Aktualisierung der Meningokokken- Impfempfehlung gemäß der STIKO. N. Schöffel, D. Brüggmann, M. H. K. Bendels & D. A. Groneberg

Ähnliche Dokumente
42/2016 Rechberger, H. (2016) Stoff(e) zum Nachdenken?, Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, Vol. 68, p ISSN: X, DOI

N. Schöffel, M. Bundschuh, M. H. K. Bendels & D. A. Groneberg

Was ist eigentlich los mit den Meningokokken B?

Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft Comparative Governance and Politics. ISSN Volume 9 Number 3

Tabelle 9: Empfohlene Nachholimpfungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit fehlender Erst- bzw. Grundimmunisierung

Epidemiologie und Präven1on der invasiven Meningokokken- Erkrankungen in Deutschland

Impfen für Säuglinge: Was ist neu und warum der Zeitpunkt eine Rolle spielt

Impfungen bei Mukoviszidose. Sandy Kujumdshiev Pneumologie/Allergologie Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main

I. Im Titel der Richtlinie wird die Angabe 20d Abs. 1 SGB V ersetzt durch die Angabe 20i Abs. 1 SGB V.

Nationale Referenzzentrale für Meningokokken Jahresbericht 2016

Impfprophylaxe invasiver Erkrankungen mit Meningokokken der Serogruppe B. Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen

Nationale Referenzzentrale für Meningokokken. Jahresbericht 2015

Diese Impfungen bezahlt die AOK Bremen/Bremerhaven

Impfen und Intensivstation. Dr. Anita Niederer-Loher Infektiologie und Spitalhygiene Ostschweizer Kinderspital und KSSG

Sicherer Schutz für alle Babys

des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Änderung der Schutzimpfungs- Richtlinie (SI-RL): Umsetzung der STIKO-Empfehlungen Juli 2012

Was gibt es Neues zur Meningokokken B und A, C, Y, W 135 -Impfung

Astleitner, Hermann (2011): Theorienentwicklung für SozialwissenschaftlerInnen

Impf 2. Gegen Lungenentzündung ** und gegen Grippe

I. Im Titel der Richtlinie wird die Angabe 20d Abs. 1 SGB V ersetzt durch die Angabe 20i Absatz 1 SGB V.

Nationale Referenzzentrale für Meningokokken

Abrechnungsnummern Impfen Stand: Februar 2016

ab 60 Impf 2 Gegen Lungenentzündung * und gegen Grippe Lesen Sie diese Information und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt

Impfstoffe. Einfachimpfstoffe Mehrfachimpfstoffe

Prevenar 13 für Erwachsene von 18 bis 49 Jahren

SCHNELLER ALS JEDE EPIDEMIE: IMPFEN IN DER APOTHEKE.

Einleitung und Aktuelles aus der STIKO

1. Impfsituation in unserer Region 2. FSME - Update Juni 2008

AM SCHLIMMSTEN TRIFFT S DIE KLEINSTEN

Neues zu Kombinationsimpfstoffen und der STIKO-Empfehlung zur Rotavirus-Schluckimpfung

Änderung der Schutzimpfungs-Richtlinie zur Umsetzung der Empfehlungen der STIKO vom August 2016

Daneben werden von der STIKO folgende Impfungen in Deutschland für bestimmten Risikogruppen empfohlen:

Schutzimpfungen Stand:

Schutzimpfungen Stand:

Mind the gap immer mehr Impflücken bei Erwachsenen

Schutzimpfungen Stand:

Wie kommt die STIKO zu ihren Empfehlungen?

Impfprophylaxe invasiver Erkrankungen mit Meningokokken der Serogruppe B. Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen

Impfschutz im ersten Lebenshalbjahr

Nationale Referenzzentrale für Meningokokken

Bericht über das Impflückeninterventionsprogramm 2010

Letzte Dosis eines Impfzyklus. Fachinformation oder abgeschlossene Impfung A B R 7, A B R 7,18

Holm-Hadulla RM (2015) Integrative Psychotherapie. Zwölf exemplarische Geschichten aus der Praxis. Brigitte Boothe.

Impfungen bei Frühgeborenen

Impfungen. Die HPV-Impfung: Schutz vor Gebärmutterhalskrebs

MENINGOKOKKEN- MENINGITIS:

Letzte Dosis eines Impfzyklus. Fachinformation oder abgeschlossene Impfung A B R 7, A B R 7,18

Die zwei Gesichter des Varizella Zoster Virus

Impfungen nach Nierentransplantation. was ist wichtig und sinnvoll? Patientenseminar 2019, Mira Choi

Hot Topics rund ums Impfen

Vaccines: A success story with failures. Aims of vaccination

Impfen bei unbekanntem Impfstatus

Meningokokkenerkrankungen in der Schweiz

Impfungen bei Abwehrschwäche. Markus A. Rose. Olgahospital Stuttgart & Goethe Universität Frankfurt Kinder- und Jugendmedizin

Impfraten bei Kindern und Jugendlichen

Schutzimpfungen Stand:

Meningokokken und Pertussis:

Anlage 1 (Lesetextfassung, enthält den 1., 2. und 3. Nachtrag) mit Wirkung ab dem ( Impfvereinbarung Sachsen Pflichtleistungen )

Euregionales comprehensive Cancer Center Aachen (ECCA) Impfen gegen Krebs. Dr. med Martina Crysandt. Aachen,

Übersicht zu aktuellen STIKO-Empfehlungen

Vor Infektionen schützen

Impfungen - Fluch oder Segen?

Impfempfehlung für.. (Name des Kindes)

Wie viele Impfungen verträgt das Kind

Epidemiologisches Bulletin

Can I use an older device with a new GSD file? It is always the best to use the latest GSD file since this is downward compatible to older versions.

Anpassungen der Impfempfehlungen zum Schutz vor invasiven Meningokokken-Erkrankungen

Aktuelles aus der STIKO und Einblicke in die Arbeitsweise der Kommission

Im Folgenden werden einzelne Aspekte kurz erläutert, die zu der aktuellen Einschätzung der STIKO geführt haben.

Übertragung von Infektionen. Infektionen, Impfungen, Schulauschluss. Varizellen: Epidemiologie. Varizellen. Erkrankung

Impfungen im Erwachsenenalter

MenB Information - German

Wie häufig sind respiratorische Infekte beim Personal und was wird auf den Patienten übertragen?

A study on computer-aided design of PIN-diode phase modulators at microwave frequencies

Epidemiologische Information für den Monat November 2018

Impf-Update für Säuglinge und Kleinkinder

Impfplan 2013 Möglichst wenige Stiche zum Schutz gegen möglichst viele Krankheiten

Liebe Patienteneltern,

Epidemiologische Information für den Monat April 2018

Hot Topics rund ums Impfen

Kanton Zürich Gesundheitsdirektion. Grippeimpfung. Schutz für mich selber und für mein Umfeld.

Experten-Umfrage: Impfungen und Impfverhalten

Herwig Kollaritsch Gerhard Wiedermann (Hrsg.) Leitfaden für Schutzimpfungen. SpringerWienNewYork

Impfung bei Kollagenosen. Was ist möglich, was ist notwendig?

Impfvereinbarung (Verbände der Krankenkassen)

CHMP-Empfehlung für Meningokokken-B-Impfstoff Bexsero

Epidemiologisches Bulletin

Transkript:

Aktualisierung der Meningokokken- Impfempfehlung gemäß der STIKO N. Schöffel, D. Brüggmann, M. H. K. Bendels & D. A. Groneberg Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie ISSN 0944-2502 Zbl Arbeitsmed DOI 10.1007/s40664-015-0079-z 1 23

Your article is protected by copyright and all rights are held exclusively by Springer- Verlag Berlin Heidelberg. This e-offprint is for personal use only and shall not be selfarchived in electronic repositories. If you wish to self-archive your article, please use the accepted manuscript version for posting on your own website. You may further deposit the accepted manuscript version in any repository, provided it is only made publicly available 12 months after official publication or later and provided acknowledgement is given to the original source of publication and a link is inserted to the published article on Springer's website. The link must be accompanied by the following text: "The final publication is available at link.springer.com. 1 23

Übersichten Zbl Arbeitsmed DOI 10.1007/s40664-015-0079-z Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 N. Schöffel D. Brüggmann M.H.K. Bendels D.A. Groneberg Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main, Deutschland Aktualisierung der Meningokokken-Impfempfehlung gemäß der STIKO Anwendung des Meningokokken-B- Impfstoffs bei Personen mit erhöhtem Risiko für Meningokokken-Erkrankungen Erreger Diese Arbeit basiert auf der Originalpublikation [12] des Robert Koch-Instituts. Meningokokken sind gramnegative Bakterien der Art Neisseria meningitidis, die in 12 Serogruppen unterteilt werden. Hiervon sind in Deutschland vorrangig die Serogruppen B (ca. 2/3 aller Fälle) und C (ca. 1/4 aller Fälle) für invasive Erkrankungen verantwortlich [1]. Die Serogruppen Y und W verursachen lediglich ca. 5 bzw. 2 % der Fälle. Meningokokken werden als Tröpfcheninfektion übertragen. Screening-Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa 10 % gesunder Personen eine Besiedlung der Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum mit Meningokokken aufweisen [2]. In bestimmten Gruppen wurden deutlich höhere Trägerraten beobachtet (ca. 20 40 %), z. B. Soldaten in Kasernen, homosexuelle Männer [2 5]. Eine invasive Erkrankung tritt jedoch nur in Ausnahmefällen bei einer Besiedlung mit Meningokokken auf. Dies geschieht, wenn der Erreger bei fehlender Immunität durch die Schleimhautbarriere dringt. Dies wird durch Schädigungen der Schleimhäute (z. B. durch virale Infektionen, trockene Luft oder Rauchen) begünstigt [6, 7]. Krankheitsbild Die invasive Erkrankung zeigt sich klinisch zumeist in Form einer Meningokokken-Meningitis oder einer Meningokokken-Sepsis. Das Spektrum der Manifestation reicht von vorübergehenden symptomfreien Bakteriämien bis hin zu foudroyanten septischen Verläufen, die innerhalb weniger Stunden zum Tod führen können (z. B. Waterhouse- Tab. 1 Zusammenfassung der Schätzungen zum Risiko für eine invasive MenB-Erkrankung bei ausgewählten Risikogruppen und der geschätzten Zahl Betroffener, die gegen MenB geimpft werden müssten, um einen Fall zu verhindern (number needed to vaccinate, NNV). (Aus [12], mit freundlicher Genehmigung des RKI) Im Jahr nach der Impfung Innerhalb von 3 Jahren nach Impfung Risikogruppe (geschätzte Anzahl Betroffener in Deutschland) Risiko für IME durch MenB (Erkr./100.000 Betroffene/Jahr) Anzahl Fälle/Jahr NNV a im Jahr nach Impfung Verhinderte Fälle bei Impfquote NNV innerhalb 3 Jahren nach Impfung b Verhinderte Fälle bei Impfquote Asplenie (90.000) 8 7,2 19.000 4,7 6350 14,2 Komplementdefekte 1550 3100 155 310 49 98 102 204 16 32 306 612 d (80 10.000 c ) HIV-Infektionen (80.000) 1,5 3,0 1,2 2,4 51.000 102.000 1,2 2,3 13.900 27.800 2,9 5,9 Immundefekte mit Hypooder Agammaglobulinämie (800 800.000) Unbekannt, nur geringfügig erhöht Nicht geschätzt Ähnlich wie bei HIV-Infizierten Nicht geschätzt Nicht geschätzt a Annahme: Durchschnittliche Schutzdauer der Impfung beträgt 1 Jahr bzw. b 3 Jahre. c Schätzung wurde für 10.000 Betroffene durchgeführt. d Diese Berechnungen verdeutlichen die Unsicherheit bei der Schätzung der Anzahl der Betroffenen in Deutschland: Bei der Gruppe der Komplementdefekte erscheint die Maximumschätzung von 10.000 überhöht; denn basierend auf dem zugrunde gelegten 5000- bis 10.000-fach erhöhtem IME-Risiko bei diesen Personen, müsste in Deutschland die Mehrzahl der Personen mit IME einen Komplementdefekt haben. Die Schätzung der NNV bleibt hiervon jedoch unberührt. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 1

Übersichten Übermittelte IME/100.000 Einw. 6 100% n = 250 n = 78 n = 10 n = 21 Alter in Jahren 50+ MenB MenC MenY MenW 90% 25 49 5 80% 70% 20 24 15 19 60% 10 14 4 50% 5 9 40% 4 3 30% 3 20% 2 2 10% 1 0 0% MenB MenC MenW MenY Serogruppen 1 0 0 1 2 3 4 5 9 10 14 15 19 20 24 25 49 50+ Alter (Jahre) Abb. 1 8 Inzidenz der übermittelten invasiven Meningokokken-Erkrankungen nach Alter und Serogruppe, Deutschland, 2010 2013. Nebenbild: Altersverteilung nach Serogruppen. (Aus [12], mit freundlicher Genehmigung des RKI) Friderichsen-Syndrom) [8]. In Deutschland liegt die Letalität für MenB- und MenC-Erkrankungen bei etwa 10 %. Von den Überlebenden einer invasiven Meningokokken-B-Erkrankung tragen etwa 10 20 % eine Komplikation wie Hörverlust, neurologische Schäden oder Amputationen davon [9 11]. Epidemiologie der invasiven Meningokokken-Erkrankungen (IME) in Deutschland In den Jahren 2010 bis 2013 erkrankten in Deutschland im Mittel jährlich 364 Personen an IME, davon 250 (69 %) durch Meningokokken der Serogruppe B (0,30 Erkr./100.000 Einw. pro Jahr), 78 (22 %) durch die Serogruppe C (0,09 Erkr./100.000 Einw. pro Jahr) und 35 (10 %) durch die Serogruppen A, W oder Y (0,03 Erkr./100.000 Einw. pro Jahr) [2, 12]. Das höchste Erkrankungsrisiko haben Säuglinge und Kleinkinder. Ein weiterer Krankheitsgipfel existiert bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren (. Abb. 1). Der Anteil der MenB- und MenC-Erkrankungen ist am höchsten bei den Säuglingen und Kleinkindern, während der Anteil der MenW- und MenY-Erkrankungen bei Erwachsenen deutlich höher ist (. Abb. 1). Im europäischen Vergleich lag die Inzidenz in Deutschland im unteren Drittel. So lag die Inzidenz der Serogruppe-B-Erkrankungen z. B. im Jahr 2011 bei Säuglingen in Deutschland bei 5,9, in Großbritannien bei 25,3 und in Irland bei 38,6 Erkr./100.000 Einwohner [12]. Zum Impfstoff Am 22. Januar 2013 wurde erstmals ein Impfstoff (4CMenB) gegen Meningokokken der Serogruppe B als Bexsero in Europa zugelassen [13]. Dieser ist seit dem 2. Dezember 2013 in Deutschland verfügbar. Bei Kindern im Alter von 2 bis 5 Monaten sind 3 Impfstoffdosen zur Grundimmunisierung und in allen anderen Altersgruppen 2 Impfstoffdosen vom Hersteller empfohlen [12]. Der Impfstoff kann gleichzeitig mit den folgenden Impfstoff-Antigenen (monovalent oder kombiniert) verabreicht werden: Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b, Poliomyelitis (inaktivierter Impfstoff), Hepatitis B, heptavalentes Pneumokokkenkonjugat, Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. 4CMenB wird tief intramuskulär injiziert. Kontraindiziert ist 4CMenB bei Vorlie gen einer Überempfindlichkeit gegen die Impfstoff-Bestandteile [12, 13]. 2 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie

Zusammenfassung Abstract Impfstrategie Eine Impfung mit 4CMenB kann sinnvoll sein, um Risikogruppen vor einer durch die Serogruppe B verursachten IME zu schützen (. Tab. 1). Das höchste Erkrankungsrisiko haben Personen mit Komplementdefekten [2, 12, 13]. Personen mit Asplenie, HIV-Infizierte oder mit anderen Immundefekten haben ein nur geringfügig erhöhtes Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Haushaltskontakte von Patienten mit IME durch die Serogruppe B können ebenfalls von einer MenB-Impfung profitieren, jedoch in geringerem Maße als Haushaltskontakte von IME, welche durch die Serogruppen ACWY verursacht sind (. Tab. 2; [2, 12, 13]). Entscheidend ist eine schnelle Serogruppenbestimmung, um so früh wie möglich nach dem Kontakt die Impfung verabreichen zu können, da mehr als zwei Drittel der Sekundärfälle, die trotz einer stattgehabten Chemoprophylaxe auftreten, in den ersten drei Monaten nach dem Kontakt auftreten. Ebenso ist die Impfung mit einem MenB-Impfstoff von beruflich exponierten Personen geboten (z. B. Laborpersonal mit dem Risiko der Bildung eines N.-meningitidis- Aerosols). Es muss jedoch darüber aufgeklärt werden, dass keine Daten zur klinischen Wirksamkeit vorliegen und dass das genaue Risiko für IME bei bestimmten Immundefekten oder immunsuppressiven Zuständen nicht bekannt ist. Es liegen noch keine Daten zur Dauer des möglichen Impfschutzes vor. Ob und wann eine Auffrischimpfung notwendig wird, bleibt offen [2, 12, 13]. Zbl Arbeitsmed DOI 10.1007/s40664-015-0079-z Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 N. Schöffel D. Brüggmann M.H.K. Bendels D.A. Groneberg Aktualisierung der Meningokokken-Impfempfehlung gemäß der STIKO. Anwendung des Meningokokken-B-Impfstoffs bei Personen mit erhöhtem Risiko für Meningokokken-Erkrankungen Zusammenfassung Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für gesundheitlich gefährdete Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizienz sowie anatomischer oder funktioneller Asplenie eine Impfung mit 4-valentem ACWY-Konjugatimpfstoff. Zugleich ist diese Impfung für Personen mit Haushaltskontakt zu einem Patienten mit einer invasiven Meningokokken-Erkrankung (IME) sowie für gefährdetes Laborpersonal empfohlen (d. h. Arbeit mit dem Risiko der Bildung eines Neisseria-meningitidis- Haushaltskontakte, beruflich Exponierte und Personen mit Immundefekten/- suppression sollten nach dem zugelassenen Impfschema geimpft werden. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, 4CMenB zumindest bei Säuglingen und Kleinkindern nicht simultan mit anderen Impfungen zu verabreichen. Die Simultanimpfung mit Infanrix hexar, Prevenar 7R und MMRV hat in den Zulassungsstudien zwar nicht die Immunogenität dieser Impfantigene beeinträchtigt, jedoch bei Säuglingen und Kleinkindern das Risiko für lokale und systemische Nebenwirkungen deutlich erhöht [2, 12, 13]. Aerosols). Seit Dezember 2013 ist in Deutschland zusätzlich ein Impfstoff gegen die Serogruppe B verfügbar, der 4CMenB-Impfstoff (Bexsero ). Die STIKO hat geprüft, ob diese Impfempfehlungen auch für diesen Impfstoff gelten sollen. Schlüsselwörter Neisseria meningitidis Impfempfehlung Serogruppe B 4CMenB-Impfstoff Ständige Impfkommission (STIKO) Update of the meningococcal vaccination recommendations according to STIKO. Use of meningococcal B vaccination in individuals at increased risk for meningococcal diseases Abstract The German Standing Committee on Vaccination (STIKO) recommends immunization with quadrivalent meningococcal ACWY-conjugate vaccine for people with acquired or primary immunodeficiency, as well as for those with functional or anatomical asplenia. Immunization is furthermore recommended for people with direct contact to people with invasive meningococcal disease (IMD) and laboratory staff (i.e., threatened by work with possible exposure to droplets or aerosols containing Neisseria meningitides). Since 2013, a new vaccination against serogroup B meningococcal disease (i.e., Bexsero ) is available in Germany. The STIKO examined whether the current immunization schedules on IMD may be used on Bexsero. Keywords Neisseria meningitidis Vaccination recommendation Serogroupe B 4CMenBvaccine German Standing Committee on Vaccination (STIKO) Erkrankungen in der Sitzung vom 26. Juni 2015 beschlossen. Fazit für die Praxis Implementierung/Umsetzbarkeit Impfziel Ziel dieser Empfehlung ist es, die Krankheitslast durch IME der Serogruppe B (MenB) bei Personen mit erhöhtem Erkrankungsrisiko (d. h. Immundefizienz/-suppression, Haushaltskontakt oder beruflicher Exposition) durch den seit Ende 2013 verfügbaren Impfstoff 4CMenB (Bexsero ) zu senken [2, 12, 13]. Die STIKO hat eine Empfehlung zur Anwendung des Meningokokken- B-Impfstoffs bei Personen mit erhöhtem Risiko für Meningokokken- 55Meningokokken sind gramnegative Bakterien der Art Neisseria meningitidis. Sie werden in Serogruppen eingeteilt, von denen in Deutschland vorrangig die Serogruppen B für etwa zwei Drittel der invasiven Erkrankungen verantwortlich ist. 55Das Spektrum der Manifestation reicht von vorübergehenden symptomfreien Bakteriämien bis hin zu foudroyanten septischen Verläufen. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 3

Übersichten Tab. 2 Zusammenfassung der Schätzungen zum Risiko für eine invasive Meningokokken-Erkrankung durch die Serogruppen C, W oder Y bei ausgewählten Risikogruppen und der geschätzten Zahl Betroffener, die gegen MenACWY geimpft werden müssten, um einen Fall zu verhindern (number needed to vaccinate, NNV). (Aus [12], mit freundlicher Genehmigung des RKI) Im Jahr nach der Impfung Innerhalb von 3 Jahren nach Impfung Risikogruppe (geschätzte Anzahl Betroffener in Deutschland) Risiko für IME durch Men C, W, Y (Erkr./100.000 Betroffene/Jahr) Anzahl Fälle/ Jahr NNV a im Jahr nach Impfung Verhinderte Fälle bei Impfquote NNV innerhalb 3 Jahren nach Impfung a Verhinderte Fälle bei Impfquote Asplenie (90.000) 4 3,6 31.250 2,9 10.400 8,7 Komplementdefekte 650 1300 65 130 96 192 52 104 32 63 159 312 (80 10.000) HIV-Infektionen (80.000) 0,7 1,4 0,6 1,1 89.300 178.600 0,4 0,9 29.800 59.500 1,3 2,7 Immundefekte mit Hypo- Unbekannt, nur geringfügig Nicht geschätzt Ähnlich wie bei Nicht geschätzt Nicht geschätzt oder Agammaglobulinämie (800 80.000) erhöht HIV- Infizierten a Annahme: Durchschnittliche Schutzdauer der Impfung beträgt 1 Jahr 55Zwischen 2010 und 2013 erkrankten in Deutschland im Mittel jährlich 364 Personen an IME, davon 250 (69 %) durch Meningokokken der Serogruppe B. 55Das höchste Erkrankungsrisiko haben Säuglinge und Kleinkinder. 55Seit Dezember 2013 ist in Deutschland der 4CMenB-Impfstoff (Bexsero ) gegen die Serogruppe B verfügbar. 55Eine Impfung mit 4CMenB kann sinnvoll sein, um Risikogruppen vor einer durch die Serogruppe B verursachten IME zu schützen. 554CMenB wird tief intramuskulär injiziert. Kontraindiziert ist 4CMenB bei Vorliegen einer Überempfindlichkeit gegen die Impfstoff-Bestandteile. 55Haushaltskontakte, beruflich Exponierte und Personen mit Immundefekten/-suppression sollten nach dem zugelassenen Impfschema geimpft werden. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, 4CMenB zumindest bei Säuglingen und Kleinkindern nicht simultan mit anderen Impfungen zu verabreichen. Korrespondenzadresse Dr. N. Schöffel Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Goethe-Universität Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main Schoeffel@med.uni-frankfurt.de Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. N. Schöffel, D. Brüggmann, M.H.K. Bendels und D.A. Groneberg geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Literatur 1. Harrison OB et al (2013) Description and nomenclature of Neisseria meningitidis capsule locus. Emerg Infect Dis 19(4):566 573 2. Christensen H et al (2010) Meningococcal carriage by age: a systematic review and meta-analysis. Lancet Infect Dis 10(12):853 861 3. Claus H et al (2005) Genetic analysis of meningococci carried by children and young adults. J Infect Dis 191(8):1263 1271 4. Janda WM et al (1983) Characteristics of pathogenic Neisseria spp. isolated from homosexual men. J Clin Microbiol 17(1):85 91 5. Pether JV et al (1988) Carriage of Neisseria meningitidis: investigations in a military establishment. Epidemiol Infect 101(1):21 42 6. Coen PG et al (2006) Is it exposure to cigarette smoke or to smokers which increases the risk of meningococcal disease in teenagers? Int J Epidemiol 35(2):330 336 7. Tuite AR et al (2010) Respiratory virus infection and risk of invasive meningococcal disease in central Ontario, Canada. PLoS One 5(11):e15493 8. Shah A, Lettieri CJ (2008) Fulminant meningococcal sepsis in a woman with previously unknown hyposplenism. Medscape J Med 10(2):36 9. Bettinger JA et al (2013) The disease burden of invasive meningococcal serogroup B disease in Canada. Pediatr Infect Dis J 32(1):e20 e25 10. Gottfredsson M et al (2011) Comparative longterm adverse effects elicited by invasive group B and C meningococcal infections. Clin Infect Dis 53(9):e117 e124 11. Howitz M et al (2009) Morbidity, mortality and spatial distribution of meningococcal disease, 1974 2007. Epidemiol Infect 137(11):1631 1640 12. RKI (2015) doi:10.17886/epibull-2015-008 13. Hellenbrand W et al (2015) Background paper for the update of meningococcal vaccination recommendations in Germany: use of the serogroup B vaccine in persons at increased risk for meningococcal disease. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 58(11 12):1314 1343 4 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie