4. Grazer Psychiatrisch-Psychosomatische Tagung, 22.-24.01.2009 Stress und Sucht im Internet Dipl.-Psych. Sabine Meixner Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie Humboldt-Universität Berlin
Zitierweise: Meixner, S. (2009). Stress und Sucht im Internet. Vortrag gehalten auf der 4. Grazer Psychiatrisch- Psychosomatischen Tagung vom 22.-24. Januar 2009 in Graz.
Projekt Stress und Sucht im Internet Humboldt-Universität Berlin 1999-2009 Prof. Dr. Matthias Jerusalem Dipl.-Psych. Sabine Meixner Dipl.-Psych. André Hahn (1999-2003) Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie HU Berlin
Übersicht I II III IV Kriterien exzessiver Internetnutzung und Internetsucht Psychometrisches Instrument zur Diagnostik: Internetsuchtskala (ISS-20) Epidemiologie: Prävalenz exzessiver Internetnutzung - Berliner Online-Studien zur Internetsucht 1999-2003 - HU Schülerstudie zur exzessiven Internetnutzung 2008 Potentielle Risiko- und Schutzfaktoren exzessiver Internetnutzung: aktuelle Befunde
Entdeckung der Internetsucht 1995: Ivan Goldstein (Psychiater, New York) Veröffentlichung einer Liste von Symptomen der Internetsucht in Anspielung auf die diagnostischen Richtlinien des DSM-IV in der Experten-Mailingliste Psychology of the Internet (als scherzhafte Scheindiagnose) Erwartung: Belustigte Reaktionen von Kollegen Folge: eine Vielzahl an e-mails von Personen, die meinten von einer solchen Störung betroffen zu sein
Forschung zur Internetsucht 1 1996: erste wissenschaftliche Versuche, empirische Nachweise zum Phänomen Internetsucht zu erhalten Übertragung der Definitionsmerkmale des pathologischen Spielens aus DSM-IV auf den Bereich der Internetnutzung (z.b. Kimberly Young, USA, 1996, 1998) klassifizierte diejenigen Personen als internetsüchtig, auf die analog der Diagnostik der Glücksspielsucht innerhalb eines Jahres mindestens fünf von acht Kriterien zutreffen
Forschung zur Internetsucht 2 Übertragung der Definitionsmerkmale des pathologischen Spielens aus DSM-IV auf den Bereich der Internetnutzung z.b. Young USA, 1996, 1998; Morahan-Martin & Schumacher USA, 1997; Erste deutschsprachige Studie: Zimmerl & Panosch Österreich, 1998 (nur für Bereich Chatroom) Übertragung der Definitionsmerkmale der Abhängigkeit von psychotropen Substanzen gem. DSM-IV oder ICD-10 auf den Bereich der Internetnutzung z.b. Brenner, 1997; Scherer, 1997, USA; Griffiths UK, 1999
Forschung zur Internetsucht 3 Inzwischen liegt weltweit eine Vielzahl an Studien zum Phänomen exzessiver Internetnutzung vor (Synonyme z.b.: Internet addiction,pathological intenet use, Online addiction) Datenbankenanalyse zu Internet addiction Medline: 247 von insgesamt 356 Angaben aus den letzten 5 Jahren PsycINFO: 463 von insgesamt 579 Angaben aus den letzten 5 Jahren Angaben zu Prävalenzraten in internationalen Studien: Range: 2,3% - 79%
Hauptrobleme der Studien zur Internetsucht Mangelhafte psychometrische Messung: keine Angaben zu psychometrischen Gütekriterien (Reliabilität, Validität oder Objektivität der Daten) Heranziehung unterschiedlicher Kriterien (z.t. einfache Checklisten, zeitliche Dauer der Internetnutzung) Mangelhafte Repräsentativität der Stichproben: Selektionsproblem: führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Überschätzung der Prävalenz der Internetsucht keine Studie bemüht sich um korrigierte Schätzungen Probleme der Vergleichbarkeit: Korrelate zur exzessiven Internetnutzung wurden zumeist nur einzeln untersucht Welche Prädiktoren die aussagekräftigsten sind bleibt unklar
Vorschlag zur Definition von Internetsucht und exzessiver Internetnutzung Hahn & Jerusalem (2001): Verzicht auf Einordnung in gängige Klassifikationssysteme: Exzessive Internetnutzung und Internetsucht können unter Heranziehung spezifischer Abhängigkeitskriterien definiert werden. Internetsucht ist zu verstehen als eine moderne Verhaltensstörung und eskalierte Normalverhaltensweise, die an das Internet als Austragungsort gebunden ist.
Kriterien der Internetsucht (Hahn & Jerusalem,2001) Von Internetabhängigkeit oder Internetsucht soll dann gesprochen werden, wenn die folgenden fünf Kriterien erfüllt sind: 1. Einengung des Verhaltensraums Über längere Zeitspannen wird der größte Teil des Tageszeitbudgets zur Internetnutzung verausgabt 2. Kontrollverlust Die Person hat die Kontrolle bezüglich des Beginns und der Beendigung ihrer Internetnutzung weitgehend verloren
Kriterien der Internetsucht (Hahn & Jerusalem,2001) 3. Toleranzentwicklung Im Verlauf wird zunehmend mehr Zeit für internetbezogene Aktivitäten verausgabt, d.h. die Dosis wird im Sinne von Kriterium 1 gesteigert 4. Entzugserscheinungen Bei zeitweiliger, längerer Unterbrechung der Internetnutzung treten psychische Beeinträchtigungen auf (Nervosität, Gereiztheit, Aggressivität) und psychisches Verlangen zur Wiederaufnahme der Internetaktivitäten.
Kriterien der Internetsucht (Hahn & Jerusalem,2001) 5. Negative Konsequenzen im sozialen u. im Leistungsbereich Wegen der Internetaktivitäten stellen sich insbesondere in den Bereichen soziale Beziehungen (z.b. Ärger mit Freunden) sowie Arbeit und Leistung (z.b. Schule) negative Konsequenzen ein.
Internetsuchtskala ISS-20 (Hahn & Jerusalem,2001) 1. Kontrollverlust z.b. Ich habe schon häufiger vergeblich versucht, meine Zeit im Internet zu reduzieren. 2. Toleranzentwicklung z.b. Mein Verlangen danach, mehr Zeit im Internet zu verbringen, hat sich im Vergleich zu früher ständig erhöht. 3 Entzugserscheinungen z.b. Wenn ich nicht im Internet sein kann, bin ich gereizt und unzufrieden. 4. Negative Konsequenzen im Bereich sozialer Beziehungen z.b. Seitdem ich das Internet nutze, haben sich einige Freunde von mir zurückgezogen 5. Negative Konsequenzen im Bereich Arbeit und Leistung z.b. Meine Leistungen in der Schule/im Beruf leiden unter meiner Internet-Nutzung.
Unterskalen der Internetsuchtskala ISS-20 (Hahn & Jerusalem,2001) 1. Kontrollverlust 2. Entzugserscheinungen 3. Toleranzentwicklung 4. Negative Konsequenzen für soziale Beziehungen 5. Negative Konsequenzen im Leistungsbereich Ratingskala: 20 Items; Antwortkategorien 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau Positive psychometrische Prüfung: Reliabilität α =.93 und Validierung des theoretischen Modells
Berliner Online-Studien zur Internetsucht Online-Befragungen von Internetnutzern (Hahn & Jerusalem 1999-2003) 5 Befragungswellen (insgesamt über 14.000 Teilnehmer) Ziele der Pilotstudie (N = 7049): - Ermittlung erster Befunde zur bundesdeutschen Situation zur exzessiven Internetnutzung - Entwicklung und Erprobung einer Skala zur Messung von Internetsucht http://www.internetsucht.de
Berliner Online-Studien (Hahn & Jerusalem 1999-2003) Prävalenzsch valenzschätzung der Internetsucht Projekt Stress und Sucht im Internet: Pilotstudie Unauffällige 17,5 Std./Woche rd.90% (Internetsucht/Internetnutzung in Std./Woche) r =.40 Internetsüchtige 34,6 Std./Woche rd.3% IS-Gefährdete 28,6 Std./Woche rd.7% N =7.049
Berliner Online-Studien (Hahn & Jerusalem 1999-2003) Prävalenzsch valenzschätzung der Internetsucht Projekt Stress und Sucht im Internet: Pilotstudie Prävalenz exzessiver Internetnutzung unter Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren gefährdet 10,0% (n=153) süchtig 7,2% (n=109) Exzessive User 17,2% N = 1523 unauffällig 82,2% (n=1261)
Berliner Online-Studien (Hahn & Jerusalem 1999-2003) Prävalenzsch valenzschätzung der Internetsucht bei Jugendlichen (12 19 Jahre) Prävalenz der Internetsucht gefährdet 10,0% (n=153) süchtig 7,2% (n=109) Problem: Möglichkeit der Überschätzung der Prävalenz durch anzunehmende Selektionsprozesse bei der Stichprobengewinnung unauffällig 82,2% (n=1261)
Schülerbefragung zur exzessiven Internetnutzung der Humboldt-Universität Berlin Methodik Schülerstudie zu exzessiver Internetnutzung und Internetsucht Offline-Befragung Paper-Pencil Fragebogenuntersuchung von N = 5202 Schülern (12-24 Jahre) an 45 Schulen in den Bundesländern Meixner & Jerusalem 2005-2008 Hamburg: Sachsen: Sachsen-Anhalt: 36,3% 33,7% 29,9%
Schülerbefragung zur exzessiven Internetnutzung der Humboldt-Universität Berlin Stichprobe Meixner & Jerusalem 2005-2008 Durchschnittsalter M = rd. 16 Jahre Geschlecht weiblich: rd. 45% männlich: rd. 55,0% keine Angabe: 0,2% Interneterfahrung Internetnutzer: rd. 97% keine Interneterfahrung: 1,6%
Untersuchungsvariablen Personale Risikofaktoren/ Ressourcen Depressivität Allgemeine manifeste Ängstlichkeit Schüchternheit Einsamkeit Selbstwertgefühl Impulsivität Stresserleben (Stress appraisals) Copingstrategien Soziale Risikofaktoren/ Ressourcen Soziale Unterstützung Soziale Konflikte Gesundheitsbezogene Faktoren Subjektive Gesundheit Berichtete körperliche Beschwerden Internetspezifische Faktoren Internetnutzungsmuster Internet-bezogene Selbstwirksamkeit Erwartung positiver Konsequenzen der Internetnutzung
Schülerbefragung zur exzessiven Internetnutzung der Humboldt-Universität Berlin Meixner & Jerusalem 2005-2008 Ergebnisse
Prävalenzraten exzessiver Internetnutzung nach ISS-19 unauffällig 96,0% 14,3 h / Woche internetsüchtig 1,4% 35,2 h/ Woche N = 5079 Exzessive Nutzung 4% internetsuchtgefährdet 2,6% 28.8 h/ Woche
exzessiver Internetnutzung nach Alter und Geschlecht Prävalenzraten exzessiver 7% 6 5,8% 5 4 5,0% 4,5% männlich 3,8% 3 2 weiblich 2,8% 1 1,9% 1,5% 0 0% 12-14Jahre 15-17 Jahre 18-20 Jahre 21-24 Jahre
HU-Schülerstudie 2008 Interneterfahrung in Jahren Unterscheiden sich unauffällige und exzessive Nutzer im Hinblick auf ihre Interneterfahrung? Kovarianzanalyse Haupteffekt: Gender Mädchen: 3,42 Jahre (SD = 1.95) Jungen: 3,93 Jahre (SD = 2.17) F = 9,58; p.000 Haupteffekt: Alter X Interneterfahrung r =.32** Kein Effekt Interneterfahrung X Exzessive Internetnutzung: Unauffällige Nutzer: 3,76 Jahre (SD = 2.03) Exzessive Nutzer: 4,00 Jahre (SD = 2.54) F = 0,66; n.s.
Exzessive Internetnutzung im Jugendalter: HU Schülerstudie Welche personalen oder sozialen Faktoren stehen als potentielle Schutz- oder Risikofaktoren in Zusammenhang mit exzessiver Internetnutzung?
Internet-spezifische Faktoren Erwartung positiver sozialer Konsequenzen der Internetnutzung Moderate Nutzer Exzessive Nutzer 3,5 3 2 1 2,05 3,13 F = 318.91; p.000 d = 1.77 Itembeispiele: Im Internet kann ich neue Freunde finden. Im Netz kann ich leichter mit anderen Menschen kommunizieren als im Alltag. Im Internet kann ich Menschen kennen lernen, die meine Interessen teilen.
Internetspezifische Faktoren Internetbezogene Selbstwirksamkeit (Überzeugung der eigenen Fähigkeiten zur Selbstregulation der persönlichen Internetnutzung auch bei Widerständen) 3,5 3 2 1 3,02 2,20 F = 126.16; p.000 d = 1.11 Moderate Nutzer Exzessive Nutzer Itembeispiele: Wenn wichtige Dinge zu erledigen sind, kann ich meine Internetaktivitäten aufschieben. Ich weiß genau, dass ich in der Lage bin, meine Internetaktivitäten einzuschränken.
Personale Faktoren: Persönlichkeitsfaktoren 3,5 3 Moderate Nutzer Exzessive Nutzer 3,04 2,83 2 2,09 1,97 2,25 1,79 1,83 2,10 2,17 2,40 1,65 1,51 1 Depressivität Einsamkeit p.000 d =.77 Manifeste Impulsivität Schüchternheigefühl Selbstwert- p.000 Ängstlichkeit p.000 d =.66 p.000 d =.58 p.000 p.001 d =.58 d =.39 d =.32
Personale Faktoren: Stresserleben (Stress appraisals) 3,5 3 Moderate Nutzer Exzessive Nutzer 3,00 2,80 2 2,12 2,27 2,34 1,73 1 Herausforderung Bedrohung Verlust F = 7.223; p.000; d =.27 F = 72.41; p.000; d =.85 F = 49.68; p.000; d =.70
Personale Faktoren: Copingstrategien 3,5 3 3,29 Moderate Nutzer Exzessive Nutzer 2 1 Aktives Coping F = 29.75; p.000 d =.55 2,90 1,93 2,43 Emotionales Coping F = 56.12; p.000 d =.75 1,28 2,66 Web-bezogenes Coping F = 239.18; p.000 d =1.54 Wenn ich ein Problem habe, dann gehe ich ins Internet und versuche es zu vergessen. rd. 57% exzessive Nutzer
Soziale Faktoren 4 Moderate Nutzer Exzessive Nutzer 3 3,45 3,19 2 1,81 2,21 1 Soziale Unterstützung F = 15.82; p.000; d =.40 Soziale Konflikte F = 39.82; p.000; d =.63
Exzessive Internetnutzung und Gesundheit 2,4 Moderate Nutzer Exzessive Nutzer 2 2,22 2,05 1,4 1,4 1 Subjektive Gesundheit F = 4.94; p.05 d =.22 1 0,4 0 0,99 1,27 Selbstberichtete körperliche Beschwerden F = 17.20; p.000 d =.41
Vorhersage exzessiver Internetnutzung: Hierarchische logistische Regression Mädchen B Exp(B) Nagelkerkes R 2 Internetbezogenes Coping 1,42 4,12.287 Erwartung positiver Konsequenzen 0,30 1,36.436 Internetspez. Selbstwirksamkeit -0,24 0,79.492 Stress: Bedrohungserleben 0,27 Schüchternheit -0,73 Soziale Unterstützung -0,62 1,31 0,93 0,94.519.526.532
Vorhersage exzessiver Internetnutzung: Hierarchische logistische Regression Jungen B Exp(B) Nagelkerkes R 2 Internetbezogenes Coping 1,28 3,59.234 Erwartung positiver Konsequenzen 0,21 1,23.328 Depressivität 0,22 1,25.376 Internetspez. Selbstwirksamkeit -0,16 0,85.408 Impulsivität 0,90 Stress: Bedrohungserleben 0,31 1,10 1,14.415.421 Selbstwertgefühl 0,08 0, 05.425
Bedeutsamkeit spezifischer Risikofaktoren: SPSS Chaid Geschlechtsspezifische Muster: Mädchen Internetnutzung UN 96,8% ExN 3,2% UN = Unauffällige Nutzer ExN = Exzessive Nutzer Erwartung positiver Konsequenzen hoch Score > 22 UN 73,6% ExN 26,4% + 8-fach Internetbezogene Selbstwirksamkeit gering Score 13 UN 43,4% ExN 56,6% + 17,5-fach Internetbezogene Selbstwirksamkeit mittel > 13 UN 86,4% ExN 13,6%
Bedeutsamkeit spezifischer Risikofaktoren Geschlechtsspezifische Muster: Jungen Internetnutzung UN 95,3% ExN 4,7% UN = Unauffällige Nutzer ExN = Exzessive Nutzer Web-bezogenes Coping hoch > 3 UN 63,4% ExN 36,6% + 9-fach Kein zusätzlicher bedeutsamer Zuwachs durch weitere Faktoren!
Bedeutsamkeit spezifischer Risikofaktoren Geschlechtsspezifische Muster: Jungen Internetnutzung UN 95,3% ExN 4,7% UN = Unauffällige Nutzer ExN = Exzessive Nutzer Web-bezogenes Coping erhöht 2-3 UN 93,8% ExN 6,2% + 1,3-fach Depressivität mittel Score 9-13 Depressivität hoch Score > 13 UN 92,5% ExN 7,5% UN 81,7% ExN 18,3% + 4-fach
Bedeutsamkeit spezifischer Risikofaktoren Gezielte Analyse psychosozialer Ressourcen: Mädchen Internetnutzung UN 96,8% ExN 3,2% UN = Unauffällige Nutzer ExN = Exzessive Nutzer Stresserleben: Bedrohung gering Score 8 Stresserleben: Bedrohung hoch Score > 8 UN 98,4% ExN 1,6% UN 90,7% ExN 9,3% +2 bis 3-fach Soziale Unterstützung geringer Score 23 UN 81,4% ExN 18,6% + 5,8-fach Soziale Unterstützung hoch Score > 23 UN 93,1% ExN 6,9%
Bedeutsamkeit spezifischer Risikofaktoren Gezielte Analyse psychosozialer Ressourcen: Jungen Internetnutzung UN 95,3% ExN 4,7% UN = Unauffällige Nutzer ExN = Exzessive Nutzer Depressivität mittel Score 9-13 UN 94,8% ExN 5,2% Depressivität hoch Score > 13 UN 78,5% ExN 21,5% + 4,5-fach Stress: Überforderungserleben hoch > 7 UN 88,2% ExN 11,8% + 3-fach
Fazit 1 Die hier gefundenen Prävalenzraten für exzessive Internetnutzung und Internetsucht fallen deutlich geringer aus als jene, die aus früheren Online-Studien resultierten. Aber: die Befunde sind konsistent mit Ergebnissen anderer europäischer Offline-Studien (e.g. Finnland: Kaltiala-Heino et al., 2004; Türkei: Bayraktar & Gün, 2007) Andererseits berichten einige internationale Studien erheblich höhere Prävalenzen für exzessive Internetnutzung und Internetsucht (e.g. Niemz et al., 2005, U.K.) Repräsentative Prävalenzstudien fehlen bislang
Fazit 2 Es scheinen eher jüngere männliche Schüler von exzessiver Internetnutzung betroffen als ältere und weibliche Schüler Es besteht ein Zusammenhang zwischen exzessiver Internetnutzung und personalen und sozialen Risikofaktoren und Ressourcendefiziten, von denen aus gesundheitspsychologischer Forschung bekannt ist, dass sie Jugendliche vulnerabel für dysfunktionale Copingstrategien ein riskantes Gesundheitsverhalten machen können
Fazit 3 Jugendliche Problem-User nutzen das Internet explizit als Austragungsort der (dysfunktionalen) Problembewältigung. Bei simultaner Betrachtung aller potentiellen Risikofaktoren unter Kontrolle des Alters erwiesen sich zunächst handlungswirksame internetspezifische Faktoren - Internetbezogenes Coping - Erwartung positiver sozialer Konsequenzen - Internetspezifische Selbstwirksamkeit für die Vorhersage exzessiver Internetnutzung besonders bedeutsam. Die Wahrscheinlichkeit exzessiver Nutzung steigt nochmals in Verbindung mit erhöhtem Stresserleben (Bedrohungserleben) bei Anforderungen.
Fazit 4 Bedeutsamkeit spezifischer Risikofaktoren Es zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den Mustern potentieller Risikobedingungen für exzessive Internetnutzung. Web-bezogenes Coping spielt primär bei Jungen eine bedeutsame Rolle für exzessive Internetnutzung. Als besonders bedeutsam für die Wahrscheinlichkeit exzessiver Internetnutzung erweist sich bei Jungen zudem eine hohe Ausprägung an Depressivität.
Fazit 5 Bedeutsamkeit spezifischer Risikofaktoren Für Mädchen sind eine hohe Erwartung positiver Konsequenzen und eine zusätzlich geringe Kompetenzerwartung an die Selbstregulation des Internetverhaltens die wesentlichsten potentiell risikoerhöhende Bedingungen exzessiver Internetnutzung. In Kombination steigt die Wahrscheinlichkeit exzessiver Internetnutzung um das 17,5-fache an
Einschränkungen nkungen Die Validität und Generalisierbarkeit der präsentierten Befunde ist begrenzt, da keine repräsentative Stichprobe vorliegt. Aufgrund des Querschnittdesigns der Studie sind kausale Aussagen nicht möglich.
Ausblick Eine Betrachtung der Prävalenzraten exzessiver Internetnutzung macht deutlich, dass Präventionsmaßnahmen nötig und wünschenswert sind Neben der spezifischen Vermittlung von Medienkompetenzen sollten Präventionsansätze i.s. des Life-Skill-Ansatzes auch die Förderung von Selbstregulationskompetenzen und konstruktiven Copingstrategien zum Umgang mit entwicklungsspezifischen Anforderungen im Jugend- und im jungen Erwachsenenalter berücksichtigen
Stress und Sucht im Internet Sabine Meixner Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie Humboldt-Universität zu Berlin Kontaktadresse: sabine.meixner@rz.hu-berlin.de