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Transkript:

Predigt im Gottesdienst am Sonntag Okuli in der Fastenzeit 21. Februar 2016 reformierte Kirche Birmensdorf Die Verfluchung des Feigenbaums Lesung: Psalm 25 "Meine Augen schauen auf Gott" Von David. Zu dir, HERR, erhebe ich meine Seele, mein Gott. Auf dich vertraue ich, ich will nicht zuschanden werden, lass meine Feinde nicht über mich frohlocken. Denn die auf dich hoffen, werden nicht zuschanden, zuschanden werden, die ohne Treue sind. Zeige mir, HERR, deine Wege, lehre mich deine Pfade. Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich, denn du bist der Gott meiner Hilfe, und auf dich hoffe ich den ganzen Tag. Denke, HERR, an deine Barmherzigkeit und deine Gnaden, die seit Ewigkeit sind. Denke nicht an die Sünden meiner Jugend noch an meine Verfehlungen, nach deiner Gnade denke an mich um deiner Güte willen, HERR. Gut und gerecht ist der HERR, darum weist er den Sündern den Weg. Er lässt die Demütigen gehen im Recht, er lehrt die Demütigen seinen Weg. Alle Pfade des HERRN sind Gnade und Treue denen, die seinen Bund und seine Gesetze halten. Um deines Namens willen, HERR, vergib mir meine Schuld, denn sie ist gross. Wer ist es, der den HERRN fürchtet? Ihm weist er den Weg, den er wählen soll. Der wird im Glück wohnen, und seine Nachkommen werden das Land besitzen. Am Rat des HERRN haben teil, die ihn fürchten, und er offenbart ihnen seinen Bund. Stets blicken meine Augen auf den HERRN, denn er allein kann meine Füße aus dem Netz befreien. Wende dich zu mir und sei mir gnädig, denn ich bin einsam und elend. Ängste bestürmen mein Herz, führe mich hinaus aus meiner Bedrängnis. Sieh an mein Elend und meine Mühsal, und vergib mir alle meine Sünden. 1

Sieh, wie zahlreich meine Feinde sind, wie sie mich hassen mit tödlichem Hass. Bewahre mein Leben und rette mich, ich will nicht zuschanden werden, denn bei dir suche ich Zuflucht. Unschuld und Redlichkeit mögen mich behüten, denn ich hoffe auf dich. Gott, erlöse Israel aus allen seinen Nöten. Evangelium: Mk 11,11-14 "Die Verfluchung des Feigenbaums" Und Jesus kam nach Jerusalem in den Tempel. Er schaute sich ringsum alles an und ging, da es schon spät war, mit den Zwölfen nach Betanien hinaus. Und als sie am nächsten Tag von Betanien aufbrachen, hungerte ihn. Und er sah von weitem einen Feigenbaum, der Blätter hatte, und er ging hin, um zu sehen, ob er vielleicht etwas an ihm fände. Und als er zu ihm hinkam, fand er nichts als Blätter, denn es war nicht die Zeit für Feigen. Und er sagt zu ihm: In Ewigkeit soll niemand mehr eine Frucht von dir essen. Und seine Jünger hörten es. Predigt Liebe Gemeinde als Theologiestudent habe ich mich oft über schwierige Bibelstellen geärgert. Warum so umständlich? Warum kann man das nicht einfacher sagen oder besser erklären? Aber die Sprache der Bibel ist nun mal keine Alltagssprache, sondern eine mythische Sprache. Und Mythos ist nichts anderes als die Offenbarung des Göttlichen in und durch die Sprache. Der Mythos zeugt von einer anderen Wirklichkeit des Daseins, nämlich von der göttlichen Wirklichkeit. In dieser Wirklichkeit Gottes gelten andere Maßstäbe als in unserer Lebenswirklichkeit. Das ist der Grund, warum uns vieles in der Bibel und in Heiligen Schriften anderer Religionen so seltsam erscheint. Seltsam ist auch die Geschichte, die der Evangelist Markus uns heute erzählt. Jesus hat plötzlich Hunger und sucht an einem Feigenbaum Früchte, obwohl dafür die falsche Jahreszeit ist. Als 2

er nichts findet, sagt er: In Ewigkeit soll niemand mehr eine Frucht von dir essen? - Was soll das? Warum redet Jesus da plötzlich mit einem Baum? Überhaupt: Was kann der Baum dafür, wenn er zum jetzigen Zeitpunkt keine Früchte trägt? Die Folgen für den Baum sind jedenfalls dramatisch. Wenn wir weiterlesen, heisst es: Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorübergingen, sahen sie, dass er verdorrt war bis auf die Wurzel. (Mk 11,20) Armer Baum! - möchte man sagen. Er scheint Opfer von Jesu schlechter Laune geworden zu sein! Theologinnen und Theologen haben sich mit der Interpretation dieser schwierigen Bibelstelle schon immer schwergetan. Wirft man einen Blick in wissenschaftliche Bibelkommentare, so findet man dort nur hilflose Erklärungsversuche. Immerhin ist man sich einig, dass die Verfluchung des Feigenbaums unmöglich auf eine schlechte Laune Jesu zurückgeführt werden kann. Sie muss einen tieferen Sinn haben. Aber der tiefere Sinn kann doch nicht im Ernst sein, dass der Feigenbaum dann z.b. mit dem Volk Israel identifiziert wird, das keine Früchte bringt und Jesus nicht als Messias anerkennt. Das ist ein jämmerlicher Antisemitismus, der schlicht haltlos und dumm ist. Die bisher einzig einleuchtende Auslegung dieser Bibelstelle finde ich beim jüdischen Schriftsteller und Kenner der jüdischen Mythologie Friedrich Weinreb. Wohlgemerkt bei einem Juden! Das ist aber nicht weiter verwunderlich, denn im Neuen Testament wimmelt es nur so von altjüdischer Mythologie. Ohne deren Kenntnis, lässt sich das Ganze nur sehr schwer verstehen. Wunderbar und für uns überaus vorbildlich ist aber, wie Friedrich Weinreb die Grenzen der eigenen Religion überwindet und Gott auch im anderen, im Neuen Testament sucht! Nach Weinreb hat der Feigenbaum in der altjüdischen Mythologie eine ganz besondere Bedeutung. Er wird mit einem mythischen Baum in Verbindung gebracht, den sie alle aus der 3

Schöpfungsgeschichte der Bibel kennen: der Baum des Wissens von gut und böse. Als der Mensch, verführt von der Schlange, von der Frucht dieses Baumes kostet, kommt es zur Katastrophe, nämlich zur Vertreibung aus dem Paradies. Entwicklung und damit Unfrieden, Streit, Leiden, Sterben und Tod nehmen damit ihren Anfang. Der Schöpfungsmythos erzählt also vom Grund des Daseins in einer Welt des Werdens und Vergehens. Einer zeitlichen Welt die bestimmt ist von einem ständigen Unfrieden und einem ständigen Kampf um das Dasein. Der mythologische Grund davon ist die Verführung des Menschen durch die Gestalt der Schlange, die ihm sagt, er werde wie Gott sein, wenn er nur von dieser Frucht des Baumes des Wissens von gut und böse koste. Im mythischen Ursprung der Welt bricht der Mensch also die Beziehung zu Gott in Hinblick auf ein eigenmächtiges Dasein ab. Er will auf Gott nicht mehr angewiesen sein. Er will ohne Gott aus sich selber bestehen. Und an die Stelle der Beziehung, der Liebe und des Vertrauens tritt nun das Unterscheiden, Differenzieren, Aufspalten, Berechnen und Beherrschen des Daseins. Der Mensch erklärt sich als sein eigener Ursprung und sein eigenes Ziel. Er sieht sich als alleiniger Herrscher und Meister des Lebens. Wie sie aber wissen, steht da im Paradies noch ein anderer mythischer Baum: der Baum des Lebens. Der Baum des Lebens ist Ausdruck der Ewigkeit. Gott und Menschen leben hier noch in Beziehung miteinander. Vertrauen, Treue, Liebe kennzeichnen diesen mythischen Lebensbaum. Was der Baum des Wissens auseinander reißt, nämlich Mensch von Gott und Mensch von Mensch, Zeit von Ewigkeit, Gesundheit von Krankheit, Heil von Unheil - all das ist im Zeichen des Baumes des Lebens noch vereint. Wenn Jesus in der Geschichte nun Hunger hat, dann sehnt er sich im Prinzip nach dieser Frucht vom Baum des Lebens, die immer da ist, ewig da ist. Jesus will die Frucht des Ewigen Lebens. Aber was er findet, ist nur dieser Baum des Wissens, 4

der Feigenbaum, die nackte Zeitlichkeit, die nicht imstande ist, zu bringen, wonach er sucht. Das Dasein in dieser Weltzeit verspricht dem Menschen viel. Alle Reiche der Welt werden dir sein, wenn du dich vor mir niederwirfst! (Mk 1,8f) - sagt der Satan bei der Versuchung Jesu in der Wüste. Es ist eigentlich das gleiche Geschehen wie im Paradies, wo die Schlange den Menschen verführt und im verspricht, wie Gott zu werden. - Nur dreht sich die Sache jetzt plötzlich um. Jesus verkörpert den Menschen, der den Weg zu Gott zurückgeht. Denn er weiss, dass das Versprechen der Schlange im Prinzip leer ist. Letztlich bringt sie ja nur den Tod und nicht das Leben. Deshalb sagt Jesus jetzt zum Feigenbaum, zum Baum des Wissens von gut und böse: In Ewigkeit soll niemand mehr eine Frucht von dir essen. Oder mit anderen Worten: In Ewigkeit soll das Böse keine Macht mehr über den Menschen haben. Jesus, der Messias, der Mensch im Bild und Gleichnis Gottes überwindet also, was im Ursprung sozusagen schiefgelaufen ist. Das Nehmen von der Frucht vom Baum des Wissens im Paradies war ja der Weg weg vom Ursprung, weg von Gott. Christus geht nun aber den umgekehrten Weg, den Weg zurück zum Ursprung, zurück zu Gott. Der Mensch findet also niemals die Frucht, das Glück, das Heil, wenn er sich selbst zu Gott macht und sich mit Gewalt als alleiniger Herrscher des Lebens aufspielt. Die Leute erwarten das jedoch von Jesus und rufen ihm "Hosianna!" zu, als er an Palmsonntag in Jerusalem einzieht. Aber Jesus weiss, dass sie nur schreien, weil sie einen Vorteil von ihm erwarten: "Du bist der Messias, du wirst die Völker, die Könige schlagen und dann der große Herrscher der Welt sein!" - das wollen sie von ihm. Dafür steht auch der Feigenbaum, der Baum des Wissens von gut und böse, das Prinzip der Selbstvergöttlichung und der gewaltsamen Unterwerfung und Beherrschung des Lebens. Das aber ist nicht der Weg Jesu. Und darum verflucht er jetzt diesen Weg, den der Feigenbaum verkörpert. Und siehe da: Der 5

Baum verdorrt bis in die Wurzel. Das Böse hat im Prinzip keine Macht mehr über ihn. Der Weg zurück zu Gott, der Weg des Messias, der Weg zum Baum des Lebens ist also nicht die Selbstvergötterung und die Herrschaft über die Welt, sondern der Weg der Liebe. Und Liebe bedeutet in erster Linie die Annahme der eigenen Endlichkeit und Begrenztheit um eines anderen willen. Sei dies ein anderer Mensch oder Gott. Die Gewalt, das ständige Differenzieren, Analysieren, Erobern und Beherrschen sind der Liebe fremd. Liebe lässt vielmehr Raum für ein anderes Dasein, wo Leben überhaupt erst entstehen kann. Liebe Gemeinde, Fasten bedeutet im Prinzip umkehren. Gemeint ist die Umkehr, die Jesus vollzieht. Das bedeutet nicht, dass wir keine Süße Feigen mehr essen sollen. Ich persönlich mag Feigen. - Fasten, Umkehr bedeutet vielmehr die innerliche Abkehr vom Prinzip der Selbstvergötterung und von der gewaltsamen Eroberung des Lebens, dargestellt in diesem Feigenbaum, dem Baum des Wissens von gut und böse. Noch mehr Fleiß und Leistung, noch mehr Wissenschaft und Technik, noch mehr Macht über das Leben - all das wird uns letztlich nicht bringen, wonach wir suchen. Dieser Weg bringt letztlich keine Frucht. Was in Ewigkeit wirklich Frucht bringt, was unsere Seelen wirklich trösten kann - das ist der Weg Jesu, der Weg der Liebe, der Beziehung, des Vertrauens. Der Weg zurück zu Gott, zum Baum des Lebens im Paradies. Liebe Gemeinde, ich erlaube mir, ihnen zum Schluss eine Frage zu stellen, in der Hoffnung, dass sie für sich selbst eine Antwort suchen. Eine Frage, die auf den Punkt bringt, worum es in dieser Fastenzeit eigentlich geht. Die Frage: Wie sieht der Weg von Jesus Christus aus, der zurück zu Gott führt, und wie kann ich diesen Weg selber gehen? - Möge Gott uns die Weisheit schenken, den Weg Christi zu finden und die Kraft, ihn zu gehen. Amen. Aesch, 18. Februar 2016 Marc Stillhard 6