Falldarstellung zur praktischen Diplomprüfung. Fachbereich Orthopädie. [aus Datenschutzgründen entfernt]



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Transkript:

Falldarstellung zur praktischen Diplomprüfung Fachbereich Orthopädie [aus Datenschutzgründen entfernt] Markus Kraxner [aus Datenschutzgründen entfernt]

Falldarstellung zur praktischen Fachbereich Diplomprüfung im Fachbereich Orthopädie Inhalt Allgemeiner Hinweis... 1 1 Angaben zur Person... 1 2 Diagnosen... 1 2.1 Diagnosencodierungen nach ICD 10... 1 2.2 Diagnosenbeschreibung in der Krankengeschichte... 1 2.3 Erläuterungen zu den Diagnosen... 2 2.3.1 Luxation (Phalangen)... 2 2.3.2 Ruptur (Sehnen)... 3 2.3.3 Fissur (Ossium)... 3 3 Allgemeines Krankheitsbild... 4 3.1 Sehnenverletzungen... 4 3.1.1 Zoneneinteilung von Strecksehnenverletzungen... 4 3.1.2 Heilung von Sehnenverletzungen... 6 3.1.3 Narbenbildung... 6 3.1.4 Therapie... 7 3.2 Luxationen... 8 3.2.1 Verletzungsgrade... 8 3.2.2 Therapieansätze... 8 3.2.3 Spezielle Problematik von Luxationen... 9 3.3 Zusammenfassung des Krankheitsverlaufes... 10 4 Anamnese... 11 4.1 Krankheitsanamnese... 11 4.2 Arbeitsanamnese... 12 4.3 Sozialanamnese... 12 5 Therapeutische Maßnahmen... 13 5.1 Medizinische Maßnahmen/Medikation... 13 5.2 Physiotherapie... 13 6 Ergotherapeutischer Befund... 14 6.1 Einleitung... 14 6.2 Äußeres Erscheinungsbild... 14 6.3 Motorischer Bereich... 14 I

6.3.1 Inspektion... 14 6.3.2 Palpation... 15 6.3.3 Schmerz... 16 6.3.4 Bewegungsausmaß aktiv... 16 6.3.5 Feinmotorik... 17 6.3.6 Kraft... 18 II 6.3.7 Sensibilität... 18 6.3.8 Funktionelle Tests... 19 6.3.9 DASH-Score... 19 6.3.10 Klinische Beobachtungen... 19 6.4 Kognitiver/Emotionaler Bereich... 20 6.5 Sozialer Bereich... 20 6.6 Zusammenfassung... 20 7 Behandlungsplan... 21 7.1 Übergeordnetes Behandlungsziel... 21 7.2 Grobziele... 21 7.2.1 Grobziel I... 21 7.2.2 Grobziel II... 21 7.3 Ergotherapeutische Maßnahmen... 22 7.4 Aufbau der ergotherapeutischen Behandlung... 22 7.4.1 Feinziele... 22 8 Behandlungsdurchführung... 25 9 Beschreibung der geplanten Maßnahmen zur praktischen Diplomprüfung... 27 9.1 Organisation... 27 9.2 Maßnahmen... 27 9.3 Ziele... 27 9.4 Vorbereitung... 28 10 Literaturverzeichnis... 29 11 Abbildungsverzeichnis... 30 12 Anhang... 31 12.1 DASH-Score Auswertungsbogen... 32

Allgemeiner Hinweis Alle Angaben in dieser Falldarstellung stammen entweder aus der Krankengeschichte (OP- Berichten, Röntgenbefunden, ) des Patienten, oder wurden in Gesprächen mit dem Patienten vom Verfasser erhoben. Der ergotherapeutischen Befund und die Therapie- und Maßnahmenplanung wurden vom Verfasser eigenständig durchgeführt. 1 1 Angaben zur Person Herr X. ist 45 Jahre alt, 178cm groß und 71kg schwer, er lebt mit seiner Lebensgefährtin [aus Datenschutzgründen entfernt] und hat keine Kinder. 2 Diagnosen 2.1 Diagnosencodierungen nach ICD 10 S63.1 Luxation eines Fingers (ICD 10 2004 Online, 2009) T14.6 Verletzung von Muskeln und Sehnen an einer nicht näher bezeichneten Körperregion (ICD 10 2004 Online, 2009) S63.1 Luxation eines Fingers (ICD 10 2004 Online, 2009) S62.6 Fraktur eines sonstigen Fingers (ICD 10 2004 Online, 2009) 2.2 Diagnosenbeschreibung in der Krankengeschichte Luxatio aperta artic. PIP dig. III man. dext. c. discissio AV V laesio nervi dig. V Rupt. subcutanea tend. extens. artic. DIP dig. III man. dext. Luxatio artic. PIP dig IV man. dext. Fissura phal. prox. dig. II man. dext.

2.3 Erläuterungen zu den Diagnosen In diesem Abschnitt werden zum besseren Verständnis die einzelnen Komponenten der Diagnosen kurz erläutert. 2.3.1 Luxation (Phalangen) 2 2.3.1.1 Definition Luxation im proximalen od. distalen Interphalangealgelenk (selten im Grundgelenk), evtl. mit Verletzung von Kollateralbändern u. beugeseitiger Fibrocartilago (bindegewebige palmare Platte am Fingergelenk) (Vgl. Pschyrembel, 2007) 2.3.1.2 Klinik Schwellung Schmerz Fehlstellung auch nach Reposition oft lang persistierende Kapselschwellung (Vgl. Pschyrembel, 2007) 2.3.1.3 Diagnose klinische Untersuchung Rö. prä u. post repositionem zum Ausschluss von Begleitverletzung u. persistierender Subluxation (Vgl. Pschyrembel, 2007) 2.3.1.4 Therapie manuelle Reposition frühfunktionelle Ther. zur Verhinderung von Kontrakturen (frühzeitiger Beginn einer dosierten Bewegungstherapie) gegebenenfalls op. Refixation der Fibrocartilago (Vgl. Pschyrembel, 2007)

2.3.2 Ruptur (Sehnen) 2.3.2.1 Definition Offene traumat. od. geschlossene, durch Überbeanspruchung u. degen. Vorschädigung verursachte, komplette od. partielle Zerreißung einer Sehne. (Vgl. Pschyrembel, 2007) 2.3.2.2 Therapie 3 Meist op. durch Sehnennaht, ggf. Sehnenverlängerung u. Sehnentransplantation. (Vgl. Pschyrembel, 2007) 2.3.3 Fissur (Ossium) 2.3.3.1 Definition Traumat. bedingte, einseitige od. anteilige Fraktur, auch unvollständige Fraktur. (Vgl. Pschyrembel, 2007) 2.3.3.2 Formen Fissur: Diskontinuität als Haar-Riss (Fissura ossium) od. Knochenstufe Infraktion: Diskontinuität mit Stufen- od. Spaltbildung (Spaltfraktur) Ermüdungsbruch Sonderformen der kindlichen unvollständigen Fraktur: a) Grünholzfraktur (vollständiger od. anteiliger Kortikalisbruch mit einseitig erhaltenem Periost auf der Konkavseite der Fraktur, Bruchverhalten entspr. einem grünen Zweig mit starker Rinde) b) Wulstbruch (Einstauchung der noch weichen Kortikalis) (Vgl. Pschyrembel, 2007) 2.3.3.3 Therapie Diese erfolgt meist konservativ z.b. durch einen Gipsverband. (Vgl. Pschyrembel, 2007)

3 Allgemeines Krankheitsbild Als für die ergotherapeutische Planung hauptsächlich relevante Diagnosen wurde folgende festgelegt: Luxatio aperta artic. PIP dig. III man. dext. c. discissio AV V laesio nervi dig. V 4 Rupt. subcutanea tend. extens. artic. DIP dig. III man. dext. Luxatio artic. PIP dig IV man. dext. Diese drei Diagnosen stellen die klinisch relevantesten für die Situation des Patienten dar, die erlittene Fissur am 2. Finger der rechten Hand bereitete dem Patienten während der bisherigen Rehabilitationsphase keine Probleme, der betroffene Finger ist in Alltagshandlungen gut integriert. Im Folgenden scheint ein Exkurs in die Klassifikation, Heilung und Therapie von Sehnenverletzungen im Bereich der Strecksehnen der Hand, sowie in die Therapie und Abheilung von Luxationen der Langfingergelenke angebracht. 3.1 Sehnenverletzungen Dieser Abschnitt soll einen Überblick über die Einteilung, Heilungsphasen und Therapieansätze von Strecksehnenverletzungen an der Hand vermitteln. 3.1.1 Zoneneinteilung von Strecksehnenverletzungen Abbildung 1: Gleitamplituden von Streck- und Beugesehnen im Handbereich (Vgl. Breier, 1997, S. 205) Die Zoneneinteilung von Sehnenverletzungen erfolgt nach der Definition des Committee of Tendon Injuries for the International Federation of the Society for Surgery of the Hand. Sie existiert sowohl für die Beuge- als auch für die Strecksehnen der Hand, und ist insofern relevant, da sich die Erstversorgung und Nachbehandlung von Sehnenverletzungen an der Gleitamplitude der Sehnen orientiert und diese nimmt von proximal nach distal zunehmend ab. (Vgl. Breier, 1997, S. 204-207) Falldarstellung zur praktischen Diplomprüfung im Fachbereich Orthopädie

Die Zoneneinteilung erfolgt wie im Bild ersichtlich von distal nach proximal, und zwar anhand folgender anatomischen Kriterien: 5 Abbildung 2: Zoneneinteilung von Strecksehnenverletzungen (Vgl. Frank, Pralle, & Marzi, 2009, S. 546) Langfinger: Zone 8:distaler Unterarm Zone 1: über dem distalen IP- Daumen: Gelenk ZoneT1: über dem IP-Gelenk Zone 2: über der Mittelphalanx Zone T2: über der proximalen Phalanx Zone 3: über dem proximalen IP- Gelenk Zone T3: über dem MP-Gelenk Zone 4:über der proximalen Phalanx Zone T4: über dem ersten Metakarpalknochen Zone 5: über dem MP-Gelenk Zone T5: Retinaculum extensorum Zone 6: über dem Handrücken (Vgl. Breier, 1997, S. 206) Zone 7: osteofibröse Kanäle im Bereich des Handrückens Falldarstellung zur praktischen Diplomprüfung im Fachbereich Orthopädie

3.1.2 Heilung von Sehnenverletzungen Prinzipiell erfolgt die Wundheilung in drei Phasen: 1. exsudative Phase sie ist gekennzeichnet eine erhöhte Gefäßpermeabilität im Wundgebiet, und einer damit einhergehenden Exsudatbildung im Wundbereich, welches unter anderem Leukozyten, Erythrozyten, Proteine, Fibrin und Makrophagen enthält. Sie dient der Reinigung der Wunde und ist in der Regel bei sauberen Wunden nach einigen Tagen abgeschlossen. (Vgl. Waldner-Nilsson, 1997, S. 140ff.) 6 2. proliferative Phase in ihr kommt es zur Proliferation (Vermehrung) von Epithelzellen am Wundgrund und zur Bildung von Granulationsgewebe, die Wunde wird sozusagen aus der Tiefe ausgehend verschlossen. (Vgl. Waldner-Nilsson, 1997, S. 142) 3. reparative Phase Kollagen wird gebildet, die Narbenbildung beginnt. (Vgl. Waldner- Nilsson, 1997, S. 142) Die Geschwindigkeit, mit der diese Phasen durchlaufen werden, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der Durchblutung des Gewebes in dem sich die Wunde befindet. Je besser das Gewebe durchblutet ist, desto rascher heilt es so läuft die Wundheilung an den Fingerkuppen beispielsweise schneller ab als bei Sehnenverletzungen. (Vgl. Waldner- Nilsson, 1997, S. 143) 3.1.3 Narbenbildung Durch die Bildung von Kollagenfasern im Wundbereich kommt es zur Ausbildung einer Narbe. Deren Festigkeit nimmt mit zeitlichem Abstand zur Verletzung zu, so weist eine Hautnarbe nach 3 Wochen eine Festigkeit von 15 %, nach 6 Wochen eine Festigkeit von 50 % in Relation zu ihrer endgültigen Festigkeit auf. (Vgl. Waldner-Nilsson, 1997, S. 149) Zusätzlich zur Bildung von Kollagenfasern kommt es auch zu einer Umwandlung, des in der Narbe vorhandenen, Kollagens durch Synthese und Lyse, das heißt dass sich die Narbe den Belastungen, denen das Ursprungsgewebe ausgesetzt ist, angleicht. (Vgl. Waldner-Nilsson, 1997, S. 149f.)

Ein zusätzlicher Faktor neben zahlreichen ungeklärten der auf die Umwandelung der kollagenen Fasern einwirkt, ist jener der Spannung. Steht die Narbe während des Heilungs- beziehungsweise Umwandlungsprozesses unter Spannung, erhöht sich ihre Zugfestigkeit - diesem Umstand wird durch die Schienenbehandlung bei Strecksehnenverletzungen in Zonen mit hoher Gleitamplitude Rechnung getragen. (Vgl. Waldner-Nilsson, 1997, S. 150) 3.1.4 Therapie Die ergotherapeutische Behandlung von Strecksehnenverletzungen ist einerseits von der Zone der Verletzung, und andererseits von der Art der Versorgung konservativ oder operativ abhängig. Dieser Abschnitt beschreibt die Behandlungsgrundlagen bei operativer Versorgung, da bei Herrn X nach der Refixation der Extensorsehne am Endglied des 3. Fingers der rechten Hand eine temporäre Bohrdrahtosteosynthese des DIP-Gelenks durchgeführt wurde. 7 3.1.4.1 Erster. Tag 6. Woche In dieser Zeit besteht die ergotherapeutische Behandlung hauptsächlich aus Information und Instruktion des Patienten bezüglich seiner Schienenversorgung (meist eine Stack sche Schiene) und der allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen. (Vgl. Breier, 1997, S. 210-213) Prinzipiell können und sollen in dieser Zeit die nichtbetroffenen Gelenke aktiv bewegt werden, bei Herrn X. war dies aufgrund der angepassten Schiene für die Finger 2-4 für 2 ½ Wochen nicht möglich. 3.1.4.2 Sechste Woche 8. Woche Mit leichten aktiven Flexions- und Extensionsübungen kann begonnen werden, das PIP ist dabei in Extension zu fixieren, das Tragen der Schiene wird reduziert (tagsüber nur mehr bei Belastung, nachts immer). Sollte ein Streckdefizit auftreten ist das Übungsprogramm zu reduzieren und die Schiene wieder ganztags zu tragen. (Vgl. Breier, 1997, S. 211)

3.1.4.3 Achte Woche 12.Woche Nun kann die Extension zusätzlich aktiv gegen geringen Widerstand beübt werden, die Tragezeit der Schiene beschränkt sich auf die Nacht. Vorsicht ist bei Flexionsübungen gegen Widerstand geboten, es kann sehr leicht zu einer Überdehnung der verheilten Strecksehne durch den M. flexor digitorum profundus kommen, Übungen dieser Art sind erst nach 10-12 Wochen empfehlenswert. (Vgl. Breier, 1997, S. 211f.) 8 3.2 Luxationen Luxationen der Fingergelenke gehören zu den häufigsten Luxationen überhaupt, sie stellen 30 % aller auftretenden Luxationen dar, das PIP-Gelenk ist ca. dreimal so häufig betroffen wie das DIP-Gelenk. (Vgl. Waldner-Nilsson, Fingergelenkverletzungen, 1997, S. 5) Dieser Abschnitt soll Leserinnen und Lesern einen Überblick über die Luxation des PIP- Gelenks bieten, spezielle Probleme darstellen und die ergotherapeutisch relevanten Punkte herausarbeiten. 3.2.1 Verletzungsgrade Die Schwere der Verletzung hat Einfluss auf die Stabilität des Gelenks, eine Verstauchung oder Zerrung und Luxationen ohne totale Ruptur des Kapsel-Band-Apparates haben weniger Auswirkungen auf die Stabilität, als beispielsweise eine völlige Kapsel-Band-Ruptur. (Vgl. Waldner-Nilsson, Fingergelenkverletzungen, 1997, S. 39f.) 3.2.2 Therapieansätze Sind luxierte Gelenke nach ihrer Reposition stabil, kann die Behandlung bewegungstherapeutisch erfolgen, bei instabilen Verhältnissen ist eine Operation indiziert. (Vgl. Waldner- Nilsson, Fingergelenkverletzungen, 1997, S. 41) Herr X. erlitt zusätzlich zur Luxation einen Abriss des radialen Seitenbandes und eine Ausriss der palmaren Platte am dritten Finger der rechten Hand, was eine Operation mit anschließender Ruhigstellung notwendig machte. Die Luxation am PIP-Gelenk des vierten Fingers der rechten Hand wurde geschlossen reponiert und ruhiggestellt.

Ergotherapeutische Maßnahmen umfassen Ödembehandlung, Information und Instruktion von Patientinnen und Patienten bezüglich des Verletzungsausmaßes und eines Heimübungsprogrammes und gegebenenfalls eine Schienenbehandlung mit Achterschlingen bei Abriss eines oder beider Seitenbänder. (Vgl. Waldner-Nilsson, Fingergelenkverletzungen, 1997, S. 43-50) 3.2.3 Spezielle Problematik von Luxationen Luxationen gelten gemeinhin als Bagatellverletzungen, aber ihre Heilung dauert sehr lange (zwischen vier bis sechs Monate) und vor allem das PIP-Gelenk stellt durch seinen Schwerpunkt der mehr auf Beweglichkeit als auf Stabilität liegt einen wesentlichen Anteil der verschiedenen Funktionen der Hand dar. Oberstes Behandlungsziel von Luxationen muss also die Wiederherstellung eines stabilen, schmerzfreien und beweglichen Gelenks sein um eine möglichst gute globale Handfunktion zu erreichen. (Vgl. Waldner-Nilsson, Fingergelenkverletzungen, 1997, S. 5) 9

3.3 Zusammenfassung des Krankheitsverlaufes An dieser Stelle soll der Verlauf der Behandlung von Herrn X. kurz und prägnant zusammengefasst werden, detailliertere Angaben insbesondere zum intraoperativen Situs und zu folgenden operativen Versorgung bitte ich dem Kapitel 4.1 zu entnehmen. 10 Herr X. zog sich [aus Datenschutzgründen entfernt] während der Durchführung von Wartungsarbeiten eine schwere Mehrfachverletzung der rechten Hand zu. Unmittelbar nach dem Transport ins Krankenhaus wurde die Verletzung operativ versorgt, perioperativ wurde Herr X. zur Infektionsprophylaxe antibiotisch abgeschirmt. Die postoperative Röntgenkontrolle war unauffällig, Herr X. wurde zur Immobilisation der Finger mit einer Fingerschiene für die Finger II-IV versorgt. Die zur Wunddrainage gelegte Lasche wurde 1. postoperativen Tag entfernt, Herr X. wurde am 3. postoperativen Tag mit einer analgetischen Bedarfsmedikation in häusliche Pflege entlassen. Abbildung 3: Präoperatives Röntgenbild (Kraxner Markus) Abbildung 4: Intraoperativer Situs (Kraxner Markus) Herr X. erschien zuverlässig zu den engmaschigen Kontrollterminen, knapp drei Wochen nach der Operation wurde die Mehrfachfingerschiene entfernt, und die Finger III und IV mit Orfit-Hülsen versorgt, die Hülse am IV. Finger konnte eine Woche später entfernt werden, eine Neuanlage der Orfit-Hülse für den III. Finger erfolgte ebenfalls an diesem Tag durch die behandelnde Ergotherapeutin. In diesem Zeitraum wurden zusätzlich abschwellende Maßnahmen vorwiegend auf physikalischer Ebene (Kühlung) durchgeführt. Die temporäre Arthrodese des DIP-Gelenks am III. Finger rechts wurde sechs Wochen nach der Operation entfernt, die Entnahmestelle wurde mit einer Naht versorgt.

4 Anamnese 4.1 Krankheitsanamnese Herr X. geriet Ende April diesen Jahres im Rahmen von Wartungsarbeiten an einer Drehbank 11 mit der rechten Hand in die laufende Maschine, er zog sich schwere Verletzungen der Finger II-IV der rechten Hand die auch seine dominante ist zu. Der Transport ins Krankenhaus erfolgte unmittelbar nach dem Unfall durch [aus Datenschutzgründen entfernt], die operative Versorgung erfolgte noch am selben Tag in Plexusanästhesie. Im OP wurden die subkutan am Endglied des 3. Fingers der rechten Hand rupturierte Strecksehne, die mit einem Knochenfragment ausgerissenen palmaren Anteile der fibrocartilaginären Platte des 3. Fingers der rechten Hand, sowie das ebenfalls rupturierte radiale Seitenband des 3. Fingers in Höhe des PIP-Gelenks transossär refixiert beziehungsweise genäht, das DIP-Gelenk des 3. Fingers wurde nach der Strecksehnenrefixation mit einem Bohrdraht im Sinne einer temporären Arthrodese versorgt. Zusätzlich wurden intraoperativ ein Abriss der radialseitigen Arterie und Vene sowie eine Elongation des radialseitigen Fingernervs des 3. Finger festgestellt, Durchblutung und Oberflächensensibilität an der Fingerbeere des 3. Fingers waren jederzeit vorhanden. Aus dem vorliegenden OP-Bericht geht nicht hervor, ob eine operative Versorgung dieser zusätzlich festgestellten Verletzungen erfolgte. Abschließend wurde das luxierte PIP-Gelenk des 4. Fingers rechts geschlossen reponiert, eine Lasche zur Wunddrainage eingelegt und eine Fingerschiene für die Finger II-IV angelegt, die unmittelbar postoperativ durchgeführte Röntgenkontrolle zeigte ein unauffälliges Bild, die diagnostizierte Fissur an der proximalen Phalanx des 2. Fingers konnte im Röntgenbild nicht eindeutig als Fraktur dargestellt werden. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos, die Entlassung erfolgte am 3. postoperativen Tag, regelmäßige Kontrollen in der Ambulanz des Hauses wurden terminisiert und vom Patienten auch eingehalten. Der Erstkontakt zur Ergotherapie erfolgte nach drei Wochen im Rahmen einer Orfit-Hülsen- Anpassung für die Finger III und IV rechts.

4.2 Arbeitsanamnese Herr X. ist [aus Datenschutzgründen entfernt] beschäftigt, sein ursprünglich erlernter Beruf ist Maschinenschlosser. 4.3 Sozialanamnese 12 Herr X. lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin in einer gemeinsamen Wohnung in [aus Datenschutzgründen entfernt], das Paar hat keine Kinder, als Hobbys gibt Herr X. [aus Datenschutzgründen entfernt] an.

5 Therapeutische Maßnahmen 5.1 Medizinische Maßnahmen/Medikation Eine analgetische Bedarfsmedikation mit Novalgin-Tropfen erfolgte, diese wurde von Herrn 13 X. allerdings nie eingenommen. Novalgin-Tropfen sind ein Analgetikum, welches bei starken Schmerzen die auf andere Medikation nicht ansprechen sowie bei hohem Fieber indiziert ist. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind anaphylaktische Reaktionen, Agranulozytose, Hautund Schleimhautreaktionen und eine verschlechterte Nierenfunktion. (Vgl. Arzneimittelkompendium der Schweiz, 2009) 5.2 Physiotherapie Herr X. erhält fünfmal wöchentlich im Rahmen der Physiotherapie eine Laserbehandlung zur Ödemreduktion, Wundheilung beziehungsweise Narbenbildung und zur Schmerzreduktion.

6 Ergotherapeutischer Befund 6.1 Einleitung Der funktionelle Befund wurde vom Verfasser eigenständig erhoben. 14 6.2 Äußeres Erscheinungsbild Herr X. ist 178cm groß und 71kg schwer, er ist von schlanker Statur, trägt seine Haare meist zu einem Pferdeschwanz gebunden und wirkt im Gespräch offen und freundlich. In der Therapiesituation ist er sehr darauf bedacht seine Verletzung vor weiterem Schaden zu bewahren, er agiert teilweise sehr vorsichtig mit seiner rechten Hand. 6.3 Motorischer Bereich 6.3.1 Inspektion Die rechte Hand imponiert bezüglich Trophik, Haarwuchs, Schweißneigung und Haarfarbe idem zu linken, die Farbe ist ein wenig blasser, was auf die reduzierte Sonneneinstrahlung am rechten Arm zurückzuführen ist. Die Finger II-IV weisen ein Ödem auf das am III. Finger am stärksten ausgeprägt ist, der Fingernagel am III. Finger livide unterlaufen, eine Einzelknopfnaht nach Bohrdrahtentfernung an der Fingerbeere bei blanden Wundverhältnissen in situ. Die Operationsnarbe zieht vom PIP-Gelenk des dritten Fingers dorsal bis annähernd zum Beginn des Nagelbettes am DIP, radialseitig auf zieht eine kleine Narbe auf Höhe des PIP- Gelenks in dessen Beugefalte, die Narbe ist bland und weist eine diskrete - durchblutungsbedingte Rötung im distalen Drittel auf..

15 Abbildung 5: Hände im Seitenvergleich von palmar (Kraxner Markus) Abbildung 6: Hände im Seitenvergleich von dorsal (Kraxner Markus) Abbildung 7: Mittelfinger der re. Hand von dorsal (Kraxner Markus) Abbildung 8: Mittelfinger der rechten Hand von palmar (Kraxner Markus) 6.3.2 Palpation Die Narbe ist gut ausgebildet, derbe Stränge sind nicht tastbar, die ist oberflächlich lateral und longitudinal in geringem Maße verschieblich. Bei der passiven Mobilisation ist der Schmerz der limitierende Faktor, die Mobilisation der betroffenen Gelenke ist nur in geringem Ausmaß möglich.

6.3.3 Schmerz Herr X. gibt in Ruhe einen NRS-Wert von 0, bei Bewegung einen NRS-Wert von 3 an, während der Therapie werden fallweise NRS-Werte von 6 erreicht. 6.3.4 Bewegungsausmaß aktiv Die Messung des aktiven Bewegungsausmaßes der Gelenke erfolgte nach der SFTR-Methode mittel Goniometer. 16 Tabelle 1: Messwerte der Gelenksmessung nah der SFTR -Methode Gelenk Normwerte Bewegungsausmaß Ellbogen S 10-0-145 R 90-0-90 S 5-0-140 R 90-0-90 Handgelenk S 50-0-60 F 20-0-30 S 60-0-75 F 20-0-40 MCP S 0-0-90 Strahl II: S 0-0-80 Strahl III: S 0-10-60 Strahl IV: S 0-0-80 Strahl V: S 0-0-90 PIP S 0-0-100 Strahl II: S 0-5-90 Strahl III: S 0-55-60 Strahl IV: S 0-40-50 Strahl V: S 0-10-70 DIP S 0-0-45 Strahl II: S 0-10-30 Strahl III: S 0-0 Strahl IV: S 0-10-20 Strahl V: S 0-10-30 Das Bewegungsausmaß des Daumens war im Seitenvergleich unauffällig, Herr X. war beidseits in der Lage den Daumen gegenüber allen Langfingern zu opponieren. Bei der Messung der Spreizungsabstände des Daumens nach radial und nach palmar ergaben sich rechts und links identische Messwerte von 17 respektive 15 cm.

6.3.4.1 Erläuterungen Das Bewegungsausmaß in Ellbogen und Handgelenk entspricht dem der nichtbetroffenen Seite, Beugekontrakturen mit konsekutivem Streckdefizit beziehungsweise Einschränkungen der Beweglichkeit bestehen in folgenden Gelenken: MCP-Gelenk Strahl III PIP-Gelenk Strahl III (aktiv sind ohne Vorbereitung faktisch nur Wackelbewegungen im Ausmaß von 5, bei einem fixierten Gelenk in 55 Beugestellung möglich PIP-Gelenk Strahl IV (aktiv sind ohne Vorbereitung nur Bewegungen im Ausmaß von 10, bei einem Gelenk in Beugestellung von 40 möglich) DIP-Gelenk Strahl III (in Nullstellung fixiertes Gelenk bei St. p. temporärer Arthrodese) DIP-Gelenk Strahl IV (hier in Flexion gegenüber den anderen DIP-Gelenken eine reduzierte Beweglichkeit, Bewegungen im Ausmaß von 10 sind möglich) 17 6.3.5 Feinmotorik 6.3.5.1 Griffarten Herr X. ist bei der Ausführung mancher Griffarten eingeschränkt, Spitzgriff, Pinzettengriff und Schlüsselgriff gelingen mit der betroffenen Hand gut, Dreipunkt-, Zylinder- und Hakengriffe sind aufgrund der Bewegungseinschränkung der Finger III und IV nicht möglich. 6.3.5.2 Manipulation Die In-Hand-Manipulation mit drei Gegenständen ist im Seitenvergleich rechts deutlich herabgesetzt, zusätzlich tritt rechtsseitig eine höhere Fehleranzahl auf dies ist großteils durch die eingeschränkte Beweglichkeit der Finger III und IV bedingt. Die Rotation von Gegenständen ist im Seitenvergleich rechts ebenfalls herabgesetzt, auffallend ist, dass der III Finger während der Aufgabe fast völlig untätig bleibt.

6.3.6 Kraft Eine Kraftmessung mittels Dynamometer oder Pinch-Gauge war aufgrund der besonderen Situation des Patienten (protektives Verhalten gegenüber der betroffenen Hand), des aktuellen Heilungsstatus der Sehnenverletzung (Flexion mit Kraft ist noch kontraindiziert) und der Schmerzsituation des Patienten nicht angebracht, klinisch ist die Handkraft rechts deutlich herabgesetzt. 18 6.3.7 Sensibilität 6.3.7.1 Spitz-Stumpf-Unterscheidung Die Testung erfolgte mittels Bleistifttest, es zeigten sich keine Auffälligkeiten. 6.3.7.2 Oberflächensensibilität Die Überprüfung erfolgte mangels anderer Mittel ebenfalls mit einem Bleistift, mit kurz applizierten, nur durch die Schwerkraft ausgeübten, Druck. Eine differenzierte Beurteilung wie bei einem Monofilament-Test nach Semmes-Weinstein ist hierbei nicht möglich, m.e. nach weist der Patient in jedem Fall eine erhaltene Schutzsensibilität im Bereich der ganzen Hand auf, im Bereich der radialen Dorsalseite und radialseitig am III. Strahl besteht eine Hypersensibilität, die im ärztlichen Aufnahmebefund beschriebenen, Parästhesien in diesem Bereich haben sich mittlerweile zurückgebildet. 6.3.7.3 Temperaturempfinden Die Testung erfolgte mittels eines gekühlten Löffels und eines Pinselstiels, es zeigten sich weder palmar noch dorsal Auffälligkeiten an der rechten Hand. 6.3.7.4 2-Punkt-Diskrimination Die Zweipunktdiskriminationsfähigkeit lag sowohl rechts als auch links palmar, bei jeweils statischer und dynamischer Messung, im Normbereich (bis 6mm). 6.3.7.5 Fingeridentifikation Testung mit Büroklammer, Herr X zeigte weder rechts noch links Auffälligkeiten. 6.3.7.6 Stereognosie Testung mit Alltagsgegenständen, Herr X zeigte weder rechts noch links Auffälligkeiten.

6.3.8 Funktionelle Tests 6.3.8.1 Fingerkuppenhohlhandabstand (FKHA) aktiv Links ist ein kompletter Faustschluss möglich, rechts ergaben sich folgende Messwerte: Strahl Strahl II Strahl III Strahl IV Strahl V Tabelle 2: aktive FKHA-Messwerte der rechten Hand Fingerkuppenhohlhandabstand aktiv 0,5 cm 7 cm 4,5 cm 1 cm 19 6.3.8.2 Nine-Hole-Peg-Test (NHPT) Beim NHPT erreichte Herr X. mit der linken Hand Werte, die gering besser waren als die altersentsprechenden Normwerte für die linke Hand (Patient: 18,1 sec, Normwert: 20,4 sec), bei der rechten Hand erreichte er nicht altersentsprechende Werte im Vergleich zur Normwerttabelle (Patient: 25,9 sec, Normwert: 20,4 sec). Er zeigt also eine reduzierte feinmotorische Geschicklichkeitsleistung mit der rechten Hand. 6.3.9 DASH-Score Die Auswertung des DASH-Score (Disability Arm-Shoulder-Hand; Selbsteinschätzungsfragebogen für Patientinnen und Patienten) ergab eine Beeinträchtigung im Alltag von knapp 36 %. Ein Scan des DASH findet sich im Anhang dieser Falldarstellung. 6.3.10 Klinische Beobachtungen Während sämtlicher Kontakte mit Herrn X. also bei allen Befundungsmaßnahmen, Testungen und Therapieeinheiten fiel durchgängig auf, dass Herr X es nach Möglichkeit vermeidet den III. Strahl der rechten Hand in die Tätigkeit mit einzubeziehen eine Strategie in der er durchaus, z.b. beim Schreiben, ein hohes Maß an Geschick entwickelt hat. Zusätzlich treten bei selbst kleinen Bewegungen in den PIP-Gelenken der Finger III und IV starke Schmerzen auf, auf die Herr X neben verbaler und nonverbaler Schmeräußerung mit einem sofortigen, globalen Anstieg des Muskeltonus reagiert.

6.4 Kognitiver/Emotionaler Bereich Herr X. gibt starke Ängste bezüglich einer erneuten Traumatisierung seiner Hand an, die Prognose seiner Verletzung wird von ihm durchaus realistisch eingeschätzt er ist sich bewusst, dass eine völlige, funktionelle Wiederherstellung wahrscheinlich nicht möglich ist einen Folgeaufenthalt zu rehabilitativen Zwecken in einem Reha-Zentrum lehnt er ab. 20 6.5 Sozialer Bereich Hier ergaben sich lt. Auskunft von Herrn X. keine Einschränkungen, bis auf die Tatsache, dass er seine Hobbies [aus Datenschutzgründen entfernt] zurzeit nicht ausüben kann dies stellt jedoch für ihn momentan keinen Belastungsfaktor dar. 6.6 Zusammenfassung Herr X. weist nach seiner schweren Handverletzung, im Rahmen eines Arbeitsunfalles, an seiner rechten (dominanten) Hand vor allem im Bereich der Langfinger starke Bewegungseinschränkungen im Sinne von Beugekontrakturen mit einhergehenden Streckdefiziten, vor allem der Finger III und IV auf. Die feinmotorischen Fähigkeiten der rechten Hand sind herabgesetzt, ein kompletter Faustschluss ist nicht möglich, ein diskretes Ödem an den Fingern II-IV besteht noch. Im Alltag wird die Hand zwar eingesetzt, es besteht jedoch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten bezüglich des Einsatzes des 3. Fingers. Die Wundheilung ist, bei guter Narbenbildung, abgeschlossen. Die Sensibilität an der rechten Hand ist, bis auf die radialseitigen Anteile des 3. Fingers, an denen eine Hypersensibilität besteht, normal ausgeprägt. Die Einschätzung der Alltagsbeeinträchtigung mittels DASH-Score ergab eine Beeinträchtigung von nahezu 36 %. Herr X verspürt bei manuellen Maßnahmen an den Finger III & IV starke Schmerzen, die Einnahme von analgetischen Präparaten wird von ihm abgelehnt.

7 Behandlungsplan 7.1 Übergeordnetes Behandlungsziel 21 Der Patient ist in der Lage die rechte Hand im Alltag gut einzusetzen und eine eventuell vorhandene Restfunktionsstörung zu akzeptieren. 7.2 Grobziele 7.2.1 Grobziel I Der Patient setzt die rechte Hand bei Alltagstätigkeiten konstant und adäquat ein, und ist in der Lage Alltagstätigkeiten in passender Qualität auszuführen. 7.2.2 Grobziel II Der Patient ist in der Lage die Finger III und IV der rechten Hand in größtmöglichem Ausmaß aktiv zu beugen und zu strecken.

7.3 Ergotherapeutische Maßnahmen Kognitive Aufgaben mit Bildkarten von Händen Übungen in Anlehnung Perfetti Ödembehandlung Narbenbehandlung Passive, aktiv-assistive und aktive Mobilisationsübungen der betroffenen Gelenke Feinmotoriktraining Kraftaufbau der rechten Hand Instruktionen bezüglich eines adäquaten Heimübungsprogrammes 22 7.4 Aufbau der ergotherapeutischen Behandlung 7.4.1 Feinziele 7.4.1.1 Feinziel I Bezug zu Grobziel I Der Patient ist in der Lage die rechte Hand bei therapeutischen Übungen adäquat einzusetzen, und ihre Funktion entsprechend wahrzunehmen. Maßnahmen Kognitive Aufgaben mit Bildkarten zur Verbesserung der sensomotorischen Repräsentation der rechten Hand in den assoziierten Gehirnarealen (Lateralisierungstraining) Therapeutische Übungen in Anlehnung an Perfetti unter Integration des 3. und 4. Fingers der rechten Hand.

7.4.1.2 Feinziel II Bezug zu Grobziel II Der Patient weist eine gute, kontraktur- und verklebungsfreie Vernarbung der Operationswunde auf. Maßnahmen 23 Manuelle Narbenmassage mit Ringelblumensalbe 4x/Woche 7.4.1.3 Feinziel III Bezug zu Grobziel II Der Patient weist keine Ödeme an den Langfingern der rechten Hand auf. Maßnahmen Ödembehandlung mittels physikalischer Maßnahmen Verhaltensinstruktion bezüglich Ödemreduktion 7.4.1.4 Feinziel IV Bezug zu Grobzielen I & II Der Patient weist ein vergrößertes Bewegungsausmaß der Finger II-IV, aber insbesondere der Finger III und IV, der rechten Hand auf. Maßnahmen Passive, aktiv-assistive und aktive Mobilisation der betroffenen Gelenke Instruktion bezüglich eines Heimübungsprogrammes Feinmotoriktraining mit verschiedenen Therapiematerialien

7.4.1.5 Feinziel V Bezug zu Grobzielen I & II Der Patient weist in allen Fingern der rechten Hand, und global in der rechten Hand, ein annähernd normales Kraftniveau auf. Maßnahmen 24 Kraftaufbauende Übungen mit Therapieknete verschiedener Stärken Instruktion bezüglich eines Heimübungsprogrammes

8 Behandlungsdurchführung Herr X. befindet sich zum Zeitpunkt der praktischen Diplomprüfung in der fünften Woche seiner ergotherapeutischen Behandlung, er erscheint viermal wöchentlich zu Therapie. Die größten Probleme in den ersten zwei Wochen stellten einerseits die sehr protektive Haltung des Patienten gegenüber seiner rechten Hand, und andererseits die Schmerzsituation bei fehlender Compliance bezüglich der Analgetikaeinnahme dar. 25 Die Therapie umfasste bisher Maßnahmen wie Desensibilisierungsübungen, Mobilisationstechniken, funktionelle Spiele, die Anpassung von Schienen, Narben- und Ödembehandlung sowie Instruktionen bezüglich zuhause durchzuführender Übungen. Abbildung 9: Orfit Hülse für den 3.Finger re. von lateral (Markus Kraxner) Abbildung 11: Achterschlaufe zur Förderung der Beweglichkeit des 4.Fingers von lateral (Markus Kraxner) Abbildung 10: Orfit Hülse für den 3.Finger re. von frontal (Markus Kraxner) Abbildung 12: Achterschlaufe zur Förderung der Beweglichkeit des 4.Fingers von frontal (Markus Kraxner)

Herr X. ist motiviert und kooperativ während der Therapieeinheiten, das Verhalten gegenüber seiner rechten Hand hat sich seit Therapiebeginn deutlich gebessert, wirkt aber noch immer protektiver als notwendig Anweisungen für Heimübungen werden von ihm zuverlässig umgesetzt. Die Hauptschwerpunkte liegen zurzeit auf der Wahrnehmungsförderung der rechten Hand auf kognitiver und auf Handlungsebene und auf dem Bestreben den 3. Finger vermehrt in den Lebens- beziehungsweise Therapiealltag zu integrieren, sowie der Mobilisation der betroffenen Gelenke insbesondere dem PIP und DIP-Gelenken des III. Strahls. 26

9 Beschreibung der geplanten Maßnahmen zur praktischen Diplomprüfung 27 9.1 Organisation [aus Datenschutzgründen entfernt] 9.2 Maßnahmen Narbenmassage mit Ringelblumensalbe Lateralisierungstraining in Anlehnung an die Therapie des chronischen CRPS nach den Prinzipien der Spiegeltherapie eventuell Mental Imagery-Übungsblock in Anlehnung an die Therapie des chronischen CRPS nach den Prinzipien der Spiegeltherapie Sensorisch-kognitive Übungen mit Stäben verschiedener Länge und mit Plastikfiguren in Anlehnung an das Therapiekonzept nach Perfetti eventuell kurze passive Mobilisation der betroffenen und nichtbetroffenen Langfingergelenke Beratungsgespräch bezüglich Ödembehandlung und der Nützlichkeit eines nachfolgenden Reha-Aufenthalts 9.3 Ziele Die Ziele der Einheit entsprechen den Feinzielen I-IV des ergotherapeutischen Behandlungsplans, der generelle Fokus der Einheit liegt auf der Integration des 3. Fingers in den Übungsablauf, sowie einer Verstärkung der mentalen Repräsentation des 3. Fingers in den betreffenden Gehirnarealen.

9.4 Vorbereitung Der Patient sitzt in ergonomischer Position an einem geeigneten Tisch mit ausreichender Beleuchtung. An Therapiematerial werden, neben einer Armunterlage und einem zusammengerollten Handtuch, Utensilien für die Narbenmassage, verschieden lange Vierkantholzstäbe, Bildkarten mit Abbildungen von Händen in verschiedenen Positionen und diverse kleine Plastikfiguren benötigt. 28

10 Literaturverzeichnis Arzneimittelkompendium der Schweiz. (2009). Abgerufen am 1. Juni 2009 von http://www.kompendium.ch/search.aspx Breier, S. (1997). Verletzungen der Strecksehnen. In B. Waldner-Nilsson (Hrsg.), Ergotherapie in der Handrehabilitation (1. Ausg., Bd. 2, S. 195-236). Berlin: Springer. 29 Frank, J., Pralle, H., & Marzi, I. (2009). Hand und Finger. In H.-P. Scharf, A. Rüter, T. Pohlemann, I. Marzi, D. Kohn, & K.-P. Günther (Hrsg.), Orthopädie und Unfallchirurgie (1. Ausg., S. 543-580). München: Urban & Fischer. ICD 10 2004 Online. (2009). Abgerufen am 9. Juni 2010 von ICD 10 2004 Online bei DIMDI Medizinwissen: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2004/fr-icd.htm Pschyrembel, W. (Hrsg.). (2007). Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. (261.). Berlin: Walter de Gruyter. Waldner-Nilsson, B. (1997). Fingergelenkverletzungen. In B. Waldner-Nilsson (Hrsg.), Ergotherapie in der Handrehabilitation (1. Ausg., Bd. 2., S. 5-61). Berlin: Springer. Waldner-Nilsson, B. (1997). Wund- und Narbenbehandlung. In B. Waldner-Nilsson (Hrsg.), Ergotherapie in der Handrehabilitation (1 Ausg., Bd. 1, S. 138-157). Berlin: Springer.

11 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Gleitamplituden von Streck- und Beugesehnen im Handbereich (Vgl. Breier, 1997, S. 205)... 4 Abbildung 2: Zoneneinteilung von Strecksehnenverletzungen (Vgl. Frank, Pralle, & Marzi, 2009, S. 546)... 5 Abbildung 3: Präoperatives Röntgenbild (Kraxner Markus)... 10 Abbildung 4: Intraoperativer Situs (Kraxner Markus)... 10 Abbildung 5: Hände im Seitenvergleich von palmar (Kraxner Markus)... 15 Abbildung 6: Hände im Seitenvergleich von dorsal (Kraxner Markus)... 15 Abbildung 7: Mittelfinger der re. Hand von dorsal (Kraxner Markus)... 15 Abbildung 8: Mittelfinger der rechten Hand von palmar (Kraxner Markus)... 15 Abbildung 9: Orfit Hülse für den 3.Finger re. von lateral (Markus Kraxner)... 25 Abbildung 10: Orfit Hülse für den 3.Finger re. von frontal (Markus Kraxner)... 25 Abbildung 11: Achterschlaufe zur Förderung der Beweglichkeit des 4.Fingers von lateral (Markus Kraxner)... 25 Abbildung 12: Achterschlaufe zur Förderung der Beweglichkeit des 4.Fingers von frontal (Markus Kraxner)... 25 30 Tabelle 1: Messwerte der Gelenksmessung nah der SFTR -Methode... 16 Tabelle 2: aktive FKHA-Messwerte der rechten Hand... 19

12 Anhang 31

12.1 DASH-Score Auswertungsbogen 32

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