Der Schwerwasserreaktor in Arak wird so umgebaut, dass dort kein waffenfähiges Plutonium hergestellt werden kann.

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Transkript:

1 Rede des Botschafters Dr. Hans-Dieter Lucas bei der Diskussionsveranstaltung NATO Talks around the Brandenburger Tor d. Dt. Atlantischen Gesellschaft e. V. am 24.09.2015 in Berlin Stoppschild für die Bombe? Die Zukunft nuklearer Nicht-Verbreitung nach dem Iran-Deal Wer heute über die Hauptgefahren für Sicherheit und Frieden spricht, nennt üblicherweise Terrorismus, Fundamentalismus, Cyber, Klimawandel, failing states. Die Bedrohung durch Nuklearwaffen und andere Massenvernichtungs-waffen oder ihre Proliferation wird oft nicht mehr an erster Stelle genannt. Es wäre jedoch ein großer Fehler, die Gefahren einer nuklearen Welt zu unterschätzen oder sich gar mit ihr abzufinden auch wenn seit dem Kalten Krieg mit den INF-Vertrag und dem New Start Vertrag substanzielle Abrüstungsfortschritte erzielt wurden. Unverändert haben die bestehenden Nuklearwaffenarsenale das Potenzial, ganze Bevölkerungen zu vernichten. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Gefahren, die von Nuklearwaffen in den Händen terroristischer Gruppierungen ausgehen könnten. Und je weniger die nukleare Abrüstung vorankommt, umso mehr können aufstrebende Länder versucht sein, ihrerseits den Status einer Nuklearmacht zu erringen mit der Folge einer immer instabileren, nuklearen Staatenwelt. Einer Welt, die mit der hochgefährlichen, aber auch rationaleren nuklearen Welt des Kalten Krieges nur wenig gemein hat. Eine solche Entwicklung zu verhindern, war ein Kernanliegen der sich über 12 Jahre erstreckenden Verhandlungen zwischen den E3+3 und dem Iran. Ein nuklear bewaffneter, mit einem beträchtlichen Raketenarsenal ausgestatteter Iran hätte nicht nur die Sicherheit der Region, die Sicherheit Israels und Europas bedroht; er hätte wahrscheinlich zu einem regionalen nuklearen Wettrüstungen geführt - mit unabsehbaren Folgen für regionale und globale Stabilität. Kurz- bis mittelfristig ging es um noch mehr: wäre uns eine Einigung nicht gelungen, wäre es vermutlich sehr bald zu einer gefährlichen Zuspitzung gekommen: Scheitern der diplomatischen Einigungsbemühungen, Wiederanlaufen der hochprozentigen Urananreicherung seitens des Iran, Verschärfung der US- und EU-Sanktionen - dann erneut rasch wachsender Druck, militärische Mittel einzusetzen, um das iranische Nuklearproblem zu lösen - all dies in einem hochgefährlichen und instabilen regionalem Umfeld. Es ging also um sehr viel; und nicht ohne Grund haben Minister, Diplomaten und Nuklearexperten nur in wenige Verhandlungen der jüngeren Diplomatiegeschichte so viele Stunden, Tage und Monate investiert wie in diese Verhandlungen. Man muss weit in die Geschichte zurückgehen vermutlich bis zur Versailler Friedenskonferenz, um einen US- Außenminister zu finden, der wie John Kerry rund drei Wochen ohne Unterbrechung an einem Verhandlungsort blieb. Auch das deutsche Verhandlungsteam verbrachte 23 Tage in Wien. Dieser enorme Einsatz hat sich gelohnt. Die Wiener Vereinbarung vom 14. Juli der Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA)- stellt sicher, dass dem Iran über viele Jahre der Weg zu einer Nuklearwaffe nachprüfbar verschlossen wird:

2 In Wien hat sich der Iran dazu verpflichtet, lediglich in der Anreicherungsanlage in Natanz niedrig angereichertes Uran herzustellen. Der Bestand an niedrig angereichertem Uran darf dabei 300 kg nicht überschreiten. Die tief verbunkerte Anlage in Fordow wird umfassend überwacht; Anreicherung findet dort nicht mehr statt. Der Iran wird rund zwei Drittel seiner rund 20.000 Zentrifugen abbauen und unter IAEO Kontrolle stellen. Rund 8 Tonnen des schon angereicherten Urans wird er entweder neutralisieren oder exportieren. Der Schwerwasserreaktor in Arak wird so umgebaut, dass dort kein waffenfähiges Plutonium hergestellt werden kann. Der Iran hat sich zu umfangreichen, präzendenzlosen Transpranzmaßnahmen verpflichtet. Alles, was vereinbart wurde, wird auch durch die IAEO kontrolliert und verifiziert. Die erweiterten Transparenzbestimmungen gelten teilweise bis zu 25 Jahren. Im Gegenzug zu diesen weitreichenden nuklearen Beschränkungen und Transparenzmaßnahmen stimmten die E 3+3 der Aufhebung der Sanktionen der Vereinten Nationen und eines großen Teils der bilateralen Sanktionen der USA und der EU zu. Die Aufhebung der Sanktionen war das zentrale Interesse der iranischen Seite in diesen Verhandlungen und ohne das bargaining chip Sanktionen hätten wir dieses weitreichende Abkommen nicht erzielen können. Insofern bieten die Iran-Verhandlungen eines der wenigen Beispiele für erfolgreiche Sanktionspolitik. Ich will hier nicht auf die Einzelheiten dieser sehr komplizierten und komplexen Vereinbarung eingehen. In der Diplomatiegeschichte dürfte sie eine besondere Stellung einnehmen nicht zuletzt angesichts der Verschränkung von extrem technischen Fragen mit hochpolitischen Aspekten. Umso bemerkenswerter ist dass es schließlich gelungen ist, sich auf den Aktionsplan sowie die sehr komplizierten Annexe und den Text einer Resolution des UNO-Sicherheitsrats zu einigen. Letztlich wird sich der Wert des Abkommens, auch für die nukleare Rüstungskontrolle daran messen, ob es umgesetzt wird. Mit der Annahme der die Vereinbarung indossierenden Resolution des VN-Sicherheitsrates im Juli wurde ein erster wichtiger Schritt getan. Dass der amerikanische Kongress das Abkommen trotz des massiven Widerstands v. a. der Republikaner nicht abgehlehnt und sich die Obama-Administration mit ganzer Kraft für den deal eingesetzt hat, war ein weiteres, enorm wichtiges Signal Im Oktober wird der JCPOA in Kraft treten. Dann ist es am Iran, in den kommenden Monaten seine Verpflichtungen zu erfüllen, so dass Anfang 2016 nach entsprechender Verifizierung durch die IAEO die Sanktionen schrittweise aufgehoben werden. Es geht dabei, wie gesagt, nicht um einen unbegründeten Vertrauensvorschuss an den Iran; Vertrauen wird erst im Zuge erfolgreicher Implementierung wachsen können. Zunächst geht es um umfassende Kontrolle und Verifikation. Immerhin ist es ermutigend, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem Genfer Aktionsplan vom November 2013 einer wichtigen Vereinbarung auf dem Weg nach Wien vollständig eingehalten hat. Dem Iran ist sehr bewusst, dass Verletzungen des JCPOA zu einem Zurückschnappen einem snap back der Sanktionen führen werden. Das Abkommen sieht hierfür einen eigenen Mechanismus vor,

3 der nicht dem Veto-Recht der ständigen Sicherheitsratsmitglieder unterliegt. Das war nicht nur eine wichtige Konzession des Iran, sondern auch seitens Russlands und Chinas. Ich bin überzeugt: Wenn die Wiener Vereinbarung umgesetzt wird, wird sie über das iranische Nuklearprogramm hinauswirken. Die Vereinbarung stärkt das Regime des Nicht- Verbreitungsvertrags und auch die Stellung der IAEO. Dass der Iran sich mit der Vereinbarung auf viele Jahre der Option begeben hat, eine Atom Bombe bauen zu können, vermindert den Anreiz für die anderen Regionalmächte, eine eigene nukleare Option zu entwickeln. Insofern war es ein wichtiges Signal, dass Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten ihre anfänglichen Bedenken gegen das Abkommen öffentlich zurückgestellt haben. Die Verhandlungsgeschichte zeigt schließlich auch, dass die internationale Gemeinschaft bereit ist, neue Nuklearmächte notfalls auch mit weitreichenden Sanktionen zu verhindern. Das präzedenzlose Sanktionsregime gegen den Iran dürfte nicht so rasch vergessen werden. Das Wiener Abkommen ist also ein starkes Signal gegen die Proliferation von Nuklearwaffen, ein Signal, dass sich das Streben nach dem Besitz von Nuklearwaffen nicht lohnt. Dennoch: das Problem der nuklearen Abrüstung und Nicht-Verbreitung ist mit dem Iran-Deal keineswegs gelöst. Es gibt keinen Grund, in dieser Frage die Hände in den Schoß zu legen. Das hat der enttäuschende Verlauf der jüngsten NVV-Überprüfungskonferenz in New York in diesem Jahr deutlich gezeigt. Der Auftrag des Nichtverbreitungs-Vertrages an die Nuklearmächte, mit der nuklearen Abrüstung voranzuschreiten und ihre Arsenale weiter abzubauen, harrt weiter der Umsetzung. Nord-Korea arbeitet an der Entwicklung einer einsatzfähigen Nuklearwaffe und an Trägersystemen, die eine große Bedrohung für die Länder der Region bedeuten würde. In Südasien stehen sich mit Indien und Pakistan zwei Nuklearmächte gegenüber. Und Russland bedient sich in jüngster Zeit mitunter einer nuklearen Rhetorik, die auch in Verbindung mit der Modernisierung seines Nukleararsenals ernste Fragen aufwirft. Es gibt also viele gute Gründe, an dem Thema nukleare Abrüstung und Non-Proliferation auch nach dem Iran-Deal engagiert weiter zu arbeiten. Der Umstand, dass Deutschland frühzeitig und für immer auf den Erwerb und Besitz von Nuklearwaffen verzichtet hat, verleiht der deutschen Stimme in den verschiedenen Foren besonderes Gewicht und Glaubwürdigkeit. Dies gilt auch für die NATO, zu der ich als NATO-Botschafter etwas mehr sagen möchte. Die NATO hat sich zu ihrer Nuklearpolitik zuletzt in der sogenannten Deterrence and Defense Posture Review (DDPR) auf dem NATO-Gipfel in Chicago 2012 grundlegend geäußert. Deutschland hat die Ausgestaltung dieses Dokuments maßgeblich mit beeinflusst. Von besonderer Bedeutung sind dabei folgende Punkte: 1. Die NATO unterstützt die zuerst von Präsident Obama in seiner Prager Rede 2009 formulierte Vision einer nuklearwaffenfreien Welt. 2013 hat Präsident Obama in seiner Rede vor dem Brandenburger Tor zudem weitere nukleare Abrüstungsschritte im Verhältnis zu RUS vorgeschlagen, und zwar noch vor der vollständigen Umsetzung des New Start Vertrages. 2. Die NATO hat in Chicago ihre Absicht bekundet, Transparenz und Vertrauensbildung gegenüber Russland auch im nuklearen Bereich weiter zu entwickeln.

4 3. Die NATO hat wesentlich auch auf deutsches Drängen hin - in Chicago erstmals einen Abrüstungsausschuss eingerichtet, der sich auch mit nuklearen Fragen befassen soll. 4. Die NATO hat aber zugleich bekräftigt, dass sie solange es Nuklearwaffen gibt eine nukleare Allianz bleiben und ein ausreichendes nukleares Abschreckungsdispositiv behalten wird und muss. Bei ehrlicher Betrachtung muss man sagen, dass wir in den vergangenen Jahren bei diesen Themen nicht vorangekommen sind. Russland begründet seine zurückhaltend-ablehnende Position zu weiteren Abrüstungsschritten insbesondere mit der konventionellen Überlegenheit der NATO und dem Missile Defense Programm der NATO. Ein Argument, das wir nicht für begründet halten. So wie dieses Programm konfiguriert ist, zielt es nicht darauf ab, die russische atomare Abschreckung zu unterminieren. Dass es derzeit im Verhältnis zu Russland beim Thema nukleare Abrüstung keine Fortschritte gibt, hat wesentlich mit der Ukraine-Krise und der Verletzung der Prinzipien europäischer Sicherheit durch Russland zu tun. Die Verletzung des Budapester Memorandums von 1994, in dem sich Russland verpflichtet hatte, die territoriale Integrität der Ukraine nach seinem Nuklearwaffenverzicht zu achten, hat das Vertrauen in negative Sicherheitsgarantien für Staaten, die auf den Besitz von Nuklearwaffen verzichten, nicht erhöht. Nach der illegalen Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ost-Ukraine stand und steht für das Bündnis die Rückversicherung unserer östlichen Verbündeten durch Stärkung der kollektiven Verteidigung im Vordergrund. Dennoch hat sich das Bündnis auch bei seinem Gipfel in Wales 2014 erneut zur Notwendigkeit von Abrüstung und Rüstungskontrolle bekannt. Es bleibt damit seinem Grundsatz treu, dass Sicherheit sich aus einem Mix von Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit einerseits, Entspannung und Dialog andererseits ergibt. Dementsprechend hat sich das Bündnis auch dazu bekannt, die politischen Kanäle zu Russland offen zu halten auch wenn nach der Krim-Annexion die praktische Zusammenarbeit mit RUS eingestellt wurde. Bewusst hat die NATO auch die Möglichkeit zu Treffen des NATO-Russland-Rates auf Botschafter-Ebene offengehalten. Es sei hier nur daran erinnert, dass in früheren Zeiten auch nukleare Fragen auf der Agenda des NATO- Russland-Rates standen. Das sollte nicht in Vergessenheit geraten. Die Bundesregierung tritt jedenfalls dafür ein, dieses Gremium auf Botschafterebene als Forum für einen kritischen Dialog gerade auch in schwierigen Zeiten zu nutzen. Alles in allem bieten die Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nicht-Verbreitung nach dem Iran deal ein gemischtes Bild. Für die Politik der Nicht-Verbreitung war Wien ein wichtiger Schritt nach vorne. Demgegenüber sind bei der Abrüstung große Durchbrüche oder Fortschritte sind in naher Zukunft unwahrscheinlich. Welche Schlüsse sollten wir daraus ziehen? Erstens sollten wir an dem Ziel festhalten, das Regime des Nichtverbreitungs-Vertrages weiter zu stärken und neue Nuklearrüstung zu verhindern.

5 Zweitens sollten wir auf weitere Zwischenschritte hinarbeiten. Dazu gehört der Einsatz Deutschlands, Japans und einer Reihe weiterer Ländern im Rahmen der Non Proliferation and Disarmement Initiative (NPDI) für weitere nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die umfassende Ratifizierung des Vertrages über das umfassende Verbot von Kernwaffentest. Experteninitiativen wie die Deutsch-russischamerikanische Deep Cut Kommission können helfen, das Gespräch über Abrüstung auch unterhalb der hohen politischen Ebene voranzubringen. Drittens: nukleare Abrüstung, zumal zwischen den USA und RUS beide zusammen halten den Großteil der Nuklearwaffen weltweit - setzt voraus, dass verlorengegangenes Vertrauen wieder hergestellt wird. Das erfordert vertrauensbildende Maßnahmen, mehr Transparenz; auch hierüber sollte auf politischer Ebene weiter gesprochen werden. Entscheidend aber wird am Ende sein, ob eine positive Veränderung des politischen Umfelds gelingt. Letztlich wird das nur gelingen, wenn wir Fortschritte machen bei der Lösung von Großkonflikten wie der Ukraine-Krise. Nur dann wird ein Klima entstehen, in dem wieder ergebnisorientiert über weitere nukleare Abrüstungsschritte gesprochen werden kann. Ich will mit einem vierten und letzten Punkt schließen: die Iran-Verhandlungen haben uns vor Augen geführt, dass durch Verhandlungen auch schwierigste Fragen gelöst werden können. Das verlangt allerdings einen langen Atem und die Bereitschaft, sich auch von weit entfernten oder gegensätzlichen Positionen aus - in mühsamen Prozessen auf die Suche nach Schnittmengen gemeinsamer Interessen zu machen. Dass wir dabei in den Verhandlungen mit dem Iran erfolgreich sein würden, war lange Zeit mehr als ungewiss. Mehr als einmal haben wir in diesen Verhandlungen Situationen erlebt, in denen ein Weitermachen kaum noch sinnvoll erschien. Ungeachtet aller Frustrationen und Widerstände haben wir an dem Verhandlungsprozess festgehalten im Bewusstsein, dass das Ende des Verhandlungsprozesses unabsehbare Folgen haben könnte und in der Hoffnung, dass eine Veränderung des politischen Umfeldes uns einem Kompromiss näher bringen würde. Beides hat sich schließlich als richtig herausgestellt. Es hat sich wieder einmal das bestätigt, was Max Weber einmal als ein wesentliches Merkmal von Politik bezeichnet hat: ein langsames, geduldiges Bohren harter Bretter, mit Leidenschaft und Augenmaß. Das wird, denke ich, auch für die künftigen Bemühungen um nukleare Abrüstung gelten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.