Forum A Leistungen zur Teilhabe und Prävention Diskussionsbeitrag Nr.2/2008

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Transkript:

Diskussionsforum Teilhabe und Prävention Herausgegeben von: Dr. Alexander Gagel & Dr. Hans-Martin Schian in Kooperation mit: Prof. Dr. Wolfhard Kohte Prof. Dr. Ulrich Preis Prof. Dr. Felix Welti Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Institut für Deutsches und Europäisches Sozialrecht, Universität zu Köln Hochschule Neubrandenburg Forum A Leistungen zur Teilhabe und Prävention Diskussionsbeitrag Nr.2/2008 Januar 2008 Ermessensfehlerhafte Ablehnung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen des Lebensalters des Versicherten - Anmerkung zu LSG Baden Württemberg, Urteil vom 26.07.2007, Az. L 10 R 5394/06 - von Dennis Bunge, wiss. Mitarbeiter am Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Prof. Dr. Felix Welti, Hochschule Neubrandenburg Ein wesentliches Hindernis bei der Bewilligung von Umschulungen als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stellt in Praxis mitunter das Lebensalter der Antragsteller dar. Das ist vor dem Hintergrund der Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der nationalen wie europarechtlichen Regelungen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung kaum verständlich. Das LSG Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Urteil solchen Praktiken nun auch eine Absage erteilt. Der 45jährige Kläger hatte mit seiner Klage auf Bewilligung einer Umschulung zumindest insoweit Erfolg, als eine Ablehnung allein aus Altersgründen als ermessensfehlerhaft eingestuft wird. Die Autoren stellen die Argumente des Gerichts im Einzelnen vor und fordern eine noch konsequentere Umsetzung des Schutzes vor Altersdiskriminierung in Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis der Rehabilitationsträger. Einige in der besprochenen Entscheidung nicht explizit aufgeworfene rechtliche Hintergrundfragen sind ebenfalls interessant und werden gegebenenfalls in einem weiteren Beitrag besprochen. Dr. Alexander Gagel Marcus Schian Dr. Hans-Martin Schian Wir möchten Sie auch auf die Sammlung aller bisher erschienenen Diskussionsbeiträge im Internet unter www.iqpr.de aufmerksam machen und Sie herzlich einladen sich an der Diskussion durch eigene Beiträge und Stellungnahmen zu beteiligen.

Ermessensfehlerhafte Ablehnung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen des Lebensalters des Versicherten - Anmerkung zu LSG Baden Württemberg, Urteil vom 26.07.2007, Az. L 10 R 5394/06 - von Dennis Bunge, wiss. Mitarbeiter am Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Prof. Dr. Felix Welti, Hochschule Neubrandenburg I. Wesentliche Aussagen des Urteils 1. Die Ablehnung einer Umschulung bzw. Fortbildung als Maßnahme der Teilhabe am Arbeitsleben ist ermessensfehlerhaft, wenn der Rehabilitationsträger diese in erster Linie mit dem Lebensalter eines 45jährigen Versicherten begründet. 2. Auch der Verweis auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation ist hierfür nicht ausreichend, weil diese einem Wandel unterliegt und ältere Arbeitnehmer als Fachkräfte mit Berufserfahrung wieder vermehrt eingestellt werden. II. Der Fall Der Kläger, ein 45jähriger gelernter Schlosser, konnte aufgrund mehrerer chronischer Leiden seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausführen und war seit Mitte 2003 arbeitslos. Mit der noch verbliebenen Arbeitskraft konnte er nur noch leichte Tätigkeiten verrichten. Im August 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten - einem Rentenversicherungsträger - eine Umschulung, die ihm dem Grunde nach bewilligt wurde, jedoch sollte vor der endgültigen Entscheidung ein Gespräch mit einem Reha-Fachberater geführt werden. Dieses hatte zum Ergebnis, dass der Kläger sich eine Technikerausbildung oder eine Ausbildung zum Technischen Zeichner/Maschinenbau als Umschulungsmaßnahme zutraute und diese von der Beklagten finanziert haben wollte. Der Fachberater erklärte dem Beklagten daraufhin, dass die Voraussetzungen für eine solche Umschulung nicht vorlägen, weil der Kläger, einen erfolgreichen Abschluss vorausgesetzt, bei Beendigung der Ausbildung mit 47 Jahren als Berufsanfänger auf diesem Gebiet mit den wesentlich jüngeren Berufseinsteigern nicht konkurrieren könne. In der Regel würde ein Arbeitgeber bei der Einstellung stets den Jüngeren vorziehen. Daraufhin versagte die Beklagte die Umschulung mit dem Hinweis, dass eine Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt aufgrund des Alters des Klägers aussichtslos sei, und dass eine Umschulung dies nicht ändern könne. Im erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren erwähnte die Beklagte auch, dass ferner die schulischen Fähigkeiten des Klägers noch nicht geklärt worden seien. Der bisherige berufliche Werdegang, der nach 43 Abs. 4 SGB IX bei der Auswahl der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angemessen zu berücksichtigen sei, führe dazu, dass die Beklagte allenfalls Vermittlungshilfen zur Aufnahme einer leidensgerechten Beschäftigung bewilligen könne. Die beim SG Ulm eingereichte Klage war erfolglos. Das Gericht bestätigte die Beklagte in der Auffassung, dass das Lebensalter des Klägers in einer Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt dazu führen würde, dass jüngere Berufsanfänger dem Kläger gegenüber bevorzugt werden würden, was durch die gängige Praxis auf dem deutschen Arbeitsmarkt 2

unterstrichen würde. Die Begründung der Beklagten sei insofern nicht ermessensfehlerhaft gewesen. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger mit der Begründung Berufung ein, dass angesichts des zuletzt angehobenen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre, ihm noch 20 Jahre verblieben, die er mit einer Berufstätigkeit ausfüllen müsse und dass auf dem deutschen Arbeitsmarkt der Bedarf an Facharbeitern wieder zunehme. Der Kläger beantragte, das Urteil des SG Ulm und die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die gewünschte Umschulungsmaßnahme zu gewähren, hilfsweise über seinen ersten Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. III. Die Entscheidung Das LSG hält die Berufung des Klägers für zulässig und teilweise begründet. Es hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ist 9 Abs. 1 S. 1 SGB VI. Danach muss der Rentenversicherungsträger medizinische Leistungen zur Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen gewähren, um den Auswirkungen einer Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der vom Kläger beantragten Umschulung lägen dem Grunde nach unstreitig vor. Die persönlichen Voraussetzungen des Klägers nach 10 SGB VI seien gegeben. Bei der Gewährung von Leistungen habe der Rentenversicherungsträger jedoch einen Ermessenspielraum. Das Recht auf Ermessensausübung ergibt sich hier aus 13 Abs. 1 S. 1 SGB VI. Danach stehe die Gewährung von Leistungen für den Träger der Rentenversichtung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung in dessen pflichtgemäßem Ermessen. Die gerichtliche Kontrolle umfasse jedoch nach 39 Abs. 1 SGB I stets nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten worden seien. Die Ermessensausübung der Beklagten sei im vorliegenden Fall allerdings fehlerhaft. Durch die zuletzt im Erörterungstermin gezeigte generelle Weigerung der Beklagten, Umschulungsmaßnahmen zu gewähren, liege ein Ermessensfehlgebrauch vor. Sicherlich sei es für einen älteren Versicherten schwieriger, sich als Berufsanfänger auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren, jedoch sei es unstatthaft, diesen Faktor als alleinige Begründung für die Verweigerung von Rehabilitationsleistungen anzuführen. Die Beklagte lasse bei ihrer Entscheidung vollkommen außer Acht, dass die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt einer ständigen Wandlung unterlägen. Ferner vernachlässige sie den Aspekt, auf welchen möglichen Einsatzgebieten ein Techniker bzw. Technischer Zeichner eingesetzt werden könne. Stattdessen führe sie lediglich die allgemein schlechteren Bedingungen für ältere Arbeitnehmer an. Dass der Kläger über eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung und über eine mehrjährige Berufserfahrung verfüge, und dass diese Voraussetzungen für ihn 3

einen möglichen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt darstellen könnten, vernachlässige sie bei ihrer Entscheidung. Auch verkenne sie, dass sie selbst mit einer Förderung der Umschulungsmaßnahme noch nicht zwangsläufig ihrer Verpflichtung auf Eingliederung des Klägers nachgekommen wäre. Wenn sich im Anschluss an die Umschulung wirklich Vermittlungsprobleme ergeben würden, wäre die Beklagte nach 9 Abs. 1 S. 1 SGB VI i.v.m. 33 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, weitere Maßnahmen der Vermittlung ( 33 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX) oder Leistungen an Arbeitgeber ( 34 SGB IX) durchzuführen, um die vollständige Rehabilitation des Versicherten zu gewährleisten. Die vorgeschobenen Vermittlungsprobleme des 45jährigen Klägers könnten als solche keine Ablehnung der Umschulung begründen. Andererseits werde nämlich einem Versicherten in seinem bis zum - damals - 65. Lebensjahr andauernden Berufsleben auch zugemutet, einen Berufswechsel durchzuführen, wenn er keine Chance auf einen Arbeitsplatz habe (BSG, Urteil vom 22.06.1971, Az. 11 RA 279/69 in SozR Nr. 9 zu 1237 RVO). Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz (BGBl. 2007, S. 554 ff.) wurde diese Grenze inzwischen sogar auf das 67. Lebensjahr ausgedehnt. Im vorliegenden Fall fange das Renteneintrittsalter bei dem Kläger erst mit 66 Jahren und 4 Monaten an. Das hieße, dass er nach der Ausbildung noch immer 20 Jahre zu arbeiten habe, bis er einen Anspruch auf Altersrente erwerbe. Ziel des Gesetzes sei es u.a., dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und älteren Arbeitnehmern wieder Hoffnung auf Beschäftigung zu machen. Festzuhalten bleibe aber, dass die vorangegangene Begründung nicht zwangsläufig zu einem Anspruch des Klägers auf die gewünschte Umschulungsmaßnahme führe, sondern vielmehr zu einem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten. Der Kläger habe sich im Vorfeld offen für alternative Maßnahmen gezeigt, während die Beklagte partout keine Bereitschaft gezeigt habe, sich um Alternativen für den Kläger zu bemühen. Dadurch verkenne die Beklagte ihre Verpflichtung zum aktiven Handeln, den Kläger wieder in das Arbeitsleben zurückzuführen. IV. Würdigung/Kritik Das Urteil des LSG beschäftigt sich mit einer äußerst aktuellen Thematik, mit der ältere Arbeitslose häufig konfrontiert werden. Sie werden lediglich aufgrund ihres Alters als nicht vermittelbar eingestuft und ihnen werden die entsprechenden Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen versagt. Die Angst, in gehobenem Alter nicht mehr bis zur Rente arbeiten zu können oder zu dürfen, führt in dieser Personengruppe vielfach zu einer zusätzlichen Belastung. Dem Urteil des LSG Baden-Württemberg ist demnach zuzustimmen. Die langjährigen Berufserfahrungen älterer Arbeitskräfte können einem Unternehmen teilweise deutlich mehr von Nutzen sein, als ein jüngerer potentieller Arbeitnehmer, der gerade erst die Ausbildung abgeschlossen hat. Das heißt nicht, dass die jungen Berufsanfänger vernachlässigt werden sollten, sondern, dass man nicht pauschal Arbeitnehmer ab 45 Jahren als nicht vermittelbar einstufen und auch ihnen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geben sollte. Im Übrigen kommt der Rentenversicherungsträger seinem gesetzlichen Auftrag eben nicht nach, wenn er die Weiterbildung bzw. Umschulung von älteren Arbeitnehmern lediglich mit dem Hinweis auf deren Alter ablehnt und somit häufig nur die Alternative Arbeitslosigkeit bleibt. Gerade bei langjähriger Ausgliederung aus dem Arbeitsmarkt wäre dann auch mit gesundheitlichen Verschlechterungen zu rechnen, die einen vorzeitigen Anspruch auf Rente wegen 4

Erwerbsminderung begründen könnten. Insbesondere durch die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre zeigt der Gesetzgeber, dass von den älteren Arbeitnehmern erwartet und ihnen zugetraut wird, bis zu diesem Zeitpunkt brauchbare und gleichwertige Arbeit zu verrichten. Das Gericht hätte im Übrigen angesichts der pauschalen Begründung des Rentenversicherungsträgers auch eine Benachteiligung wegen des Alters erkennen können, die nach 19a SGB IV bei der Inanspruchnahme von Leistungen verboten ist, die den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung betreffen. Ein allein auf das Lebensalter verkürztes Verständnis der Erfolgsprognose beruflicher Rehabilitation ist danach ebenso unzulässig wie dem Arbeitgeber nach 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG die Altersdiskriminierung bei der Einstellung verboten ist. Hätte das Gericht seine Entscheidung mit 19a SGB IV begründet, wäre es auch gut vertretbar gewesen, das Ermessen des Rentenversicherungsträgers soweit einzuschränken, dass dieser unmittelbar zur Leistung verurteilt worden wäre. Öffentliche Sozialleistungsträger dürfen weder selbst wegen des Alters diskriminieren noch sich mit einer solchen Praxis von Arbeitsmarktakteuren abfinden. Damit wird die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG umgesetzt. Eine höhere Erwerbsquote älterer Beschäftigter ist ein herausgehobenes Ziel der europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie. Die Rehabilitationsträger wären rechtlich und politisch gut beraten, ihre Tätigkeit in diese Strategie einzufügen. Ihre Meinung zu diesem Diskussionsbeitrag ist von großem Interesse für uns. Wir freuen uns auf Ihren Beitrag. 5