Langzeitunterstudien am Mittelspecht Nümbrecht 15.03.2013 Dr. Rolf Hennes Bad Homburg hennes-keidel@t-online.de Übersicht 1. Mittelspecht in Hessen 2. Habitatansprüche 3. Fehlermöglichkeiten bei klassischen Kartierungsansätzen 4. Hinweise für eine bessere Erfassung 1
Status in Hessen Verbreiteter Brutvogel Hohe Dichten in Auwäldern Profitiert von zu nehmenden Bestandsalter Auch Vorkommen ausserhalb von Eichenwäldern (Erlen, Mittelwald mit Birkenüberhälter, hist. Parkanlagen) Habitatqualität (Totholz) entscheidend Arealerweiterung und/oder bessere Erfassung? 2
Bestandsentwicklung Mittelspecht Hessen 10000 Naturwaldanteil Eichenanreicherung Bestandsalter 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1985 1995 2004 2010 Holzpreise Naturverjüngung Klimaerwärmung Lebensraum 3
Lebensraumansprüche Ganzjähriges Nahrungsangebot = Grobborkige Bäume, Schadstellen an Bäumen Geeignete Brutbäume Nestlingsnahrung = Raupen auf Eichen Konkurrenz /Feinde Vergleich Brutbaumart Mittelspecht (n = 39) Buntspecht (n = 72) 4
Der MSP brütet ausschließlich im Tot- oder geschädigtem Holz! Vergleich der Brutbaumansprüche Höhe in m (geschätzt) BDH in cm MSP: M: 11,1 m Med = 10 m BSP: M =13,3 m Med = 12 m MSP: M: 55 m Med = 45 m BSP: M =48 m Med = 45 m 5
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Problematik der Bestandsaufnahme Untersuchungen Dauerprobefläche Intensive Fangtätigkeit von (Oktober) Januar - ApriI Wöchentliche Beobachtungsgänge ab März > 90 % der Population ist farbberingt Die meisten Individuen sind bekannt Fast tägliche Beobachtungsgänge ab Mitte April bis Ausfliegen Kenntnis der Brutpopulation auf Individuenbasis Alle Höhlen sind bekannt 8
Untersuchungsmethode Dauerprobefläche Vorteile Minimaler Fehler Erfassung auch von residenten Nichtbrütern Bestand sowohl auf Individuen- wie Paarbasis Material zu populationsdynamischen und biologischen Fragestellungen Nachteile Immens hoher Aufwand Beringungserlaubnis erforderlich Geringer Restfehler ( Floater ) Nur kleine Fläche bearbeitbar Fazit: Für großflächige Bestandsaufnahmen und Monitoring nicht geeignet Brutzeit Ergebnis Mittelspecht Paare (Ges./m.Erf./o. Erf.) In Balzzeit anwesende, revieranzeigende beringte Vögel 2006 6? 2007 6 0 2008 5 3 Einzelvögel bzw. Paare während Balzzeit 2009 3 1 Paar 2010 4 Nicht erfasst 2011 4 Mind. 1 Einzelvögel während Balzzeit 2012 2 1 Paar zus. außerhalb, mit Großteil des Reviers auf PF 2011 erw. 5 Mind. 1 Einzelvögel während Balzzeit, 1 Randrevier 9
Folgerungen Nur ausnahmsweise Abweichungen von der klassischen Paarverteilung : In 2011 konnten in der Balzzeit mind.1 revieranzeigender Einzelvogel festgestellt werden ohne späteren Brutnachweis. Kein Nachweis der Polyandrie in 7 Jahren Fehlermöglichkeiten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Erfassung A. Fehler zur Überschätzung Beide Geschlechter trommeln (BSp) Beide Geschlechter führen Revierkämpfe (BSp) Nachzieheffekt Klangattrappe (MSp) Auch W können auf Klangattrappe reagieren Unverpaarte/Verwitwete Männchen sind aktiver Unverpaarte Männchen sind wenig stationär und trommeln/quäken an vielen Stellen In der Revierbildungsphase sind Spechte regelmäßig auch außerhalb des Reviers anzutreffen Trommelstelle und Bruthöhle haben unterschiedliche Anforderungen und können deutlich auseinander fallen Bruthöhle und Nahrungsrevier haben unterschiedliche Anforderungen und können deutlich auseinander fallen Komplexes Paarungssystem wegen nicht ausgeglichenem Geschlechtsverhältnis, signifikanten Anteils von Polyandrie, Floater Mortalität in Balz-/Brutzeit signifikant Nicht kursiv: Fehler nach Methodenhandbuch; kursiv: zusätzlich eigene Erfahrungen 10
Fehlermöglichkeiten Methodenhandbuch (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Erfassung B. Fehler führt zur Unterschätzung Aktivität tageweise stark schwankend, u.a. in Abhängigkeit der Witterung Aktivitäten fällt nach den ersten Morgenstunden stark ab Reaktionsbereitschaft auf Klangattrappe an ungünstigen Tagen gering, an optimalen Tagen aber mitunter auch gering, da MSP auf andere Spechte intensiver reagieren als auf Klangattrappe Einzelne Paare zeigen wenig Revierverhalten C. Neutral Im März ist Paarverbund noch nicht etabliert. Fehlermöglichkeiten Methodenhandbuch (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Auswertung Zuordnung von 2 oder mehr Beobachtungen zu einem ( Papier -) Revier Das Papierrevier ist Fiktion 11
Untersuchung Ansatz Auf der (erweiterten) Probefläche wurde neben der Daueruntersuchung von mit dem Programm nicht vertrauten Personen parallele Bestandsaufnahmen nach Methodenhandbuch durchgeführt und ausgewertet. Durchführung Aufruf über der HGON, 4 KartiererInnen beteiligten sich. Zur Verfügungstellung von Karten, Arbeitsanleitung Methodenhandbuch und ggf. Klangattrappe, Einweisung in das Gebiet. 3 Kartierungsgänge innerhalb der Perioden des Handbuchs Auswertung durch Kartierer und Überprüfung durch Initiator Initiator war an vielen Tagen zeitgleich mit Kartierern im Wald zu eigenen Beobachtungen, vermied es aber, Hilfen zu geben. Mittelspecht 2011 12
Auswertung Mittelspecht Mit Farbberingung und Nestsuche: 7 Balzreviere, incl. eines Randreviers 5 Brutreviere sowie ein Revier knapp außerhalb, evtl. 1 Paar abgewandert in Obstwiese Methodenhandbuch Kartierer A: 6-7 Reviere, davon 1 durch Mehrfachbeobachtung, incl. eines Randreviers (8 Kontakte) Kartierer B: 3 Reviere, alle durch Mehrfachbeobachtung (10 Kontakte) Kartierer C: 4 Reviere, alle durch Mehrfachbeobachtung (10 Kontakte) Kartierer D: 4 Reviere, davon keines durch Mehrfachbeobachtung (4 Kontakte) Insbesondere der 3. Kartierungsgang brachte wenig neue Erkenntnisse Auswertung Punktkarte Mittelspecht Ein Brutpaar von keinem Beobachter erfasst. Zwei Nachweise, wo keine Brut stattgefunden hat. Eine Häufung der Beobachtungen gab es nur an zwei Brutplätzen. 13
Diskussion Von den Kartierern wurden beim Buntspecht etwa die Hälfte der Paare, beim Mittelspecht (mit einer Ausnahme) lediglich etwa die Hälfte der Balzreviere bzw. 60-80 % der Brutpaare erfasst. Die Ausnahme, bei der fast alle Mittelspechtreviere festgestellt wurde, basiert auf Einzelkontakte an einem sehr rufintensivem Tag; nach Handbuch hätte dieser Kartierer nur 1 Paar melden dürfen. Auch ein anderer Beobachter berichtet, dass die Handbuchmethode nach seiner Einschätzung zu geringe Werte liefert. Zwei Beobachter lieferten Zahlen, die nicht auf den geforderten Mehrfachbeobachtungen des Handbuchs beruhten. Die Anzahl der Beobachtungen ( Kontakte ) variiert sehr stark zwischen den Beobachtern. Hierfür sind 2 Gründe maßgeblich: Erfahrung des Beobachters und die Rufbereitschaft an den einzelnen Tagen (u.a. in Abhängigkeit des Wetters). Vergleich mit anderen Untersuchungen Die allgemeine Auffassung, dass Spechte schwierig zu kartierende Arten sind, wird bestätigt. Auch andere Beobachter konnten mehr Mittelspechtbalzreviere feststellen als Bruten (Übersicht Randler 2000) Auch Felgenhauer (2006) kommt zu dem Ergebnis, dass Kartierung den tatsächlichen Mittelspechtbestand unterschätzt 14
Fazit Handbuchmethode führt zu deutlicher Unterschätzung. Ein Teil der Kartierer korrigiert Zahlen nach oben. Bei 3 Beobachtungsgängen ist nicht gewährleistet, dass es zwei Tage mit hoher Rufaktivität gibt. Der dritte Kartiergang fällt in die Lege-/Brutperiode, wo die Spechte sehr heimlich sind und wegen des Laubaustriebs kaum wahrgenommen werden. Ein Beobachtungsgang bei hoher Reviermarkierungsaktivität kommt der Realität näher als Handbuchmethode Schluss auf Brutpaare über Papierreviere ist willkürlich. Gibt es eine bessere Alternative? Alternative 1: Vereinfachte Brutpaarerfassung 2 Kontrollgänge während der Lege- /Bebrütungsphase mit Klangattrappe (Südhessen: Mitte April, Anf. Mai) Erfassung brütender Männchen 2 Kontrollgänge zu Ende der Nestlingszeit (zweite Maihälfte, Anf. Juni) Erfassung erfolgreicher Bruten 15
Diskussion Alternative 1: Vereinfachte Brutpaarerfassung Nicht alle Bruten werden erfasst, da nicht alle M (besonders beim Buntspecht ) reagieren. Mittelspecht reagiert auch am Aufenthaltsplatz, nicht nur in Höhlennähe Erfolglose Bruten und Bruten mit wenigen Jungen werden leicht übersehen. Aufwändig, konservative, aber plausible Schätzung des Brutbestandes Konzentrierte Beobachtungsgänge Balzzeit 3 Kontrollgänge während der Zeit der Paar-/Revierbildung (Februar/März) bei möglichst optimalem Wetter Einsatz der Klangattrappe Die maximal festgestellte Zahl von reviermarkierenden Vögel wird als Bestand gewertet 16
Diskusssion Konzentrierte Beobachtungsgänge Balzzeit Keine höherer Aufwand Realistischere Ergebnisse Für Monitoringzwecke geeignet Diskussion Alternative 2: Konz. Beobachtungsgänge Balzzeit Erfasst wird der Balzbestand. Bei geeigneten Bedingungen (Wetter, Tageszeit) hoher Erfassungsgrad möglich. Enges Fenster (Wetter, Tageszeit) für Erfassung, regional unterschiedlich. Danke! Geringerer Aufwand als Alternative 1 Kollidiert nicht mit der Erfassung anderer Dank auch den kartieren V. Bannert, E. Arten Barnickel, J. hahnenbruch, B. Müller Als Standarderfassungsmethode geeignet! 17