Internationalisierung der europäischen Anhänger- und Aufbauten-Industrie: Die Branche im Wandel Vortrag von

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Transkript:

Internationalisierung der europäischen Anhänger- und Aufbauten-Industrie: Die Branche im Wandel Vortrag von Alexander Tietje Vorsitzender der Geschäftsführung, Kögel Fahrzeugwerke GmbH

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Vertreter der Presse, meine Damen und Herren, heute Vormittag haben Sie schon sehr ausführliche Informationen über die globalen Anforderungen und Herausforderungen für die Truck-Hersteller erhalten. Dabei kam, denke ich, klar zum Ausdruck, dass sich die LKW-Hersteller bei Ihren Wachstumsstrategien, aber auch bei der Entwicklung künftiger Fahrzeuggenerationen, längst nicht mehr auf die Märkte Europas beschränken, sondern immer die globale Entwicklung im Fokus haben. Von Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Presse, bin ich im Verlauf der letzten Jahre immer wieder gefragt worden, wo denn in dieser globalisierten Nutzfahrzeugwelt die Trailer- Hersteller stehen? Gibt es in der Anhänger-Aufbautenbranche ähnliche Tendenzen wie in der Truck-Industrie? Wie steht es um die Trailermärkte in Asien und Amerika? Sind die nicht auch interessant für europäische Hersteller? Und: Sind Billigprodukte aus Asien eine Bedrohung für den europäischen Trailermarkt? Ich möchte die Gelegenheit dieses Presseworkshops nutzen, um einige dieser Fragen aus meiner Sicht und, wie ich denke, auch Sicht der deutschen Anhänger- Aufbautenindustrie zu beantworten. Sollten nach meinem Vortrag noch Fragen offen bleiben, so lade ich Sie herzlich ein, sich auch gerne nach diesem Workshop jederzeit mit mir in Verbindung zu setzen. Die Internationalisierung der Anhänger- und Aufbautenindustrie ist also das Thema und wenn ich Internationalisierung sage, dann meine ich nicht einfach den Export von Fahrzeugen innerhalb Europas ich spreche tatsächlich von den Märkten und Produktionsstätten weltweit. Wie sehen denn die Trailer-Märkte über den Globus verteilt aus? Welche Trends sind entscheidend für die künftige Entwicklung? Und was müssen wir als europäischer Trailerhersteller daraus lernen? Lassen Sie uns einmal 20 Jahre zurückblicken in die 80er Jahre. In Europa war der Straßengütertransport noch überwiegend von Lkw mit Festaufbauten geprägt. Der Handel beschränkte sich jeweils auf West- beziehungsweise Ost-Europa und wegen der verhältnismäßig geringen Entfernungen und der Längenbeschränkung auf damals 12,50 Meter hatten Sattelauflieger noch keine große Bedeutung. In Nordamerika dagegen gab es eine gute interkontinentale Straßeninfrastruktur. Transporte mit dem Lkw über lange Strecken waren an der Tagesordnung und Sattelauflieger waren damals schon in großen Mengen im Einsatz. In Asien und Afrika gab es in den 80er Jahren dagegen keine nennenswerte Trailerproduktion. Das hat sich jedoch in den darauf folgenden Jahren dramatisch verändert: Während der amerikanische Trailermarkt aufgrund sich verändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit extremen Schwankungen zu kämpfen hatte, konnten wir in Europa vor allem auch dank der Öffnung Richtung Osten ein starkes und vergleichsweise stetiges Wachstum in der Trailerproduktion verzeichnen. Erst in den letzten Jahren zieht auch der asiatische Markt an. Dafür aber umso gewaltiger. Meine Damen und Herren, starke Nachfrage ist das Eine, die Marktverteilung das Andere. Wie können Trailerhersteller an den wachsenden Märkten partizipieren? Die Stellschrauben für den Erfolg sind für alle Trailerproduzenten weltweit die gleichen. Erstens: Wir können neue Kundengruppen erschließen. Erlauben Sie mir hier Kögel als Beispiel anzuführen: Noch vor wenigen Jahren konzentrierten wir uns ausschließlich auf das Geschäft mit kleinen und mittleren Trans- A. Tietje 2

portunternehmen. In den vergangen zwei Jahren ist es uns aber gelungen, zusätzlich zu dieser Kundengruppe mehr und mehr Großkunden für unsere Produkte zu gewinnen. Der zweite Wachstumsfaktor sind neue Produkte und Entwicklungen. In diesem Punkt ist die europäische Trailerindustrie sicher umtriebiger als die amerikanische und innerhalb Europas rührt ein Teil des Erfolges der drei großen deutschen Trailerhersteller mit daher, dass sie für die sich ändernden Anforderungen schneller geeignete Produkte entwickelt haben als andere. Als dritten und in der globalen Betrachtung wichtigsten Wachstumsfaktor sehe ich die Erschließung neuer Märkte. Gerade dies das zeigt die Vergangenheit gelingt großen Serienherstellern besser als kleineren. Schließlich erfordert der Aufbau von Vertriebs- und Servicenetzen nicht unerhebliche Investitionen. Eine Konsolidierung unter den Trailerherstellern ist die Folge. Immer weniger Hersteller fertigen immer mehr Fahrzeuge. Kein Wunder also, dass sich in Europa, Nordamerika und Asien für das Jahr 2007 ein annähernd gleiches Bild ergibt: In Amerika produzieren die drei größten Trailerhersteller Great Dane, Wabash und Utility Trailer zusammen 56 Prozent aller Sattelauflieger. In Gesamtasien sind es die drei chinesischen Hersteller CIMC, Shekou und Guangdong Minwei, die mit zusammen 48 Prozent der Produktion den Markt beherrschen. Übrigens: Chinese International Marine Containers, kurz CIMC, ist mit 110.000 gefertigten Einheiten der größte Trailerhersteller der Welt. Er ist damit sogar fast doppelt so groß wie der größte europäische Produzent. Der Blick auf die europäische Karte zeigt, dass auch hier mit 48 Prozent annähernd die Hälfte der gesamten Trailerproduktion auf nur drei Hersteller entfällt: Schmitz, Krone und Kögel. Diese Konzentration mit immer weniger, aber größeren Herstellern ist sicher auch den veränderten Anforderungen des Marktes geschuldet: Während bis Anfang der 90er Jahre die spezialisierten Sonderaufbauten neben den Curtainsidern eine gewichtige Rolle spielten, verlangen die Transportunternehmer im Europa des 21. Jahrhunderts zunehmend nach weitgehend standardisierten Schiebegardinen-Fahrzeugen, die sich universell einsetzen lassen und die dank optimierter Serienfertigung verhältnismäßig preisgünstig herzustellen sind. Übrigens: An dem Ausschlag bei den Kipperzahlen in den Jahren 1991 bis 94 können Sie sehr deutlich den Einfluss wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ablesen. Hier sorgten die Bau-Aktivitäten nach der Wiedervereinigung Deutschlands für einen kurzzeitigen Boom. Bedeutet diese Entwicklung hin zum Serienfahrzeug das Ende der vielen traditionsreichen, kleineren Hersteller? Ich behaupte: im Gegenteil. Gerade durch die Konzentration der Serienhersteller auf wenige Varianten, auf zunehmende Standardisierung und auf die internationalen Märkte entsteht Raum für Nischenanbieter und Spezialisten. Denn in den optimierten Produktionsprozessen der großen, internationalen Anbieter sind individuelle Lösungen und technisch aufwendige Konstruktionen nicht mehr darstellbar. Ob Kipper oder Tanker, Silos oder Innenlader, Schubbodenfahrzeuge oder Aufbauten für den Getränketransport es gibt zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Spezialisierung. Und gerade für die Produzenten hochwertiger High-Tech-Fahrzeuge ist die Erschließung neuer und weiter entfernter Märkte auch ohne übermäßige Investitionen möglich. Denn je spezialisierter, technologisch entwickelter und damit hochwertiger das Fahrzeug ist, desto geringer der Wettbewerb vor Ort und ganz wichtig im Trailergeschäft desto geringer ist der Anteil der Transportkosten am Fahrzeugpreis. Ein Beispiel: Wenn Sie einen in Deutschland, Holland oder Belgien gefertigten Trailer nach Lissabon, Moskau, oder Ankara transportieren, so kostet das A. Tietje 3

heute rund 2500 Euro. Das heißt, ein einfacher Curtainsider, verteuert sich um mehr als 10 Prozent. Bei einem Müllsammelfahrzeug, bei einem Tanker oder Innenlader müssen Sie aber weniger als 5 Prozent auf den hiesigen Preis aufschlagen und können damit auch in fernen Märkten durchaus wettbewerbsfähig sein. Was, meine Damen und Herren, bedeutet das nun umgekehrt für die großen, internationalen Serienhersteller, zu denen ja auch Kögel zählt? Wie schaffen wir es, bei vergleichweise hohen Lohn- und Transportkosten als deutsches beziehungsweise westeuropäisches Unternehmen neue Märkte zu erschließen? Zumal die prognostizierten Wachstumsmärkte der Zukunft nicht gerade vor der Haustür, sondern weit im Osten liegen. Kostenoptimierung kann ich zu einem gewissen Grad auch am Standort Deutschland erreichen durch Standardisierung, Rationalisierung, hohe Produktivität und den Einkauf großer Mengen gleicher Teile. Ein weiterer Ansatz ist, die Kosten durch eine Produktionsverlagerung ins Ausland zu drücken. Beispiele dafür lassen sich etwa bei dem deutschen Aufbauer Sommer finden, der heute aus Kostengründen überwiegend in Polen und Russland fertigt. Und auch das österreichische Unternehmen Schwarzmüller nutzt den Vorteil niedrigerer Lohnkosten indem es in Ungarn und Slowenien produziert. Ein zusätzliches Motiv für die Produktion in anderen Ländern ist die Schaffung einer effizienten Arbeitsteilung und die Nutzung von historisch gewachsener Infrastruktur, vorhandener Technologien und existentem Know-how. Beispiel hierfür sind die dänische Kühlerproduktion von Krone oder auch die am tschechischen Standort Chocen zentralisierte Rahmenfertigung von Kögel. Ein anderer, guter Grund, zusätzliche Produktionsstätten im Ausland zu gründen oder dort vorhandene zu übernehmen, ist die Nähe zum Markt. Vor allem deshalb betreibt beispielsweise Schmitz Cargobull Montagewerke in Spanien, Großbritannien und Litauen. Wegen der Marktnähe besitzt der türkische Hersteller Tirsan eine Fertigung in Goch im deutsch-holländischen Grenzgebiet. Und nicht zuletzt haben auch wir von Kögel vor zwei Monaten in unserem neuen Werk im Norden Polens mit der Fertigung von Trailern für Nord- und Osteuropa begonnen, weil 1000 Kilometer mehr oder weniger Entfernung zum Kunden durchaus für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sein können. Meine Damen und Herren, die Strategie, neue Märkte mit kostenreduzierten Produkten und Fertigungsstätten vor Ort zu erobern, wird natürlich nicht nur in Europa und nicht nur von den europäischen Hersteller genutzt. Vor allem die Chinesen treiben weltweit ihre Expansionsbestrebungen voran. Sie nutzen dabei, je nach Notwendigkeit, mal die Vorteile niedriger Lohnkosten durch Fertigung in China, mal die Vorteile marktnaher Produktion, um neue Märkte zu erschließen. Nehmen wir einmal das Beispiel des chinesischen Herstellers China International Marine Containers, kurz CIMC. In den Jahren 2002/2003 überschwemmte CIMC die Seehäfenregionen der USA mit einfachen, dafür aber billigen, in China produzierten Containerchassis. In kürzester Zeit hatten sie 60 Prozent des Chassismarktes erobert und zahlreiche amerikanische Hersteller zur Schließung ihrer Werke gezwungen. Doch die Chinesen beherrschen auch die Strategie des lokalen Brückenkopfes: Nach der Übernahme eines lokalen Herstellers im Bundesstaat Indiana modernisierte CIMC die Produktion, stellte zusätzliche Mitarbeiter ein und startete im Jahr 2004 unter dem Namen Vanguard Natio- A. Tietje 4

nal Trailers mit der Aufliegerproduktion in den USA. Mit wachsendem Erfolg: Im vergangenen Jahr gehörte Vanguard bereits zu den Top 10 in Amerika. Mit der Strategie think global, act local global denken, lokal handeln möchte CIMC Präsident Mai Boliang auch Europa erobern. Im vergangenen Jahr erwarb das Unternehmen den Tank-, Aufbau und Trailerzweig der niederländischen Gruppe Burg Industries und wurde nur durch die europäischen Wettbewerbshüter daran gehindert, auch die Tankcontainersparte von Burg zu übernehmen. Es bleibt sicherlich nur eine Frage der Zeit, wann weitere Schritte der Chinesen in Richtung Europa folgen. Erste China-Trailer sollen bereits in Russland unterwegs sein und weitere Übernahmekandidaten für einen Neustart á la Vanguard dürften unter den zahlreichen europäischen Herstellern sicherlich zu finden sein. Aber Vorsicht: spekulieren Sie nicht allzu sehr mit deutschen oder anderen westeuropäischen Namen. Auch in Zentral- und Osteuropa liegen starke Zukunftsmärkte und Trailerproduzenten gibt es schließlich auch dort. Und was ist mit Asien? Haben das alles die Chinesen schon in der Hand oder gibt es da noch Chancen für die wachstumsorientierten europäischen Hersteller? Nun, meine Damen und Herren, das Wachstumspotential des asiatischen Marktes ist überaus verlockend. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass der dramatische Boom in China, den wir in den vergangenen zwei Jahren beobachten konnten, nicht im gleichen Maße weitergeht, so bewegen wir uns hier dennoch auch künftig auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Und wie Sie sehen können, steht der Trailermarkt in Indien gerade erst am Beginn eines voraussichtlich anhaltenden, gleichmäßigen Wachstums. Was also hält uns europäische Hersteller noch davon ab, uns nach Asien zu orientieren? Was hindert uns, an dem Wachstum der aufstrebenden Asia-Staaten teilzuhaben? Ist es nur die Entfernung? Oder spielen andere Faktoren hier auch eine Rolle? Lassen Sie mich eines klarstellen: eine Erschließung des indischen oder gar des chinesischen Marktes ist mit in Europa gefertigten Trailern aus meiner Sicht nicht zu machen. Eine Expansion nach Asien ist ausschließlich mit einer Fertigung vor Ort realisierbar. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen an die Fahrzeuge, zu hoch wären die Transportkosten dorthin und zu groß die Lohnkostendifferenz zwischen Europa und Asien. Aber warum nicht unser Produktions-Know-how in China oder Indien einsetzen? Warum nicht unsere technischen Lösungen für grundsätzliche Anforderungen, wie Korrosionsschutz, Robustheit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit auch in den dortigen Märkten nutzen? Erste Schritte in diese Richtung hat Kögel bereits in den 90er Jahren gewagt. 1989 fing es mit einem Lizenzvertrag für Kühlaufbauten an. 1994 gründete Kögel dann ein Joint Venture für die Produktion von Sattelanhängern und Trockenfrachtaufbauten. Vielleicht war die Zeit noch nicht reif, vielleicht waren die Unterschiede zwischen den Kulturen zu groß, vielleicht war Kögel auch nicht gut genug vorbereitet jedenfalls konnte Kögel von diesen ersten Gehversuchen in Asien nicht profitieren, das Gemeinschaftsprojekt scheiterte. Auch die globalen Gehversuche anderer europäischer Hersteller, wie beispielsweise die von Krone 1974 gegründete Trailerproduktion in Brasilien oder die von Schmitz lizenzierte Trailerfertigung in Indien waren nicht dauerhaft von Erfolg gekrönt. War es das? Bedeuten diese erfolglosen Versuche das Ende für die europäischen Hersteller in Asien? Nein! Wenn jedoch westeuropäische Trailerhersteller wieder den Schritt nach Asien wagen und ich gehe davon aus, dass das passiert dann werden sie es anders angehen, als noch vor zehn oder 20 Jahren. A. Tietje 5

Und von der anderen Seite betrachtet: Ist die europäische Anhänger- und Aufbautenindustrie künftigen Angriffen der Chinesen auf den hiesigen Trailermarkt hilflos ausgeliefert? Nein! Wenn die Chinese mit Produkten für den europäischen Markt in den Markt treten und ich gehe davon aus, dass das passiert dann werden die europäischen Hersteller wettbewerbsfähige Alternativen anbieten können. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz zusammenfassen: - Die Trailerproduktion in Amerika, Asien und Europa ist derzeit jeweils etwa auf gleich hohem Niveau. Weiteres Wachstum ist in allen drei Regionen wahrscheinlich. - Wachstumschancen durch neue Produkte und neue Märkte ergeben sich nicht nur für große Serienhersteller, sondern auch für spezialisierte Produzenten von hochwertigen, technisch anspruchsvollen Nutzfahrzeugen und Aufbauten. - Der Weg in neue Märkte führt vor allem bei den großen Herstellern zunehmend über die Errichtung von Brückenköpfen, also marktnahen Fertigungsstätten in der jeweiligen Region. Das gilt sowohl für die europäischen Hersteller, die sich immer weiter Richtung Osten orientieren, als für asiatische Hersteller, die in Europa Fuß fassen wollen. - Die Internationalisierung, ja vielmehr die Globalisierung bietet in der Zukunft für die europäische Anhänger- und Aufbautenindustrie noch enorme Chancen und Potentiale. Jetzt ist es an uns diese Chancen auch zu nutzen. Denn wie schon Goethe sagte: Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun. Ich Danke für Ihre Aufmerksamkeit! A. Tietje 6