Curriculum Psychotraumatologie

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Transkript:

Curriculum Psychotraumatologie 1. Auflage Berlin, April 2014 Herausgeber: Bundesärztekammer Texte und Materialien der Bundesärztekammer zur Fortbildung und Weiterbildung

Curriculum Psychotraumatologie Die in diesem Werk verwandten Personen- und Berufsbezeichnungen sind, auch wenn sie nur in einer Form auftreten, gleichwertig auf beide Geschlechter bezogen. Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Bundesärztekammer Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern

Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen... 4 2. Ziel, Aufbau und Durchführung... 6 3. Dauer und Gliederung... 7 4. Inhalte und Stundenverteilung... 8 3

1. Vorbemerkungen Menschsein bedeutet immer auch das Risiko gewaltsamen Erlebnissen ausgesetzt zu sein. Menschen können sich erholen, aber auch an Körper und Seele verletzt sein und teils Jahre und Jahrzehnte unter den Folgen leiden. Welche Auswirkungen haben Gewalterfahrungen, Unfälle oder Katastrophen auf einen Menschen? Was hilft Menschen Gewaltfolgen zu bewältigen? Was ist hilfreich für die ärztliche Behandlung? Wie können Retraumatisierungen verhindert werden? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist Gegenstand des Fachgebietes der Psychotraumatologie. Psychotraumatologische Kenntnisse sind Grundlage für die qualifizierte Versorgung von Patienten mit Traumafolgestörungen. Traumatische Erfahrungen sind geprägt durch das Erleben von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Todesangst und haben eine Erschütterung des Selbst- und Welterlebens zur Folge. Gewalterfahrungen von Menschen durch andere Menschen sind in besonderem Maße für Traumafolgen verantwortlich. Die Erkenntnisse aus der Erforschung der somatisch-psychischen Seite traumatischer Erfahrungen zeigen, dass eine spezielle Versorgung dieser Patienten notwendig ist. Von zentraler Bedeutung ist eine ärztliche Haltung und Gesprächsführung, die in besonderem Maße durch Transparenz, Respekt und Informed Consent gekennzeichnet ist. Bei den vielfältig bewährten und wirkungsvollen Methoden zur Behandlung haben sich Grundsätze bewährt, die die Resilienz der Patientinnen in den Mittelpunkt stellen und die Möglichkeit anstreben, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. 4

Das vorliegende Curriculum ist in Zusammenarbeit mit folgenden Experten erarbeitet worden: Frau Dr. Ulla Baurhenn Herr Dr. Karl-Heinz Biesold Fachärztin Psychosomatische Medizin und Psychotherapie; Allgemeinmedizin, Bremen; Leitung des Bremer Institutes für Psychotraumatologie Facharzt für Psychiatrie / Psychotherapie, Hamburg; 2. Vorsitzender des Norddeutschen Zentrums für Psychotraumatologie e.v. Frau Dipl.-Ing. Karin Brösicke Referentin, Bundesärztekammer, Dezernat 1 Fortbildung, Prävention und Bevölkerungsmedizin Frau Dr. Susanne Hepe Leiterin der Abteilung für Fort- und Weiterbildung der Ärztekammer Bremen Frau Dr. Annemarie Jungbluth Geschäftsführung Fortbildungsakademie / Qualitätssicherung der Ärztekammer Hamburg Frau Dr. Justina Rozeboom Dezernentin, Bundesärztekammer, Dezernat 1 Fortbildung, Prävention und Bevölkerungsmedizin Herr PD Dr. Ingo Schäfer Frau Dipl.-Psych. Rahel Schüepp Facharzt für Psychiatrie / Psychotherapie, Hamburg; Vorstandsmitglied der DeGPT und des NSF Psychologische Psychotherapeutin, Osterholz- Scharmbeck, Leitung des Bremer Institutes für Psychotraumatologie 5

2. Ziel, Aufbau und Durchführung Das Curriculum Psychotraumatologie der Bundesärztekammer wendet sich an alle Ärzte und Ärztinnen, die Interesse haben, Ihre Kenntnisse in der Psychotraumatologie zu erweitern. Ziel ist es, Ärzten diagnostische Kenntnisse und vertiefte Kompetenzen im Umgang mit traumatisierten Patienten zu vermitteln. Fertigkeiten in Ansprache und Gesprächsführung sowie in adäquater Betreuung sollen erweitert und verbessert, die eigene Haltung im Rahmen dieser speziellen ärztlichen Fürsorge gefestigt werden. Das Curriculum befähigt darüber hinaus zur Indikationsstellung für spezifische Behandlungsmöglichkeiten bei Traumastörungen. Das Curriculum orientiert sich an den Empfehlungen der Fachgesellschaften der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) und der Fachgesellschaft EMDRIA Deutschland. Es umfasst 40 Stunden und basiert inhaltlich auf den Modulen 1 bis 3 des Curriculum Spezielle Psychotraumatherapie der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT). Über die Teilnahme wird eine Bescheinigung erteilt. Der Kurs muss im Vorfeld von der zuständigen Landesärztekammer geprüft und anerkannt sein. Zuständig ist die Landesärztekammer, in deren Bereich der Fortbildungskurs stattfindet. Das Curriculum Psychotraumatologie der Bundesärztekammer wird angerechnet, wenn eine weitere Qualifizierung nach dem Curriculum der DeGPT durchlaufen werden soll. (Anm. Diese weiterführende Qualifikation kann nur von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten absolviert werden.) 6

3. Dauer und Gliederung Curriculum Psychotraumatologie 40h Modul I Theoretische Grundlagen 10h Modul II Modul III Diagnostik und Differenzialdiagnostik von Traumafolgestörungen Grundlagen der Traumatherapie Möglichkeiten der Stabilisierung im Rahmen einer phasenorientierten Behandlung 10h 20h h = 45 Min. 7

4. Inhalte und Stundenverteilung Modul I Theoretische Grundlagen (10h) Geschichte der Psychotraumatologie, Neurobiologie, Besonderheiten des Traumagedächtnisses, Störungsmodelle, diagnostische Modelle (ICD-11, DSM-5) und Behandlungsmodelle. Überblick über den aktuellen Stand der Psychotherapieforschung im Bereich Trauma (Metaanalysen etc.). Epidemiologie von Traumatisierungen, Traumafolgestörungen und häufigen komorbiden Störungsbildern Überblick zu traumaspezifischen Behandlungsverfahren Psychopharmakotherapie von Traumafolgestörungen Besonderheiten bei Menschen mit spezifischen Traumatisierungen (z.b. sexuelle Gewalt, Migrationsprobleme, Folter, militärische Einsätze); juristische Grundkenntnisse (z.b. Opferschutz-Gesetze, Gewaltschutzgesetze); Grundlagen des Heilverfahren der Berufsgenossenschaften/Unfallversicherungen Verhinderung erneuter Viktimisierung Besonderheiten der spezifischen Traumatisierung in Akutsituationen, Erstkontakt Spezifika anderer traumatischer Folgen, z.b. Traumafolgestörungen nach medizinischer Behandlung Möglichkeiten kontinuierlicher Fortbildung (Leitlinien, Fachgesellschaften, Fachzeitschriften) 8

Modul II Diagnostik und Differenzialdiagnostik von Traumafolgestörungen (10h) Durchführung von Erstgesprächen und Psychoedukation bei traumatisierten Patienten. Grundlagen der Diagnostik mit Checklisten, Fragebogenscreening und diagnostischen Interviews Differentialdiagnostik der Traumafolgestörungen (jeweils mit Diagnosekriterien, Überblick zu Screeninginstrumenten und Interviewdiagnostik) Detailliert behandelt werden sollen: - Diagnostik akuter Belastungsreaktionen - Diagnostik der posttraumatischen Belastungsstörung - Diagnostik der komplizierten Trauer - Diagnostik komplexer Traumafolgestörungen einschließlich Dissoziativer Störungen 9

Modul III Grundlagen der Traumatherapie Möglichkeiten der Stabilisierung im Rahmen der phasenorientierten Behandlung Möglichkeiten zur Unterstützung natürlicher Verarbeitungsprozesse Reflexion der Besonderheiten der Arzt-Patientenbeziehung (Transparenz, Selbstbestimmung, Respekt und Würde) Förderung von Affektregulation, Selbst-Beruhigungsfähigkeit sowie Interventionen zur Re-Orientierung und Unterbrechung intrusiver Symptome durch Distanzierung Förderung sozialer Kompetenzen sowie intra- und interpersonellen Fähigkeiten und Ressourcen. Ressourcen- und Lösungsorientierung Hierzu sollen eingeübt werden: Kognitive Techniken (z.b. Explorieren und Verändern dysfunktionaler Kognitionen) Hypnotherapeutisch-imaginative Ansätze zur Distanzierung und Ressourcenaktivierung (z.b. Imaginative Anregungen aus der psychodynamischen Traumatherapie) Gezielte Förderung der Fähigkeit zur Affektmodulation und Affektkontrolle Interventionen bei selbstschädigendem Verhalten (z.b. achtsamkeitsbasierte Übungen, Skillstraining). Erstellen von Notfallplänen ( Notfallkoffer ) und Ressourcenlisten. Darstellung der Möglichkeiten spezieller traumatherapeutischer Methoden (Kognitive und behaviorale Verhaltenstherapie, EMDR, Psychodynamisch imaginative Verfahren u.a.) 10