Hintergrundinformationen Metallzeiten, 2200 15 v. Chr. Attos Kinder Die Geschichte basiert auf dem Befund eines Urnengrabes, das 1989 im Areal Alte Brauerei in Reinach entdeckt wurde. Keramikgefässe und Beigaben datieren das Grab in die beginnende Spätbronzezeit (1350 1200 v. Chr.). Im näheren und weiteren Umfeld fanden sich weitere bronzezeitliche Brandgräber. Sie weisen auf einen ausgedehnten, aber nicht sehr dicht belegten Bestattungsplatz hin. Die zugehörige Siedlung ist noch nicht entdeckt, könnte sich aufgrund von vereinzelten Lesefunden und Analogien in anderen Regionen etwas mehr am Talrand befunden haben. Über die rituellen Handlungen anlässlich von Todesfällen in der Bronzezeit wissen wir so gut wie gar nichts. Die schamanenartige Szene ist deshalb jüngeren ethnografischen Quellen nachempfunden. Das G r a b Die Grab bestand aus einer Urne von beachtlicher Grösse (Höhe 44 cm, maximaler Durchmesser 38 cm). Sie war in eine Grube gesetzt worden, die im unteren Bereich exakt die Form der Urne besass. Im Innern der Urne sind über Resten des Leichenbrandes ein Schälchen, ein Töpfchen und ein Schüsselchen deponiert worden, zusammen mit zerschmolzenen bronzenen Trachtbestandteilen: zwei Nadeln mit eingerolltem Ende, eine grosse Nadel mit Zierkopf («Mohnkopfnadel»), ein Armring, ein Messer sowie ein nicht mehr identifizierbares Bronzeobjekt. Sie beweisen, dass die Kinder mit ihren Kleidern dem Feuer anvertraut wurden. Die kleine Schüssel war als einzige umgekehrt beigegeben worden, vielleicht zum Schutz einer Speisebeigabe, denn darunter fanden sich Knochen eines kleinen Nagetiers, am ehesten einer Waldwühlmaus. Nicht die Maus war wohl die Beigabe, sondern Beeren, Nüsse oder Getreidekörner, die danach die Neugier des unglücklichen Tieres auf sich zogen. Amtshausgasse 7 Postfach 4410 Liestal Telefon 061 925 50 88 Fax 061 925 69 60 archaeologie@bl.ch www.archaeologie.bl.ch Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion Kanton Basel-Landschaft Archäologie und Museum
Die be iden Kinder (und e in dri t tes?) In der Urne sind zwei Kinder von 8 9 und 11 12 Jahren bestattet worden, wie die Analyse des Leichenbrandes zeigte. Eine Besonderheit ist die schaufelförmige Ausformung der oberen Schneidezähne, die beiden Kindern eigen ist. Sie weist darauf hin, dass die beiden höchstwahrscheinlich blutsverwandt waren. Geringe, leider nicht klar identifizierbare Knochenreste könnten die Präsenz eines dritten, noch jüngeren Kleinkindes anzeigen. Ihre Kleidung Brandgräber sind ungeeignet, wenn es darum geht, Kleider zu rekonstruieren. Mehr Informationen liefern Körpergräber. Es gibt etliche bronzezeitliche Körpergräber, in denen unvergängliche Teile der Kleidung genau in der Lage erhalten geblieben sind, in der die Verstorbenen sie zu Lebzeiten getragen haben. In erster Linie handelt es sich dabei um Nadeln, mit denen die Textilien zusammengehalten wurden. Fast regelhaft wird dabei je eine grössere Nadel an jeder Schulter gefunden. Dies ist ein Hinweis auf die so genannte Peplos-Tracht. Der Peplos ist sehr einfach bzw. gar nicht geschnitten. Er besteht im Prinzip aus einem «Stoffschlauch», gebildet aus zwei seitlich vernähten Stoffbahnen, den man über den Kopf zieht und dann an den Schultern verschliesst. Dazu benötigte man in der Bronzezeit die beiden Nadeln (später sind es dann Fibeln, d.h. eine Art Sicherheitsnadeln). Der im antiken Griechenland weit verbreitete Peplos ist dort auf zahlreichen Vasenmalereien abgebildet. Dort zeigt sich, dass zusätzlich ein Gurt zu Hilfe genommen wird, um das Kleid zu drapieren und gegebenenfalls in der Länge anzupassen. In ganz seltenen Fällen sind kleine «Hütchen» aus Knochen (und wahrscheinlich häufiger aus Holz) erhalten, die man zum Schutz oben auf die Nadelspitzen steckte. Jüngere archäologische Beispiele (und ethnografische Parallelen) zeigen, dass Kinder oft erst beim Übertritt ins «Erwachsenenalter» (der schon sehr früh erfolgen kann) auch eine vollwertige Kleidung erhalten. Die grosse und kostbare «Mohnkopfnadel» die zweite ist im Feuer wohl verloren gegangen ist demnach ein Hinweis darauf, dass das ältere Kind, demnach ein Mädchen, bereits das Erwachsenenalter erreicht hat oder für sie zumindest bereits eine Erwachsenentracht bereits lag. 2
Bronzezeitliche Textilien sind zwar aus nordeuropäischen Moorfunden bekannt; in unserer Region sind aber nur gerade ein paar Stofffetzchen aus Ufersiedlungen der Mittellandseen bekannt. An diesen lassen sich zum Teil noch Farben nachweisen (blau, rot, lila und gelb). Die Musterung der Stoffe hingegen ist weitgehend frei erfunden. Immerhin ist die Technik des Broschierens bezeugt, bei der während des Webens eine zusätzliche, musterbildende Schnur eingezogen wird. Und der geometrische Stil des Dekors ist für die Epoche allgemein gut bezeigt, etwa auf Keramik oder auf Bronzeobjekten. Und schon auf den berühmten Steinstelen von Sion «Petit Chasseur» im Wallis, die noch in die ausgehende Jungsteinzeit datieren, sind Kleider mit geometrischer Musterung angedeutet. Die Bernsteinpe rlen Bemerkenswert sind vier sorgfältig zugeschliffene und durchbohrte Bernsteinperlen: Sie sind unverbrannt, also nicht auf den Scheiterhaufen gegeben, sondern erst anlässlich der Bestattungszeremonie in die kleine Schale gelegt worden. Denkbar wäre auch, dass sie auf einem Kleidungsstück aufgenäht waren, das später vollständig vergangen ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass der kostbare Bernstein schon in den Augen der urgeschichtlichen Menschen apotropäische, Unheil abwehrende Eigenschaften besass. Chemische Analysen zeigen, dass es sich bei den vier Perlen um baltischen Bernstein handelt. Bernsteinhandel ist neben dem Metallhandel eine weitere Neuerung der Bronzezeit. Der Rabenvogel Neben den menschlichen Resten lagen im Brandschutt auch einige verbrannte Tierknochen. Zum einen handelt es sich um die Röhrenknochen eines amsel- bis rabengrossen Vogels, zum andern um kleinste Knochenfragmente eines Tieres in der Grösse eines Hasen. Natürlich könnte es sich dabei um Speisebeigaben gehandelt haben, die man ins Feuer warf. Der Vogel wäre allerdings eine eher ungewöhnliche Speise, zumal erlegtes Wild in der spätbronzezeitlichen Ernährung im Vergleich zur Jungsteinzeit nur noch eine bescheidene Rolle spielte. Wir haben für unsere Geschichte deshalb die Idee bevorzugt, dass es sich dabei darunter um gezähmte Tiere der beiden Kinder gehandelt haben könnte. Da nur der Rabenvogel von den Resten her einigermassen identifizierbar war, kam nur dieses Tier im Bild von Benoît Clarys zum Zuge. 3
Die Seuche In der Urne, die Atto auf den Friedhof hinaus trug, lagen die sterblichen Reste von zwei Kindern und vielleicht sogar einem weiteren Kleinkind. Darüber hinaus befand sich unmittelbar neben dem Urnengrab eine zweite, ziemlich sicher gleichzeitig angelegte Bestattung eines weiteren, 5jährigen Kindes. All diese Indizien sprechen für eine Epidemie, der innerhalb eines kurzen Zeitraums offenbar vor allem Kinder zum Opfer gefallen sind. In Anlehnung etwa an die Erfahrungen, welche die Ureinwohner Amerikas bei der Ankunft der Europäer gemacht haben, ist wohl auch in der Bronzezeit davon auszugehen, dass die verstärkte Mobilität, hervorgerufen durch den Handel von wertvollen Metallen (und anderen Gütern wie z.b. von Bernsteinen) zu einem erhöhten Gesundheitsrisiko führte. Krankheitserreger dürften so in neue Gegenden gelangt sein, in denen die Menschen noch über keine Antikörper verfügten. 4
Ausstellungstext Metallzeiten, 2200 15 v. Chr. Bronzezeit Noch in der Jungsteinzeit taucht ein neuer, revolutionärer Werkstoff auf: das Kupfer. Erstmals ist es möglich, leichte und präzise formbare Gegenstände herzustellen. Nach und nach lernen die Menschen, die Eigenschaften des Metalls durch Legierungen zu verändern. Unter der Zugabe von Zinn entsteht die wesentlich härtere Bronze. Gesellschaft Die Erfindung der Bronze läutet eine neue Epoche ein. Der Werkstoff ermöglicht nicht nur neuartige Geräte wie Messer, Dolche, Beile und Schmuck. In der Bronzezeit finden auch bedeutende gesellschaftliche Umwälzungen statt. Kupfer und vor allem Zinn müssen von weither beschafft werden. Weiträumige kulturelle Kontakte entstehen. Der Zugang zu den Rohstoffen, aber auch Handel und technologisches Wissen machen einige reich und mächtig. Die Handelswege müssen gesichert werden, den Reichtum gilt es zu verteidigen. Es ist daher eine Zeit, in der Siedlungen zusätzlich geschützt und Berghöhen befestigt werden. Neue Waffen Schwerter, Schilde, Helme zeugen von kriegerischen Zeiten. E isenzeit Um 800 v. Chr. gewinnt mit dem Eisen ein weiterer Werkstoff an Bedeutung: Die ältere Eisenzeit (Hallstattzeit) beginnt. Eisen hat gegenüber der Bronze zwei gewichtige Vorteile: Es ist härter und elastischer und das dafür nötige Eisenerz ist viel weiter verbreitet. Auch im Jura kann man Eisen gewinnen. Die Menschen beginnen, Werkzeuge, Waffen und Schmuck aus dem neuen Material herzustellen. Kelten Um 450 v. Chr. entsteht nördlich der Alpen ein Kulturraum, der weite Teile Mitteleuropas umfasst (Latènezeit). Träger dieser Kultur sind die Kelten. Sie entwickeln einen eigenen Kunststil und prägen bald eigene Münzen nach italischgriechischem Vorbild. Die Sitte der Brandbestattung wird aufgegeben, einfache Erdgräber lösen die alten Grabhügel ab. Erste stadtartige Siedlungen (Oppida) entstehen, etwa in Basel und vermutlich auf der Sissacher Fluh. Noch heute tragen einige Orte keltische Namen: Magden (Magidunum), Olten (Olodunum), Solothurn (Salodurum)... 5
Caesar Die Druiden bewahren das Wissen der Kelten nur mündlich. Unsere Kenntnisse über ihre Kultur stammen von der Archäologie oder von griechischen und römischen Schriftstellern. Sehr wichtig sind die Informationen Gaius Julius Caesars, der 58 v. Chr. beginnt, Gallien zu erobern. Erstmals werden einzelne Persönlichkeiten bekannt, etwa die Helvetierfürsten Divico und Orgetorix. Die Helvetier siedeln im Mittelland, die Rauriker an Ober- und Hochrhein. 44 v. Chr. gründet Lucius Munatius Plancus, ein Weggefährte Caesars, die Koloniestadt Augusta Raurica. Die keltische Oberschicht orientiert sich mehr und mehr am römischen Lebensstil. 6