»Maria durch ein Dornwald ging«gehört für mich seit Jahren zu den Liedern, die ich im Advent mit besonderer Vorliebe singe.

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Transkript:

Einladung»Maria durch ein Dornwald ging«gehört für mich seit Jahren zu den Liedern, die ich im Advent mit besonderer Vorliebe singe. Eines seiner besonderen Merkmale sind die einfachen und tiefsinnigen Worte, mit denen es auskommt. Es sagt mit wenigen Worten sehr viel; viel mehr als manche wortgewaltige Predigt oder noch so gut gemeinte Rede. Text und Me lodie drücken viel Geheimnisvolles, Wahres, Tröstliches und Zu versicht aus. Dabei wird nichts beschwichtigt oder verharmlost. In diesem Lied finden sich viele Menschen wieder mit ihren dornigen und widrigen Lebensum ständen. Sie begegnen Bildern, die aufatmen und aufschauen lassen. Es werden ihnen Worte ans Herz gelegt, die aufhorchen lassen und aufrichten. Sie werden dabei nicht einfach nur ein bisschen be dauert oder vertröstet, sondern auf einen guten Weg der Wandlung geführt. Dieses Lied verbindet unsere eigene Situation mit dem adventlichen Weg von Maria. So lädt es uns ein, uns überraschen und beschenken zu lassen. Es klingt verheißungsvoll und wahrt dennoch die gebotene Schlichtheit und Echtheit des Herzens. In ihm verbindet sich Einfaches und Wunderbares. Maria durch ein Dornwald ging, Kyrie eleison. Maria durch ein Dornwald ging, der hat in sieb n Jahr kein Laub getrag n. Jesus und Maria.

»Die schwersten Wege werden alleine gegangen«, so sagt es eine Dichterin unserer Zeit. Der Weg, von dem unser Adventslied erzählt, gehört wohl auch zu dieser Art von Wegen, die alleine gegangen werden müssen. Von sieben Jahren ist da die Rede. Die Zahl»sieben«steht für einen sehr langen Zeitraum. Umgangsprachlich würde man sagen»eine halbe Ewigkeit«. Die sieben dürren und mageren, fruchtbaren und unfruchtbaren Jahre können Unterschiedliches bedeuten im je eigenen Leben. Es können die schweren Jahre einer Krankheit sein; die langwierige Zeit, pflegebedürftig zu sein, angewiesen auf fremde Hilfe; die lange Zeit, in der jemand ans Bett gefesselt ist; die harten Jahre einer persönlichen Lebens- oder Glaubenskrise; die Leere und Schwere einer tiefen Enttäuschung. Wer kennt solche Erfahrungen nicht aus der näheren Umgebung, von seinem eigenen geistlichen Leben, von seiner beruflichen Arbeit, vom Zusammenleben mit anderen oder auch im Umgang mit sich selbst? Schwere Wege sind zu gehen Es sind schwere Wege zu gehen, wenn es heißt, Abschied zu nehmen von Wunschvorstellungen oder einem lieben Menschen. Gerade im Advent wird das Allein- oder Einsamsein noch schmerzlicher spürbar. Es sind schwere Wege zu gehen, wenn man sich in einem Dickicht von Vorwürfen und Zweifeln befindet

und nicht weiß, wie man da noch einmal herauskommen kann. Es sind schwere Wege zu gehen, wenn man von sich selbst und an deren enttäuscht mit den bangen Fragen nach dem Sinn des Ganzen ringt und keine Antwort findet. Es sind schwere Wege zu gehen, wenn einem lange Vertrautes auf einmal fremd vorkommt und man sich zurücksehnt in frühere Zeiten, wo alles viel schöner und glücklicher war. Es sind schwere Wege zu gehen, wenn man herbe Niederlagen einstecken oder sich das persönliche Scheitern eingestehen muss. Da bleibt nur noch die stille Bitte um Erbarmen, um einen Trost, die ganz leise und winzig kleine Hoffnung, dass es vielleicht doch noch gut werden wird. Da bleibt nur das sich Abfinden- und Annehmen-Müssen all dessen, was eben so ist, wie es ist, auch wenn man es sich ganz anders vorgestellt hatte. Da bleibt man oft mit sich und dem schweigenden Gott allein so wie damals Maria auf ihrem Weg über die inneren Höhen und Tiefen im Bergland von Judäa. Die Landschaften der Bibel und unserer Seelen reichen von der Garten- und Paradieseslandschaft bis zu den Steppen und Wüsten, von den Hügeln und Bergen bis zu den dunklen Schluchten und Abgründen, von der fruchtbaren Weidelandschaft bis zum Dickicht und Gestrüpp, von den duftenden Wäldern bis zu den verdorrten und dornigen Hecken.

Sie führen durch unwegsames Gelände und auf mühsame und einsame Wege. So wird es wohl auch für Maria gewesen sein auf ihrem langen inneren und äußeren Weg von Nazaret nach Judäa, in das Haus von Zacharias und Elisabet. Wie viel bange Sorge mag mit ihr gegangen sein. Wie viel inneres Alleinsein mit ihrer Situation, die größte Erwählung und stärkste Zumutung, wunderbare Berufung und gewaltige Herausforderung zugleich war. Wie viel Hoffen und Bangen und Ringen und Auseinandersetzung. Noch nicht sehen können, wie das alles gehen und werden soll. Dennoch vertrauen, dass es gut wird, weil doch Gott alles zum Besten lenkt. Mit wie viel schwerem innerem Ge päck sind Menschen auch in unseren Tagen unterwegs, mit den unlösbar erscheinenden Fragen in ihren Beziehungen, in ihren Sorgen um Kinder und Freunde, in der Suche nach dem eigenen Platz und Sinn. Wir wissen aber auch, wie gerade in der Bedrängnis und im Dunkel die Kraft der Hoffnung wächst und uns stärkt. Wir wissen aus eigener Er fahrung um die Wahrheit des Wortes, dass Not beten lehrt. In all dem sind wir sehr nahe bei dem, was uns der Evangelist Lukas über den Weg Marias erzählt und was wir in diesem adventlichen Lied immer wieder besingen. Es ist die Ursehnsucht nach Rettung und Heil, nach Gottes Hilfe und Wandlung in der Mühsal oder auch Trübsal unseres Lebens. Was trug Maria unter ihrem Herzen? Kyrie eleison. Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen, das trug Maria unter ihrem Herzen. Jesus und Maria.

Mit einer Frage beginnt die zweite Strophe; mit einer Frage, wie auch ich sie mir immer wieder stellen kann: mit der Frage, was ich denn alles im Herzen trage. Was ich im Herzen trage an guten Erinnerungen, an tiefen Eindrücken und Spuren aus längst vergangenen Tagen. Was ich im Herzen trage von den Sternstunden meines Lebens, von den Augenblicken, die mich gezeichnet haben, von denen ich weiß, dass ich sie nie vergessen werde. Wofür im Herzen Raum ist»immer ist im Herzen Raum für das Große, das Schöne, das Wunderbare und Erhabene«, daran erinnert uns Nelly Sachs in ihrem Gedicht von der Sehnsucht, mit der für sie alles beginnt. Wofür habe ich in meinem Herzen Raum, wie kann ich mehr Freiraum darin schaffen, damit mehr Platz für das Größere entsteht? Was trage ich im Herzen aus den frühen Tagen meiner Kindheit und aus den Zeiten meines Erwachsenenalters? Was trage ich im Herzen an überwältigendem Glanz und sagenhaft Schönem, an unbeschreiblich Wunderbarem, aber auch an tiefer Wehmut und Fernweh und Heimweh? Was ich im Herzen trage, das prägt und trägt mich. Damit gehe ich schwanger. Das ist noch im Entstehen und Werden, ist verbunden mit der großen Erwartung und Freude, aber auch mit den Wehen und dem Schmerz einer Geburt. Das ist natürlich, menschlich und weihnachtlich, das ist göttlich, irdisch und himmlisch zugleich. In all dem verweist es mich auf das große Geheimnis der Mensch