Kompendium zur Schuldenbremse des Bundes

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Kompendium zur Schuldenbremse des Bundes

INHALT SEITE 3 Inhalt I. Hintergrund und Grundstruktur 5 II. Glossar 14 III. Rechtliche Grundlagen 25

SEITE 4

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 5 I. Hintergrund und Grundstruktur Hintergrund Seit dem Haushaltsjahr 2011 wird die Ver- form 2009, ersetzt die bis 2010 geltende schuldungsregel 1 auf den Bundeshaushalt Goldene Regel des alten Artikels 115 des angewendet. Die so genannte Schulden- Grundgesetzes (GG; Siehe III. Rechtliche bremse, Bestandteil der Föderalismusre- Grundlagen). 1. Informationen über die anderen nationalen und die europäischen Fiskalregeln finden sich unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/web/de/themen/oeffentliche_finanzen/fiskalregeln/nationale_europaeische_fiskalregeln.html

SEITE 6 Abbildung 1 veranschaulicht die deutliche Zunahme der Verschuldung des Öffentlichen Gesamthaushalts seit Inkrafttreten des Artikels 115 GG alte Fassung Ende der 1960er Jahre. Dies lässt sich an der Entwicklung der Schuldenstandsquote, dem Verhältnis von Schuldenstand zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP), ablesen. Im Jahr 2009 lagen die Schuldenstandsquoten des Bundes und der Länder, jeweils inklusive ihrer Extrahaushalte, bei 42,1 % bzw. 21,4 %. Im Jahr 1970 betrug die Verschuldung noch 8,2 % bzw. 3,9 % des BIP. Insbesondere diese ungünstige Entwicklung bei Bund und Ländern hat dazu geführt, dass die Verschuldung des Öffentlichen Gesamthaushalts von damals rd. 20 % auf 69,0 % im Jahr 2009 gestiegen ist. Die Schuldenstandsquote in der Maastricht-Abgrenzung ist methodisch anders gefasst, da sie z. B. auch Kassenverstärkungskredite, Platzhaltergeschäfte oder sonstige Korrekturen aufgrund von Stützungsmaßnahmen für Banken enthält. Sie lag im Jahr 2009 bei 72,4 % des BIP. Seit der Finanzverfassungsreform 1969 haben sich die institutionellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erheblich geändert. Als Mitglied der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion muss Deutschland quantitative und qualitative Vorgaben des Europäischen Stabilitätsund Wachstumspakts einhalten. Darüber hinaus hat Deutschland wie 24 andere EU- Staaten den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschaftsund Währungsunion (Fiskalvertrag) im Jahr 2012 unterzeichnet. Die konsequente Umsetzung dieser Verpflichtungen auf nationaler Ebene ist unabdingbare Voraussetzung für die Stabilität des Euro und die Zukunftsfähigkeit des gemeinsamen Wirtschaftsraums. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise unterstreichen ebenfalls, wie wichtig ein finanzpolitisch jederzeit handlungsfähiger Staat ist. Trotz der umfassenden notwendigen aber eben nur ausnahmsweise zu rechtfertigenden Stimulierungsmaßnahmen in der Wirtschafts- und Finanzkrise wurde ganz bewusst parallel die Reform der Verschuldungsregel abgeschlossen. Die verfassungsrechtliche Schuldenbremse leistet somit auch einen wichtigen Beitrag zu einer glaubwürdigen Finanzpolitik. Darüber hinaus bedeuten der demografische Wandel und die damit verbundenen Aufwendungen für die soziale Sicherung ein hohes Maß an zusätzlichen impliziten Schulden für den Staat. Zur Sicherung langfristig tragfähiger Staatsfinanzen muss die Schuldenstandsquote nachhaltig zurückgeführt werden. Auf diese Weise wird auch die relative Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte reduziert. Dauerhaft solide Haushaltspositionen sind unverzichtbar für nachhaltiges Wachstum und eine langfristig leistungsfähige Volkwirtschaft. Eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik trägt damit entscheidend zur Erhaltung von Wohlstand und sozialer Sicherheit bei. Grundstruktur der Schuldenbremse Mit dem in Artikel 109 GG für Bund und Länder gemeinsam verankerten Grundsatz des (strukturell) ausgeglichenen Haushalts wird der Grundgedanke der Goldenen Regel des alten Artikels 115 GG abgelöst. Die Reform der Verschuldungsregeln folgt damit der Philosophie des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, wonach die Haushalte der Mitgliedstaaten annähernd ausgeglichen sein oder einen Überschuss aufweisen sollen (mittelfristiges Haushaltsziel). Die Grundstruktur der Schuldenbremse und die Ermittlung der maximal zulässigen Nettokreditaufnahme (NKA) wird in Abbildung 2 veranschaulicht und im Folgenden näher erläutert.

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 7 Abbildung 2: Grundstruktur der Schuldenbremse des Bundes Strukturkomponente max. strukturelle NKA: 0,35 % des BIP - Saldo der finanziellen Transaktionen in Analogie zum Stabilitäts- und Wachstumspakt - Konjunkturkomponente nach EU-Konjunkturbereinigungsverfahren - (ggf.) Rückführungspflicht aus bei Überschreitung eines negativen Kontrollkonto Schwellenwerts von 1 % des BIP; max. 0,35 % des BIP; nur in konjunkturellen Aufschwungsphasen ---------------------------------------------------------------------- = max. zulässige NKA im Regelfall --------------------------------------------------------------------------------------------------- Ausnahmeregelung für Notsituationen (nur möglich mit Kanzlermehrheit und verbindlichem Tilgungsplan) keine Ausnahmen für neue Sondervermögen Begrenzter struktureller Verschuldungsspielraum Damit eine langfristig tragfähige Entwicklung der öffentlichen Finanzen gesichert werden kann, muss die Kreditaufnahme auf ein Maß begrenzt werden, das eine kontinuierliche und dauerhafte Rückführung der Schuldenstandsquote gewährleistet. Für das Erreichen dieses Ziels sehen die europäischen Vorgaben eine Begrenzung des strukturellen Defizits auf das länderspezifische mittelfristige Haushaltsziel vor. Dieses liegt für Deutschland (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung, jeweils einschließlich ihrer Extrahaushalte) bei einem strukturellen Defizit von maximal 0,5 % des BIP. Im Rahmen des Grundsatzes ausgeglichener Haushalte gewährt Artikel 115 GG dem Bund deshalb einen eng begrenzten strukturellen, also unabhängig von der konjunkturellen Lage bestehenden, Verschuldungsspielraum. Diese Strukturkomponente ist wesentlicher Bestandteil der maximal zulässigen NKA. Ab 2016 liegt die Obergrenze der Strukturkomponente bei 0,35 % des BIP. Diese Regelgrenze des Artikels 115 GG kann zudem nicht mehr durch die Einrichtung von Sondervermögen umgangen werden, da alle seit 2011 gegründeten Sondervermögen im Rahmen der Schuldenbremse berücksichtigt werden.

SEITE 8 In begrenztem Rahmen ist ein solcher struktureller Verschuldungsspielraum durchaus begründbar; nämlich dann, wenn er für Maßnahmen genutzt wird, die der dauerhaften Stärkung von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung dienen und damit insbesondere künftigen Generationen zugutekommen. Mit der Einräumung eines strukturellen Verschuldungsspielraums ist jedoch keineswegs ein Automatismus beabsichtigt, diesen stets in der laufenden Haushaltsplanung auszunutzen. Dies gilt umso mehr, als es mit Blick auf die praktische Handhabung der Schuldenbremse sinnvoll ist, in der Haushaltsplanung einen Sicherheitsabstand zur NKA-Obergrenze einzuhalten. Bereinigung um finanzielle Transaktionen Um eine möglichst große Annäherung des für die Schuldenbremse maßgeblichen Haushaltssaldos an den für die europäischen Vorgaben relevanten Finanzierungssaldo zu erreichen, werden anders als im Artikel 115 GG alter Fassung Einnahmen und Ausgaben bei der Ermittlung der Neuverschuldungsobergrenze um finanzielle Transaktionen bereinigt (Siehe III. Rechtliche Grundlagen: 3 Ausführungsgesetz zu Artikel 115 GG G 115). Dies bedeutet, dass beispielsweise Erlöse aus Privatisierungen nicht mehr zur Einhaltung der Kreditgrenzen beitragen können. Auch dadurch wird eine nachhaltigere Haushaltspolitik ermöglicht. Symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Situation Neben der Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ermöglicht die Schuldenbremse eine konjunkturgerechte Finanzpolitik. Dies erfolgt durch Berücksichtigung der konjunkturellen Einflüsse auf die öffentlichen Haushalte mittels einer Konjunkturkomponente ( 5 G 115), welche die NKA-Obergrenze in konjunkturell schlechten Zeiten erweitert und in konjunkturell guten Zeiten einschränkt. Die Schuldenbremse beschränkt die Finanzpolitik bei der Konjunkturstabilisierung im Regelfall auf das Wirken der automatischen Stabilisatoren in beide Richtungen. Mit der Festlegung auf eine symmetrische Berücksichtigung konjunktureller Einflüsse wurde ein wesentlicher Konstruktionsfehler des alten Artikels 115 GG beseitigt, der sich bei der Konjunkturstabilisierung auf Rezessionsphasen beschränkte, während eine entsprechende Rückführung der NKA in konjunkturell guten Zeiten ausblieb. Das technische Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente ist in einer Rechtsverordnung (Siehe III. Rechtliche Grundlagen: Artikel 115-Verordnung Art115V) festgelegt. Es folgt dem Konjunkturbereinigungsverfahren, das im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren angewandt wird.

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 9 Verbindlichkeit im Haushaltsvollzug Zur Sicherung tragfähiger öffentlicher Finanzen reicht es nicht aus, wenn eine Verschuldungsregel wie der alte Artikel 115 GG die NKA nur bei der Aufstellung des Haushalts beschränkt. Um die Einhaltung der Schuldenbremse auch im Haushaltsvollzug sicherzustellen, wurde ein Kontrollkonto eingerichtet, das mit einer Ausgleichspflicht versehen ist. Auf dem Kontrollkonto ( 7 G 115) werden die nichtkonjunkturbedingten Abweichungen von der Regelobergrenze erfasst, die sich in den einzelnen Haushaltsjahren im Vollzug ergeben. Solche Abweichungen können sich auch bei einem regelkonform aufgestellten Haushalt ergeben beispielsweise dann, wenn die finanziellen Auswirkungen einer Steuerreform ex ante falsch eingeschätzt wurden. Abweichungen von der ex ante erwarteten konjunkturellen Entwicklung werden dagegen nachträglich in Form aktualisierter automatischer Stabilisatoren in der Konjunkturkomponente berücksichtigt und erscheinen somit nicht auf dem Kontrollkonto. Wenn die tatsächliche NKA den Wert überschreitet, der sich nach Abschluss des betreffenden Haushaltsjahres auf der Grundlage der tatsächlichen Wirkung der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt als maximal zulässige NKA ergibt, führt dies zu einer Belastung des Kontrollkontos, bei einer Unterschreitung erfolgt eine Gutschrift in Höhe der Differenz zur maximal zulässigen Nettokreditaufnahme. Die jährlichen Belastungen bzw. Gutschriften des Kontrollkontos werden saldiert. Überschreitet ein etwaiger kumulierter negativer Saldo des Kontrollkontos den Schwellenwert von 1,5 % des BIP, so ist diese Überschreitung nach den Vorgaben des Grundgesetzes konjunkturgerecht zurückzuführen. Die einfachgesetzliche Ausführungsbestimmung sieht daher vor, dass die Abbauverpflichtung nur im Aufschwung umzusetzen ist. Zudem sind die zu erbringenden Abbauschritte auf jährlich 0,35 % des BIP begrenzt. Weil der Abbau hierdurch zeitlich gestreckt wird, setzt die einfachgesetzlich normierte Abbauverpflichtung bereits bei einem niedrigeren Schwellenwert in Höhe von 1 % des BIP ein. Nach dem Ende der Übergangsfrist gemäß Artikel 143d GG wird der über die Haushaltsjahre 2011 bis 2015 kumulierte Saldo des Kontrollkontos gelöscht ( 9 Absatz 3 G 115).

SEITE 1 0 Kontrollkonto: Beispiel der Abrechnung des Bundeshaushalts gemäß Schuldenbremse im Jahr 2012 Die ermittelte Abweichung der Ist-NKA von der aktualisierten Regelobergrenze wurde nach 7 Ausführungsgesetz zu Artikel 115 GG für das Haushaltsjahr 2012 zum 1. März 2013 vorläufig auf dem Kontrollkonto der Schuldenbremse erfasst und abschließend zum 1. September 2013 gebucht. Die Ist- NKA erfasst dabei sowohl die NKA des Bundeshaushalts als auch mit umgekehrtem Vorzeichen die Finanzierungssalden der seit Inkrafttreten der Schuldenbremse neu errichteten Sondervermögen des Bundes. Für das Jahr 2012 wird somit zusätzlich der Finanzierungssaldo des im Jahr 2011 errichteten Energie- und Klimafonds berücksichtigt. Die nach der Schuldenbremse maximal zulässige NKA nach Haushaltsabschluss (53,2 Mrd., Position 8 der Ist-Spalte in Abbildung 3) ergibt sich als Summe aus der maximal zulässigen strukturellen NKA, die durch den verbindlichen Abbaupfad festgelegt ist (39,4 Mrd. ), den getätigten finanziellen Transaktionen (Saldo von -7,4 Mrd., Position 5 der Ist-Spalte in Abbildung 3) und der an die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung angepassten Konjunkturkomponente (-6,4 Mrd., Position 6 der Ist-Spalte in Abbildung 3). Die Konjunkturkomponente wird dabei folgendermaßen aktualisiert: Zu der zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung ermittelten Produktionslücke wird die Differenz zwischen dem im August 2013 vom Statistischen Bundesamt ermittelten und jenem zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung (Herbst 2011) prognostizierten Zuwachs des nominalen BIP für das Jahr 2012 addiert. Da der Zuwachs des nominalen BIP im Jahr 2012 etwas niedriger ausfiel als zur Haushaltsaufstellung im Herbst 2011 prognostiziert, wurde die Konjunkturkomponente für das Haushaltsjahr 2012 im Ist gegenüber dem Soll etwas nach unten angepasst, d. h. absolut vergrößert. Die strukturelle NKA des Bundes, d. h. die NKA bereinigt um finanzielle Transaktionen und Konjunktureffekte, lag im Jahr 2012 bei 8,5 Mrd. beziehungsweise 0,34 % des BIP (Position 9 der Ist-Spalte in Abbildung 3). Damit hielt die strukturelle NKA des Bundes bereits im zweiten Jahr der Anwendung der Schuldenbremse und damit vier Jahre früher als grundgesetzlich gefordert die dauerhaft geltende Obergrenze von 0,35 % des BIP ein. Die Positivbuchung auf dem Kontrollkonto für das Haushaltsjahr 2012 belief sich auf 30,9 Mrd. (Position 10 der Ist-Spalte in Abbildung 3). Zusammen mit dem Saldo des Kontrollkontos des Vorjahres in Höhe von 25,2 Mrd. ergab sich somit ein kumulierter positiver Saldo von 56,1 Mrd. im Jahr 2012.

KOMPENDIUM ZUR SCHULDENBREMSE DES BUNDES SEITE 11 Abbildung 3: Aufstellung und Abrechnung des Bundeshaushalts gemäß Schuldenbremse im Jahr 2012 2012 Soll* Ist 1 Maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme (in % des BIP) 1,59 (Basis 2010: 2,21%, Abbauschritt: 0,31% p.a.) 2 Nominales Bruttoinlandsprodukt des der Haushaltsaufstellung vorangegangenen Jahres 2 476,8 (Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung) 3 Maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme (1) x (2) 39,4 4 Nettokreditaufnahme 26,1 22,3 4a Nettokreditaufnahme Bundeshaushalt 26,1 22,5 4b Finanzierungssaldo Energie- und Klimafonds - 0,2 5 Saldo finanzieller Transaktionen 4,3-7,4 5a Einnahmen aus finanziellen Transaktionen 6,9 4,8 5aa Einnahmen aus finanziellen Transaktionen Bundeshaushalt 6,9 4,8 5ab Einnahmen aus finanziellen Transaktionen Energie- und Klimafonds - 0,0 5b Ausgaben aus finanziellen Transaktionen 2,7 12,2 5ba Ausgaben aus finanziellen Transaktionen Bundeshaushalt 2,7 12,2 5bb Ausgaben aus finanziellen Transaktionen Energie- und Klimafonds - 0,0 6 Konjunkturkomponente - 5,3-6,4 Soll: (6a) x (6c) Ist: [(6a) + (6b)] x (6c) 6a Nominale Produktionslücke (Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung) - 33,3 6b Anpassung an tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung - 6,5 [Ist (6ba) - Soll (6ba)]% x (6bb) 6ba nominales Bruttoinlandsprodukt (% ggü. Vj.) 2,4 2,2 6bb nominales Bruttoinlandsprodukt des Vorjahres 2 609,9 6c Budgetsemielastizität (ohne Einheit) 0,160 7 Abbauverpflichtung aus Kontrollkonto - 8 Maximal zulässige Nettokreditaufnahme 40,5 53,2 (3) - (5) - (6) - (7) 9 Strukturelle Nettokreditaufnahme 25,0 8,5 (4) + (5) + (6) in % des BIP 1,01 0,34 10 Be(-)/Ent(+)lastung des Kontrollkontos 30,9 (8) - (4) oder (3) - (9) 11 Saldo Kontrollkonto Vorjahr 25,2 12 Saldo Kontrollkonto neu 56,1 (10) + (11) Abweichungen in den Summen und in den Produkten durch Rundungen möglich. * Soll 2012 bezieht sich auf das Haushaltsgesetz 2012 vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2938).

SEITE 1 2 Sicherung staatlicher Handlungsfähigkeit in Notsituationen Zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Regierung und der sie tragenden parlamentarischen Mehrheit in Sondersituationen enthält die Schuldenbremse eine Ausnahmeregelung (Artikel 115 Abs. 2 GG; 6 G 115). Zugleich wird der Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme vorgebeugt: Im Vergleich zum alten Artikel 115 GG, der eine erhöhte NKA zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erlaubte, ist die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse inhaltlich enger gefasst. Die verfassungsrechtlichen Kreditgrenzen dürfen nur noch im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, überschritten werden. Normale zyklische Abschwünge stellen keine Situation dar, die eine Ausnahme rechtfertigen. Eine Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung kann der Bundestag zudem nur beschließen, wenn mindestens die Mehrheit seiner Mitglieder zustimmt. Schließlich muss der Bundestag in diesem Fall einen Tilgungsplan verabschieden, der die Rückführung der oberhalb der Regelgrenze liegenden NKA innerhalb eines angemessenen Zeitraums vorsieht. Der auf dem Kontrollkonto zu buchende Betrag ist um die so erhöhte NKA zu bereinigen. Abbaupfad für strukturelles Haushaltsdefizit Die Schuldenbremse ist mit allen ihren Elementen seit dem Haushaltsjahr 2011 voll wirksam. Eine Übergangsregelung (Siehe III. Rechtliche Grundlagen: Artikel 143d Abs. 1 GG; 9 G 115) lässt lediglich eine bis einschließlich 2015 erhöhte Strukturkomponente zu. D. h., bis dahin ist ein Abbau des strukturellen Defizits des Bundeshaushalts 2010 in gleichmäßigen jährlichen Schritten vorgeschrieben. Damit die im Übergangszeitraum angehäuften Positivbuchungen auf dem Kontrollkonto nach dem Ende des Übergangszeitraums nicht zu einer Verzerrung der Funktion des Kontrollkontos führen, wurde im Fiskalvertragsumsetzungsgesetz vom 15. Juli 2013 festgelegt, dass der kumulierte Saldo auf dem Kontrollkonto zum Ende des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2015 gelöscht wird. Erste Erfahrungen seit Inkrafttreten der Schuldenbremse Die dauerhafte Einhaltung der durch die Schuldenbremse vorgegebenen jeweiligen strukturellen Neuverschuldungsgrenzen durch Bund und Länder trägt zu einer deutlichen und nachhaltigen Rückführung der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote bei. Nachdem die Maastricht-Schuldenstandsquote im Jahr 2010 mit 80,3 % ihren Höchststand, auch infolge der Kriseneffekte, erreicht hatte, ist sie seitdem deutlich zurückgegangen. Hierbei kommen verschiedene Faktoren zum Tragen. Die bereits seit dem Jahr 2012 eingehaltene und sogar z. T. deutlich unterschrittene Regel-Strukturkomponente von 0,35 % des BIP seitens des Bundes sowie die Fortschritte vieler Länder im Hinblick auf eine vorzeitige Einhaltung ihrer Schuldenbremse (struktureller Haushaltsausgleich) spielen hierfür eine nicht unwesentliche Rolle. Auch für die kommenden Jahre wird von einer weiter sinkenden Schuldenstandsquote ausgegangen, zumal der Bund ab 2016 auch gesetzlich die Obergrenze von 0,35 % des BIP struktureller Neuverschuldung einhalten muss und die Länder ab 2020 die Schuldenbremse umgesetzt haben müssen.

KOMPENDIUM ZUR SCHULDENBREMSE DES BUNDES SEITE 13

SEITE 1 4 II. Glossar Automatische Stabilisatoren Weil die Steuereinnahmen in konjunkturell schlechten Zeiten (im Vergleich zur Entwicklung in einer konjunkturellen Normallage) zurückgehen und die Staatsausgaben vor allem wegen steigender Transferzahlungen zunehmen, geht von den öffentlichen Haushalten eine automatische Stabilisierungswirkung auf den Wirtschaftsprozess aus. Ein analoger Stabilisierungseffekt tritt in konjunkturell guten Zeiten auf. Die Schuldenbremse stellt durch die Konjunkturkomponente sicher, dass diese automatischen Stabilisatoren in konjunkturell guten und schlechten Zeiten wirken können bzw. müssen, und führt so jederzeit zu einer konjunkturgerechten Finanzpolitik. Budgetsemielastizität des Bundeshaushalts Die Budgetsemielastizität des Bundeshaushalts ( 5 Abs. 3 G 115; 2 Abs. 3 Art115V) erfasst die konjunkturbedingte Veränderung des Finanzierungssaldos des Bundeshaushalts in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, wenn das Bruttoinlandsprodukt um 1 % vom Produktionspotential abweicht. Die Budgetsemielastizität des Bundeshaushalts wird aus der gesamtstaatlichen Budgetsemielastizität abgeleitet. Sie errechnet sich als die mit den Bundesanteilen an den konjunkturabhängigen Einnahmen und Ausgaben des gesamtstaatlichen Haushalts gewichtete Summe der Teilelastizitäten der gesamtstaatlichen Budgetsemielastizität, die auch in dem Verfahren zur Haushaltsüberwachung nach dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt verwendet wird. Dieses Verfahren wurde vom Wirtschaftspolitischen Ausschuss der Europäischen Union notifiziert 2. Für die Budgetsemielastizität des Bundeshaushalts ist seit Herbst 2014 (d. h. für die Haushaltsjahre 2015 ff.) ein Wert von gerundet 0,205 maßgeblich. Die gesamtstaatliche Budgetsemielastizität ergibt sich als Summe der Teilelastizitäten der zugrunde liegenden konjunkturabhängigen Steuern, Sozialbeiträge und Arbeitsmarktausgaben. Danach lag die Budgetsemielastizität für den gesamtstaatlichen Haushalt Deutschlands im Mittel der letzten Jahre bei 0,55, mit geringfügigen Schwankungen in den einzelnen Jahren. Dies bedeutet, dass eine (positive) Produktionslücke von 1 % in Relation zum Produktionspotential ( konjunkturell gute Zeiten ) den gesamtstaatlichen konjunkturellen Finanzierungssaldo in Relation zum Brutto 2. ECFIN/B/6(2005)REP54508, 30. September 2005.

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 15 inlandsprodukt um 0,55 Prozentpunkte erhöht. Die Budgetsemielastizität des Bundeshaushalts wird an Neuschätzungen der im EU-Verfahren verwendeten gesamtstaatlichen Budgetsemielastizität angepasst 3. Einmaleffekte Als Einmaleffekte bezeichnet man temporäre fiskalische Effekte, die keinen nachhaltigen Einfluss auf die Situation der öffentlichen Haushalte haben. Als Beispiele hierfür nennt der Verhaltenskodex zum Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt den Verkauf nichtfinanzieller Forderungen, Erlöse aus der Versteigerung öffentlicher Lizenzen, kurzfristige Kosten aufgrund von Naturkatastrophen, Steueramnestien oder Einnahmen aus der Übertragung von Pensionsverpflichtungen. Im Gegensatz zur Berechnung des strukturellen Defizits im Rahmen der EU-Haushaltsüberwachung findet bei der Schuldenbremse keine Bereinigung um Einmaleffekte statt. Das bedeutet beispielsweise, dass Erlöse aus einer Frequenzversteigerung als nicht-konjunkturbedingte Einmaleffekte das strukturelle Defizit verringern. Zum einen ist dieses von der Behandlung auf EU-Ebene abweichende Vorgehen damit zu begründen, dass es keine eindeutige, klar abgegrenzte Bestimmung des Begriffs der Einmaleffekte gibt, die sich so in den Haushaltstiteln wiederfindet. Damit hätte die Gefahr des Gestaltungsmissbrauchs bestanden, wären Einmaleffekte auszunehmen gewesen. Zum anderen gibt es auch bei den Einmaleffekten selbst unterschiedliche Wirkungsweisen auf das strukturelle Defizit. So hätte beispielsweise die Behandlung der aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2008 vorgenommenen Rückzahlung der Pendlerpauschale für die Jahre 2007 und 2008 als Einmaleffekt im Rahmen der Schuldenbremse dazu geführt, dass zwar die strukturelle NKA des Jahres 2009, in dem die Rückzahlung kassenwirksam wurde, geringer ausgefallen wäre. Gleichzeitig hätten aber die strukturellen Defizite der Jahre 2007 und 2008 rückwirkend erhöht werden müssen, da die Rückzahlung dann diesen Jahren hätte zugeordnet werden müssen. Als Konsequenz wären entsprechende Anpassungen des Kontrollkontos in diesen Jahren notwendig geworden, wenn die Schuldenbremse bereits gegolten hätte. Eine solche nachträgliche Bebuchung des Kontrollkontos wäre aber kaum zu rechtfertigen, da der Gesetzgeber 2009 nicht mehr mit einer Anpassung der Haushalte 2007 und 2008 reagieren und so eine Minusbuchung auf dem Kontrollkonto verhindern konnte. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass eine vom EU-Verfahren abweichende Behandlung von Einmaleffekten im Rahmen der Schuldenbremse durchaus sinnvoll ist, um sowohl Gestaltungsmissbrauch vorzubeugen als auch der Funktion des Kontrollkontos gerecht zu werden. 3. Grundlage für die Ermittlung der Budgetsemielastizität bildeten die Berechnungen von N. Girouard und C. André (2005), Measuring Cyclically-Adjusted Budget Balances for OECD Countries, OECD Economics Department Working Papers 434. Diese Berechnungen wurden in den letzten Jahren in verschiedenen Stufen überarbeitet und aktualisiert, vgl. G. Mourre, G.-M. Isbasoiu, D. Paternoster und M. Salto (2013): The cyclically-adjusted budget balance used in the EU fiscal framework: an update, Europäische Kommission, European Economy, Economic Papers 478; G. Mourre, C. Astarita und S. Princen (2014): Adjusting the budget balance for the business cycle: the EU methodology, Europäische Kommission, European Economy, Economic Papers 536. Entsprechend ergaben sich in den ersten Jahren der Anwendung der Schuldenbremse unterschiedliche Budgetsemielastizitäten des Bundes.

SEITE 1 6 Finanzielle Transaktionen Als finanzielle Transaktionen werden Transaktionen in Bezug auf finanzielle Vermögenswerte (Forderungen und Verbindlichkeiten) bezeichnet. Es handelt sich dabei um nicht-vermögenswirksame Einnahmen und Ausgaben, z. B. Privatisierungserlöse (Tausch von Beteiligungsvermögen gegen Kassenzugang) oder Darlehensvergaben (Tausch Kassenausgang gegen Forderungserwerb). Erlöse aus der Versteigerung öffentlicher Lizenzen zählen allerdings nicht dazu. Mit der Bereinigung von Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen ( 3 G 115) wird die grundgesetzliche Regelung der nationalen Schuldenbremse an die aus den europäischen Verpflichtungen geltenden Abgrenzungen des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) weitest möglich angenähert. Die Bereinigung führt dazu, dass Privatisierungseinnahmen, die in der Vergangenheit als haushaltspolitische Gestaltungsmasse zur Erfüllung der Vorgaben des alten Artikels 115 GG genutzt wurden, nunmehr nicht mehr zur Einhaltung der Kreditgrenzen beitragen können. Damit wird eine wesentliche Inkonsistenz zwischen Europäischem Stabilitäts- und Wachstumspakt einerseits und nationalem Haushaltsrecht andererseits beseitigt. Um die praktische Handhabbarkeit der Schuldenbremse zu erleichtern, werden bei der Bereinigung nur finanzielle Transaktionen berücksichtigt, die dem Haushalt unmittelbar über den Gruppierungsplan entnommen werden können. Auf der Ausgabenseite sind dabei folgende Gruppierungen als finanzielle Transaktionen zu eliminieren: - Erwerb von Beteiligungen 831 Erwerb von Beteiligungen im Inland 836 Erwerb von Beteiligungen im Ausland - Darlehen an öffentlichen Bereich 851 Darlehen an Bund 852 Darlehen an Länder 853 Darlehen an Gemeinden und Gemeindeverbände 854 Darlehen an Sondervermögen 856 Darlehen an Sozialversicherungsträger sowie an die Bundesagentur für Arbeit (BA) 857 Darlehen an Zweckverbände - Darlehen an sonstige Bereiche 861 Darlehen an öffentliche Unternehmen und Einrichtungen 862 Darlehen an private Unternehmen 863 Darlehen an Sonstige im Inland 866 Darlehen an Ausland Spiegelbildlich sind aus den für die maximal zulässige NKA relevanten Einnahmen folgende Gruppierungen als finanzielle Transaktionen herauszurechnen: - Beteiligungsverkäufe 133 Erlöse aus der Veräußerung von Beteiligungen 134 Kapitalrückzahlungen - Darlehensrückflüsse aus dem öffentlichen Bereich 171 Darlehensrückflüsse von Bund 172 Darlehensrückflüsse von Ländern 173 Darlehensrückflüsse von Gemeinden und Gemeindeverbänden 174 Darlehensrückflüsse von Sondervermögen

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 17 176 Darlehensrückflüsse von Sozialversicherungsträgern sowie von der BA 177 Darlehensrückflüsse von Zweckverbänden - Darlehensrückflüsse aus sonstigen Bereichen 181 Darlehensrückflüsse von öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen 182 Sonstige Darlehensrückflüsse aus dem Inland 186 Darlehensrückflüsse aus dem Ausland Goldene Regel Die Idee der Goldenen Regel in der Finanzpolitik ist es, die öffentliche Neuverschuldung auf die Höhe der öffentlichen Nettoinvestitionen, d. h. der Bruttoinvestitionen nach Abzug von Abschreibungen und Desinvestitionen, zu begrenzen. Begründet wird ein solches Vorgehen damit, dass mit staatlichen Nettoinvestitionen ein Vermögensaufbau beim Staat einhergehe. Dieser komme auch zukünftigen Generationen zugute, so dass diese daher später auch an der Finanzierung beteiligt werden dürften. Dahinter steht die Überlegung, dass produktive öffentliche Investitionen für sich genommen das zukünftige Produktionspotential je Einwohner erhöhen. Artikel 115 GG orientierte sich in seiner alten Fassung gewissermaßen an dieser Goldenen Regel. Die Interpretation durch das Grundgesetz wurde jedoch in einigen Punkten zu Recht kritisiert. Hierzu zählte in erster Linie die Abgrenzungsproblematik. So waren im Investitionsbegriff auch Investitionszuschüsse an den privaten Sektor oder an das Ausland eingeschlossen. In beiden Fällen ging damit aber kein (direkter) Nettovermögenszuwachs des Staates einher. Demgegenüber sind in den konsumtiven staatlichen Ausgaben solche mit teilweise investivem Charakter enthalten beispielsweise Bildungsausgaben zur Erhöhung des Humanvermögens. Außerdem erfolgte die Umsetzung der Goldenen Regel de facto auf Basis der Bruttoinvestitionen, ohne die Berücksichtigung z. B. von Abschreibungen. Somit durften auch Ersatzinvestitionen mit einer neuen Kreditaufnahme finanziert werden, ohne dass eine Tilgungsverpflichtung bestand. Damit blieben die neuen Schulden bestehen, auch wenn das auf diese Weise finanzierte Investitionsgut selbst nicht mehr existierte bzw. kein neuer Wert hinzukam. Dies führte unter den Wachstums- und Investitionsbedingungen Deutschlands zu einer ständig zunehmenden Schuldenquote, die nicht mehr hinnehmbar erschien (siehe Abbildung 1). Dies war letztendlich ein Grund für die Einführung der Schuldenbremse. Der alte Art. 115 GG hat gegriffen; er wurde aber nicht als Obergrenze interpretiert, sondern über den gesamten Geltungszeitraum betrachtet ausgeschöpft. Eine strikte Orientierung an den Nettoinvestitionen hätte zumindest für Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre ausgeglichene oder Überschusshaushalte erfordert.

SEITE 1 8 Konjunkturkomponente Über die Konjunkturkomponente ( 5 G 115; Art115V) werden die konjunkturbedingten Veränderungen von Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt. Die Kenntnis über die Konjunkturkomponente ist notwendig, um die strukturelle NKA, die frei von konjunkturellen Einflüssen ist, zu berechnen. Konjunkturbedingte Veränderungen von Einnahmen und Ausgaben führen zu entsprechenden zusätzlichen oder geringeren Spielräumen bei der NKA bzw. machen Haushaltsüberschüsse erforderlich. Die symmetrische Berücksichtigung der Konjunktur durch das Wirken der automatischen Stabilisatoren verhindert, dass eine zusätzliche NKA in konjunkturell schlechten Zeiten (negative Produktionslücke) langfristig zu einem systematischen Aufbau von Staatsverschuldung führt, da in konjunkturell guten Zeiten (positive Produktionslücke) entsprechend konjunkturelle Überschüsse erforderlich sind. Eine Verschuldungsregel, die konjunkturelle Effekte berücksichtigen soll, kommt ohne die Definition einer Normallage als Referenzpunkt für die Konjunktur nicht aus. Nur mit Hilfe der Berechnung von Abweichungen der tatsächlichen Lage von der Normallage kann der Konjunktureffekt identifiziert, auf diese Weise zwischen konjunkturell guten und schlechten Zeiten unterschieden und so die Höhe der konjunkturellen Defizite bzw. Überschüsse bestimmt werden. Um die Konsistenz der Haushaltsregel mit dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sicherzustellen, verwendet die neue Regel hierzu das im Rahmen des europäischen Haushaltsüberwachungsverfahrens vereinbarte und genutzte Konjunkturbereinigungsverfahren. Die Konjunkturkomponente ergibt sich als Produkt aus der Produktionslücke, d. h. der Abweichung des Bruttoinlandsprodukts vom Produktionspotential, und der Budgetsemielastizität. Letztere gibt an, wie sich der Saldo aus Einnahmen und Ausgaben des Bundes bei einer Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität verändern. Die Konjunkturkomponente wird in der Regel zwei Mal für einen Haushalt berechnet: bei Haushaltsaufstellung ( 2 Art115V) und bei Haushaltsabschluss ( 3 Art115V). Im Falle der Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts muss sie auch zu diesem Zeitpunkt nochmals neu berechnet werden ( 4 Art115V). Die Konjunkturkomponente bei der Haushaltsaufstellung wird durch Multiplikation der zu diesem Zeitpunkt für das betreffende Haushaltsjahr geschätzten Produktionslücke mit der Budgetsemielastizität des Bundeshaushalts errechnet. Der Schätzung der Produktionslücke liegen die amtlichen Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) sowie die zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung von der Bundesregierung erwartete gesamtwirtschaftliche Entwicklung (Ergebnisse des interministeriellen Arbeitskreises Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen für die kurze Frist bzw. der Ressortabstimmung für die mittlere Frist) zugrunde. Da die Schätzung der Produktionslücke auf realen gesamtwirtschaftlichen Daten beruht, die Haushalte aber in nominaler Rechnung erfasst werden, muss auch die nominale Produktionslücke für die Berechnung der Konjunkturkomponente herangezogen werden. Dabei wird unterstellt, dass die relative Produktionslücke, d. h. die auf das Produktionspotential bezogene Abweichung des Bruttoinlandsprodukts vom Produktionspotential, in nominaler und realer Rechnung identisch ist.

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 19 Das nominale Produktionspotential, PPn, ergibt sich dann als Verhältnis des nominalen Bruttoinlandsprodukts,Yn, zur Summe aus 1 und relativer Produktionslücke, PL: Die nominale Produktionslücke ist die Differenz zwischen nominalem Bruttoinlandsprodukt und nominalem Produktionspotential,Yn - PPn. Bei der Ermittlung der auf dem Kontrollkonto zu buchenden Abweichung ist für die Berechnung der maximal zulässigen NKA die Wirkung der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt zugrunde zu legen. Dazu wird die zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung ermittelte Konjunkturkomponente an die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung angepasst: Zu der zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung ermittelten Produktionslücke wird die Differenz zwischen der zum Zeitpunkt der Buchung auf dem Kontrollkonto vom Statistischen Bundesamt festgestellten Änderung des BIP und der zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung erwarteten BIP-Veränderung addiert. Bei Nachträgen wird zur Neuberechnung der Konjunkturkomponente ähnlich verfahren, indem die zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung ermittelte Produktionslücke um die Differenz zwischen der zum Zeitpunkt der Aufstellung des Nachtragshaushalts auf Basis der dann aktuellen gesamtwirtschaftlichen Vorausschätzung der Bundesregierung und der zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung erwarteten BIP- Veränderung im Haushaltsjahr korrigiert wird. Von einer Neuschätzung der Produktionslücke gemäß dem zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung verwendeten Verfahren wird abgesehen, da dieses revisionsanfälliger als die tatsächliche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ist und sich die Ergebnisse zu jedem Schätzzeitpunkt verändern. Kontrollkonto Anders als ihre Vorgängerregelung im alten Artikel 115 GG beschränkt sich die Schuldenbremse nicht nur auf die Haushaltsaufstellung, vielmehr wird auch das Ist der NKA mit der maximal zulässigen NKA eines Haushaltsjahres verglichen. Abweichungen werden auf einem Kontrollkonto gebucht. Unterschreitet die tatsächliche NKA die zulässige Höchstgrenze, kommt es zu einer Positivbuchung auf dem Konto, im umgekehrten Fall zu einer Negativbuchung. Über die Jahre hinweg werden diese Buchungen kumuliert. Damit stellt das Kontrollkonto ein virtuelles Gedächtnis dar, mit dem die Einhaltung der Schuldenbremse überprüft werden kann. Wenn der Saldo der Buchungen des Kontrollkontos einen bestimmten negativen Schwellenwert unterschreitet, entsteht unmittelbarer haushaltspolitischer Handlungsbedarf. Die Unterschreitung des Schwellenwerts muss nach grundgesetzlichen Vorgaben zurückgeführt werden. Dadurch trägt die Schuldenbremse maßgeblich zu langfristig tragfähigen öffentlichen Finanzen bei. Die Buchung auf dem Kontrollkonto erfolgt auf Grundlage des tatsächlichen Vollzugs des jeweiligen Bundeshaushalts erstmalig zum 1. März des Folgejahres auf der Grundlage vorläufiger Ergebnisse zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung des betreffenden Haushaltsjahres und endgültig zum 1. September des dem Haushaltsjahr folgenden Jahres. Die Buchung auf dem Kontrollkonto im Jahr 2012 wird in der Abbildung 3 dargestellt. Damit die im Übergangszeitraum bis 2015 angehäuften Positivbuchungen auf dem Kontrollkonto nach dem Ende des Übergangszeitraums nicht zu einer Verzerrung der Funktion des Kontrollkontos führen, wurde im Fiskalvertragsumsetzungsgesetz vom 15. Juli 2013 festgelegt, dass der bis dahin kumulierte Saldo auf dem Kontrollkonto zum Ende des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2015 gelöscht wird.

SEITE 2 0 Maximal zulässige Nettokreditaufnahme Der Betrag der maximal zulässigen NKA ergibt sich im Regelfall aus der Strukturkomponente abzüglich der Konjunkturkomponente und des Saldos der finanziellen Transaktionen (vgl. Abbildung 2 und 3). Bei Überschreitung des Schwellenwerts von 1 % des BIP auf der Sollseite des Kontrollkontos ist in Aufschwüngen zusätzlich die Überschreitung dieses Schwellenwerts, d. h. die Differenz zwischen dem Buchwert des Kontrollkontos und dem Schwellenwert, die jedoch den Betrag von 0,35 % des BIP nicht übersteigen soll, von der Strukturkomponente zu subtrahieren. Die maximal zulässige NKA reduziert sich auch, sofern in einem der Vorjahre die Ausnahmeregel gezogen wurde und gemäß dem Tilgungsplan die zusätzliche, über die regulär maximal zulässige NKA hinausgehende Neuverschuldung des Ausnahmejahres abgebaut werden muss. Die maximal zulässige NKA wird zunächst zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung berechnet. Für die Bebuchung des Kontrollkontos nach Haushaltsabschluss wird sie auf der Grundlage einer auf Basis der tatsächlichen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts aktualisierten Konjunkturkomponente und des tatsächlichen Saldos der finanziellen Transaktionen neu berechnet. Nachtragshaushalt Bei Nachträgen zum Haushaltsgesetz und zum Haushaltsplan ( 8 G 115), die aufgrund einer nichtvorhersehbaren Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben notwendig werden können, ohne dass eine Ausnahmesituation nach Artikel 115 Abs. 2 GG vorliegt, kann die zu diesem Zeitpunkt ermittelte maximal zulässige Nettokreditaufnahme bis zu einem Betrag in Höhe von 3 % der veranschlagten Steuereinnahmen überschritten werden. In diesem Nachtrag dürfen keine neuen Maßnahmen veranschlagt werden, die zu Mehrausgaben oder zu Mindereinnahmen führen. Zur Ermittlung der Konjunkturkomponente wird ausschließlich die erwartete wirtschaftliche Entwicklung aktualisiert. Für die Bebuchung des Kontrollkontos bleibt allerdings weiterhin die sich zum Haushaltsabschluss ergebende Überschreitung der maximal zulässigen NKA bezogen auf die erstmalige Haushaltsaufstellung maßgeblich, unabhängig von einer im Nachtragshaushalt ggf. erlaubten Überschreitung.

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 21 Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) Zur Bestimmung der maximal zulässigen NKA des Bundes werden die haushaltsmäßigen Zahlungen für ÖPP-Projekte herangezogen. Damit wird die Buchung von ÖPP abweichend von der Behandlung in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) durchgeführt. Die für die europäische Haushaltsüberwachung herangezogenen Indikatoren beruhen auf dem System der VGR, die im Gegensatz zur Kassenorientierung der kameralen Finanzstatistik (Einnahmen und Ausgaben, erfasst in Haushaltstiteln) an der Idee der Buchung nach ökonomischer Entstehung orientiert sind. Während diese methodische Abweichung bei konventionellen öffentlichen Bauprojekten nicht ins Gewicht fällt, weil die damit verbundene Investition (Bauerstellung) in der Regel unmittelbar zu Ausgaben im Haushalt führt, ist eine Divergenz zwischen Bauerstellung und Bezahlung konstituierendes Merkmal von ÖPP-Projekten: Im Idealfall baut und finanziert der Private das komplette Projekt und betreibt es über den Lebenszyklus (bis zu 30 Jahre Vertragslaufzeiten von ÖPP- Projekten), während der öffentliche Auftraggeber seine Zahlungen an den Privaten je nach Vertragslaufzeit über bis zu 30 Jahre gleichmäßig verteilt. Da im Normalfall die Erstellung von ÖPP-Projekten in den VGR als staatliche Investitionsausgabe zu buchen ist, 4 wird diese Ausgabe sofort analog zum Baufortschritt defizitrelevant, während für die Schuldenbremse die Belastung in Höhe der im Haushalt erfassten Zahlungen an den privaten Partner relevant ist. Der Verzicht auf eine weitere Annäherung an das Maastricht-Defizit hat den Vorteil der einfachen Handhabung. Es müssen keine Elemente zu- oder abgesetzt werden, die Ausgaben werden im Rahmen der Schuldenbremse so berücksichtigt, wie sie in den Haushalten tatsächlich anfallen (siehe Begründung zu 3 G 115). Die Informationsgewinnung ist zudem einfach und transparent, da im Gegensatz zu einer VGR-konformen Berücksichtigung der Bauerstellung nach Baufortschritt alle zur Verbuchung der ÖPP-Ausgaben notwendigen Angaben (Zahlungen) im Haushalt enthalten sind. Die mit diesem Vorgehen einhergehende Abweichung von den VGR könnte vordergründig Anreize für den öffentlichen Sektor liefern, zusätzlichen Bau zu tätigen. Jedoch gilt grundsätzlich: Die Entscheidung für ein ÖPP-Projekt darf nur auf Basis von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erfolgen. Die Art der Buchung im Rahmen der Schuldenbremse darf keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Art des Projektes (ÖPP oder Eigenbau) haben. Gegenwärtig beeinträchtigen ÖPP-Projekte die staatliche Haushaltssteuerung, die im Zentrum der EU-Haushaltsüberwachung (Maastricht-Kriterien staatlicher Finanzierungssaldo und Staatsschuldenstand ) steht, nur wenig. Sollten in Zukunft dem Staat zuzurechnende ÖPP-Investitionen in einem Umfang zunehmen, der die Indikator- und Steuerungsfunktion der Schuldenbremse für die EU-Haushaltsüberwachung beeinträchtig, wird die bisherige Vorgehensweise überprüft werden. 4. Eine Ausnahme wäre, wenn klar gezeigt werden kann, dass im Rahmen der Vertragsgestaltung das unternehmerische Risiko vom Staat auf den privaten Partner übergeht.

SEITE 2 2 Produktionslücke Sicherheitsabstand Die Produktionslücke ( 5 Abs. 2 G 115; 2 Abs. 2 Art115V) gibt die Abweichung des Bruttoinlandsprodukts vom Produktionspotential, d. h. dem bei Normalauslastung der Produktionsfaktoren erreichbaren Bruttoinlandsprodukt, an. Das Produktionspotential und damit auch die Produktionslücke sind unbeobachtbare Größen, die mit Hilfe eines ökonometrischen Schätzansatzes ermittelt werden. Die Schätzung für die Schuldenbremse erfolgt in Übereinstimmung mit dem im Rahmen der Haushaltsüberwachung nach dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt angewandten Verfahren mit Hilfe einer gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion vom Typ Cobb-Douglas. Auf diesen Ansatz hat sich der Rat für Wirtschaft und Finanzen am 12. Juli 2002 und am 11. Mai 2004 als Referenzmethode verständigt 5. Über die Produktionsfunktion ergibt sich das Produktionspotential als Kombination aus den normal ausgelasteten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapitalstock, multipliziert mit dem Trend der totalen Faktorproduktivität als Maß für den technischen Fortschritt bei Normalauslastung. Im Hinblick auf unerwartete strukturelle Entwicklungen von Einnahmen und Ausgaben kann es sich als sinnvoll erweisen, in der Haushaltsplanung einen Sicherheitsabstand zum verfassungsrechtlich maximal zulässigen Defizit von 0,35 % des BIP bzw. der sich daraus ergebenden maximal zulässigen NKA vorzusehen. Denn wenn die verfassungsmäßig zugestandene NKA in der vorausgegangenen Finanzplanung bereits ausgeschöpft war, müssen im Fall unerwarteter Entwicklungen gegebenenfalls auch sehr kurzfristig für den Haushaltsentwurf und bis zur endgültigen Verabschiedung des Haushalts entsprechende Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen werden. Dies ist jedoch äußerst schwierig und nicht wünschenswert, da Korrekturmaßnahmen in Abschwungphasen notwendig werden können und dann prozyklisch wirken. Die Deutsche Bundesbank hat in diesem Kontext vorgeschlagen, in der Haushaltsaufstellung anstelle einer strukturellen NKA von 0,35 % des BIP einen strukturellen Überschuss anzustreben, um aus Schätzfehlern resultierende Zwänge zu prozyklischer Haushaltspolitik weitgehend auszuschließen. Dabei verweist sie auf Unsicherheiten insbesondere bei der Schätzung der Steuereinnahmen und des konjunkturell bedingten Anteils an der NKA. 5. Report on Methods of Evaluating Output Gaps, ECFIN/EPC/345/02; Havik, K.. u. a. (2014), The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates & Output Gaps, European Economy Economic Papers No 535.

K O MP END IUM ZUR SCHULD ENB REMSE D ES B UND ES SEITE 23 Sondervermögen Der bisherige Artikel 115 Abs. 2 GG ermöglichte Ausnahmen für Sondervermögen von Artikel 115 Abs. 1 GG, so dass mit diesen Sondervermögen Schattenhaushalte entstehen konnten, die eine eigene und letztlich keiner Beschränkung unterliegende Kreditermächtigung vorsahen. Der neue Artikel 115 GG enthält diesbezüglich keine Ausnahme mehr. Kreditermächtigungen für Sondervermögen des Bundes unterliegen ab 2011 zusammen mit der Kreditermächtigung des Kernhaushalts der maximal zulässigen NKA. Gemäß Artikel 143d Abs. 1 GG bleiben jedoch die am 31. Dezember 2010 bestehenden Kreditermächtigungen für bereits eingerichtete Sondervermögen unberührt. Sozialversicherung Der Bund trägt die politische Verantwortung für etwaige Defizite in den Haushalten der Sozialversicherung, ähnlich wie den Ländern aufgrund ihrer Verantwortung für die Kommunalaufsicht die Haushaltsdefizite der Gemeinden zugerechnet werden. Die einzelnen Zweige der Sozialversicherung unterliegen eigenen Fiskalregeln, die durch die Sozialgesetzgebung bestimmt sind, aber ebenfalls einen grundsätzlich ausgeglichenen Haushalt vorsehen: Ihre Ausgaben sollen grundsätzlich ohne die Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden, dauerhaften Defiziten wird somit vorgebeugt. Treten temporär Finanzierungsdefizite auf, können diese durch die Auflösung von Rücklagen oder über eine Anpassung der Beitragssätze bzw. durch Zuschüsse des Bundes finanziert werden. Die Finanzierungssalden der Sozialversicherung werden im gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo im Rahmen der europäischen Vorgaben berücksichtigt und unterliegen der gesamtstaatlichen Haushaltsüberwachung und -koordinierung durch den Stabilitätsrat. Bei Verfassungsregeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung im Rahmen der Haushaltsaufstellung ist es allerdings sowohl aus fachlichen als auch aus politischen Gründen geboten, sich auf den Haushalt des Bundes zu beschränken: - Die Einhaltung von strukturellen NKA- Vorgaben für die Aufstellung des Bundeshaushalts unter Berücksichtigung des Budgets der Sozialversicherung würde große Informationsanforderungen an die Aufstellung stellen und diese überlasten. - Die Bestimmung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos (Maastricht-Saldo) erfolgt im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts aus dem Rechenwerk der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), das sich neben der Haushaltsstatistik weiterer Quellen bedient. Die VGR dienen der Analyse der ökonomischen Beziehungen innerhalb einer Volkswirtschaft, sie sind aber kein Planungsinstrument. - Aus politischen Gründen kann vom Parlament nicht erwartet werden, dass es sich bei der Aufstellung des Bundeshaushalts reaktiv an die Entscheidungen der Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung anpasst. Damit die Schuldenbremse des Bundes praktikabel ist, muss sie sich auf die direkt durch den Bundestag zu entscheidenden Aspekte beschränken. Für den Haushalt der Sozialversicherung stellen die gesetzlichen Regeln bereits jetzt sicher, dass es hier nicht (dauerhaft) zu Inkonsistenzen und Fehlern im Sinne der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte kommen kann: Der Selbstregulierungseffekt der Beitragssatzanpassungen bei der Sozialversicherung wirkt auf einen annähernd strukturellen Ausgleich dieser Haushalte hin. Zusätzlich kann dieser Effekt als Regulativ möglicherweise besser und transparenter auf die Tragfähigkeit des Systems der Sozialen Sicherung hinwirken, als wenn der Haushalt der Sozialversicherung in den Bundeshaushalt einginge.

SEITE 2 4 Strukturkomponente Im Zeitraum der Übergangsregelung (2011-2015) wird die Strukturkomponente Die Strukturkomponente gibt die struktu ausgehend vom Startwert im Jahr 2010 in rell erlaubte NKA, d. h. die NKA bereinigt gleichmäßigen Schritten auf 0,35 % des BIP um den Saldo der finanziellen Transaktio nen und die konjunkturellen Effekte (Kon junkturkomponente), an. Das zur Bestimmung der zulässigen strukturellen NKA maßgebliche Bruttoin im Jahr 2016 zurückgeführt (Artikel 143d Abs. 1 GG; 9 G 115). Der Startwert, die strukturelle NKA des Jahres 2010, wurde zum Zeitpunkt des Regierungsentwurfs des Bundeshaushalts 2011, also im Sommer landsprodukt wird durch das Statistische 2010 bestimmt und war aufgrund des noch Bundesamt ermittelt. Zugrunde zu legen ist das nominale Bruttoinlandsprodukt des der Aufstellung des Haushalts vorangegangenen Jahres ( 4 G 115). Die Strukturkomponente wird jeweils für ein Haushaltsjahr endgül nicht abgeschlossenen Haushaltsjahres eine Schätzgröße: Die dem Abbaupfad zugrunde gelegte, erwartete strukturelle NKA des Jahres 2010 (53,2 Mrd. bzw. 2,2 % des BIP) ergab sich aus der zum damaligen Zeitpunkt tig zum Zeitpunkt der Verabschiedung des erwarteten Ist-NKA des Bundeshaushalts Haushalts bestimmt und gilt unverändert 2010 (65,2 Mrd. ) zuzüglich der Konjunk auch für die Abrechnung des Haushalts. Sie turkomponente (in 2010 negativ: -12,0 beläuft sich ab 2016 auf 0,35 % des BIP; das entspricht dann etwa 11 Mrd.. Mrd. ) und des geschätzten Ist-Saldos der finanziellen Transaktionen (0,03 Mrd. ), vgl. Abbildung 5. Für den Abbaupfad wurde ein linearer Verlauf unterstellt, so dass sich für die Übergangszeit der Jahre 2011 bis 2016 jährliche Abbauschritte von rd. 0,3 % des BIP ergaben. Abbildung 5: Berechnung der strukturellen Nettokreditaufnahme 2010, Mrd. Nettokreditaufnahme (Stand: Juni 2010) 65,2 zuzüglich Saldo der finanziellen Transaktionen 0 zuzüglich Konjunkturkomponente (Stand: Frühjahrsprojektion 2010) -12,0 Strukturelle Nettokreditaufnahme 53,2 Nominales BIP des der Haushaltsaufstellung vorangegangenen Jahres (Stand: Frühjahrsprojektion 2010) Strukturelle Nettokreditaufnahme 2010 in % des BIP als Ausgangswert für den Abbaupfad Jährliche Abbauschritte ab dem Jahr 2011 bei gleichmäßiger Aufteilung der Abbauverpflichtung bis zu einer zulässigen strukturellen Nettokreditaufnahme von max. 0,35 % des BIP im Jahr 2016 in % des BIP 2407,2 2,21 0,31 Rundungsdifferenzen möglich.