Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Schweiz aus Sicht des EDA

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Transkript:

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA Politische Direktion PD Abteilung Europa, Zentralasien, Europarat, OSZE Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Schweiz aus Sicht des EDA Yvonne Schleiss Dienst für grenzüberschreitende Zusammenarbeit März 2014

Übersicht 1. Warum grenzüberschreitende Zusammenarbeit? 2. Kompetenzverteilung Bund-Kantone 3. Formen der Zusammenarbeit 4. Rechtsgrundlagen 5. Gremien der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Beispiele) 6. Andere Instrumente der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit 7. Rolle des EDA bzw. des Dienstes für grenzüberschreitende Zusammenarbeit

1. Warum grenzüberschreitende Zusammenarbeit (güz)? Quelle: Junior Web Award 2013

1. Warum güz? Die Schweiz ist keine Insel, sondern ein «mediterranes» Land, d.h. «mitten im Land». Sie teilt Grenzen mit: Italien: 741 km Frankreich: 571 km Deutschland: 382 km Österreich: 167 km. Die Schweiz ist aufs engste mit ihren Nachbarn verbunden, so etwa durch:

1. Warum güz? kulturelle und sprachliche Ähnlichkeiten in den verschiedenen Regionen (gemeinsame Identität) intensive Wirtschaftsflüsse (allein der Handel der Schweiz mit Baden-Württemberg entspricht demjenigen mit den USA oder mit allen BRICS-Staaten zusammen, und der Handel mit Norditalien übersteigt denjenigen mit China) einen regen Personenfluss (für Arbeit, Kultur, Freizeit usw.) gemeinsame Herausforderungen (z.b. Verkehrsinfrastrukturen, Umweltschutz, Gesundheitsversorgung usw.).

1. Warum güz? Grenzüberschreitende Regionen verstehen sich selbst immer mehr als zusammengehörige Lebensräume. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eine Priorität der Schweizer Aussenpolitik: Aussenpolitische Strategie 2012-2015 der Schweiz: Strategischer Schwerpunkt 1: «Pflege und Ausbau unserer Beziehungen zu den Nachbarstaaten mit einem besonderen Augenmerk auf den Grenzregionen [ ].»

2. Kompetenzverteilung Bund-Kantone Art. 54 BV: Auswärtige Angelegenheiten Abs. 1: Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes. Abs. 3: Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen. Art. 55 BV: Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden Abs. 1: Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen. Abs. 2: Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein. Abs. 3: Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.

2. Kompetenzverteilung Bund-Kantone Art. 56 BV: Beziehungen der Kantone mit dem Ausland (sog. «kleine Aussenpolitik») Abs. 1: Die Kantone können in ihren Zuständigkeitsbereichen mit dem Ausland Verträge schliessen. Abs. 2: Diese Verträge dürfen dem Recht und den Interessen des Bundes sowie den Rechten anderer Kantone nicht zuwiderlaufen. Die Kantone haben den Bund vor Abschluss der Verträge zu informieren. Abs. 3: Mit untergeordneten ausländischen Behörden können die Kantone direkt verkehren; in den übrigen Fällen erfolgt der Verkehr der Kantone mit dem Ausland durch Vermittlung des Bundes. Die Organisation des ausländischen Staates beeinflusst die Rolle des Bundes.

3. Formen der Zusammenarbeit Unterschiedlichste Formen, von losen Kontakten bis zu vertraglichen Regelungen und gemeinsamen Institutionen, auf regionaler und kommunaler Ebene, zwischen öffentlichen Körperschaften und privaten Organisationen usw., z.b.: Regierungskonferenzen privatrechtlich organisierte Vereine internationale Organisationen spezifische Rechtsformen der güz (dazu sogleich).

4. Rechtsgrundlagen Rahmenübereinkommen vom 21.5.1980 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden (Madrider Übereinkommen) gilt für die CH und ihre Nachbarstaaten mit 3 Zusatzprotokollen (die nicht für alle Nachbarstaaten gelten, z.b. 1-3 nicht für Italien und 3 nicht für Österreich) Rechtsform: Verbund für euroregionale Zusammenarbeit VEZ (3. Protokoll)

4. Rechtsgrundlagen Karlsruher Übereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und örtlichen öffentlichen Stellen von 1996 CH mit D, F und Lux gilt heute für die Kantone Solothurn, Basel-Stadt, Basel- Landschaft, Aargau, Jura, Schaffhausen, Bern, Neuenburg, Waadt, Genf und Wallis. Rechtsform: grenzüberschreitender örtlicher Zweckverband göz (nach Art. 11)

4. Rechtsgrundlagen EU-Verordnung 1302/2013 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) Revision der VO 1082/2006 Neu können EVTZ auch dann nationale, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder Einrichtungen oder öffentliche Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten beitreten, wenn nur ein einziger EU-Mitgliedstaat (bis anhin 2) involviert ist. VO gilt ab dem 22. Juni 2014.

5. Gremien der güz (Beispiele) Region Genfersee: Comité régional franco-genevois (seit 1973) Grand-Genève (göz, seit 2012) Gemischte Kommission (F-CH)

5. Gremien der güz (Beispiele) Region Genfersee: Conseil du Léman (seit 1987)

5. Gremien der güz (Beispiele) Jurabogen: Conférence TransJurassienne (seit 1985)

5. Gremien der güz (Beispiele) Region Oberrhein: Oberrheinkonferenz Trinationale Regierungskonferenz (D-F-CH, seit 1975)

5. Gremien der güz (Beispiele) Nordschweiz- Süddeutschland: Hochrheinkommission (göz, seit 1997) Verein Agglomeration Schaffhausen VAS (seit 2006)

5. Gremien der güz (Beispiele) Region Bodensee: Internationale Bodenseekonferenz IBK (seit 1972)

5. Gremien der güz (Beispiele) Alpenraum: Arge Alp (seit 1972) Schweiz-Italien: Regio Insubrica (seit 1995)

5. Gremien der güz (Beispiele) Italien-Frankreich-Schweiz: Espace Mont-Blanc (seit 1990)

6. Andere Instrumente der güz: INTERREG INTERREG A: Grenzüberschreitend EU: 52 Programme CH: 4 Programme EU-Programm, das in der CH über die NRP gefördert wird

6. Andere Instrumente der güz: Programme: Frankreich-Schweiz Oberrhein Alpenrhein-Bodensee- Hochrhein Italien-Schweiz Programmperiode 2014-2020 in Erarbeitung INTERREG

6. Andere Instrumente der güz: Dialoge Dialoge mit Italien und Frankreich über die güz: zwischen den jeweiligen Aussenministerien einmal jährlich, alternierend in den jeweiligen Hauptstädten Chef der Schweizer Delegation: Botschafter für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Organisation/Koordination durch den Dienst für güz) unter Einbezug der sachlich zuständigen Fachämter und der betroffenen Kantone und Regionen.

6. Andere Instrumente der güz: gemischte Regierungskommissionen Derzeit 2 themenübergreifende Kommissionen (Regionen Genf und Oberrhein), zwischen den jeweiligen Aussenministerien Zahlreiche Spezialkommissionen zu spezifischen Themen (z.b. Kommission zum Schutz der italienisch-schweizerischen Gewässer).

7. Rolle des EDA / des Dienstes für güz «grosse» Aussenpolitik: Beobachtung der Entwicklungen in den Grenzregionen und Abschätzung von deren Auswirkungen auf die Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten Wahrung der (auch grenzüberschreitenden) Zuständigkeiten und Interessen der Kantone in der Aussenpolitik Organisation und Koordination der grenzüberschreitenden Beziehungen mit anderen Staaten (z.b. Dialoge und Kommissionen).

7. Rolle des EDA / des Dienstes für güz «kleine» Aussenpolitik: unterstützende Rolle (auf Wunsch der Kantone, z.b. als Beobachter in Gremien, durch Herstellung von Kontakten oder durch juristische Hilfestellung) Einbezug grenzüberschreitender Anliegen auf Bundesebene, auch in Zusammenarbeit mit anderen Departementen Information (z.b. über Möglichkeiten der güz). * * *

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Fragen? yvonne.schleiss@eda.admin.ch