung von Gas- und Stromdüse. Aluminium hat nicht nur eine geringe Dichte, sondern ist auch ein guter Wärmeleiter. Durch diese Eigenschaft kommt es bei Schweißbeginn zu Kaltstellen. Deshalb wird zu Schweißbeginn mittels einer durch die Stromquelle unterstützten Funktion eine höhere Schweißleistung abgerufen. Dadurch wird das Grundmaterial bereits während der
Zündphase aufgeschmolzen. Ist genügend Wärme ins Schmelzbad eingebracht, wird auf die nominelle Schweißleistung abgesenkt. Wenn gegen Ende der Schweißnaht die Wärme vorläuft und Gefahr für das Durchfallen besteht, wird auf eine geringere Schweißleistung abgesenkt. Grundwerkstoff: AlMg Si 0,7 Blechdicke: 2,3 mm Zusatzwerkstoff: AlMg 4,5 Mn Schweißgeschwindigkeit: 200 cm/min Praktische Anwendungen Grundwerkstoff: AlMg Si 0,7 Blechdicke: 2.3 mm Zusatzwerkstoff: Al Mg 4,5 Mn Schweißgeschwindigkeit: 200 cm/min Bild 10. I-Naht in Querposition an einem Aluminium Profil Bild 8. I-Naht in waagrechter Position an einem Aluminiumprofil Grundwerkstoff: AlMg 3 Blechdicke: 6 mm Zusatzwerkstoff: Al Mg 5 Schweißgeschwindigkeit: 100 cm/min Bild 11. TIME Twin Schweißnaht an einer LKW-Felge (Schweißgeschwindigkeit 150cm/min) Bild 9. Kehlnaht in Horizontalposition mit 2mm Spalt zwischen den Blechen Bild 12. Makroschliff LKW-Felge
Bild 13. TIME Twin im praktischen Einsatz Zusammenfassung Der TIME Twin Prozeß eignet sich hervorragend zur Steigerung der Schweißgeschwindigkeit beim MSG- Schweißen. Dabei werden zwei Drahtelektroden an zwei elektrisch voneinander isolierten Stromdüsen in einem Schmelzbad unter einer Schutzgasatmosphäre abgeschmolzen. Die Werkstoffübergänge und die Lichtbogenlänge sind je Drahtelektrode getrennt regelbar. Dadurch lassen sich bei hoher Flexibilität reproduzierbare, spritzerarme Schweißverbindungen mit gutem Nahtaussehen bei sehr hoher Schweißgeschwindigkeit herstellen. Praktischen Einsatz findet der TIME Twin Prozeß in der Automobil- und Zulieferindustrie, sowie im Schiff-, Maschinen-, Schienenfahrzeug, Kessel-, und Apparatebau.