101. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. 43. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie

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Transkript:

Abstracts Zusammenfassung der geladenen und freien Vorträge, sowie Posterbeiträge 101. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin gemeinsam mit der 43. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin Messe- und Congress-Centrum Bremen 29. September bis 2. Oktober 2005

F003 Donnerstag, 29.09.2005 15:00 18:00 Oslo Spastik-Management (Kurs) Vorsitz: Spranger M (Bremen) F003.01V F003.02V F003.03V Pathophysiologie (ohne Abstract) Heinen F (München) Spastik Management Symptomatische Therapie Meya F (Bremen) Intrathekale Baclofen-Behandlung Luetjen S (Vogtareuth) 2

F003.02V Spastik Management Symptomatische Therapie F MEYA Rehabilitations Zentrum Friedehorst, Bremen 1. Nicht medikamentöse Therapieoptionen zur generalisierten Senkung des Muskeltonus: 1.1. Schmerz und Spastizität bilden einen Circulus vitiosus mit positiver Rückkoppelung. Bei plötzlich angestiegener Spastizität muss nach Schmerzen als mögliche Ursache gefahndet werden. Eine suffiziente Schmerztherapie ist Grundlage der Spastizitätsbehandlung. Häufige internpädiatrische Schmerzursachen bei tetraspastischen Kindern sind Gastroösophagealer Reflux, Obstipation und Harnwegsinfekt. 1.2. Die Lagerung der Patienten im Bett erfolgt möglichst in Seitlage und damit mit Hemmung des Symetrisch Tonischen Nackenreflexes (STNR). Denn der STNR führt in Rückenlage mit angehobenem Kopfteil zur Verstärkung von Streckspastik in den Beinen. Das Taschenmesserphänomen kann durch Lagerung der Extremitäten in Beugung bei Streckspastik bzw. Lagerung in Streckung bei Beugespastik zur Lösung der Spastizität ausgenutzt werden. 1.3. Stehen mit Gewichtsbelastung der Beine und aufrechtes Sitzen mit 90 Beugung in Knie und Hüften hemmen die Spastizität 2. Therapieoptionen mit fokaler Wirksamkeit auf einzelne Muskeln 2.1. Botulinum Toxin A (Btx A) wird intramuskulär injiziert und führt durch eine reversible Blockade der neuromuskulären Endplatten zu einer Parese der injizierten Muskeln. So können spastische Muskeln gezielt in ihrer Muskelkraft geschwächt werden. Als Medikament ist Btx A sehr wirksam, streng spezifisch und nebenwirkungsarm. Es kann nur fokal an wenigen (1 4) Muskeln eingesetzt werden. Spastizität ist ein generalisiertes Symptom, sodass mit Btx A nur selektiv ein Teil der spastischen Muskeln behandelt werden kann. Deshalb erfordert die Btx A Therapie klare Zieldefinitionen, genaue funktionelle Analysen der Bewegungsmuster, rationale Behandlungspläne und anatomisch exakte Muskelinjektionen. Am Beispiel des Spitzfußes wird die Btx A Injektion im Detail dargestellt. 2.2. Mit redressierenden Gipsverbänden werden biomechanische Veränderungen der spastischen Muskulatur behandelt. Durch konstanten Zug werden die anatomischen Strukturen gedehnt und adaptive Wachstumsvorgänge induziert. Durch eine geänderte Propriozeption im Gipsverband lässt auch die aktive Spastizität nach. Redressierende Gipsverbände werden mit minimaler Polsterung unter Zug eng anmodeliert und in wöchentlichen Abständen gewechselt. Druckulcera als Komplikationen sind bei handwerklich guter Gipstechnik sehr selten. Am Beispiel der Spitzfußes werden Polsterung und Anlagetechnik demonstriert. 2.3. Die Kombination von Btx A Injektion und redressierender Gipsbehandlung ist eine sehr effektive Methode zur Spitzfußredression: Selbst bei vollständig kontrakten Spitzfüßen ohne Restbeweglichkeit gelingt eine erfolgreiche Redression in 65%, wenn die Spastizität weniger als 1 Jahr lang besteht. 3. Behandlungsstrategien in der Frührehabilitationsbehandlung nach erworbener Hirnläsion 3

Die Vertikalisation zum Stand ist erstes zentrales Teilziel in Frührehabilitationsbehandlungen, weil im gehaltenen Stehen Vigilanzverbesserungen und generalisierte Verminderungen der Muskelspastizität eintreten. Um ein schmerzfreies Stehen zu ermöglichen, ist häufig zunächst eine Spitzfußtherapie notwendig und ist dann unbedingten vorrangig vor Kontrakturbehandlungen an den Armen. Die Entwicklung eines Spitzfußes verläuft in der Postakut Phase nach schwerer zerebraler Schädigung (GCS<8) häufig so schnell, dass nach wenigen Wochen bereits kontrakte Spitzfußstellungen bestehen. Während dynamische Spitzfüße durch eine Btx A Injektion in die dorsale Wadenmuskulatur gut zu behandeln sind, machen kontrakte Spitzfüße mehrwöchige Redressionstherapien (Injektionen und Gipse) oder Operation notwendig. Daraus ergibt sich die Forderung nach frühzeitigen Btx A Injektionsbehandlungen der sich entwickelnden Spitzfüße, solange es sich noch um dynamische Kontrakturen handelt. Dies ist häufig schon auf den Intensivstationen der Akutkrankenhäuser noch vor Verlegung der Patienten in die Rehabilitationskliniken indiziert. 4

F003.03V Intrathekale Baclofen-Behandlung S LUETJEN Klinik für Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, Vogtareuth Die intrathecale Baclofentherapie (ITB) hat sich in den letzten 20 Jahren zunehmend als eine Behandlungsmöglichkeit bei schwerer Spastik und Dystonie etabliert. Baclofen ist ein GABA B-Agonist, der nach derzeitiger Auffassung vorwiegend spinal die präsynaptische Hemmung verstärkt und so den Muskeltonus senkt. Baclofen überwindet die Blut- Hirn-Schranke nur eingeschränkt, daher sind intrathecal 100- bis 1000-fach geringere Dosierungen erforderlich als oral (übliche Dosierung oral 2 mg/kg, intrathecal 100 1000 µg/die). Während im Erwachsenenalter die Hauptindikation im Bereich der spinalen Spastik liegt, werden im Kindesalter überwiegend zentrale Spastiken und/oder Dystonien behandelt, die mit Standardtherapien nicht beherrschbar sind. Typische Indikationen sind Spastik nach Hypoxie, nach Schädel-Hirn-Trauma, bei ICP sowie bei neurodegenerativen Erkrankungen. Im Rahmen der Frührehabilitation, aber auch bei Cerebralparese, kann ein phasenspezifischer Einsatz sinnvoll sein. Baclofen senkt den Muskeltonus generalisiert, so dass Rumpf- und Kopfkontrolle herabgesetzt werden. Bei der Dosisfindung sind deshalb Kombinationsbehandlungen mit lokal wirksamen Methoden zu berücksichtigen, wie z.b. Botulinumtoxin, Seriengips und auch orthopädische Eingriffe. Anhand von Fallbeispielen sowie einer Übersicht von 80 eigenen, seit 1986 behandelten, jungen Patienten werden die Behandlungsphasen (Planungsphase, Testphase, Implantationsphase, Dosisanpassung und Langzeitbetreuung) erläutert. Die Behandlungsziele sollten gemeinsam mit den Angehörigen und Therapeuten unter Berücksichtigung der ICF-Kriterien definiert werden. Wichtig ist es, Patienten, Angehörige und Pflegepersonen ausführlich über das Therapieverfahren mit seinen Nebenwirkungen und Komplikationen aufzuklären. Nebenwirkungen bestehen im wesentlichen aus Müdigkeit, Bradykardie, Obstipation und einer evtl. Anfallsprovokation. Komplikationen entstehen überwiegend im Bereich des Kathetersystems. Die Angehörigen sollten insbesondere die Anzeichen des Entzugs kennen, da dieser lebensbedrohlich sein kann. Das Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM hat daher für die Anwendung von ITB folgende Punkte vorgeschrieben: Die intrathecale Verabreichung von Baclofen darf nur von Ärzten vorgenommen werden, die über spezielle Erfahrungen verfügen; die Test-, Implantations- und Dosisanpassungsphasen dürfen nur unter stationären Bedingungen durchgeführt werden. Das Behandlungszentrum muss über die Möglichkeit der kontinuierlichen Überwachung, intensivmedizinische Ausstattung und fachlich qualifizierte Ärzte verfügen. 5