Stichpunkte Grußwort Fünf Jahre Leistungen für Bildung und Teilhabe Wirkungen und Nebenwirkungen. Eine kritische Bilanz

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Transkript:

1 Stichpunkte Grußwort Fünf Jahre Leistungen für Bildung und Teilhabe Wirkungen und Nebenwirkungen. Eine kritische Bilanz Anrede, vor wenigen Wochen wurde eine in der Öffentlichkeit viel beachtete Studie Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche. Erkenntnisse aus empirischen Studien in Deutschland (Laubenstein, Holz, Sedding 2016) von der Bertelsmann Stiftung vorgelegt. Diese Sekundärstudie wertete 59 empirische Studien über Kinderarmut in Deutschland aus. Die Auswertungen machen deutlich, dass arme Kinder häufig einen Mangel in der Versorgung mit existentiellen Gütern erleben: ungesunder und unzureichender Wohnraum, kein eigenes Zimmer, kein Rückzugsort für Schularbeiten, nicht regelmäßig eine warme Mahlzeit am Tag und auch ein geringer bis kein Verzehr von Obst und Gemüse gehören für viele zum Alltag. Dabei bringt dieser Mangel auch eine soziale Komponente mit sich, wenn z.b. das Einladen von Freunden nach Hause

2 wegen des knappen Wohnraums oder des Geldmangels unmöglich wird. Ein Teil der armen Kinder und Jugendlichen wächst daher in sozialer Isolation auf und ist von emotionalen und sozialen Problemen betroffen, die sich auch negativ auf Schulleistungen auswirken können. Insgesamt verfügen arme Kinder in Deutschland längst nicht über dieselben Bildungs- und Gesundheitschancen wie Gleichaltrige aus finanziell gesicherten Familien. Dabei wirken sich insbesondere andauernde Armutserfahrungen in Kindheit und Jugend negativ auf ihre Versorgungslage sowie ihre Bildungsund Teilhabe Chancen aus. Soweit die Feststellung aus dem Vorwort zur genannten Studie. Die Frage stellt sich auch wenn die verschiedenen untersuchten Studien vor oder zu Beginn der Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets datieren: Kann das Bildungs- und Teilhabepaket Abhilfe schaffen und einen Beitrag zur Verhinderung oder Reduzierung von Kinderarmut leisten? Die Fragen, ob und inwieweit das Bildungs- und Teilhabegesetz tatsächlich mehr Teilhabe eröffnet und dadurch zu mehr Teilhabe führt, wird politisch und fachpolitisch unterschiedlich beantwortet. Die Forschung beschäftigt

3 sich in den Jahren nach Einführung vor allem mit der Fragestellung, ob die Leistungsansprüche genutzt werden, also einem sehr engem Verständnis von Evaluation. Selbst diese Ergebnisse der verschiedenen Akzeptanzstudien sind dabei widersprüchlich. Studien, wie das BuT gesellschaftspolitisch im Sinne von mehr Teilhabe, oder individuell wirkt, liegen kaum vor und sind dann in ihrem Untersuchungsgegenstand sehr eng begrenzt. Inzwischen liegt allerdings der Schlussbericht der Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe vor (http://www.bmas.de/shareddocs/downloads/de/pdf- Meldungen/2016/evaluation-des-bildungspaketeslangbericht.pdf;jsess ). Auffallend ist aber die geringe Resonanz der Fachwelt zu dieser großen Evaluationsstudie. Über die Ergebnisse, deren Bewertung und Beurteilung sowie die Handlungsempfehlungen wurde bisher nur äußerst zurückhaltend reagiert. Sehr merkwürdig! Ich will nochmals erinnern, wie alles anfing: Oktober 2009: Verfahren zu den Regelleistungen im SGB II vor dem Bundesverfassungsgericht beginnt

4 Geklagt hatten Eltern, die als Bedarfsgemeinschaft ALG II beziehen und den Regelsatz als zu gering empfanden. 09. Februar 2010: Entscheidung Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, erfüllen nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Aus dem Urteil: Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. (RZ 137)... umfasst grundsätzlich auch alle existentiellen Bedarfslagen von Kindern,... insbesondere den durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen entstehenden Bedarf,... kinderspezifischer existentieller Bedarfslagen... (RZ 149) Ein zusätzlicher Bedarf ist vor allem bei schulpflichtigen Kindern zu erwarten...ohne Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen,(...)

5 ohne hinreichende staatliche Leistungen (werden) ihre Möglichkeiten eingeschränkt (...), später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können. (RZ 192) Oktober 2010: Das Bundeskabinett beschließt den Gesetzentwurf zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des II. und XII. Sozialgesetzbuchs 01. April 2011: Das Regelbedarfsermittlungsgesetz tritt rückwirkend ab 01.01.2011 in Kraft In Nürnberg nimmt das Dienstleistungszentrum Bildung und Teilhabe die Arbeit auf. Auf die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabegesetzes in Nürnberg wird am heutigen Tag an anderer Stelle eingegangen. Fünf Jahre Bildung und Teilhabe ist ein guter Zeitpunkt Bilanz zu ziehen Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, zum menschlichen Existenzminimum gehört auch die Sicherung der Möglichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen und (ein) Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben und

6 Ziel ist wie Lenze im Kommentar zum SGB II schreibt - die Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Bildung (zu) ermöglichen und für die Beendigung gesellschaftlicher Exklusionsprozesse (zu) sorgen (Lenze, Kommentar zum SGB II). Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, bilanziert angesichts der anhaltenden Kinderarmut (2,7 Millionen Kindern mit staatlichen Leistungen): sie wachsen in Armut auf, mit erheblichen Auswirkungen auf ihre Lebenschancen. Daran hat das Bildungs- und Teilhabepaket nichts geändert. Und Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des DPWV resümiert: Das Bildungs- und Teilhabepaket ist ein bürokratischer Murks und geht an der Lebensrealität Heranwachsender ebenso vorbei wie an Strukturen vor Ort. Ich schließe mich diesen beiden Einschätzungen dem Grunde nach an! Das BuT-Gesetz ist und bleibt das Bürokratiemonster, als das ich es schon immer bezeichnet habe, es ist teilweise ein Fake, mit bester PR verkauft, weil ein Teil der Leistungstatbestände z.b. Schulbedarfe, Klassenfahrten schon vorher

7 gewährt wurden und andere Schülerbeförderung (durch die Bundesländer, wenngleich unterschiedlich) bereits geregelt waren, weil vielfach Leistungen wie Mittagessen und sportliche und kulturelle Teilhabe auf kommunaler Ebene mit Unterstützung der Zivilgesellschaft bereits erbracht wurden, weil es von falschen Annahmen ausgeht, z.b. dass Kindern in Schulen die Möglichkeit zum Mittagessen tatsächlich ermöglicht wird, weil die finanzielle Ausstattung z.b. beim Schulbedarf oder Teilhabe im Sportverein oder bei musisch-kultureller Teilhabe viel zu niedrig und völlig an der Alltagsrealität vorbeigeht, weil nicht einmal die Mittel, die ursprünglich einplant waren, genutzt werden (können): Bundesweit: 531 Mio. Euro verausgabte Mittel (2014), statt geplant 720 Mio. Euro (2011); davon: 136 Mio. Euro Verwaltungskosten plus die Kosten der Leistungsanbieter, Schulen, Kitas etc. = 182 Mio. Euro; Gesamtaufwendungen Stadt Nürnberg: 6,6 Mio. Euro, davon Leistungen 5,4

8 Mio. Euro, Bürokratiekosten Stadt 1,3 Mio. Euro plus Aufwand Nutzer, weil es wahrscheinlich die ineffizienteste und damit teuerste Sozialleistung im Verhältnis von Bürokratieaufwand zum tatsächlichen Leistungsumfang ist und weil kein Infrastrukturimpuls zur Verbesserung der Angebotslandschaft ausgeht und nicht der Bedarf das Angebot, sondern das vorhandene Angebot den Bedarf bestimmt. Tasja Prölß hat in ihrer Masterarbeit Mehr Teilhabe schaffen? Die Auswirkungen der Bildungs- und Teilhabegutscheine auf das Sozialkapital. Eine Untersuchung von Jugendlichen noch auf einen weiteren Aspekt hingewiesen, den sie als verlagerte Ausgrenzung bezeichnete. Ausflüge, Fahrten und soziale Teilhabe verlagern die Ausgrenzung auf Familien knapp über der Leistungsgrenze. Dies trägt zu einer Entsolidarisierung innerhalb der Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen bei. Sie schlägt stattdessen eine Anbieterfinanzierung statt eine Nutzerfinanzierung vor, also Investition und bessere Ausstattung der Infrastruktur, Budgets in Kitas und

9 Schulen für Aktivitäten, Ausflüge und Fahrten, Verbesserung der institutionellen Kultur- und Sportförderung, verbunden mit dem Auftrag, Teilhabe zu ermöglichen und nachzuweisen und Kinder- und Jugendarbeit zu sichern und auszubauen. Im Sinne positiver Diskriminierung sind die Einrichtungen und Dienste in den Sozialräumen besser auszubauen, wo Unterstützungs- und Förderbedarfe höher sind. Die einzelnen Kinder, Jugendlichen und ihre Familien würden dadurch auch nicht stigmatisiert Auffallend ist, dass sechs der sieben Leistungen des BuT-Pakets auf die Schule bezogen sind (teilweise auch auf die Kita)! Der Zusammenhang von Schulerfolg, Teilhabe an Aktivität und Sozialkapital wird auch in der Schülerbefragung von Tasja Prölß evident. Die Konsequenz muss sein: Vom Misserfolg zum Schulerfolg, von der Misserfolgsschule zur Erfolgsschule Ressourcen und Potentiale stärken (Kultur, Kunst, Sport), zu einer verbindlichen, echten Ganztagesschule als Regelschule. Keine verlängerte Halbtagsschule wie sie ist! Keine Abhängigkeit von Hausaufgaben, Unterstützung durch Eltern oder Nachhilfe.

10 Dies kann aber nicht Aufgaben einer Sozialleistung sein, sondern muss Aufgabe und Selbstverständnis von Schule sein. Aus dem Grund bin ich auch immer sehr skeptisch, wenn eine Verbesserung der Lernförderung gefordert wird. Allerdings zeigt sich z.b. in unserem Projekt Perspektiven für Familien, dass eine breiter angelegte Lernförderung bei dieser Zielgruppe von Kindern durchaus zu mehr Schulerfolg und damit mehr Teilhabe führen kann. Die verschiedenen Akzeptanzstudien zeigen unterschiedliche Ergebnisse über den Grad der Informiertheit und Nutzung der Leistungen des BuT- Pakets. Darauf wird sich am heutigen Tag noch näher eingegangen werden. Betrachtet man die Zahlen ist man in dem Dilemma von halb vollen oder halb leeren Glas zu sprechen. Ich will darüber nicht streiten, weil zwei Feststellungen traurige Wahrheit sind. Erstens: Der Gesetzgeber hat(te) offensichtlich kein allzu ausgeprägtes Interesse an genauen Aussagen über die Inanspruchnahme, denn hätte er es, wäre das durch die Einführungen einer einheitlichen gesetzlichen Statistik auf klar definierter Basis machbar gewesen. Zweitens: Eine nicht unerhebliche Anzahl von jungen Menschen

11 erreicht das But-Paket nicht oder nur sehr rudimentär und wahrscheinlich sind es vor allem diejenigen, deren Unterstützungs- und Förderbedarf mit am größten ist. Die vordergründigen Erklärungen finden sich in den diversen Studien: unzureichender Informationsgrad, fehlendes Angebot der Leistungen, aufwendige Administrierung der Leistungsgewährung etc. Ich glaube aber, dass es eine bedeutsame Gruppe gibt, die nicht willens oder in der Lage ist, diese Leistung in Anspruch zu nehmen, die sich aus dieser Gesellschaft schon verabschiedet hat und nicht mitbekommt, was machbar wäre oder dies nicht wollen. Offensichtlich greifen auch hier Mechanismen sozialer und kultureller Distinktion. Und darüber müssen wir nachdenken! Ich befürchte auch, dass wir diesen Teil der Bevölkerung ich scheue mich, ihn pauschal als Prekariat zu umschreiben auch mit unseren sozialwissenschaftlichen Forschungsansätzen und -instrumenten nicht oder nur sehr ungenügend erfassen, was das Verstehen dieser Menschen verschließt und die Ergebnisse verzerrt, weil wir ihre Einstellungen und ihr Handeln nicht verstehen und nachvollziehen können.

12 Mein Fazit, und darüber werden wir heute noch diskutieren: Wir befinden uns in einem pragmatischen Dilemma Verbesserung und Optimierung des BuT- Pakets oder dessen Abschaffung? Eine wahrlich vertrackte Dialektik, denn das BuT-Paket leistet keinen nennenswerten Beitrag gegen Kinderarmut, zusätzliche Teilhabe und mehr Bildungschancen gelingt nur für Wenige es hat kaum Auswirkungen auf Sozialkapital, es entsteht ein unangemessenes Kosten- Leistungs-Verhältnis, aber es führt zu einer gewissen Entlastung des Familieneinkommens, ermöglicht begrenzte Teilhabe im Rahmen von Kita und Schule, und führt nachweislich zu einer hohen Zufriedenheit bei den Nutzern Bildungsgerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe funktionieren aber anders! Kinder- und Jugendarmut werden mit dem BuT weder verhindert oder verringert. Deshalb bedarf es anderer sozialpolitische Strategien

13 und Instrumente. Und auch darüber werden wir heute noch zu diskutieren haben. Meine Aufgabe bestand mit dem Grußwort auch darin neugierig zu machen und etwas zu provozieren. Ich hoffe, es ist gelungen. Schön, dass Sie alle da sind und ich wünsche uns allen einen erkenntnisreichen, spannenden und kritischen Diskurs.