Leseprobe aus: Hubrig, Sexualerziehung in Kitas, ISBN Beltz Verlag, Weinheim Basel

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Transkript:

http://www.beltz.de/de/nc/verlagsgruppe-beltz/gesamtprogramm.html?isbn=978-3-407-62890-9

1. Einleitung Menschen sind von Geburt an sexuelle Wesen. Sexualität gehört damit zur Persönlichkeit eines jeden Kindes. Sexualerziehung ist also bedeutsam für die Persönlichkeitserziehung. Jedes Kind hat bereits Erfahrungen mit Körper, Gefühlen und gelebter Sexualität. Verwunderlich ist, dass Sexualität inkitas oftmals übergangen bzw. ignoriert und schon gar nicht gefördert wird. Die folgenden Ausführungen sollen dazu beitragen, dem bedeutsamen Feld der Sexualpädagogik im Kindergarten Raum zu geben. Sexualitätist perseetwas Schönes. Die Schattenseitejedoch ist der sexuelle Missbrauch. Sexueller Missbrauch war bis in die 1990er Jahre ein absolutes Tabuthema. Kinder gehören zur Risikogruppe, Opfer sexuellen Missbrauchs zu werden. Um Kinder vor Missbrauch zu schützen, sollte jede Kita die Prävention von sexuellem Missbrauch fest in ihrem sexualpädagogischen Konzept verankern und Erzieher/innen sollten eine sexualfreundliche und präventive Erziehungshaltung bei der Arbeit mit den Kindern einnehmen. Zum Aufbau des Buches In diesem Buch wirdzunächstgeklärt,was unterkindlicher Sexualitätzuverstehen ist, wie sie sich äußert und entwickelt. In diesem Kontext wird besonders auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität eingegangen, die mit der sexuellen Entwicklung eng verbunden ist. Im dritten Kapitel steht die Entwicklung einer sexualfreundlichen Haltung derpädagogischen Fachkräfte im Vordergrund.Eswirdbeschrieben, wie sich Erzieher/innen eine professionelle Haltung gegenüber der kindlichen Sexualität und insbesondere der sexuellen Äußerungen von Kindern erarbeiten können. Diese Professionalität umfasst die einheitliche sexualpädagogische HaltungimTeambzw.ein sexualpädagogischen Konzeptfür die gesamteeinrichtung. Die Schattenseite des schönen, lustvollen Themas»Sexualerziehung«ist das Thema»Sexueller Missbrauch«. Im vierten Kapitel wird dargelegt, was sich hinter dem Begriff»sexueller Missbrauch«verbirgt. Dazu werden Fakten und Zahlen genannt, die das Ausmaß, die Kontexte, Formen und Strategien sexueller Übergriffe an Kindern verdeutlichen können. Es kristallisiert sich vor diesem Hintergrund heraus, dass sexueller Missbrauch ein Thema ist, das mit den Kindern in der Kitabearbeitet werden sollte. Auch sexuelleübergriffe unter Kindern kommen in der Kita vor und werden in diesem Kapitel thematisiert. ZumSchutzder Kinder sollte Präventionvon sexuellem Missbrauchein 7

Einleitung Bestandteil der pädagogischen Arbeit sein. Es werden einige in Kitas gängige Präventionsangebote, wie etwa Selbstverteidigungskurse, kritisch betrachtet. Das Kapitel schließt mit einem Interventionsplan,aus dem hervorgeht,wie pädagogische Fachkräfte sich verhalten sollten, wennsie vermuten, ein Mädchen oder ein Junge ihrer Gruppesei Opfer sexuellen Missbrauchs geworden. Daran anschließend steht die Sexualerziehung in der pädagogischen Praxis im Mittelpunkt. Es wird der Frage nachgegangen, wie Pädagog/innen Kinder bei einer gesunden, positiven Sexualentwicklung unterstützen, fördern und begleiten können. Dabei geht es darum, welche Inhalte es in der sexualpädagogischen Arbeit zuvermitteln gilt und wie Jungen und Mädchen dabei gleichermaßen berücksichtigt werden können. Des Weiteren wird beschrieben, wie Erzieher/innen mit Kindern offen über Sexualität sprechen können, und es werden Hinweise für eine kindgerechte sexuelle Aufklärung gegeben. Da Sexualerziehung vor allem im Elternhaus stattfindet, wird auf die für die Kooperation zwischen Eltern und Erzieher/innen relevanten Faktoren hinsichtlichder Sexualerziehungeingegangen. Zurpraktischen Sexualerziehunginder Kita gehört auch das Wissen, wie pädagogischefachkräfte mit sexuellen Übergriffen unter Kindern im Kitaalltag umgehen können. Das Buch schließt mit einem umfangreichen Kapitel zur sexualpädagogischen Praxis ab. Hier werden vielfältige Spielideen zu zentralen sexualpädagogischen Themengebieten beschrieben. Praktische Spielideen zur Prävention von sexuellem Missbrauch sind darin eingeschlossen. Zur besseren Übersicht führen Sie folgende Icons durch das Buch: Info (Reflexions-)Aufgaben 8

Einleitung Erste thematische Reflexion Setzen Sie sich bitte mit folgenden Fragen auseinander: Wie stehe ich zum Thema»Sexualität«? Wie stehe ich meiner eigenen Sexualität gegenüber? Rede ich offen und altersentsprechend mit den Kindern (auch) über sexuelle Themen? Wieist dies bei Themen, die mir peinlich sind?kann ich die Fragen der Kinder beantworten? Fühle ich mich in der Lage, auf sexuelle Äußerungen der Kinder (wie etwa Doktorspiele) adäquat einzugehen? Wo hat das Thema»Sexualität«bereits einen Platz im Kindergartenalltag? Darf Sexualität in meiner Gruppe Raum haben? Was wissen die Kinder meiner Gruppe bereits über Sexualität? Sind sie aufgeklärt? Ist die Sexualität der Kinder ein selbstverständlicher Bestandteil der Elternarbeit? Inwiefern? Wenn nicht, warum nicht? Wie verhalte ich mich oder würde ich mich verhalten, wenn ich den Verdacht habe, ein Kind aus der Gruppe ist Opfer sexuellen Missbrauchs? Tausche ich mich mit meinen Kolleg/innen über die Themen»Kindliche Sexualität«und»Sexueller Missbrauch«aus? 9

2 Kindliche Sexualität

Wasist unter dem Begriff»Sexualität«zu verstehen? Sexualität betrifftjeden Menschen, und zwar von Geburt an. Von der Tatsache, dass Kinder eine Sexualität haben, wollen Erwachsene oftmals gerne Abstand nehmen. So sind sie beispielsweise peinlich berührt, wenn ein Kind sich an den Genitalien reibt. Schnell wird dieses Verhalten verboten, es wird ignoriert oder das Kind wird schnell abgelenkt. Kinder sind jedoch keine asexuellen Wesen. Um mitsexuellen Äußerungenvon Kindernangemessen umgehen zu können, ist es wichtig, sich mit dem Begriff der Sexualität und der sexuellen Entwicklung von Kindern auseinanderzusetzen. 2.1 Was ist unter dem Begriff»Sexualität«zu verstehen? Sexualität ein weiter Begriff Nehmen Sie ein Flipchartpapier und Stifte zur Hand. Welche Begriffe fallen Ihnen ein, die mit»sexualität«zu tun haben? Erstellen Sie eine Mindmap im Team. Vergleichen Sie anschließend Ihre Begriffssammlung mit der Definition der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unten. Stimmen die Bedeutungsbereiche überein, wo zeigen sich Unterschiede? Aus der Mindmap wird sicher deutlich, dass Sexualität ein facettenreicher Begriff ist, der viele Themen beinhaltet. Die Bundeszentrale für gesundheitliche AufklärungdefiniertSexualitätfolgendermaßen:»Sexualität ist ein existenzielles Grundbedürfnis des Menschen und ein zentraler Bestandteil seiner Identität und Persönlichkeitsentwicklung. Sexualität umfasst sowohl biologische als auch psychosoziale und emotionale Tatbestände und Vorgänge. Die Ausgestaltung vonsexualität deckt ein breites Spektrum von positiven bis negativen Aspekten ab, von Zärtlichkeit, Geborgenheit, Lustempfinden, Befriedigung, bis hin zu Gewaltanwendung und Machtausübung. Menschen leben und erleben Sexualität unterschiedlich. Sie ist ein wichtiges Element der individuellen Lebensweise«(BZgA 1994, S. 3). Sexualität erfüllt verschiedene Funktionen, wie im Erwachsenenalterbeispielsweise Fortpflanzung, Spannungsabbau oder Bindung an eine Partnerin bzw. einen Partner. Was Sexualität im Einzelnen genau bedeutet, ist nicht eindeutig festgeschrieben. In unterschiedlichen Kulturen und Gesellschaften sowie 11

Kindliche Sexualität verschiedensten Epochen gabund gibteszahlreiche unterschiedliche Erscheinungsformen von Sexualität. Biologisch bedingt ist zwar, dass Menschen sexuelle Lust empfinden und sich durch Sexualität fortpflanzen. Sozialisationseinflüsse und gesellschaftliche Vorgaben, Moral- und Wertevorstellungen jedoch beeinflussen, wie Sexualität betrachtet, verstanden und gelebt wird. So wird dereinemeinen, dass Sexualität lediglich der Fortpflanzung dient, während sie für andere dazu da ist, einen Menschen an sich zu binden oder auch einfach nur Lust und Spaß zu haben. Sexuelles Begehren und Handeln hat also eine biologische Basis, sie wird aberdeutlich von kulturellen, gesellschaftlichen Vorgaben und individuellen Vorstellungen mitbestimmt(schmidt/sielert2012). Mein Standpunkt Stellen Sie sich mit Ihren Kolleg/innen im Raum auf. Eine Wandseite steht für»ich stimme zu!«, die gegenüberliegende Seite signalisiert»ich stimme nicht zu!«. Nehmen Sie zu jeder folgenden These eine Position im Raum zwischen diesen Pro-und Contra-Polen ein. Wenn alle ihre Position eingenommen haben, wird der Reihe nach erläutert, warum diese Position gewählt wurde. Kindliche Selbstbefriedigung findet frühestens ab dem vierten bis fünften Lebensjahr statt. Wenn Kinder Doktorspiele machen, sollte die Erzieherin/der Erzieher dies zulassen,aber nichtkommentieren. Die Kuschelecke sollte für Erwachsene einzusehen sein. Solange Kinder nicht die Grenzen anderer verletzen, dürfen Kinder im Freispiel»Doktor spielen«. Jungen sind mehr an Sexualität interessiertals Mädchen. Sexualität zeigt sich in der Kita in sehr vielfältiger Weise. So fragen Kinder,wo die Babys herkommen, sie kuscheln miteinander, kitzeln sich selbst sinnlich mit einem Seidentuch, untersuchen in Rollenspielen ihre Genitalien, masturbieren, matschen lustvoll imschlamm oder verwenden sexuelle Schimpfwörter. Sexualität hat in jedem Lebensabschnitt eine große, wenn auch immer andere Bedeutung sowieunterschiedlicheausdrucksformen. So istdie Sexualität von Vorschulkindern keinesfalls mit der Sexualität Erwachsener gleichzusetzen. 12

Diepsychosexuelle Entwicklung des Kindes Kindliche Sexualität drückt sich in der Suche nach zärtlichem, liebevollem Körperkontakt in ganzheitlicher Weise aus. Dabei leben die Kinder diese autoerotisch, auf sich bezogen (egozentrisch), ohne eine bewusste und zielgerichtete Beziehungsabsicht imspielerischen Sinne auch aufandere bezogen (z. B. in Doktorspielen). Charakteristisch für die kindliche Sexualität ist eine unbefangene, spontane, entdeckungsfreudige Suche nach einem Lustgewinn. Kinder erleben ihre Lust ganzheitlich und ganzkörperlich mit allen Sinnen. Zwar zeigen sie ähnliche sexuelle Reaktionen wie erwachsene Menschen (beispielsweise können kleine Jungeneine Erektionbekommen), doch Kinder schreiben Erlebnissen, wie etwa an ihren Geschlechtsteilen spielen, keine sexuelle Bedeutung zu. Kinder trennen Zärtlichkeit,Sinnlichkeit und genitale Sexualität nicht.esist ein Spiel für sie, von dem sie sich auch leicht ablenken lassen, wenn ein anderes Spiel interessanter erscheint. Mit Fortpflanzung hat die kindliche Sexualität nichts zu tun. Vielmehr geht es um ein ganzheitliches allgemein sinnlich angenehmes Erleben. Die Sexualität Erwachsener ist hingegen zielgerichtet und beziehungsorientiert auf sexuelle Befriedigung ausgerichtet. Schwerpunkt ist dabei die genitale Sexualität. Einen bewussten und selbstbestimmten Umgang mit Sexualität muss ein Mensch im Laufe seiner Entwicklung erlernen (Schmidt/Sielert 2012; Landeszentrale fürgesundheitsförderunginrheinland-pfalz e. V., 2009). 2.2 Diepsychosexuelle Entwicklung des Kindes DerPsychoanalytiker Sigmund Freud hatdie psychosexuelle Entwicklungvon Kindern bis zum sechsten Lebensjahr in einem Phasenmodell beschrieben. Dieses Modell ist im Prinzipauchheutzutage noch anerkanntund akzeptiert. Erik H. Erikson erweiterte diese Darstellung hinsichtlich sozial-kultureller Dimensionen, die bei der folgenden Darstellung Eingang finden. Bei der Betrachtung der folgenden Phasen ist anzumerken, dass kindliche Entwicklungsverläufe sehr individuell sind und nicht jede Phase so genau, wie sie beschrieben wird, auf jedes Kind zutrifft. Jedes Kind macht individuelle Erfahrungen, welche die Entwicklungbeeinflussen. Somitgibtesinder jeweiligen kindlichen Entwicklungsphase immer auch erhebliche Unterschiede in 13