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Transkript:

An die Parlamentsdirektion, alle Bundesministerien, alle Sektionen des BKA, die Ämter der Landesregierungen und die Verbindungsstelle der Bundesländer GZ BKA-VA.C-211/10/0010-V/7/2010 ABTEILUNGSMAIL V@BKA.GV.AT BEARBEITERIN FRAU MAG DR ANGELIKA HABLE PERS. E-MAIL ANGELIKA.HABLE@BKA.GV.AT TELEFON 01/53115/2227 IHR ZEICHEN Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail Betrifft: Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 1. Juli 2010 in der Rechtssache C-211/10 1, Povse, Brüssel IIa-Verordnung, widerrechtliches Verbringen eines Kindes, Sorgerecht und Rückgabeanordnung; Rundschreiben 1. Ausgangsverfahren: Das gegenständliche Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs (OGH), welches (als erstes österreichisches Verfahren) dem Eilverfahren gemäß Art. 104b VerfO/EuGH unterworfen wurde, erging in einem Rechtsstreit einer österreichischen und eines italienischen Staatsangehörigen über die Rückführung ihres Kindes und das Sorgerecht nach der Brüssel IIa-Verordnung 2. Ende Jänner 2008 trennten sich die (unverheirateten) Eltern und die Mutter verließ mit der 2006 geborenen Tochter die gemeinsame Wohnung in Italien. Obwohl das Jugendgericht Venedig der Mutter vorerst die Ausreise untersagt hatte, begab sie sich im Februar 2008 mit ihrem Kind nach Österreich, wo beide seitdem leben. Nach dem italienischen Zivilgesetzbuch steht das Sorgerecht den Eltern gemeinsam zu. Das Ausreiseverbot wurde im Mai 2008 vom Jugendgericht Venedig wieder aufgehoben und das Sorgerecht für das Kind vorläufig beiden Elternteilen übertragen, mit der Maßgabe, dass bis zur Erlassung einer endgültigen Entscheidung das Kind in Österreich bei seiner Mutter wohnen dürfe. Unter anderem wurden Modalitäten und 1 Abrufbar unter: http://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/ 2 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1). BALLHAUSPLATZ 2 1014 WIEN TEL.: (++43)-1-53115/0 WWW.BUNDESKANZLERAMT.AT DVR: 0000019

- 2 - Zeiten für Besuche des Vaters festgelegt und die Erstellung eines Gutachtens durch einen Sozialhelfer angeordnet, durch das die Beziehungen zwischen dem Kind und beiden Elternteilen ermittelt werden sollten. Ab April 2008 versuchte der Vater des Kindes bei den österreichischen Gerichten die Rückführung seiner Tochter nach Italien zu erwirken. Mit der Begründung einer schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens für das Kind im Sinne von Art. 13 lit. b des Haager Übereinkommens wurde sein Antrag Anfang Jänner 2009 abgelehnt. Die Mutter beantragte beim zuständigen österreichischen Bezirksgericht, ihr die Obsorge für das Kind zu übertragen. Am 26. Mai 2009 erklärte sich dieses Gericht nach Art. 15 Abs. 5 der Brüssel IIa-Verordnung für zuständig und ersuchte das Jugendgericht Venedig, sich für unzuständig zu erklären. Am 25. August 2009 erließ das Bezirksgericht eine einstweilige Verfügung, mit der es die Obsorge für das Kind vorläufig der Mutter übertrug. Diese Entscheidung wurde am 23. September 2009 nach österreichischem Recht rechtskräftig und vollstreckbar. Das Jugendgericht Venedig bejahte jedoch ebenfalls seine Zuständigkeit, mit Verweis darauf, dass die Voraussetzungen für einen Übergang der Zuständigkeit nach Art. 10 der Verordnung nicht erfüllt seien, und stellte fest, dass das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten des Sozialhelfers nicht habe fertig gestellt werden können, da die Mutter den vom Sozialhelfer erstellten Umgangsplan nicht eingehalten habe. Es ordnete daher mit Entscheidung vom 10. Juli 2009 die sofortige Rückführung des Kindes nach Italien an, um den Kontakt zwischen dem Kind und seinem Vater wiederherzustellen. Im September 2009 beantragte der Vater beim zuständigen österreichischen Bezirksgericht die Vollstreckung dieser Entscheidung des Jugendgerichts Venedig, die zunächst mit der Begründung der schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens für das Kind abgewiesen wurde. Der OGH, der im Rahmen eines Revisionsrekurses mit dem Vollstreckungsantrag befasst wurde, legte dem EuGH einige Fragen über die Auslegung der Brüssel IIa-Verordnung, insbesondere zur gerichtlichen Zuständigkeit und zur Voraussetzung einer Rückgabeanordnung vor. 2. Rechtlicher Rahmen: Die einschlägigen Rechtsquellen in diesem Verfahren sind das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (im Folgenden: Haager Übereinkommen von 1980) sowie die Brüssel IIa-Verordnung.

- 3 - Nach dieser Verordnung bleiben bei widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes in einen/m anderen Mitgliedstaat, d.h. auch wenn wie im gegenständlichen Fall das Kind gegen den Willen eines sorgeberechtigten Elternteils verbracht wird, grundsätzlich die Gerichte jenes Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (im Folgenden: Ursprungsstaat; vgl. Art. 10 Brüssel IIa-VO). Die Zuständigkeit geht nur unter bestimmten, in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen an die Gerichte des neuen Aufenthaltsstaates über, und zwar unter anderem dann, wenn von den Gerichten des Ursprungsstaats eine Sorgerechtsentscheidung erlassen wird, in der die Rückgabe des Kindes nicht angeordnet wird (Art. 10 lit. b Ziff. iv Brüssel IIa-VO). Im Fall einer widerrechtlichen Verbringung soll zudem unverzüglich die Rückgabe des Kindes in den Ursprungsstaat erwirkt werden. Die Gerichte des Mitgliedstaats, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde, können dessen Rückgabe nur in besonderen, ordnungsgemäß begründeten Fällen ablehnen, unter anderem wenn die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt (Art. 13 des Haager Übereinkommens von 1980). Jedoch kann eine solche Entscheidung durch eine spätere Entscheidung des Gerichts des Ursprungsstaats ersetzt werden. Wenn das Gericht des Ursprungsstaats die Rückgabe des Kindes anordnet, muss diese erfolgen, ohne dass es in dem Mitgliedstaat, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde, eines besonderen Verfahrens zur Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidung bedarf (vgl. insb. Art. 11 Brüssel IIa-VO). 3. Vorlagefragen und Zusammenfassung der Urteilsbegründung: Der OGH erhob zunächst die Frage, ob nach Art. 10 lit. b Z. iv der Brüssel IIa- Verordnung die Zuständigkeit an die Gerichte des Verbringungsstaats übergeht, wenn das Ursprungsgericht eine vorläufige Regelung des Sorgerechts trifft, mit der wie im gegenständlichen Fall die elterliche Entscheidungsgewalt bis zur endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht dem verbringenden Elternteil übertragen wird. Der Gerichtshof verneinte diese Frage, vor allem im Hinblick auf die zentrale Rolle, die dem nach der Verordnung zuständigen Gericht des Ursprungsstaats zukommt und dem Grundsatz des (gegenseitigen) Vertrauens in die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen. Die Brüssel IIa-Verordnung soll laut EuGH insbesondere darauf hinwirken, dass von Kindesentführungen Abstand genommen wird, weshalb das wider

- 4 - rechtliche Verbringen eines Kindes grundsätzlich keine Übertragung der Zuständigkeit von den Gerichten des Ursprungsstaats zur Folge haben sollte. Die in Art. 10 lit. b Z. iv der Verordnung vorgesehene Zuständigkeitsübertragung sei daher eng auszulegen. Eine Sorgerechtsentscheidung des Ursprungsgerichts nach dieser Bestimmung muss eine endgültige, auf der Grundlage einer umfassenden Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte getroffene Entscheidung [sein], mit der sich dieses Gericht zur Frage der nicht mehr von anderen behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen abhängenden Regelung der Sorge für das Kind äußert. Eine bloß vorläufige Regelung des Sorgerechts, wie es das Jugendgericht Venedig im vorliegenden Fall getroffen hat, fällt nicht darunter. Dieses Gericht blieb daher weiter für die Regelung des Sorgerechts zuständig. Die zweite (und zentrale) Frage des Verfahrens stellte darauf ab, unter welchen Umständen sich eine Rückgabeanordnung des Ursprungsgerichts gemäß Art. 11 Abs. 8 der Verordnung durchsetzt, auch wenn das Gericht des Aufenthaltsstaats (mit der Begründung einer Gefahr für das seelische Wohl des Kindes) die Rückgabe zunächst abgelehnt hatte. Die Republik Österreich und eine Reihe weitere Mitgliedstaaten hatten vorgebracht, dass ein solcher Vorrang der Rückgabeanordnung des Ursprungsgerichts nach Art. 11 Abs. 8 nur dann Anwendung finden soll, wenn sie auf einer von diesem Gericht getroffenen endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht für das Kind beruht. Der EuGH vertrat demgegenüber, dass eine solche Auslegung im Wortlaut von Art. 11 Abs. 8 keine Deckung findet und auch dem Ziel und Zweck der Verordnung nicht entspreche. Art. 11 Abs. 8 der Verordnung würde vielmehr jede spätere Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird erfassen. Nach dem System der Brüssel IIa-Verordnung wird (im Gegensatz zum Haager Übereinkommen) dem nach dieser Verordnung zuständigen Gericht die (Letzt-)Entscheidung über die etwaige Rückgabe des Kindes vorbehalten. Dieses Gericht müsse im Sinne des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens die Gründe und Beweismittel berücksichtigen, die der Entscheidung, die Rückgabe des Kindes abzulehnen, zugrunde liegen. Es solle aber auch die Möglichkeit haben, alle Modalitäten und vorübergehenden Maßnahmen einschließlich der Bestimmung des Aufenthaltsorts des Kindes festzulegen, was unter Umständen dessen Rückgabe erforderlich machen könnte. Das Ziel der Verfahrensbeschleunigung und die vorrangige Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats wären nach Ansicht des EuGH schwer mit einer Auslegung vereinbar, nach der einer Entscheidung über die Rückgabe eine endgültige Sorgerechtsentscheidung vor

- 5 - ausgegangen sein muss. Eine solche Auslegung würde das zuständige Gericht unter Umständen zwingen, eine Sorgerechtsentscheidung zu treffen, obwohl es nicht über alle hierfür relevanten Informationen und Gesichtspunkte und über die für ihre objektive und ausgewogene Würdigung erforderliche Zeit verfügt. Dem Argument der Mitgliedstaaten, dass eine solche Auslegung zu unnötigen Ortswechseln des Kindes führen könnte, falls das zuständige Gericht das Sorgerecht letztlich dem verbringenden Elternteil übertragen sollte, folgt der Gerichtshof nicht. Das Interesse an einer gerechten und gut fundierten gerichtlichen Entscheidung über das endgültige Sorgerecht, das Erfordernis, von Kindesentführungen abzuschrecken, sowie das Recht des Kindes auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen müsse Vorrang vor den durch solche Ortswechsel möglicherweise verursachten Unannehmlichkeiten haben. Im Ergebnis kommt daher einer Rückgabeanordnung des Ursprungsgerichts der in Art. 11 Abs. 8 der Verordnung vorgesehene Vorrang zu, auch wenn ihr keine von diesem Gericht getroffene endgültige Entscheidung über das Sorgerecht für das Kind vorausgegangen ist. Abschließend stellte sich für den OGH im Hinblick auf die Entscheidung des österreichischen Bezirksgerichts die Frage, ob nach Art. 47 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung eine später ergangene Entscheidung eines Gerichts des Vollstreckungsstaats, mit der ein vorläufiges Sorgerecht gewährt wird, der Vollstreckung einer zuvor ergangenen und mit einer Bescheinigung versehenen Rückgabeanordnung des Kindes im Ursprungsstaat entgegensteht. Er erhob weiters die Frage, ob die Vollstreckung einer mit einer Bescheinigung nach Art. 42 der Verordnung versehenen Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat deshalb verweigert werden kann, weil sie aufgrund einer seit Erlassung der Entscheidung eingetretenen Änderung der Umstände das Wohl des Kindes schwerwiegend gefährden könnte. Zu beiden Fragen verwies der EuGH auf Art. 42 der Verordnung, wonach eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über die Rückgabe des Kindes, für die eine Bescheinigung nach Abs. 2 dieser Bestimmung ausgestellt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden muss, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Gegen eine solche Bescheinigung, die ausgestellt wird, um die Vollstreckung der Entscheidung zu erleichtern, soll kein Rechtsbehelf möglich sein.

- 6 - Somit kann vor den Gerichten des Vollstreckungsstaats nicht gegen die Vollstreckung einer solchen Entscheidung vorgegangen werden; das Recht dieses Staates regelt allein die Verfahrensfragen im Sinne von Art. 47 Abs. 1 der Verordnung, d. h. die Modalitäten der Vollstreckung. Auch eine spätere Entscheidung eines Gerichts des Vollstreckungsmitgliedstaats, mit der ein vorläufiges Sorgerecht gewährt wird, kann der Vollstreckung einer zuvor ergangenen und mit einer Bescheinigung versehenen Entscheidung, mit der das zuständige Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Rückgabe des Kindes anordnet, daher nicht entgegengehalten werden. Die Vollstreckung kann auch nicht deshalb verweigert werden kann, weil sie aufgrund einer seit Erlassung der Entscheidung eingetretenen Änderung der Umstände das Wohl des Kindes schwerwiegend gefährden könnte. Eine solche Änderung müsste vor dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats geltend gemacht werden, bei dem auch ein etwaiger Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung seiner Entscheidung zu stellen ist. 4. Bewertung: Der EuGH ist in dieser Entscheidung seiner bisherigen Rechtsprechung in der Rechtssache Rinau 3 sowie Detiček 4 gefolgt. Konkretisiert wurde diese Rechtsprechung nun dahingehend, dass der Vorrang einer Rückgabeanordnung des Ursprungsgerichts auch dann Anwendung findet, wenn diese nicht auf einer endgültigen Sorgerechtsentscheidung beruht, bspw. um wie im vorliegenden Fall, die Kontaktaufnahme zwischen einem Elternteil und dem Kind wieder zu ermöglichen. Hervorgehoben hat der EuGH in diesem Verfahren auch die zentrale Rolle des Gerichts des Ursprungsstaats in den Fällen der widerrechtlichen Verbringung eines Kindes, und zwar auch im Rahmen der Vollstreckung seiner Entscheidungen. 20. August 2010 Für den Bundeskanzler: HESSE Elektronisch gefertigt 3 Urteil des EuGH vom 11. Juli 2008, Rs C-195/08 PPU, Rinau, Slg. 2008, I-5271. 4 Urteil des EuGH vom 23. Dezember 2009, Rs. C-403/09 PPU, Detiček, noch nicht in der amtlichen Sammlung.