Balz Isler. Sofia Fernandez

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Transkript:

( INTESTINE ) Nr. 2

( I N T E S T I n t i m a t an algorith W h a t (oder In einer zeit Klimap

N E ) N r. 2 M a t t e r mic privacy Balz Isler i f...? Richtung gemäßen olitik.) Sofia Fernandez

Hermes Villena ( Intestine ) ist eine kleine Zine-Reihe, die auf der Idee eines Happenings basiert, und zu Beginn meines Studiums für den Rundgang der KHM initiiert wurde. Letztes Jahr lud ich im Rahmen des Rundgangs der KHM zum zweiten Mal in Folge Freunde und Bekannten zu Kuchen und Tee in den Garten der Bibliothek ein. Mit dabei waren Julia Maiquez Esterlich, Wiebke Elzel, Stephanie Glauber, Bela Pablo Janssen, Sofia Fernandez, und Lena Dieteness. Pünktlich zum Rundgang erschien im Rahmen von Kuchen und Tee die zweite Auflage von (Intestine). Auf die Zartbitterschokolade des Kuchens wurde, wie im Vorjahr, ein schwieriger Begriff geschrieben: Zeit. Wie 2013 standen die geladenen Gäste und ihre Arbeiten allesamt in einem Zusammenhang mit dem gegessenen Begriff. Schaut man sich die Arbeiten der Künstler an, findet man bei manchen eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, z. B. in Luto von Julia Maiquez Esterlich, Anarchive von Bela Pablo Janssen, oder Beale Trail Documents of a Chase von Wiebke Elzel. Andere zeigten eine Auseinandersetzung mit dem Jetzt: Sturm und alles von Stephanie Glauber, Archaeeological Studies Part 1 und 2 von Lena Ditte Nissen, oder das Theaterstück Bonus Ende von Sofia Clara Fernandez, in dem es um den Diskurs geht, auf welche möglichen Formate wir in der Zukunft treffen könnten. Auch in meinen eigenen Arbeiten ließen sich bislang Spuren der Zeit finden: Archaeologies of a Future, 2013, einer von mir kuratierten Ausstellung, oder With Every Sun Rise A New Ruin 2014, die im Rahmen des Rundganges auch mein Vordiplom darstellte. Die von mir zusammengebrachten Zusammenhänge könnten in beliebig verschieden Konstellationen funktionieren, denn laut neuen Erkenntnissen in der Molekularbiologie, Hirnforschung und Psychologie finden Zeitgefühl, Gedanken und das menschliche Bewusstsein nur gemeinsam statt. So habe ich zum zweiten Mal einen Begriff ausgewählt, der sehr wesentlich ist, und mir gleichzeitig aus den Händen gleitet. Was übrig bleibt ist der Kuchen, das Zusammenkommen und eine kleine Publikation als eine Form der Reflexion mit Freunden während des Studiums. Anders als das Jahr davor, lud ich dieses Mal zwei Personen ein, das Zine mit zu gestalten; Sofia Fernandez und Balz Isler. Sofia hat ihr Studium letztes Jahr an der KISD abgeschlossen, und studiert zur Zeit in der Folkwang in Essen. Sofia sucht anhand von Theaterstücken, Essays und anderen Formen mögliche Konzepte für verschiedene Zukunftsvisionen. Balz Isler beendete seinen Studium in Freier Kunst in der HFBK 2012 und lebt zur Zeit in Berlin. Wenn ich Balz definieren müsste, würde ich ihn als einen Archäologen des Jetzt bezeichnen. Seine Arbeiten behandeln durch verschiedenste Medien eine ständige Auseinandersetzung mit unserem Zeitgeist.

Clara Sofia Fernandez What if...? (oder In Richtung einer zeitgemäßen Klimapolitik.) Die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft steht noch in ihren Anfängen. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger sich Gedanken zu machen, wie das Leben in der Zukunft idealerweise aussehen soll, und mit welchen Mitteln diese Idealvorstellung, die mitunter aus unbefriedigten Bedürfnissen und unerfüllten Wünschen hervorgeht, eigentlich zu realisieren ist. Aus einer Initiative der Sciences-Po Paris, angeführt von Bruno Latour, in Zusammenarbeit mit dem Theaterregisseur Phillipp Quene, und mitgeführt von der Gruppe Speap, ist eine interdisziplinäre Gruppe, die sich aus Grenz gängern der Bereichen Kunst, Design, Schauspiel, Tanz, Pädagogik, Rechts wissenschaft, Journalismus zusammensetzt, ein Kollektiv entstanden, das sich anlässlich eines von Bruno Latour betreuten Masterprogramms formiert hat, während Speap maßgeblich an der Konzeption und Durchführung der Veranstaltung beteiligt war. Entstanden ist das Théâtre de Négociation, eine Simulation der offiziellen COP (Conférence of Parties) in abgewandelter Form. Am 26. Mai 2015 fanden sich über 200 Politik-, Rechts- und Sozialwissenschaftsstudenten in den Räumlichkeiten des Théâtre des Amandiers in Nanterre, Paris, ein, um eine internationale Klimaschutzvereinbarung aufzustellen. Einige von ihnen kamen eigens dafür aus China, den USA, Australien, Brasilien, etc., eingeflogen, um ihre Rolle als Delegierte zu spielen. Nach dreitägiger inhaltlicher, wie schauspielerischer, Einstimmung durch Workshops und Vorträge, starteten die Verhandlungen mit einer Eröffnungszeremonie. Die politischen Akteure hatten sich Monate zuvor bei der Präsidentschaft dieser Konferenz für ihr Amt beworben; Teilnahmebedingung war eine präzise Rollenbeschreibung, in der zunächst Amt und politische Ausrichtung erklärt wurden. Dabei waren nicht nur Bewerbungen nationaler Vertreter erwünscht gewe - s en, sondern auch von Repräsentanten nicht menschlicher Entitäten (wie der Ozean, der Wald, die Atmosphäre, ( )). Diese sehr abstrakt gefassten Interessensverbände müssen, Latours Auffassung nach, bei einer Klimadebatte nationaler Interessensverbänden gleichgestellt sein, um ein sinnvolle Weltklima-Vereinbarung hervorzubringen. Für die Delegierten dieser nicht-menschlichen Entitäten bestand die enorme Herausforderung darin, die nur schwer zu bestimmenden Interessen der jeweiligen Entität angemessen zu repräsentieren. Ziel der Konferenz stellte ein allgemeiner Konsens aller 41 Delegationen über einen Gesetzestext dar.

Das Experiment sollte Antworten auf die Fragen liefern, ob sich ein alternatives Konferenzmodell womöglich zielführender erweisen könnte als das bereits etablierte UN-Verhandlungssystem, wo lediglich Nationen vertreten sind und nicht ebenjene Entitäten, die vom Klimawandel direkt betroffen sind. Unter der Leitung Bruno Latours, welcher die Klimakrise eindeutig als politisch-philosophisches Problem ansieht, wurde versucht, alle Akteure, die im Verhältnis zum globalen Klima stehen, mit ins Boot zu holen. «Ne rien laisser échapper» wurde das Credo der Konferenz. Um Klimaangelegenheiten einmal von einem sozialen Standpunkt aus zu beleuchten, und dieses Verständnis anhand eines praktischen Experiments zu erproben, wurde diese Musterkonferenz durchgeführt. Als solches sollte sie auch bewirken, dass die politische und die künstlerische Disziplin im Rahmen dieser Veranstaltung zueinander finden und ein produktives Zusammenspiel generieren. Sciences - Po und Speap - Stundenten in itiierten einen wechselseitigen Prozess zwischen ihnen, wie auch zwischen der Verhandlungssituation und ihrer medialen Einbettung, die in einem Radio, Fanzines, Fotografie, Dokumentarfilm, Illustration, Bricolage und mehreren live-feed-stationen mündete. Unterschiedliche künstlerische Formate wurden dazu eingesetzt, den Verhandlungsprozess festzuhalten, zu reflektieren, zu kommentieren, und im Sinne eines Assoziationsprotokolls zu verarbeiten. Speaps banden auch auf eine andere Weise im Rahmen der Vorbereitungsworkshops, bei denen die Teilnehmer sowohl inhaltlich wie körperlich auf die Konferenz vorbereitet wurden, ihre künstlerisches Können mit ein. Abgesehen von Legal Writing Exercises, narrativem Schreiben, und Rhetorik- Unterricht, gab es auch Bewegungsübungen, Reaktionsspiele, Berührungssituationen und Vertrauenstraining. Sensibilisierung für körperliche Kommunikation im Raum, die in Workshops mit Schauspielern und Tänzern vermittelt wurden, waren in meinem Empfinden äußerst wirkmächtig, um die Selbstwahrnehmung der Teilnehmer zu kalibrieren. Bei der Szenografie (von Raumlabor Berlin) verbildlicht dieser Gedanke die Bedingungen des Zusammenkommens: Fünfeckige Tische, deren Oberfläche zum Schreiben mit Markern beschichtet sind, wirken wie unfertige Fährten. ( Es muss beachtet werden, dass sich eine Delegation ausnahmslos aus fünf Delegierten zusammensetzt.) Es sind leichte, klappbare Stehtische, die einen flexiblen Raumaufbau ermöglichen. In dem Hauptverhandlungssaal, dem salle transformable, befinden sich außer den Tischen, Stühlen und Paravents, eine Drehscheibe und eine Ladestation mit Steckdosen und Kaffeeautomaten.

Das besondere an dieser hochdimensionierten Black Box ist die Transformier bar keit ihrer Zustände. Der geschlossene Raum wird zu einem Offenen, wenn die ganze Wand, die aus 16 x 6 Metern besteht, verschwindet. (Während der dreitägigen Verhandlungen konnte man den Raum in beiden möglichen Zuständen erleben.) Für das Publikum waren im Rahmen von Führungen hauptsächlich kurze Aufenthalte auf dem Laubengang vor gese - hen. Aus der Höhe konnten sie einen Überblick über die Situation gewinnen, die sich hauptsächlich aus den über 200 Delegierten, der Präsidentschaft und Journalisten zusammensetzte, die abwechselnd in einer plenary session oder in thematic contact groups zusammensaßen. Grundlage für die Verhandlungen war ein fiktiver Gesetzestext, der von der Präsidentschaft zur Debatte gestellt wurde, und der lediglich minimale Regulierungen und Beschränkungen von Abgasemissionen vornahm. Der erste Tag der Verhandlungen war von einem Hang zum Übermut geprägt: Die einminütigen Plädoyers, die einzelne Delegierte abhielten, um die Meinungen anderer Delegationen auf ihre Seite zu ziehen, waren mit extremen Argumenten angereichert, die einem einseitigen Schwarz-Weiß-Denken entsprangen. Es wurde eine Grundsatzdiskussion erzeugt, bei der Zweifel am System offen vorgetragen, und die Regeln von ihren Teilnehmern radikal hinterfragt wurden. Von dem Gegenlager wurde starke Überzeugungsarbeit geleistet, sich auf Herausforderung der Konsensbildung zu besinnen, und innerhalb des herrschenden Systems eine bestmögliche Vereinbarung zu treffen. In der Nacht zwischen dem ersten und zweiten Tag liefen die Verhandlungen unterbrechungslos weiter. Es gab lediglich eine kleine Gruppe von Delegierten, die sich während der nächtlichen Debatten zu einer Protestbewegung formiert hatten, und mit Rufen und Gesten versuchten, die anderen Delegierten zur Kapitulation anzustiften. Davon ließen sich allerdings nur Wenige beeindrucken, und somit liefen die Verhandlungen in einem Zug weiter. Es ging hauptsächlich darum, den vorgefertigten Text Paragraph für Paragraph durchzugehen, und Änderungen im Konsens vorzunehmen. Vorschläge mussten dabei solange debattiert werden, bis alle dieser Änderung zustimmten. Gleichzeitig arbeiteten die Konferenzteilnehmer gegen die Uhr, weil es ein vorgeschriebenes Ende gab. Die meisten Delegierten hatten die letzten 48 Stunden an Visionen gearbeitet, um ihre Kollegen von ihrem eigenen Standpunkt loszureißen, und in die eigene Richtung mitzuziehen. Sie waren dabei sehr feinfühlig und detailliert vorgegangen, um sich Vorteile zu verschaffen.

Um sich einen richtigen Eindruck von der Gesamtsituation machen zu können, ist es wichtig, sich zunächst über das Setting im Klaren zu sein. Dazu reicht es, sich ein konvexes Polygon als Grundfläche des Theaters vorzustellen, in dem sich zwei sehr große, rechteckige Bühnenräume (eins davon der salle transformable ), ein Planetarium -oder Probebühne-, ein großes Foyer mit einem Buchladen, eine öffentliche Kantine, und u. a. ein Videozimmer befinden. Neben dem Hauptgebäude befinden sich die Werkstatthallen, die zur Erholungsoase mit einem schwarzem See und Liegestühlen umgewandelt wurden. Der Bau ist von einem Park umgeben, den man durchqueren muss, um zur Métro-Haltestelle zu gelangen. Die Architektur in dieser Gegend wirkt insgesamt etwas trist, und besteht hauptsächlich aus hohen Wohnblöcken; ein camouflage-ähnliches Erscheinungsbild. Das Theater sticht durch seine rote Fassade und einen partikulären Stil heraus: Als Erzeugnis der 70er Jahre trägt es Spuren jener Zeit. Auf die Räume verteilt fand ein vielfältiges Programmangebot statt: Vorträge und Diskussionsrunden mit Experten fanden im großen Saal statt. Eine Etage darunter, in einem Proberaum, wurden Filme projeziert, die von unterschiedlichen utopischen und dystopischen Zukunftsvisionen handelten. In der Kantine wurde Mittags und Abends für alle Delegierten und für Publikum schmackhaftes veganes Essen ausgegeben. Das Rahmenprogramm, das allgemein bloß die Bedeutung eines Randgeschehens zugeschrieben bekommt, hatte in diesem Fall die Verhandelnden stark beeinflusst. Das prachtvolle Resultat jenes intensiven Verhandlungsprozesses war ein Klimaschutzabkommen, welches voraussichtlich eine 2-Grad-Erwärmung verhindern kann. Vorbildcharakter hat diese Simulation nicht nur durch die Integration neuer Entscheidungsträger in den Verhandlungsprozess, die dazu beitragen, das Ergebnis in eine klimafreundliche Richtung zu lenken, sondern auch im Hinblick auf die wertvolle Erfahrung für werdende Künstler und Politiker, einen kollaborativen Prozess miteinander zu beschreiten. Mit diesem Simulationsversuch einer Weltklimakonferenz hat man den Nachwuchs-PolitkerInnen ein Forum gegeben, in dem sie sich beweisen konnten, und sie mit der künstlerischen Arbeitsweise direkt konfrontiert wurden. Sie haben Offenheit demonstriert und gezeigt, dass diese Generation sich weder mit dem Hin-und-Herwenden verstaubter Paragraphen begnügen möchte, noch dass sie auf ein politisches Tauziehen fokussiert ist. Diese Zeitgenossen träumen davon, statt der traditionell festgelegten Verfahrensweisen auch kreative Methoden zu legitimieren, und dass die äußere Politik ihren Ausdruck nicht nur in fundamentalen Dogmen findet, sondern auch in einer Vision, die gemeinschaftlichen Wertvorstellungen entspricht, und nicht in Paragraphen, sondern in narrativen Texten und Illustrationen festgehalten wird.

Die Klimakrise ist, so Latour, die Konsequenz einer politischen Krise; genauer genommen einer Krise der Repräsentation. Das Theater ist seiner Ansicht nach der geeignete Kontext, um sich der Frage der angemessenen Repräsentation zu widmen. Die Konferenz wurde ins Leben gerufen, nicht nur um Studenten, die eine berufliche Zukunft als Politiker anvisieren, die Möglichkeit zu bieten, praktische Erfahrung zu sammeln, sondern auch um ein Experiment durchzuführen, welches Wissen erbringt. Demnach lautet die Schlussfolgerung dieses erfolgreichen Experiments konkret, dass ein neues Modell für die Verhandlungen unerlässlich ist, um den Klimawandel effizient abzuwenden, und dass eine reale Chance für einen ausreichenden weltweiten Klimaschutz und für uns besteht, wenn mit politisch-künstlerischem Handlungsbewusstsein Klimawandel als soziales Phänomen angegangen wird. What if...?

Balz Isler Intimate matter / an algorithmic privacy Die vorliegende Bilderserie agiert als Befragung oder Untersuchung einer fortwährenden Verbildlichung unserer Umgebung, unserer Kommunikation und des Jetzt. Schon fast wäre ich geneigt, einen größeren Bogen zu spannen, der von einer vergangenen textbasierten Kultur zurück zu einer exzessiv-bildlichen, sehr zeichenhaften Kultur ausgeht. Derzeit sprechen Bildersprachen im Alltag ganze Konversationen und sind in der Lage, Ideen, Ziele und Inhalte von intuitiver, objektiver, wie auch manipulativer Intention zu transportieren. Allen voran scheint die beschriebene Bildersprache ein immer globaleres Image zu werden, das die unterschiedlichen Traditionen der Kulturen vereinnahmt, vermengt und uniformiert. Hierbei soll aber die Angleichung nicht per se als negativ verbunden werden. Nicht zuletzt hat die Werbewelt uns in den letzten Dekaden ein ganz eigenes Bilduniversum aufgetan, das sich mit dem Eingriff des WEB 2.0 durch den individuali sierten User verkörpert, und sich derzeit mit den sozialen Medien einen ganz eigenen, neuen bildsprachlichen Kodex errichtet und verspricht. Die Debatten über die Echtheit, die Privatsphäre, Ethiken und Rechte, geschweige von Sinn und Zweck, haben sich längst normalisiert, aber wohl längst noch nichts geklärt. Es wäre auch ein grundsätzlicher Widerspruch dem World Wide Web gegenüber, wenn sich etwas als freie Form in einem endgültigen Zustand erklären könnte, geschweige denn abklären würde. Ich sehe aber ebenso wohl, dass wir genau auf diesen Kurs geraten, den Großinteressenten dazu zu verhelfen, dies zu regulieren. Ich nehme mich dieser Debatte in diesem Rahmen nicht tiefer an, aber bleibe beeindruckt, was zahllose Leute alltäglich aus scheinbarer Normalität oder Affekthandlung aus ihrem Blickwinkel und Erlebnissen fast schon zwanghaft posten und vermitteln. Es scheint, als würden wir durch dieses immediately eine Authentizität zurückbekommen, die uns dem physischen Lebensgefühl nahebringt. Ich teile, also bin ich! Nur: Eine Entlohnung für das Mitgeteilte oder Zugänglichgemachte, was automatisch ein Interessengebiet abdeckt, und immer jemanden Drittes daran verdienen lässt, bleibt vorerst noch offen. Dies sind alles relevante Fragen und weitere Verästelungen, denen ich hier aber nicht weiter Form geben will. Stattdessen versuche ich konkreter auf die hier publizierten Bilder einzugehen, die sich an ähnliche Fragen anlehnen. In einer ersten Serie, die dieser vorhergeht, habe ich mich digitaler Bilder bemächtigt, die sehr privat oder in ihrer Intimität sehr öffentlich zugänglich waren. Es waren Bilder, von denen die klare Absicht ausging, veröffentlicht worden zu sein, und wiederum andere, bei denen es sehr unklar war, ob es einer Entscheidung eines Zweiten oder Dritten benötigte.

Ich habe einige mir bleibende Bilder gesammelt, um sie einem konzeptuellen Bildbearbeitungsprozess zu unterziehen, der die Personen, die Handlungen und ihre persönlichen und objektiven Indizien verhüllt. Dabei kamen automatisch Themen der Zensur, der Privatsphäre, des Eigentums und der Rechte zu tragen. All diese Themen sind genau genommen schon vorher in den Bildern Teil, nur werden sie durch den gewohnten Zugang zu Objekt und Handlung beirrt. Hierbei wird es wichtig, auf das darauf folgende Konzept der digitalen Bearbeitung etwas tiefer einzugehen. Die Bilder, für ein Bildbearbeitungsprogramm vorwiegend aus Nummern und mathematischen Zeichen bestehend, werden durch einen algorithmischen Zustand verfremdet, was den heutigen Umgang mit mathematischen Systemen und Meinungsbildungen verknüpft, bei denen der wahrhafte Aktionsradius eines Individuums nur noch geringfügig eine reelle Rolle spielt (#bigdata #algorithm #etc). Nun: Ich definierte in einem digitalen Bild, was also nur aus Nummern und Zeichen besteht, einen Bereich; in unserem Fall die Person innerhalb des Bildes, der wiederum nur eine Anzahl von Nummern innerhalb der Nummern bleibt. Diesen Bereich ließ ich nun vom Rechner ersetzen oder verhüllen. Er versuchte also, den ausgewählten Bereich zu erweitern, oder zusammenzuführen, indem er für die Aufgabe resp. den Bereich entschied, durch welchen er ersetzt werden sollte; und letzten Endes damit auch die Endform maßgeblich definierte. Genau dieser eben formulierten, technischen Vermenschlichung begegne ich im Alltag sehr oft. Es wird den Rechenprozessen eine Kapazität zugeschrieben, die uns optimieren, retten oder gar vollenden soll. Wir leben de facto umgeben von Formgebungen und Fragmenten, die einer längeren Kette solcher Prozesse unterzogen sind und ganz neue Formen und Möglichkeiten kreieren, die wiederum nicht per se fragwürdig sind, solange sie offen und frei verhandelt werden. Im Falle dieser Bilder entstehen Resultate, die einer ganz eigenen Ästhetik folgen, und durch das Fehlen der personellen Information rätselhaft neue Bilder entstehen lassen, die wiederum eine ganz eigene Intimität und Nähe besitzen. In der vorliegenden zweiten Serie habe ich den Informationsfluss zur Quelle umgeleitet, nicht mehr mit Material gearbeitet, was ich in der digitalen Öffentlichkeit gefunden habe, sondern im persönlicheren Umfeld nach Bildern gefragt, die vorerst nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, aber es mittels dieser Publikation und des Verhüllens im gegenseitigen Interesse doch wieder sind. Beiden Serien ist gemein, dass sie das Vertrauen, die Kommunikation, Zeitlichkeit und die mediale, wie physische Öffentlichkeit auf ihre Gewohnheiten befragen und einen Umgang suchen. Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die mir ihr Vertrauen entgegen gebracht haben, ihre Bilder zu sehen, diese zu bearbeiten, und sie letzten Endes der Öffentlichkeit zeigen zu dürfen.

Maya Lila Phoenix Alina Gordienko Claudia Schouten Knut Herrmann Rebecca Limerick Luise Risch Pedro Wirz Béla Pablo Janssen Claudio Vogt Timothy Shearer Nils Amadeus Lange Lotti Hirsch Edgar Walthert Walther Pixin Julia Maiquez Esterlich Agnes Grüb Ronnie Gaensli Axel Loytved Gael Cleinow Oliver Bulas Thomas Proksch Franziska Nast Julius Larry Loytved Block Barley Signe Koefoed Franziska Glozer Uwe Jens Bermeitinger Handy Jobart Eliza Ballesteros Miriam Bettin Dani Brown Lynn Rin Suemitsu Glen Geffken Ivona Šijaković Marenka Karasomil Nadine Droste Sandra Dichtl Justin Francis Kennedy & Friends Marion Edelhoff Ida Lennartsson

KHM Rundgang 2014

( INTESTINE ) Nr. 2 Ein Projekt von Hermes Villena What if...? Oder in Richtung einer Zeitgemäßen Klimapolitik Sofia Fernandez Intimate matter an algorithmic privacy Balz Isler Layout: Hermes Villena Vielen Dank an alle die zum Picknick vorbei gekommen sind. ( Intestine ) Nr. 2 entstand im Juli 2015 unter angenehm sommerlichen Temperaturen in Isler s Sunset Studio in Berlin. Diese Publikation erscheint bei TBOOKS COLOGNE. Alle Rechte bei Hermes Villena, Sofia Fernandez, Balz Isler und TBOOKS COLOGNE. www.tbookscologne.blogspot.com Erste Auflage 07. 2015

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