Trinitarische Spiritualität

Ähnliche Dokumente
Christentum und Islam - Theologische Wechselwirkungen zwischen Bibel und Koran

nähern, wie die Hirten, wie die drei Könige, die spüren: Hier ist Gott. Und sie fallen nieder und beten an.

Vorwort. Einleitung 1

Glaube der berührt. Von Jesus selbst berührt, meinem Gegenüber eine Begegnung mit Jesus ermöglichen!

Die Frage nach der Existenz Gottes

Domvikar Michael Bredeck Paderborn

9 Wege, Gott zu finden und zu lieben 2. Teil

1 Lukas 2, Weihnachtstag 2000 Der Anfang der Weihnachtsgeschichte ist uns sehr geläufig und fast jeder von könnte ihn zitieren.

Christliches Symbol -> Brot

Predigt zu allein die Schrift und allein aus Gnade am Reformationstag 2017

Umsetzung der Bildungsstandards und Inhaltsfelder in Ich bin da 4

Predigt zu Johannes 14, 12-31

Über Menschenbild, Werte und die Jugend Einige Anmerkungen zum C in Kirche und Politik. Bischof Dr. Stefan Oster SDB

21. Sonntag im Jahreskreis - LJ B 23. August 2015 Lektionar II/B, 329: Jos 24,1 2a b; Eph 5,21 32; Joh 6,60 69

Elke Werner. Einladung. zum Leben

Predigt zu Markus 9,14-21 "Ich glaube, hilf meinem Unglauben" Pfrin Martina Müller, 31. Oktober 2000, Muttenz Dorf, Jubiläum Goldene Hochzeit

Der ungläubige Thomas, einer der nichts glauben will, was er nicht mit eigenen Augen gesehen hat, scheint ein sehr moderner Mensch zu sein.

1 Ist Religion an Worte und Orte gebunden? 10

Du bist Teil seiner Geschichte

1 Das dynamische, lebendige Christentum 17

Kraft der Barmherzigkeit

Schulinternes Curriculum Katholische Religionslehre Jahrgangsstufe 6

ERZBISTUM HAMBURG. Pastoraler Orientierungs-Rahmen. für das Erzbistum Hamburg in Leichter Sprache

Generalkonsulat 28. Aug Gottesdienst zum Beginn des 2. Halbjahres. Pfarrer Michael Bauer. Liebe Schwestern und Brüder,

Inhalt. 1 Ist Religion an Worte und Orte gebunden? Wie frei bin ich in meinen Entscheidungen? 30

Bibel als "Ur- Kunde" des Glaubens an Gott (IF 3) Konkretisierte Kompetenzerwartungen. Die Schülerinnen und Schüler. erläutern den Aufbau der Bibel

Cds für die Schweiz. Musik erreicht die Herzen

Tod, wo ist dein Stachel? (1 Kor 15,55) Unsere Sterblichkeit und der Glaube an die Auferstehung. BnP Following

Predigt zu 1. Kön. 3, 7-13 Pfrn. Noa Zenger, Thalwil ref. Kirche,

KC Evangelische Religion Leitfrage: Nach dem Menschen fragen. Erwartete Kompetenzen. 1./2. Schuljahrgang 3./4 Schuljahrgang

Nach dem Tod das Leben Predigt zu Joh 5,24-29 (Ewigkeitssonntag 2015)

Unterrichtsinhalte Religion

Was ist denn bloß. mit der Ernte los???

Wenn Jesus kommt, verändert sich alles!

Weinfelder. Predigt. Als Christ in der Welt leben. Januar 2015 Nr aus Johannes 17,15-18

Der Zeigefinger von uns Menschen, der aktive Zeigefinger ist ein Ausdruck von Dynamik und Lebenswillen!

Predigt zum Thema Wann ist ein Christ ein Christ?

Herr Bischof, haben wir bisher alles falsch gemacht? Über Fragen, die der Begriff Neuevangelisierung auslöst.

1 Was leisten Rituale?

4. Sonntag der Fastenzeit B 15. März 2015 Laetare - Lesejahr B - Lektionar II/B, 89: 2 Chr 36, ; Eph 2,4 10; Joh 3,14 21

Predigt am 32. Sonntag im Jahreskreis C

Zweijahresplan mit inhalts- und prozessbezogenen Kompetenzen zum Bildungsplan Variante Schuljahr

Arbeitsblatt 7: Verbindung nach oben zum 10. Textabschnitt

Tod, wo ist dein Stachel? (1 Kor 15,55) Unsere Sterblichkeit und der Glaube an die Auferstehung. Impuls-Katechese, Altötting

Eine Taufe tausend Fragen

KC Evangelische Religion Leitfrage: Nach dem Menschen fragen. Erwartete Kompetenzen. 1./2. Schuljahrgang 3./4 Schuljahrgang

Subjektiv, deutlich, offen. Erzählend GOTT zur Sprache bringen

Klemens Schaupp. Ein spiritueller Übungsweg. echter

Katholische Religionslehre Klasse 5

Standards Thema Jesus Christus Inhalte Kompetenzen. Zeit und Umwelt Jesu, Leiden u. Sterben (Mk 14;15)

1 BIB.1. Die Bibel handhaben 1 BIB Offen werden, um einen Bibeltext zu hören oder 2 BIB.2. Den biblischen Text methodisch und zu lesen.

Sehnsucht, die gestillt wird Predigt zu Joh 16,5-15 (Pfingsten 2017)

Jesus Christus spricht: Ihr seid das Salz der Erde ihr seid das Licht der Welt.

Predigt am 2. Advent 2017 zu Mt 5, und zur Predigtreihe Ein Stern fällt in die Welt

Du liebst mich, also bin ich

Hananias war nur ein Jünger. In Damaskus lebte ein Jünger Jesu` namens Hananias..

Lesen der Predigttextes Apg. 2, und 22-33

Geschenke zu Pfingsten Predigt zu 1 Kor 2,12-16 (Pfingsten 2018)

Fachschaft Kath. Religion. Schuleigenes Curriculum für die Klassen 5 und 6

Weihnachtsgeschichte. Die. Jesus Christus wurde geboren, um für DICH zu sterben!

Die katholische Kirche und der interreligiöse Dialog

WAS IST SOULDEVOTION?

1. Johannes 4, 16b-21

25. Sonntag im Jahreskreis A Gerechtigkeit oder: Worauf es ankommt

Wo Himmel und Erde sich berühren

DIE SONdayTREFF IDENTITÄT

Vom Jäger zum Gejagten (Apostelgeschichte 9,19-31)

Katholische Theologie

16. Sonntag im Jahreskreis - LJ C 21. Juli 2013

Gottesdienst (April) Ostern - Emmaus Ostermontag - Lesejahr B

Reinhold Schneider hat in diesem Sinne schon in seinem Winter in Wien gesagt: Ich weiß, dass er auferstanden ist, aber meine

Jesus betete einmal an einem Ort; und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr lehre uns beten (Lk 11, 1)

Advent Advent feiern heißt warten können. Warten kann nicht jeder: nicht der gesättigte, zufriedene und nicht der respektlose. Warten können nur Mensc

Inhaltsverzeichnis. Vorwort 11

Liebe Mitchristen, wenn ich bei einer Bestattung den Weihwasserbusch in der Hand halte und an die Taufe erinnere,

GOTT ENTDECKEN GOTT LIEBEN

Jahresplanung für den katholischen Religionsunterricht in der Jahrgangsstufe 3 auf der Grundlage von fragen suchen entdecken 3.

Kreisen Sie die Zahl ein, die Ihnen am ehesten angemessen erscheint.

Predigt des Erzbischofs Friedrich Kardinal Wetter beim Pontifikalgottesdienst zum Weihnachtsfest 2007

Predigt für Sonntag, den 2. April Thema: Das Wirken des Heiligen Geistes. Text: Römer 5,1-6

9 Wege, Gott zu finden und zu lieben 4. Teil

Zweijahresplan mit inhalts- und prozessbezogenen Kompetenzen zum Bildungsplan Variante Schuljahr

Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljow

Werde, der du bist! Deiner Berufung auf der Spur (Teil III Gottes Stimme hören lernen) BnP

Die Botschaft Jesu in seiner Zeit und Umwelt (IF 4) Konkretisierte Kompetenzerwartungen. Die Schülerinnen und Schüler

Trier-Wallfahrt Hl. Messe am Vorabend von Christi Himmelfahrt (24. Mai)

DIE ENTSCHEIDUNG Die folgenden Aussagen und Fragen sowie die Bibelverse helfen dir, deinen Freund durch diese Entscheidung/Feier zu begleiten:

Weihbischof Wilhelm Zimmermann. Ansprache im Gottesdienst der Antiochenisch-Orthodoxen Gemeinde Hl. Josef von Damaskus

«Ich will wissen, was ich glaube!»

Jeder in seiner Sprache Vielfältige Glaubenszugänge im Lebensraum Schule. Helga Kohler-Spiegel

HGM Hubert Grass Ministries

Weihnachten Worte oder: vom Heiland. Worte können ins Fleisch treffen. Scharf und tief. Sie können verwunden. Schwer. Je

Jesus, unser Herr! Seine Existenz vor der Schöpfung

Dialogpredigt zwischen Pfr. R. Herbig Weil (RHW) und B. Wildberger (BW) Thema: Cinéglise und Epiphanias 10. Januar 2016

Vernetzung der Bereiche, Schwerpunkte (*) und Kompetenzen (+) in Ich bin da 4

2 Im Evangelium hörten wir, wie ihr der Engel die Botschaft brachte, dass sie die Mutter des Erlösers, des Gottessohnes werden solle. Sie hört, erschr

Schulinternes Curriculum Katholische Religionslehre Jahrgangsstufe 5

Kern- und Schulcurriculum katholische Religion Klasse 5/6. Stand Schuljahr 2009/10

Gottesdienst Trinitatis Dreieinheit und wir? Joh 14, Liebe Dreieinigkeits-Gemeinde, Alle guten Dinge sind drei die Zahl 3 hat

Transkript:

Trinitarische Spiritualität Wie drückt sich Ihr Glaube am natürlichsten aus? von Christian A. Schwarz Sind Sie zufrieden mit Ihrem geistlichen Leben, mit der Art, wie sich Ihre Beziehung zu Gott momentan ausdrückt? Wenn es Ihnen so geht wie den meisten Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren intensiveren Kontakt hatte, dann ist Ihre Antwort: Nein, ich bin nicht wirklich zufrieden. Dieses Nein kann natürlich ganz unterschiedliche Ursachen haben und genau diesen Ursachen sind wir in den letzten Jahren intensiv nachgegangen. Das Ergebnis dieser Arbeit erscheint aktuell in Form des Buchs Die 3 Farben Deiner Spiritualität. Das internationale Institut für Natürliche Gemeindeentwicklung hat in den letzten Jahren mit mehr als 60.000 Gemeinden in rund 70 Ländern zusammengearbeitet. Während meiner Reisen in alle fünf Kontinente habe ich nicht abstrakte Wissenschaft getrieben, sondern ich habe immer mit realen Menschen in realen Gemeinden an real existierenden Problemen gearbeitet, wir haben reale Lösungen gefunden, reale Niederlagen erlebt, haben real gefeiert, real geweint, real zu Gott gebetet und auch reale Fortschritte erzielt. Der Theologe Helmut Gollwitzer hat Theologie einmal als Theorie zwischen Praxis und Praxis definiert. Mit anderen Worten: Theologie beginnt nicht in der Stille der Studierstube. Sie beginnt immer mit ganz konkreten Fragen, die in der Praxis gestellt werden und die auf eine sorgfältig reflektiere Antwort warten. Die Theologen haben sich diese Fragen nicht ausgedacht, sondern sie haben sie durch aufmerksames Zuhören und Beobachten vernommen. Um diese Fragen zu lösen, entwickeln sie eine hoffentlich hilfreiche Theorie. Aufgabe dieser Theorie ist es dann, ihrerseits wiederum auf die Praxis einzuwirken, um so zu einer besseren Praxis zu gelangen. So funktioniert Theologie so sollte sie zumindest funktionieren. Genau so verstehe ich jedenfalls unsere Arbeit in der Natürlichen Gemeindeentwicklung. Es geht nicht darum, die theoretische Seite nun zugunsten der Praxis abzuwerten oder außer Kraft zu setzen. Im Gegenteil:

Was wir brauchen, ist eine Theorie, die von praktischen Fragen ausgeht und die ihrerseits die Praxis von uns Christen zum Besseren verändern will. In unserer Arbeit für Natürliche Gemeindeentwicklung sind wir immer stärker dazu gekommen, uns auf die qualitativen Ursachen des Gemeindewachstums zu konzentrieren. Gemeinden wachsen nicht dann, wenn sie ihren eigenen Unterhaltungswert steigern, eine Marketingstrategie einführen oder sich das zahlenmäßige Wachstum zum Ziel setzen. Gemeinden wachsen das ist die unzweideutige Quintessenz unserer Untersuchungen in mehr als 60.000 Gemeinden, wenn ihre Qualität stimmt. Was aber ist die Qualität einer Gemeinde? Salopp gesagt: Wenn wir Forschungen durchführen, um die Qualität einer Gemeinde zu messen, dann fragen wir weder nach der Qualität der Show auf der Bühne noch nach der Qualität der Kirchenbänke. Vielmehr fragen wir nach der Qualität in den Köpfen und Herzen derer, die auf diesen Bänken sitzen. Gemeinde besteht aus Menschen, und was diese Menschen in ihren Köpfen und Herzen tragen, ist der eigentliche Qualitätsfaktor. Diese Qualität ist zwar nicht ausschließlich, aber doch sehr zentral von der geistlichen Leidenschaft, Balance und Reife der jeweiligen Christen bestimmt. Das Buch Die 3 Farben Deiner Spiritualität erscheint mitten in einer Zeit, in der dieser Globus wie selten zuvor von wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Krisen geschüttelt wird. Die Welt steht buchstäblich vor dem Kollaps und ich investiere just in dieser Zeit mehrere Jahre meines Lebens, um an einem Projekt über Spiritualität zu arbeiten. Wie passt das zusammen? Religion einmal mehr als Ausblenden der unerträglichen Wirklichkeit, als Rückzug von den Problemen der Welt, als Flucht in die eigene Innerlichkeit? Die Sorge ist nicht unbegründet, denn genau so hat sich das Christentum im Laufe der Kirchengeschichte zumindest auch immer wieder dargestellt: als Opium des Volkes (Karl Marx), als Platonismus fürs Volk (Friedrich Nietzsche), sogar als kollektive Neurose (Sigmund Freud). Die Christentumskritik der drei Genannten mag im Ganzen unfair sein, übertrieben, undifferenziert und auch von zum Teil fragwürdigen Motiven geleitet; aber wer wollte ernsthaft bestreiten, dass jeder von ihnen seinen Finger in eine offene Wunde des empirischen Christentums gelegt hat?

Aber was steht stattdessen eigentlich im Zentrum der christlichen Glaubenserfahrung? Es ist ohne Zweifel die Tatsache, dass Menschen erlebt haben: In Jesus von Nazareth und in der Kraft des Heiligen Geistes kommt Gott selbst zu uns, dessen Wirken wir bereits in der Schöpfung studieren können. Das ist die neutestamentliche Basiserfahrung überhaupt. Trinität ist ursprünglich keine Glaubensformel, keine Doktrin oder gar Ideologie, sondern ein Ereignis, das man erzählt, eine Erfahrung, die bezeugt wird. Dieses Ereignis in seinen praktischen Konsequenzen erfahrbar zu machen das ist das Ziel des Trinitarischen Kompasses, dem theologischen Herzen der Natürlichen Gemeindeentwicklung. Der Kompass will uns helfen, das, was wir theologisch als Trinität zu bezeichnen gewohnt sind, aus der Abstraktion einer bloßen theologischen Formel zu befreien. Er soll gleichsam die Begegnung mit dem dreieinigen Gott in unseren Alltag holen, in den unterschiedlichsten Bereichen durchbuchstabieren, was es bedeutet, dass wir Gott auf drei verschiedene Weisen begegnen, und es dabei doch immer mit dem gleichen Gott zu tun haben. In katholischen und protestantischen Kirchen wird bezeichnenderweise nur selten ausdrücklich über die Trinität gepredigt irgendwie hat man wohl den Eindruck, das sei zwar ein wichtiges Thema, aber dann doch nicht wirklich relevant für unseren Alltag. Immanuel Kant formulierte bereits 1798: Aus der Dreieinigkeitslehre lässt sich schlechterdings nichts fürs Praktische machen. Bei allem Respekt vor Kant bin ich hier grundsätzlich anderer Meinung. Gerade dann, wenn wir beginnen, über unser eigenes Verhältnis zum dreieinigen Gott im Blick auf die verschiedensten Lebensfragen nachzudenken, bekommt trinitarisches Denken eine ungeheuer praktische Dimension. Zugespitzt formuliert: Sage mir, was dein Gottesbild ist, und ich sage dir, welche Spiritualität du hast. Oder noch praxisrelevanter: Sage mir, was dein Gottesbild ist, und ich sage dir, wie du lebst. Verbal berufen sich zwar (fast) alle Christen auf die göttliche Trinität in unserer Begrifflichkeit: auf alle drei Farben, aber gleichwohl lässt sich zeigen, dass die unterschiedlichen christlichen Strömungen nicht alle drei Farben gleich stark gewichten, sondern dazu neigen, eine oder auch zwei von ihnen stärker in den Vordergrund zu stellen. Jede der drei Farben hat einen ganz

bestimmten Fokus, der auf praktischer Ebene alle Lebensbereiche durchdringt. Da sich grüne Spiritualität primär auf Gottes Offenbarung in der Schöpfung bezieht könnte man sie auch als Schöpfungsspiritualität bezeichnen. Dem, was sich mit den fünf Sinnen wahrnehmen lässt, wird große geistliche Bedeutung beigemessen. Gott drückt dem, was er schafft, den Stempel seines Wesens auf, wie es Emil Brunner formuliert. Darum ist die Schöpfung der Welt zugleich auch Gottes Offenbarung. Grüne Spiritualität nimmt ernst, dass Gott mit der ganzen Menschheit einen Bund geschlossen hat. Von daher hat grüne Spiritualität immer einen universellen Zug. Das rationale Durchdringen der natürlichen Zusammenhänge wird nicht als Gegensatz zum Glauben empfunden, sondern als Ausdruck des Glaubens selbst. Da rote Spiritualität die Heilsoffenbarung ins Zentrum stellt, hat sie einen exklusiven Zug. Rote Spiritualität bezieht sich in allen Lebensäußerungen auf das Empfangen und Weitergeben des Evangeliums. Hier hat die Bibel einen absolut zentralen Stellenwert. Rote Spiritualität betont sehr stark das Objektive des christlichen Glaubens und drückt sich zwar nicht ausschließlich, aber doch bevorzugt verbal aus. Das Wort soll eben überall im Zentrum stehen. Glaube wird hier primär als Stehen verstanden, als ein fester Standpunkt, der eine solide, vertrauenswürdige Grundlage hat. Blaue Spiritualität schließlich kann sehr unterschiedliche Ausdrucksformen (sowohl introvertierte als auch extravertierte) annehmen, immer aber geht es um die persönliche, existenzielle Begegnung mit dem Heiligen Geist. Die übernatürliche Dimension wird hier nicht ausgeklammert, sondern in das Glaubenserleben integriert, bisweilen sogar in den Vordergrund gestellt. Glaube wird hier weniger als Standpunkt gesehen, sondern als Bewegtwerden und Bewegen. Das Wesen leidenschaftlicher Spiritualität ist eine gott-zentrierte Existenz. Die Gottesbegegnung ist die Wurzel, die Leidenschaft die Frucht. Dass das Wort Leidenschaft sowohl den Aspekt des Leidens als auch der Begeisterung umfasst, scheint mir im Blick auf unsere Beziehung zu Gott äußerst angemessen zu sein. Wer den Weg zu dieser Form von Leidenschaft gehen will, kann keine der drei Farben, von denen eben die Rede war, ignorieren.

Grüne Spiritualität sieht in Jesus besonders gerne den Rabbi, den Weisheitslehrer, den Menschen; rote Spiritualität konzentriert sich auf den Jesus, der von sich sagte Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, und der durch sein Leiden und Sterben diesen Weg eröffnet hat; blaue Spiritualität verehrt Jesus besonders als Wundertäter, als den, der Macht über böse Geister hat, der nicht nur für uns gestorben, sondern von dem Tode auferstanden ist. Stehen diese drei Dimensionen etwa im Verhältnis eines Entweder-oder? Wo das gelehrt wird, ist der Weg zur Sekte nicht mehr weit. Gott ist Person. Zwar wird der Begriff Person in der Bibel für Gott nicht gebraucht, aber die Sache, die hinter diesem Begriff steht, kommt im Alten wie im Neuen Testament durchgehend zur Sprache, nämlich in der Form, dass es einen Namen Gottes gibt. Name bedeutet Anrufbarkeit, die Fähigkeit zu reden, zu hören, zu antworten. Das ist für den biblischen Gott wesentlich, schreibt Papst Benedikt XVI., und wenn man dies wegnimmt, hat man den Glauben der Bibel verlassen. Gleichzeitig ist aber Gott auch mehr als Person und er ist ganz sicher nicht Person in der gleichen Weise, wie Menschen Person sind oder sich eine Person vorstellen. Wenn Gott mehr ist als eine Person, so ist er auch nicht weniger als eine Person. Gott ist keine Sache, ist nicht verfügbar, manipulierbar, ist nicht unpersönlich, nicht unter-personal, wie Hans Küng es ausdrückt. Besser jedoch als personal oder apersonal wird man ihn falls einem an einem Wort gelegen ist transpersonal, überpersönlich nennen. Die wahre Einheit von Wahrheit, Güte und Schönheit ist das gestaltgewordene shalom des Reiches Gottes. Das letzte Ziel heißt Einheit, man könnte auch sagen: Trinitarisierung der gesamten Wirklichkeit, wie Gisbert Greshake es formuliert. Wenn Gott der ist, in dem wir leben, uns bewegen und sind, dann wird damit alles in ein neues Licht getaucht. Was Gott als trinitarischer Gott ist, sollen auch wir widerspiegeln und dabei entdecken, dass unser geistliches Leben ganz neue Impuls bekommt. (gekürzter und bearbeiteter Auszug aus dem Buch: Die 3 Farben Deiner Spiritualität von Christian A. Schwarz, Glashütten 2009, C & P Verlagsgesellschaft mbh, ISBN 978-3-86770-160-0)