Sperrungen oder Verkehrseinschränkungen von Straßen Rechtliche Auswirkungen
1. Rechtliche Auswirkungen Was passiert, wenn ein Unternehmer infolge einer Sperrung oder Verkehrseinschränkung von Straßen seine Waren zu spät an den Kunden liefert? Bekommt er trotzdem seinen Kaufpreis beziehungsweise seine Vergütung? Wer kommt für den Schaden auf, der ihm durch die Sperrung oder Verkehrseinschränkung entsteht? Hat ein Fahrgast für die staubedingte längere Taxifahrt einen höheren Fahrpreis zu zahlen? Ist der Verkehrsstau, der aufgrund der Sperrung oder Verkehrseinschränkung entstanden ist, ein Fall von höherer Gewalt mit der Folge, dass ein Unternehmer nicht für eine darauf beruhende Verspätung verantwortlich ist? Eine Sperrung oder Verkehrseinschränkung wirft für Unternehmer einige rechtliche Fragen auf. Durch die folgenden Beispiele soll ein kurzer Überblick über mögliche Konsequenzen gegeben werden. 1.1 Lieferung eines Brautstraußes nach der Hochzeit Wird ein Brautstrauß nicht rechtzeitig zur Hochzeit angeliefert, hat die Leistung für das Paar keinen Sinn mehr. Das Brautpaar kann dann von dem Kaufvertrag zurücktreten und muss den Kaufpreis nicht bezahlen. Es kann gegenüber dem Unternehmer, der mit der Lieferung beauftragt war, sogar Schadensersatzansprüche geltend machen. Der Unternehmer muss dann trotz Lieferung eventuell noch etwas zahlen. Dies gilt für alle Lieferungen, die zu einem bestimmten Ereignis erfolgen sollen und danach wertlos werden, also zum Beispiel auch für Namensschilder zu konkreten Veranstaltungen oder Essens-/Buffetlieferungen, die nach Ablauf der vereinbarten Zeit für den Besteller nutzlos sind. Selbst wenn die Leistung nach dem vereinbarten Termin für den Kunden nicht vollkommen ohne Nutzen ist, so gerät der Unternehmer bei Verspätung dennoch in Verzug mit der Folge, dass er sich schadensersatzpflichtig macht und Rücktrittsrechten aussetzt. Der Lieferant kann sich wegen einer verkehrsbedingten Verspätung aufgrund einer Straßensperrung bzw. einer Verkehrseinschränkung auch nicht auf höhere Gewalt berufen und sich dadurch von der Schuld befreien, da unter höherer Gewalt ein nicht voraussehbares und nicht abwendbares Ereignis zu verstehen ist, wie beispielsweise Naturkatastrophen, Brände oder Verkehrsunfälle. Die Behinderungen des Straßenverkehrs durch eine Sperrung oder Verkehrseinschränkung passen eher nicht in diese Kategorie, da es sich dabei nicht um unvorhersehbare Ereignisse handelt. Wenn diese lange im Voraus angekündigt waren, ist davon auszugehen, dass ein Gericht wohl der Auffassung ist, dass die Unternehmer entsprechend darauf hätten reagieren können. Sollten dem Unternehmer Umsatzeinbußen entstehen, kann er diese nicht geltend machen, also nicht ersetzt verlangen; dies fällt unter die Rubrik allgemeines Lebensrisiko. 1.2 Nicht-Erreichen eines gebuchten Flugzeugs/eines gebuchten Zuges Wurde ein Taxi ausdrücklich nur zu dem Zweck bestellt, damit einen bereits gebuchten Zug oder ein bereits gebuchtes Flugzeug zu erreichen, und verpasst der Fahrgast diesen oder dieses dann, muss der Fahrgast den Fahrpreis nicht entrichten. Das gleiche gilt, wenn ein Schauspieler oder eine Sängerin nicht rechtzeitig zum Auftrittsort gefahren wird, und die Taxibestellung ausdrücklich unter der Bedingung des pünktlichen Erreichens des Zielortes erfolgte. Dies bedeutet, dass ohne eine solche ausdrückliche Vereinbarung der Fahrgast die Kosten für die Taxifahrt auch bei Verspätungen zu tragen hat. 1.3 Taxameter Fraglich ist, welchen Fahrpreis ein Taxifahrer von seinem Fahrgast aufgrund staubedingter Wartezeiten verlangen kann. Der Fahrpreis setzt sich in der Regel aus einer Grundgebühr sowie einem Kilometerpreis zusammen. Hinzu kommen eventuell Gebühren für Wartezeit und weitere Zuschläge. Während Wartezeiten, beispielsweise an einer Ampel oder im Stau, schaltet das Gerät von Strecken- auf Zeitabrechnung um. Der Fahrgast muss diese Wartezeit also bezahlen. 1.4 Hotel Erreicht jemand aufgrund von Verkehrsbehinderungen das gebuchte Hotel nicht rechtzeitig, bleibt er trotzdem zur Entrichtung des Mietpreises für das Hotelzimmer verpflichtet. Auch unverschuldete Seite 1
persönliche Verhinderung befreit den Mieter nicht von der Entrichtung des Mietpreises. Der Hotelgast muss also zahlen, unabhängig davon, ob er die Umstände beeinflussen kann, die zu der verspäteten Nutzung der Hotelräume führten, also z.b. auch im Falle eines Verkehrsstaus. 1.5 Spediteure und Frachtführer Der Spediteur hat dafür zu sorgen, dass die Ware unversehrt beim Empfänger ankommt. Diese Pflicht umfasst die Organisation der Beförderung, insbesondere die Bestimmung des Beförderungsmittels und des Beförderungsweges. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht haftet der Spediteur unter anderem für Verspätungsschäden. Gleiches gilt für den Frachtführer. Er haftet grundsätzlich für Schäden, die durch Überschreitung der Lieferfrist entstehen, aber nicht, soweit er die Verspätung und die daraus entstandenen Schäden auch bei größter Sorgfalt nicht hätte vermeiden können; sie also unabwendbar waren. Unabwendbarkeit liegt im Falle des Zuspätkommens aufgrund einer Sperrung oder Verkehrseinschränkung jedoch nicht vor, denn aus der Sicht eines Gerichtes kalkuliert der ideale Frachtführer wohl entweder erhebliche Verspätungen aufgrund einer Sperrung oder Verkehrseinschränkung ein und berücksichtigt diese bei der Berechnung der Lieferfrist oder umfährt das Gebiet, wenn möglich, großräumig. 1.6 Monteure Beim Montagevertrag werden dem Kunden zumeist die An- und Abfahrtskosten in Rechnung gestellt. Grundsätzlich ist ein Werkunternehmer berechtigt, die Kosten erstattet zu verlangen, die ihm entstehen, wenn der Leistungsort nicht der Ort seiner Betriebsstätte ist, denn der Werkunternehmer muss seinen Arbeitnehmern in der Zeit, in der sie sich auf dem Weg von der Betriebsstätte zum Leistungsort befinden, Lohn zahlen, ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit etwas für ihn erwirtschaftet. Wird beim Kunden zum Beispiel eine Heizung gewartet, eine neue Heizung installiert oder werden dort Abwasserrohre gereinigt, müssen die Fahrtkosten der Monteure bezahlt werden. Die Kosten können nach einer Fahrtkostenpauschale berechnet werden, das bedeutet, dass sich der Preis nur nach der Entfernung des Kunden von der Betriebsstätte richtet. Die Fahrtkosten werden regelmäßig jedoch darüber hinaus nach Stunden berechnet. Das bedeutet, dass der Kunde die höheren Kosten für eine längere Anfahrt des Monteurs aufgrund einer Sperrung oder Verkehrseinschränkung grundsätzlich selbst zu tragen hat. 2. Arbeitsrechtliche Auswirkungen Was kann der Arbeitgeber aus arbeitsrechtlicher Sicht tun, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Vollsperrung bzw. Verkehrseinschränkung morgens zu spät zur Arbeit kommt? Der Arbeitnehmer trägt das sogenannte Wegerisiko. Er trägt also das Risiko, dass er zum Arbeitsplatz gelangt. Er ist verpflichtet, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Grundsätzlich kann wiederholte Unpünktlichkeit eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sie den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitsleistung erreicht hat. Das setzt voraus, dass die Pflichtverletzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird und sich daraus der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers ergibt, den vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen zu wollen. Grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer ein staubedingtes Zuspätkommen oder eine Verspätung aufgrund unvorhersehbarer Verkehrssperrungen wegen eines Unfalls oder extremer Wetterbedingungen nicht vorwerfbar. Eine darauf beruhende Abmahnung ist folglich unberechtigt. Eine Sperrung bzw. Verkehrseinschränkung wird allerdings lange im Voraus angekündigt, so dass der Arbeitgeber davon ausgehen kann, dass sie jedem Arbeitnehmer bekannt ist, alle Mitarbeiter sich darauf einstellen konnten und die notwendigen Vorkehrungen treffen, um den Arbeitsplatz pünktlich zu erreichen. Der Arbeitgeber darf erwarten, dass die Arbeitnehmer früher aufstehen und früher losfahren oder auf den Bahnverkehr ausweichen. Bei wiederholten Verspätungen können Abmahnung und Kündigung nach mündlicher Ermahnung demzufolge durchaus gerechtfertigt sein. Seite 2
Der Arbeitnehmer ist vorleistungspflichtig, so dass er erst nach erbrachter Arbeitsleistung einen Anspruch auf seinen Arbeitslohn hat; es gilt der Grundsatz Ohne Arbeit kein Lohn. Deshalb ist es zulässig, die fehlende Arbeitszeit vom Lohn abzuziehen. Einen Anspruch, die Arbeit nachzuholen, hat der Arbeitnehmer aufgrund des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung nicht. Mit Zeitablauf wird die Leistung unmöglich. Im Einzelnen können Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber die Nachholung der Arbeitsleistung vereinbaren. Diese ist dann selbstverständlich zu entlohnen. Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich informiert, wenn absehbar ist, dass es zu Verspätungen kommt. Das ist dem Arbeitnehmer auch möglich und zumutbar, da heutzutage nahezu jeder über ein Mobiltelefon verfügt. Ihre Ansprechpartner: Heike Sommer Referentin Geschäftsfeld Recht und Fair Play Tel. 0345 2126-220 E-Mail: hsommer@halle.ihk.de Dieses Merkblatt gibt eine Orientierungshilfe ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Richtigkeit der in diesem Merkblatt enthaltenen Angaben können wir trotz sorgfältiger Prüfung keine Gewähr übernehmen. Grundlage dieses Merkblattes ist eine Informationsschrift der IHK Essen. Wir danken der IHK Essen für die freundliche Genehmigung zur Verwendung ihrer Informationsschrift. Seite 3
Gesamtübersicht Merkblätter: Geschäftsfeld Recht und Fair Play (Stand: September 2012) Befristete Arbeitsverträge Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Zivilrecht Das gerichtliche Mahnverfahren Der betriebliche Datenschutzbeauftragte Geldwäscheprävention bei Unternehmen Mitwirkungspflichten für Unternehmen nach dem Geldwäschegesetz Gewerbeuntersagung Hinweise zur Vermeidung und zum Verfahren Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung Kaufmännische Handelsgeschäfte Mini-Jobs und kurzfristige Beschäftigung Neue Pflichtangaben für Rechnungen Neue Regeln für Finanzanlagenvermittler Neue Regeln für Versicherungsvermittler und -berater Pflegezeitgesetz Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen mit Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung Pflichten einer Limited Praktika Was Arbeitgeber wissen müssen Reform der Insolvenzordnung zum 1. März 2012: Was Unternehmen und deren Gläubiger wissen müssen Rundfunkgebühren für internetfähige PC Rundfunkgebührenordnung ab 2013 Sachverständigenverzeichnis (nur über Internet) Scheinselbstständigkeit und arbeitnehmerähnliche Selbstständige Schiedsgericht der IHK Halle-Dessau Schuldnerlisten Steuerschuldumkehr bei Lieferung von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen Teilzeitarbeit Umgang mit säumigen Schuldnern Verhalten bei Unternehmenskrisen Verträge im Geschäftsleben Zahlungsausfälle vermeiden Seite 4
IMPRESSUM 2012 bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) Herausgeber: Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau Franckestraße 5 06110 Halle (Saale) Internet: www.halle.ihk.de E-Mail: info@halle.ihk.de Redaktion: Geschäftsfeld Recht und Fair Play Heike Sommer Tel. 0345 2126-220 Fax 0345 212644-220 Mit freundlicher Genehmigung der IHK Essen Stand: November 2012 Seite 5