2.2 Die Bedeutung der deutschen Sprache für Vietnamesen

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2.2 Die Bedeutung der deutschen Sprache für Vietnamesen 2.2.1 Die deutsche Sprache für die in Vietnam lebenden Vietnamesen vor und nach der vietnamesischen Wiedervereinigung im Vergleich zu anderen Fremdsprachen In der Schulbildung Vietnams wurde vor 1945 - in der französischen Kolonialzeit - auf dem Land Chinesisch unterrichtet, während in der Stadt Französisch gelehrt wurde 1. Nach der Teilung des Landes Vietnam in die Demokratische Republik Vietnam im Norden und die Republik Vietnam im Süden, die von 1954 bis 1975 dauerte, nahm Englisch die Position von Französisch ein, weil die Franzosen das Land verlassen mussten und die USA die Regierungspolitik der südlichen Republik Vietnam bestimmten 2. Die Beziehungen zwischen der DRV und der DDR wurden in den 50er Jahren aufgenommen. Diese Beziehungen waren auf diplomatischer, politischer, kultureller und sozialer Ebene zu finden 3. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der DRV und der DDR waren zunächst durch Solidaritätsaktionen gekennzeichnet. Im Rahmen dieser Aktionen wurden Kinder bzw. Jugendliche aus der DRV in die DDR zu Zwecken des Schulbesuchs, der späteren Berufsausbildung bzw. des späteren Studiums/ der späteren Promotion eingeladen. Diese Einge-ladenen wurden später als Moritzburger bekannt 4, 5. Auf Grund der diplomatischen Beziehungen zwischen Südvietnam und der BRD wurde in Südvietnam zu Beginn der 60er Jahre Deutschunterricht angeboten. Die südvietnamesische Regierung hatte auch Interesse an Weiterbildungen in der BRD für Nachwuchswissenschaftler und an der Verbesserung und der Erweiterung der bereits vorhandenen Beziehungen. Bis zu den 70er Jahren wurde der Deutschunterricht auf Grund der zunehmenden Nachfrage noch in einigen Schulen und Hochschulen im Süden unterrichtet. In diesem Zeitraum hatte Deutsch noch keine große Bedeutung. Es stand nach Englisch/ Französisch als zweite Fremdsprache zur Auswahl 6. Nachdem die Republik Südvietnam im Jahr 1975 aufhörte zu existieren, wurde die Filiale des Goethe-Instituts in Saigon geschlossen 7. Auf dem Weg zum Sozialismus verstärkten sich die politischen und ökonomischen Beziehungen der Republik Nordvietnam mit der Volksrepublik (VR) China, mit der Sowjetunion, mit der DDR und mit vielen anderen sozialistischen Staaten. Aus dieser Entwicklung heraus standen nicht nur Chinesisch und Russisch, sondern auch Englisch und Französisch als obligatorische Fremdsprachen im Schul- und Hochschulsystem zur Auswahl. Von Jahr zu Jahr wechselte der erste Platz bei der Auswahl der Fremdsprachen 8. Dabei spielte Deutsch nur eine untergeordnete Rolle. Mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen wurde 1966 Deutschunterricht in Nordviet-nam mit der Gründung der deutschen Sektion an der Fremdsprachenhochschule Thanh Xuan Hanoi eingeführt. Die Regierung Nordvietnams hatte großes Interresse daran, 1 vgl. Vu 1999, S. 41f. 2 vgl. ebd., S. 42 3 Interviewerklärung am 20.03.2006 an der Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi 4 vgl. Freytag 1998, S. 19; vgl. http://www.geogr.uni-goettingen.de/kus/apsa/pn/pn25/pn25-hilbert.pdf; letzter Aufruf am 19.01.2007; vgl. http://www.hanoi.diplo.de/vertretung/hanoi/de/06/moritzburger.html, letzter Aufruf am 19.01.2007 5 ausführlicher dazu siehe Punkt 2.2.2 6 ebd. 7 ebd. 8 ebd.

die Nachwuchs-wissenschaftler zur Weiterbildung bzw. Fortbildung in die DDR zu entsenden. Zielgruppen waren sowohl die Studenten mit Deutsch im Hauptfachstudium als auch die Studenten, Praktikanten und Aspiranten, die nach einem neunmonatigen Deutschkurs an der o.g. Hochschule in der DDR studierten oder promovierten 9. Die deutsche Sprache hatte in diesem Zeitraum im Schul- und Hochschulsystem Nordvietnams nur eine geringe Bedeutung. Sie fungierte noch nicht als eine obligatorische Fremdsprache. Sie wurde jedoch als obligatorisch für alle gesehen, die in der DDR weiter studieren bzw. promovieren wollten 10. Nach der Wiedervereinigung des Landes Vietnam im Jahre 1975 trägt es endgültig den offiziellen Namen Sozialistische Republik Vietnam (SRV). Mit der Wiedervereinigung ist das Bildungssystem landesweit einheitlich geregelt worden. Seitdem stehen vier obligatorische Fremdsprachen zur Auswahl: Chinesisch, Französisch, Englisch und Russisch. Dabei verschiebt sich der Stellenwert häufig, besonders nach dem 1986 eingeleiteten Erneuerungsprozess (DOI MOI) in Vietnam 11. Darüber schrieb Günthner:...das Erlernen von Fremdsprachen richtet sich nach dem politischen Barometer. Wechselt die Politik, so wechseln die Fremdsprachen. 12 Die politischen und sozialen Beziehungen zwischen der SRV und der DDR wurden weiterhin durch das Anwerbeabkommen über die befristete Beschäftigung bzw. weitere berufliche Qualifizierung vietnamesischer Vertragsarbeiter in den Betrieben bzw. Fabriken der DDR verstärkt, das im Jahre 1982 unterzeichnet wurde 13, 14. Erst nach der vietnamesischen Wiedervereinigung im Jahre 1975 wurden diplomatische, politische und soziale Beziehungen zwischen der SRV und der BRD aufgenommen. Zunächst entwickelten sich die politischen Beziehungen sehr langsam, denn Vietnam hatte enge Kontakte zur DDR und diese war der SRV gegenüber solidarisch eingestellt. Die politischen und sozialen Beziehungen zur BRD verbesserten sich stetig seit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft mit sozialistischer Orientierung (mit der Einführung der Öffnungs- und Reformpolitik in Vietnam) im Jahre 1986 bzw. der Integration Vietnams in die Marktwirtschaft. Besonders beschleunigte sich dieser Prozess nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 15. Auf Grund der eingeleiteten Erneuerungspolitik erhielt Deutsch besonders nach der deutschen Wiedervereinigung eine größere Bedeutung. Während früher nur Wissenschaftler, Aspiranten, Praktikanten und Vertragsarbeiter Deutsch lernen wollten, wurde das Konzept zum Studiengang Deutsch als Fremdsprache an fünf Hochschulen bzw. Universitäten des ganzen Landes eingeführt und gleichzeitig auch Deutschunterricht an Sprachzentren diesem Konzept folgend angeboten. Die verbesserte Entwicklung bei der Vermittlung der deutschen Sprache in Vietnam in größerem Umfang ist durch die wachsende Anzahl der Deutschstudienbewerber an vielen Hochschulen/ Universitäten und durch die Einführung des Deutschstudiums als Hauptfachstudium an vielen anderen Hochschulen/ Universitäten deutlich nachzuweisen, und zwar durch den merklichen Anstieg der Studienbewerber an der Fremdsprachenhochschule Thanh Xuan Hanoi seit 1991, durch die Einführung des Deutschstudiums als Hauptfachstudium an der Universität in Ho Chi Minh Stadt seit 1992, durch die Einführung 9 vgl. Vu 1999, S. 42 10 vgl. ebd. 11 vgl. ebd. 12 Günthner 1992, S. 606 13 Interviewerklärung am 20.03.2006 an der Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi 14 ausführlicher dazu siehe 2.2.2 15 vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/laenderinformationen/vietnam/bilateral.html#t3, letzter Aufruf am 19.01.2007

des Deutschunterrichts als Zweitfremdsprache für Englischstudenten an der Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi seit 1992 und durch die Einführung des Deutschstudiums als Hauptfachstudium an drei andere Universitäten in der Hauptstadt Hanoi seit 1994 16 (Nationaluniversität Hanoi, Privatuniversität Phuong Dong, Privatuniversität Dong Do). Im Nordvietnam wurde das Goethe-Institut Hanoi 1997 gegründet. Dies war der erste wichtige Schritt in den diplomatischen Beziehungen zwischen der SRV und der BRD 17. Der wiedervereinigte Staat Vietnam wollte die Beziehungen mit Deutschland erweitern. Ihm war klar, dass die sprachliche Brücke für alle kommenden bilateralen Beziehungen aufgebaut werden muss. Dieses Interesse der vietnamesischen Regierung zeigte sich in der Einführung von Deutschkurse in einigen Sprachzentren. An den weiter oben genannten Universitäten haben die Studenten der anderen fremdsprachigen Studiengänge die Möglichkeit, Deutsch als zusätzliche Zweitfremdsprache auszuwählen. Natürlich können andere Fremdsprachen von den Studenten des Hauptfachstudiums Deutsch als fakultative Fremdsprachen ausgewählt werden. 2.2.2 Die deutsche Sprache für die in Deutschland lebenden Vietnamesen vor und nach der deutschen Wiedervereinigung Moritzburger Kinder bzw. Jugendliche Obwohl Deutsch von 1954 bis 1975 keine obligatorische Fremdsprache an den Schulen und Hochschulen im Bildungssystem Vietnams war, wurden viele Kinder bzw. Jugendliche - Moritzburger genannt - seit 1955 zur Bildung bzw. Ausbildung in der DDR aufgenommen. Diese Solidaritätsaktion fand von 1955 bis 1962 statt 18. Insgesamt wurden 1955 und 1956 348 Kinder bzw. Jugendliche im Rahmen dieses kulturpolitischen Austauschprogramms in der DDR zur schulischen und beruflichen Ausbildung eingeladen. Diese waren Kinder von Patrioten, die im Befreiungskampf gegen die Kolonial-herrschaft der Franzosen kämpften 19. Der Aufenthalt in der DDR ging 1959 zu Ende. Dann durften 215 Jugendliche dieser Gruppe nach dem Urlaub in Vietnam eine Berufsausbildung in der DDR machen. Nach der Berufsausbildung kamen sie nach Vietnam und besuchten dort die Oberschule. Die kleineren Kinder kehrten nach Vietnam in diesem Jahr zurück und absolvierten dort die Schulausbildung 20. In der weiteren Verfolgung dieses Programms kam es zu der Aktion Solidarität hilft siegen, in der 62 damaligen Schülern aus der ehemaligen Gruppe Moritzburger die Gelegenheit geboten wurde, 1965 ein Studium in der DDR zu absolvieren. Einige Absolventen kehrten nach dem Abschluss nach Vietnam zurück, während einige von ihnen zwecks Promotion bzw. eines späteren Berufswerdegangs in Deutschland blieben 21. Dieses kulturpolitische Austauschprogramm organisierte für Kinder bzw. Jugendliche die Ausbildungsgänge, die den Bedürfnissen des Landes Vietnam zu diesem Zeitpunkt 16 vgl. Vu 1999, S. 44; vgl. Günthner 1992, S. 604; vgl. Le 2000, S. 161 17 Interviewerklärung am 20.3.2006 an der Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi; vgl. http://www.auswaertigesamt.de/diplo/de/laenderinformationen/vietnam/bilateral.html#t3, letzter Aufruf am 19.01.2007 18 vgl. Vu 1999, S. 42f.; vgl. Freytag 1998, S. 19; vgl. http://www.geogr.uni-goettingen.de/kus/apsa/pn/pn25/pn25-hilbert.pdf, letzter Aufruf am 19.01.2007 19 vgl. Freytag 1998, S. 19; vgl. http://www.daad-magazin.de/04874/index.html, S. 1, letzter Aufruf am 19.01.2007 20 vgl. Freytag 1998, S. 19 21 vgl. ebd.

entsprachen 22. Mit ihrem internationalen Wissens- und Könnensstandard leisteten die Moritzburger nicht nur einen großen Beitrag zur Entwicklung des Landes Vietnam, sie hatten auch großen Einfluss auf die Wiederaufnahme, Vermittlung und Gestaltung der Beziehungen zwischen Vietnam und Deutschland. Dr. Chiristian Bode, der Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschs-dienstes (DAAD), sagte: Die Moritzburger haben damals die Brücke geschlagen und den Startschuss für ein intensives Engagement des DAAD in Vietnam gegeben. 23 Hinsichtlich dieses Engagements kooperierte der DAAD mit den deutschen diplomatischen Vertretungen in Vietnam und entschied sich für die Organisierung einer Jubiläumsreise aus Anlass der Gründung der Gruppe der Moritzburger nach Deutschland, die im September 2005 stattfand 24. Studenten und Vertragsarbeiter in der DDR Von den 60er Jahren bis Mitte der 70er Jahre gab es bereits ein Abkommen zwischen der Republik Vietnam (demokratische Regierung Vietnams im Süden) 25 und der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Abkommen entstand aus der technisch-wissenschaftlichen und kulturellen Kooperation beider Staaten heraus. Im Rahmen dieses Abkommens wurden vietnamesische Jugendliche aus der Oberschicht Südvietnams in die BRD zu einem Studium bzw. zur Ausbil-dung entsandt 26. Diese Eliten hatten selbstverständlich die Pflicht und das Recht, Deutsch zu lernen. Vom Ende der 70er Jahre bis 1990 (nach der vietnamesischen Wiedervereinigung) war die Zuwanderung aus Vietnam deutlich durch die Gruppen der Kontigentflüchtlinge in die BRD gekennzeichnet. Zu der ersten Gruppe gehörten Angehörige der ehemaligen Studenten aus Süd-vietnam. In der zweiten Gruppe waren meistens dörfliche Vietnamesen mit schlechten Finanzquellen sowie geringem Bildungssniveau mit vielen Kindern. Oftmals waren diese Kinder ohne Begleitung der Eltern 27. Diese Leute mussten in Deutschland Deutsch lernen, um in die Gesellschaft integriert werden zu können. Die politischen Beziehungen zwischen der SRV und der DDR wurden deutlich durch ein so genanntes Anwerbeabkommen verstärkt, das zum ersten Mal in den 80er Jahren abgeschlossen wurde. Im Rahmen dieses Abkommens reisten 65.000 vietnamesische Vertragsarbeiter in die DDR. Sie bekamen nur eine minimale sprachliche Ausbildung (einen sechswöchigen Deutschkurs), gerade so viel, um den Alltag in Deutschland zu bewältigen 28. Aus diesen Gründen hatte sich die Anzahl der vietnamesischen Deutschsprechenden bzw. Deutschlernenden sogar verdoppelt bis verdreifacht. Nach dem Mauerfall waren 1990 viele Vietnamesen aus der Gruppe der Vertragsarbeiter aus der DDR und aus den anderen Ostblockstaaten in den Westen der BRD gezogen. Mit dem neuen Ausländergesetz 1991 bekamen die Vertragsarbeiter die zeitweilige Aufenthalts-bewilligung. Im Jahre 1993 wurde die Bleiberechtsregelung vom Bundesinnenministerium be-schlossen, die ihnen unter bestimmten Bedingungen den Aufenthalt gestattete. Viele Vertrags-arbeiter mussten und wollten jedoch nach Vietnam 22 vgl. Freytag 1998, S. 20 23 http://www.geogr.uni-goettingen.de/kus/apsa/pn/pn25/pn25-hilbert.pdf, S. 20, letzter Aufruf am 19.01.2007 24 vgl. http://www.geogr.uni-goettingen.de/kus/apsa/pn/pn25/pn25-hilbert.pdf, S. 20, letzter Aufruf am 19.01.2007 25 Vor der vietnamesischen Wiedervereinigung in 1975 verteilte sich Vietnam in zwei Teilen: die demokratische Republik Vietnam im Norden und die Republik Vietnam im Süden (die südliche Republik Vietnam). 26 vgl. Beuchling 2003, S. 20 27 vgl. ebd., S. 20f. 28 Interviewerklärung am 20.03.2006 an der Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi

zurückkehren 29. Die Vertragsarbeiter, deren Bleiberecht 1993 anerkannt wurde, durften erst 1997 ihre Familienangehörigen in die BRD zum Zweck der Schulbildung, des Besuchs bzw. des Familiennachzugs nachholen. Diese Familien-angehörigen mussten und wollten wegen ihres Aufenthalts Deutsch lernen. Viele begannen vor der Einreise bereits, die Sprache zu lernen 30. 2.2.3 Die deutsche Sprache für die in Vietnam lebenden Vietnamesen heute Die Entwicklung der Vermittlung der deutschen Sprache in Vietnam stellt sich heute in drei Hauptformen dar: a) Deutsch als Hauptfachstudium an den Universitäten/ Hochschulen mit dem Abschluss Diplom Deutsche Sprache DaF 31, b) Deutsch als ein Schulfach in den Oberschulen 32 und c) Deutsch in Sprachkursen in den Sprachzentren und im Radio/ Fernsehen 33. Es besteht bis jetzt noch keine Möglichkeit, ein Magister-/ Master- sowie Doktorandenprogramm mit Deutsch als Hauptfach in Vietnam zu belegen. Zu a): Deutsch als Hauptfachstudium wird zur Zeit an drei staatlichen Universitäten/ Hochschulen und zwei Privatuniversitäten in Vietnam durchgeführt. Das sind 34, 35 : die Fremdsprachenhochschule Thanh Xuan Hanoi (seit 1966), die Universität von Ho Chi Minh Stadt (seit 1992), die Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi (seit 1994), die Privatuniversität Phuong Dong/ Hanoi (seit 1994) und die Privatuniversität Dong Do/ Hanoi (seit 1994). Seit 1991 wird die Sprache Deutsch an vietnamesischen Hochschulen/ Universitäten praxisori-entiert gelehrt. In Ho Chi Minh Stadt gibt es das Konzept einer Lehrerausbildung, während die Übersetzerausbildung in Nordvietnam stattfindet. In meiner Arbeit behandle ich ausführlich - wie in meinem Vorwort beschrieben - das Deutschstudium in der Hauptstadt Hanoi. Seit 2005 gibt es in Hanoi zwei Ausrichtungen des Deutschstudiums: die Übersetzerund die Lehrerausbildung. Zu dem vierjährigen Studienprogramm gehören zwei Hauptteile (die praktische Anwendung mit vier grundlegenden Sprachfertigkeiten und der theoretische Teil mit drei Studienbereichen). Die praktische Anwendung findet bereits im Grundstudium (in den ersten vier Semestern) statt. Das Grundstudium endet mit der Zwischenprüfung. Ab dem vierten Semester wird der theoretische Teil zur Ergänzung eingeführt: Sprachwissenschaft, Literaturgeschichte und Landeskunde (europäische und deutsche Landeskunde), Vermitt-lung der Fachsprachenkenntnisse und der beruflichen Sprachkenntnisse (Übersetzungswissen-schaft bzw. -praxis, Dolmetscherwissenschaft bzw. -praxis, Methodik/ 29 Viele Vertragsarbeiter mussten nach Vietnam zurückkehren, weil sie die vorgeschriebenen Bedingungen (Wohnung, Arbeit, keine Straftaten) nicht erfüllten. Es gab auch Leute, die freiwillig aus verschieden Gründen (Familie, mangelnden Sprachkenntnissen) ausreisen wollten, obwohl die Bedingungen gegeben waren. 30 Interviewerklärung am 05.09.2007 bei der Bürgerinitiative Ausländische MitbürgerInnen e.v. 31 vgl. Vu 1999, S. 45 32 Interviewerklärung am 16.03.2006 an der Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi und am 01.03.2006 auf dem Vietnamesisch-Deutschen Gymnasium 33 vgl. Vu 1999, S. 45 34 vgl. ebd., S. 44f. 35 ausführlicher dazu siehe Punkt 3.2

Didaktik im Fremdspra-chenunterricht). Der Studienabschluss wird entweder durch die Diplomarbeit oder die Abschluss-prüfung erreicht 36. Neuerdings entstehen noch zusätzliche Studienbereiche wie Finanzdeutsch, Wirtschaftsdeutsch, Deutsch im Tourismus, Deutsch im Hotelwesen etc., die zum vorgenannten Studium gehören 37. Zu b): Der Deutschunterricht findet in zwei Schulen statt. Das sind 38 : das Vietnamesisch-Deutsche Gymnasium und das Gymnasium für Sprachbegabte unterstellt der Hochschule für Fremdsprachen der Nation aluniversität Hanoi Weiterhin erhöht sich das Interesse am Deutschen in anderen Oberschulen von Tag zu Tag, besonders in den großen Städten. Zu c): Deutschunterricht in Sprachkursen mit unterschiedlichen Kurstypen in den Sprachzentren und im Radio/ Fernsehen: Die Sprachkurse werden von deutscher Seite in drei Zentren bzw. Instituten durchgeführt 39 : im Vietnamesisch-Deutschen Begegnungszentrum für Kultur, Sprache und Technologie (ZKST), im Goethe-Institut Hanoi und im Vietnamesisch-Deutschen Zentrum (VDZ) der Technischen Universtität Bach Khoa Hanoi. Außerdem existieren zur Zeit viele andere Sprachzentren, in denen Deutschkurse für alle angeboten werden. Sie befinden sich nicht nur in den Großstädten, sondern auch in ihrer Umgebung. Der erste Fernsehdeutschkurs wurde 1991 vom ZKST und dem Hanoier Fernsehen durchgeführt und dauerte zwei Jahre. Die Ausstrahlung wurde von der deutschen Botschaft in Hanoi und dem Goethe-Institut München unterstützt. Das Lehrwerk dafür war Alles Gute. Die Abschlussprüfung wurde 1993 in Hanoi abgelegt. Seit 1995 wird der Kurs im Fernsehen immer wieder gesendet 40. Mitte 1999 wurde der erste Radiodeutschkurs in Zusammenarbeit zwischen dem Goethe- Institut Hanoi und dem Zentralrundfunk Vietnams übertragen 41. 36 Interviewerklärung am 06.03.2006 an der Fremdsprachenhochschule Thanh Xuan Hanoi, Interviewerklärung am 16.03.2006 an der Fremdsprachenhochschule der Nationaluniversität Hanoi; vgl. Vu 1999, S. 45; vgl. Günthner 1992, S. 612 37 vgl. Vu 1999, S. 45 38 ausführlicher dazu siehe Punkt 3.1 39 vgl. Vu 1999, S. 46 40 vgl. Vu 1999, S. 46 41 vgl. ebd.