Operationsübungen in der Klinik für Wiederkäuer und Schweine (Innere Medizin und Chirurgie) der Justus Liebig Universität Gießen im Wintersemester 2003/04 Dienstags 14.00 Uhr c.t. Veranstaltungsort Klauen Op., Innenhof der KWS Sicherheitshinweise Teilnahme an den Übungen ist nur in Schutzkleidung (Kittel, Schürze, Stiefel) möglich Bei Arbeiten mit dem Winkelschleifer sind Schutzbrille und Schutzhandschuhe zu tragen Für Arbeiten mit Klauenmessern stehen Kevlar - Handschuhe als Schnittschutz zur Verfügung
Ein Chirurg ohne anatomische Kenntnisse ist wie ein Maulwurf er arbeitet im Dunkeln und er hinterlässt einen Grabhügel Voraussetzung zur Teilnahme an diesen praktischen Übungen: Kenntnis der topografischen und funktionellen Anatomie des Rinderfußes Theoretische Kenntnisse des Übungsstoffes Prinzipien der funktionellen Klauenpflege Anästhesie der Klaue Resektion des Endstücks der tiefen Beugesehne Klauenamputation Klauenverbände
Anatomie der Rinderzehe
Anatomische Kenntnisse eines interessierten Landwirtes Grundkenntnisse der Klauenanatomie und -funktion Fesselgelenk Strecksehne Kron- und Klauengelenk Beugesehne Fesselbein Wandlederhautlamellen Dorsale Klauenwand Bursa podotrochlearis Ballenpolster Kronbein Klauen Sesambein Weiße Linie Klauenbein Sohlenhorn Sohlenlederhaut
Vom einem Tierarzt zu erwartende anatomische Kenntnisse über Sehnen und Sehnenscheiden, Schleimbeutel, Gelenkkapseln und Bänder an der Zehe des Rindes
Klauenpflege
Warum Klauenpflege?
Warum Klauenpflege? Fehlende Abnutzung - Anbindehaltung - Tieflaufstall - Weide mit weichem Boden Pathologisches Wachstum - Planbefestigter Laufstall - Laufstall mit Spaltenboden - Deformation durch Klauenrehe
Unterlassene Klauenpflege bei fehlendem Abrieb Wandhorn wächst 3-5 mm pro Monat Ohne Klauenpflege bilden sich Stallklauen mit überlanger dorsaler Wand und mit spitzem Winkel zwischen Sohlenfläche und dorsaler Klauenwand 3 cm zu lange Klauen = 6 bis 10 Monate unterlassene Klauenpflege!
Folgen von Stallklauen mit langem Wandhorn Die Hinterbeine werden unter den Körper geschoben An den Vorderbeinen kommt es zur Hyperextension der Fessel Die kaudale Sohlenfläche und der weiche Ballen werden vermehrt belastet Folge sind Überlastungen der tiefen Beugesehne, Lederhautquetschungen und Rusterholz`sche Sohlengeschwüre
Stallklauen im Laufstall ohne Einstreu Bewegung auf feuchtem, rauen Untergrund verursacht plan geschliffene Sohlenflächen Laufen auf hartem Boden führt bei ungleicher Klauenhöhe zur Hypertrophie der stärker belasteten Klaue (hinten Außenklaue, vorn Innenklaue) Betroffene Tiere zeigen eine Kuhhessige Gliedmaßenstellung mit nach außen gedrehten Klauenspitzen
Stallklauen im Laufstall ohne Einstreu Überbelastung des axialen Sohlenbereiches der höheren Klaue führt dort zu Lederhautquetschungen mit nachfolgenden Sohlengeschwüren
Funktionelle Klauenpflege
Ziele der funktionellen Klauenpflege Entlastung des Ballens durch Kürzen des dorsalen Wandhornes Gleichmäßige Lastverteilung durch identische Höhe von Innen und Außenklauen Auftrittsfläche senkrecht zur Zehenachse Entlastung des kaudalen axialen Sohlendrittels durch Hohlkehlung Entlastung von vorgeschädigten Klauenbereichen durch Höhenreduktion
Kürzen des dorsalen Wandhornes, Einstellen der Sohlendicke 1. Kürzen des dorsalen Wandhornes auf eine Länge von 75 mm (kleine Kühe 73 mm, große Kühe 78 mm) durch senkrechten Schnitt mit der Klauenzange 75 mm 75 mm 82 mm 1. 2. 3. 5 mm 50 2. Abtrag des Sohlenhornes mit Messer oder Winkelschleifer bis am Übergang vom dorsalen Wandhorn zur Sohle eine 5 mm hohe Kante (= Sohlendicke) bleibt (3.)
Herstellung einer gleichmäßigen Lastverteilung auf Innen- und Außenklauen Auftrittsfläche der Klauen soll in einem Winkel von 90 zur Zehenachse stehen Grundsatz: Trachten der kleineren Klauen (hinten außen; vorn innen) schonen! Klauenhöhe durch peilen (von kaudal her) über den Ballen und durch untelegen der Klauenmesslehre prüfen Keine Angleichung um jeden Preis versuchen 70 : 30 50 : 50 50 : 50 30 : 70 Lastverteilung bei ungleicher Klauenhöhe
Ausrichtung der Sohlenflächen in einem Winkel von 90 zur Zehenachse Bei parallel stehendem axialem und dorsalem Wandhorn müssen die Sohlenflächen von Innen- und Außenklaue auf gleicher Höhe liegen und parallel verlaufen CAVE: Dachform
Hohlkehlung des kaudalen axialen Sohlendrittels Beim Laufen auf hartem, ständig feuchtem Boden (z.b. Betonboden im Laufstall) bildet sich eine plangeschliffene Sohlenfläche Bei ungleicher Klauenhöhe wächst dadurch die Gefahr für Lederhautquetschungen im kaudalen axialen Sohlendrittel der höheren Klaue Vorstufen von Sohlengeschwüren werden beim Klauenschnitt nur erkannt und wirksam entlastet, wenn in diesem Bereich eine Hohlkehlung der Sohle angelegt wird
Schutz des kaudalen axialen Sohlenbereiches vor Quetschungen durch den Processus flexorius des Klauenbeines (Nur!) Im kaudalen Drittel der axialen Sohlenfläche darf die Sohle so dünn geschnitten werden, daß sie auf Daumendruck nachgibt Dadurch kann die Sohle Stößen des Proc. flexorius des Klauenbeines elastisch ausweichen
Freilegung und Entlastung einer Lederhautquetschung durch Hohlkehlung Beim Ausdünnen des kaudalen axialen Sohlendrittels der größeren Klaue wird ein Hämatom freigelegt Höhenreduktion der Trachten an betroffener Klaue reduziert die Druckbelastung der vorgeschädigten Lederhaut
Nachbearbeitung der Ballenregion: Begradigung von Mazerationen und Spalten in der Ballenregion Risse, Taschen und Spalten am Übergang vom harten zum weichen Ballen und am Übergang vom weichen Ballen zur Haut werden mit dem Messer begradigt oder zu flachen Mulden umgeformt Korrekturschnitt bei Dermatitis digitalis
Kürzen der Afterklauen Zu lang gewachsene Afterklauen können durch Schnitt mit einer Klauenzange gefahrlos so weit gekürzt werden, bis Ihre Länge etwa dem maximalen Durchmesser der Afterklauenbasis entspricht
Praktische Durchführung der Klauenpflege Klauenpflege am Kipptisch Säuberung der Klauen Reduzierung der Sohlendicke mit dem Winkelschleifer auf 82 mm Länge des dorsalen Wandhornes Einstellen des Winkels zwischen Sohle und dorsaler Wand auf etwa 50 Plane und parallele Ausrichtung der Sohlenflächen jedes Fußes Sohlendicke überwachen! Anlegen der Hohlkehlung, Korrektur des Ballenhornes Sicherheitsvorschriften für Winkelschleifer beachten! 82 mm 48
Praktische Durchführung der Klauenpflege Klauenpflege am angehobenen Fuß Säuberung der Klauen Kürzen des dorsalen Wandhornes auf eine Länge von 75 mm (kleine Kühe 73 mm, große Kühe 78 mm) durch senkrechten Schnitt mit der Klauenzange Reduzierung der Sohlendicke durch schiebenden Schnitt mit dem Klauenmesser Anlegen der Hohlkehlung Korrektur des Ballenhornes
Klauenpflege So gut wie möglich 80% des angestrebten Klauenzustandes sind besser als 110% - denn 20% zu wenig Hornabtrag sind nicht so schlimm wie 10% zu viel
Handwerkliche Fehler bei der Funktionellen Klauenpflege
Fehlerhafte Klauenpflege verursacht Lahmheit Aufgekrümmter Rücken...und Abmagerung, Leistungsrückgang, Dekubitus... Klammer Gang Eingefallene Flanken
Handwerkliche Fehler bei der Klauenpflege 1. Zu starker Hornabtrag an der Klauenspitze 2. Ungleichmäßiger Hornabtrag 3. Zu starkes Brechen des Tragrandes 4. Bewahrung ungleicher Klauenhöhe 5. Fehlende Hohlkehlung 6. Fehlende Feinbearbeitung der Ballenregion 7. Herstellen einer ausgeglichenen Lastverteilung um jeden Preis
Zu starker Hornabtrag an der Klauenspitze Blutungen der Klauenspitze Zu dünne Sohle Sohlenhorn wird beim Laufen weiter abgeschliffen und eröffnet, kleine Verletzungen der Klauenspitze werden zu einer halbmondförmigen Durchtrennung der weißen Linie erweitert (Ausrede: Überhitzung durch Winkelschleifer) Folge ist eine Klauenbeinnekrose mit fraglicher Prognose
Ungleichmäßiger Hornabtrag Einseitiges Verkanten des Winkelschleifers nach axial erhöht die Gefahr für Verletzungen im Bereich der axialen weißen Linie
Abschrägung der Sohlen nach axial Zu starkes Abtragen des axialen Tragrandes verursacht Spreizklauen und verhindert sicheres Fußen Jede einzelne Klaue sollte auf einer ebenen Fläche bei senkrecht zum Boden ausgerichteter Zehenachse mit dem gesamten Tragrand fußen
Ungleichmäßige Lastverteilung auf Innen- und Außenklauen nach dem Klauenschnitt Von kaudal betrachtet fällt die ungleiche Höhe auf Nach Anlegen einer Hohlkehlung tritt im axialen Sohlenbereich der höheren Klaue die Vorstufe eines Sohlengeschwüres zu Tage
Fehlerquelle Pathologisches Hornwachstum
Besondere klinische Relevanz: Fehlerquelle: Klauenrehe Chronisch rezidivierende Klauenrehe Mißbildung der Hornkapsel Konkave dorsale Wand Divergierende Reheringe Niedrige Trachten Risse in der weißen Linie Sohlengeschwüre
Klauenschnitt bei Reheklauen Bei Reheklauen sollte das dorsale Wandhorn etwas länger belassen werden als bei Normalklauen Die Schnittkante an der Klauenspitze kann doppelt so hoch sein wie bei Normalklauen 75 mm 75 mm Verletzungsgefahr 10 mm
Vermeidung von zu starkem Hornabtrag an der Sohlenfläche Wiederholte Prüfung der Sohlendicke mittels Klauenuntersuchungszange Kein weiterer Hornabtrag wenn die Sohle an der Klauenspitze auf Zangendruck deutlich nachgibt Wenn die Sohle auf Daumendruck nachgibt, ist sie bereits zu dünn - Ausnahme: Hohlkehlung unter Proc. flexorius des Klauenbeines
Klauenoperationen
Anästhesie für Klauenoperationen Retrograde intravenöse Stauungsanästhesie Stauschlauch direkt distal des Sprunggelenks Intravenöse Applikation von 25 ml Procain 2% in die Vena digitalis dorsalis communis oder eine andere Vene (Butterfly Kanüle mit Silikonschlauch) Wirkungseintritt innerhalb einer Minute Kombinierbar mit Stauungsantibiose (6 Millionen i.e. Penizillin G i.v.)
Resektion des Endstücks der tiefen Beugesehne Indikation: Kompliziertes Sohlengeschwür mit Sehnennekrose bei intaktem Sesambein und intaktem Klauengelenk Gute Prognose bei Erkrankung der Außenklaue Intakter Innenzehe und Intakter gemeinsamer Beugesehne
Durchführung der Beugesehnenresektion Sagittaler Schnitt entlang der Beugesehne beginnend distal der Afterklaue verlängert bis in das Sohlengeschwür Spreizen der Wunde Durchtrennung der tiefen Beugesehne in gesundem Gewebe Vorsichtiges Freipäparieren der Beugesehne von gesund nach krank (CAVE: Klauengelenk) Absetzen der Beugesehne am Processus flexorius des Klauenbeines Wundnaht der Haut Hochstellen der gesunden Klaue Verspannen der operierten Klaue zur Vermeidung einer Kippklaue Klauenverband
Klauenamputation Indikation: Klauengelenkentzündung Verletzungsbedingte Luxation des Klauengelenkes Gute Prognose bei Erkrankung der Außenklaue Intakter Innenzehe und Intakter gemeinsamer Beugesehne
Durchführung der Klauenamputation Amputation durch Schnitt mit Lies`scher Drahtsäge unmittelbar distal des Kronsaumes Entfernung von Knochenresten des Klauenbeines (Proc. extensorius, Sesambeinreste) Umschneiden des Kronbeines bis zum Krongelenk Herauslösen des Kronbeines (Durchtrennung der Krongelenk Bänder mit dem Lorbeerblattmesser)
Durchführung der Klauenamputation Entfernung des Gelenkknorpels am Fesselbein mit Kürette Säuberung des Amputationssumpfes Begradigung des Beugesehnenstumpfes (distal des Fessel Ringbandes!) Drucktamponade des Amputationsstumpfes Hochstellen der gesunden Klaue durch Klauenschuh Anlegen eines hohen Klauenverbandes (Druckverband) Parenterale Anitibiose für 5 Tage 3 Tage p.op. Ersatz der Drucktamponade durch lockere Tamponade
Durchführung der Klauenamputation Verbandwechsel in 5-6 -tägigem Abstand bis Wundhöhle ausgranuliert ist Lahmheitsfreier Gang nach 2 Wochen Heilungsdauer 4-6 Wochen 3 Wochen nach Klauenamputation 6 Monate nach Klauenamputation
Selbststudium zum Thema Klauenpflege und Lahmheitsbehandlung bei Rindern
Lehrbücher zum Thema Klauenpflege und Klauenerkrankungen Lischer C., H. Geyer, P. Ossent, K. Friedli & I. Näf: Handbuch zur Pflege und Behandlung der Klauen beim Rind. Landwirtschaftliche Lehrmittelzentrale, Länggasse 79, CH-3052 Zollikofen (1998). Toussaint - Raven E.: Klauenpflege beim Rind. Landwirtschaftskammer Hannover. 1998). Klauenpflege und Klauenerkrankungen beim Rind. AID Informationsschrift 1407/1999 (1999). Fiedler A., Nüske S., Maierl J: Funktionelle Klauenpflege beim Rind. BLV Verlagsgesellschaft, München, Wien, Zürich (2000). Lehrbuch zum Thema Klauenoperationen Dirksen G.: Operative Eingriffe an Klauen und Beugesehnen. In: G. Rosenberger (Ed.): Krankheiten des Rindes. Parey, Berlin, Hamburg: 595-607 (2002). Unterrichtsmaterial auf der Homepage der KWS im Internet zum Download als.pdf Datei: http://www.uni-giessen.de/kws/index.htm
Klauenchirurgie ist das Arbeitsgebiet von Tierärzten