Wie das Recht seine Institutionen erschafft
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- Arnim Wolf
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1 Zentrum für Rechtsetzungslehre Wie das Recht seine Institutionen erschafft Assertion und Präsupposition in der Gesetzessprache Kolloquium «Sprache & Recht» vom 11. April 2017 Dr. Stefan Höfler
2 Sprache und Recht Recht wird durch Sprache geschaffen, durch Sprache sichtbar und hörbar gemacht, angewendet, fortentwickelt, aufgehoben. Es gibt kein sprachloses, schweigendes Recht; wo Sprache endet, ist kein Recht mehr. Depenheuer (2014: 2 f.)
3 Stufenbau der Rechtsordnung??? Gibt es Dinge, die von der Verfassung als gegeben vorausgesetzt werden? Verfassung Volk und Kantone wird konkretisiert in Gesetz Gesetz Parlament (+ Volk) wird konkretisiert in Verordnung Verordnung Regierung Rechtsetzung wird konkretisiert in Rechtsanwendung Verfügung Verwaltung
4 Präsupposition = implizit Vorausgesetztes Es war einmal ein armer Bauer. Der Bauer wohnte am Rand eines grossen Waldes. In diesem Wald lebte die Hexe. Präsupposition! Präsuppositionsauslöser Der König von Frankreich hat eine Glatze. Es gibt einen König von Frankreich. Lu hat vergessen, dass Heidi heute Geburtstag hat. Heidi hat heute Geburtstag. Philipp hat aufgehört zu rauchen. Philipp hat geraucht.
5 Fragestellung 1. Wo kommen in der Verfassung Präsuppositionen vor? 2. Bezeichnen sie immer Gegebenes oder erfüllen sie noch andere Funktionen?
6 Präambel Im Namen Gottes des Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihrer Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung:
7 Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Schweizerische Eidgenossenschaft Das Schweizervolk und die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt und Basel- Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft. Die Schweizerische Eidgenossenschaft besteht aus...
8 Exkurs: Gemeinden Art Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. 2 Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden. 3 Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete. faktische Verfassungselemente Von den drei Ebenen des schweizerischen Bundesstaats sind nur die oberen zwei nämlich Bund und Kantone bundesverfassungsrechtlich konstituiert. [...] Es bleibt den Kantonen überlassen, ob sie ihr Gebiet überhaupt in Gemeinden aufteilen [...]. Ein Kanton könnte seine Gemeinden sogar aufheben, ohne Bundesverfassungsrecht zu verletzen. Tschannen (2011): Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, S. 246.
9 Grundrechte Art. 10 Recht auf Leben [...] 1 Jeder Mensch hat das [ein] Recht auf Leben. Das Recht auf Leben ist gewährleistet. Art. 14 Recht auf Ehe und Familie Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet. Jeder Mensch hat das Recht auf Ehe und Familie. Art. 22 Versammlungsfreiheit 1 Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben.
10 Grundrechte Art. 10 Abs. 1 zweiter Satz Die Todesstrafe ist verboten. Deutsches Grundgesetz: Art. 102 Die Todesstrafe ist abgeschafft.
11 Bundesbehörden Bundesverfassung 1848 / 1874 Art. 83 / 95 Die oberste vollziehende und leitende Behörde der Eidgenossenschaft ist ein Bundesrat, welcher aus sieben Mitgliedern besteht. Bundesverfassung 1999 Art. 174 Der Bundesrat ist die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes.
12 Bundesbehörden Verfassung der Vereinigten Staaten Art. II, Sect. 1, Cl. 1 The executive Power shall be vested in a President of the United States of America. Verfassung der Republik Irland Art There shall be a President of Ireland (Uachtarán na héireann), hereinafter called the President, who shall take precedence over all other persons in the State and who shall exercise and perform the powers and functions conferred on the President by this Constitution and by law.
13 Bundesbehörden Verfassung der Vereinigten Staaten Art. I, Sect. 3, Cl. 6 The Senate shall have the sole Power to try all Impeachments. [...] When the President of the United States is tried, the Chief Justice shall preside: [...]. Art. II, Sect. 1, Cl. 1 The executive Power shall be vested in a President of the United States of America.
14 Bundesbehörden Schweizerische Bundesverfassung Art. 82 Abs. 2 Der alpenquerende Güterverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene. Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen. [ ] Art. 174 Der Bundesrat ist die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes.
15 Bundesbehörden Bundesverfassung 1848 Art. 60 Die oberste Gewalt des Bundes wird durch die Bundesversammlung ausgeübt, welche aus zwei Abteilungen besteht: A. aus dem Nationalrat, B. aus dem Ständerat. Bundesverfassung 1999 Art Die Bundesversammlung übt unter Vorbehalt der Rechte von Volk und Ständen die oberste Gewalt im Bund aus. 2 Die Bundesversammlung besteht aus zwei Kammern, dem Nationalrat und dem Ständerat; beide Kammern sind einander gleichgestellt.
16 Warum wird eine Institution präsupponiert? 1. Gesetzessprachliche Konvention. 2. Man will erreichen, dass der Diskurs nicht sequentiell ist (Erweiterbarkeit). 3. Man will die Verfassung zeitlos formulieren. 4. Man will die Kontinuität der Institutionen zum Ausdruck bringen. 5. Es wird als selbstverständlich angesehen, dass ein Staat diese Institution hat. 6. Die Institution existiert unabhängig von der Verfassung (z.b. The Queen in der australischen Verfassung).
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