Mit Musik Glauben lernen Predigt über 1. Kor. 13, 13 zur Orgeleinweihung in Franzburg am von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit

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Transkript:

Mit Musik Glauben lernen Predigt über 1. Kor. 13, 13 zur Orgeleinweihung in Franzburg am 14.6.2009 von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Als der Pommersche Reformator Johannes Bugenhagen im Jahr 1518 in das damalige Zisterzienserkloster Neuenkamp kam, schwärmte er von der Orgel. Herzog Bogislaw X. hatte Bugenhagen beauftragt, eine Geschichte des Herzogtums Pommern zu schreiben. Für die Arbeit an der so entstehenden Pomerania hat Bugenhagen in einer aufwändigen Materialsammlung vor 490 Jahren viele Klöster und Städte des damaligen Pommern zwischen Damgarten und Danzig besucht. Über seinen Aufenthalt im September des Jahres 1518 1 hier im Kloster Neuenkamp schreibt er: Reich ist das Kloster, und wenn man seine Kirche sieht, wird man deren Ausmaße und den Schmuck der kunstvoll gefertigten Ornamentik bewundern. [ ] In dieses Kloster kam ich in dem Jahr, da ich dieses schreibe, im Namen des durchlauchtigsten Fürsten Bogislaw [X., MH], wurde gütig aufgenommen von dem in Christo zu verehrenden Pater Heinrich [Abt Heinrich Witte, MH], dem dortigen Abt, und hörte am Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes ein sehr altes Musikinstrument, das man Orgel nennt. Ich war auch sehr erstaunt, dass die Pfeifen, die trotz ihres Alters keinerlei Schaden aufwiesen, und die größeren von ihnen so fehlerlos waren, dass ein heutiger Kunsthandwerker kaum bessere gießen könnte. Unterdessen stellte ich bei mir den Vergleich mit den Orgeln unserer Zeit an, die so sehr zerbrechlich sind, wenn sie auch einen in jedem Belang volleren Klang haben. Die Bewunderung steigerte sich noch bei näherem Hinzutreten, weil eine schriftlich Angabe ganz klar erkennen ließ, dass die Orgel vor 124 Jahren gebaut worden war. Ich aber, durch die Neuheit der Sache, oder soll ich besser sagen: durch ihr Alter ergötzt, weil ich nicht genug hatte vom Zuhören, stieg nach oben und wollte selbst die Orgel spielen, wurde aber daran 1 Datierung vgl. Angaben zur Terminierung des Festes der Erhöhung des Heiligen Kreuzes unter: http://www.armenier-berlin.org/wp-content/uploads/2008/09/kreuzerhoehungsfest.pdf, sowie unter: http://de.wikipedia.org/wiki/kreuzerh%c3%b6hung, besucht am 03.06.09. 1

gehindert, weil mir die Tasten und Griffe nicht vertraut waren, deren Unterscheidungsmerkmale ich nicht kannte. 2 Vermutlich handelt es sich um jene erste Orgel in der Klosterkirche, die den Gesang der Brüder und der Gemeinde seit 1394 begleitete. Orgelmusik hat also in der Franzburger Klosterkirche eine jahrhundertelange begeisternde Tradition. Zu dieser klangvollen Geschichte gehört allerdings auch eine ebenso wechselvolle, in der die Kirche stumm war und nach einiger Zeit wieder eine andere Orgel ihren Klang zum Lob Gottes entfaltete. Zuletzt war dies ein Instrument von Matthias Nerlich, das von 1848 an die Gemeinde fast 120 Jahre begleitete, bis sie durch Holzwurmbefall im Jahr 1968 nicht mehr zu retten war und spurlos verschwand abgesehen von einzelnen Pfeifen 3. 40 Jahre - so lang wie die Wüstenwanderung des Volkes Israel dauerte es, bis 2008 am Heiligen Abend wieder eine Orgel erklang: die noch nicht fertig gestellte alte Dame aus Hamburg-Fuhlsbüttel. Der Traum von einer neuen Orgel war dank vieler Spender - Wirklichkeit geworden. Das Instrument, das Paul Rother 1906 für die Kirche der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel, genannt Santa Fu, gebaut hatte, wurde dort nicht mehr benötigt wurde und schwieg schon seit Jahren. So gelang es durch den unermüdlichen Einsatz einiger Menschen mit Visionen, die spätromantische Orgel in Franzburg aufzustellen. Sie ist nun das einzige spielbare Instrument aus der Werkstatt Paul Rothers in Mecklenburg- Vorpommern. Es ist angemessen, dass Sie diesen Anlass nutzen, um innezuhalten und sich über diese Orgel freuen. Meiner Predigt lege ich ein Bibelwort zu Grunde, das den Inhalt des christlichen Glaubens kurz zusammen fasst. Der Apostel Paulus sagt im 1. Brief an die Korinther (Kap 13, Vers 13) dieses schöne Wort: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Amen. Liebe Gemeinde, 2 Johannes Bugenhagen: Pomerania. Faksimiledruck und Übersetzung der Handschrift von 1517/18, hg. von der Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte e.v., Schwerin 2008, S. 130-133. 3 Nach Angaben von Pfr. Prüfer wurde die Nerlichorgel vermutlich aufgrund Holzwurmbefalls aus der Kirche entfernt und konnte nicht gerettet werden. Gesicherte Angaben lägen allerdings nicht vor (Gespräch am 03.06.09, MH). 2

es gibt Grundhaltungen, die machen das Leben überhaupt erst lebenswert. Es geht nicht nur darum, dass wir körperlich existieren. Ohne Glaube, Hoffnung und Liebe ist alles nichts. Wer aber glauben, hoffen und lieben kann, der hat alles, selbst wenn er nichts hat. Was ist ein Christ, was ist eine Christin? Was macht christliches Leben aus? Ich denke, man könnte gerade anknüpfend an dieses Pauluswort sagen, ein Christ ist ein Glaubender, ein Hoffender, ein Liebender. Im Gottesdienst wollen uns in ein solches Christsein einüben. Ein Orgel hilft dazu. In diesem Sinne hilft eine Orgel zur Einübung ins Christsein. Ich treffe viele Menschen, für die liegt der Glaube nicht einmal in Reichweite ihres Denkens. Er ist soweit weg, dass sie damit überhaupt nichts zu tun haben wollen. Warum, so frage ich mich, ist der Glaube kein einladendes Angebot für die Mehrheit der Menschen, mit denen wir zusammen hier in diesem Land leben? Der Glaube erscheint vielen als ein Für-wahr-halten irgendwelcher nicht durchschaubarer und abstruser Glaubenssätze. Gottesdienst, das ist für sie ein unzugängliches religiöses Ritual. Besonders Interessierte und religiös Begabte mögen das ruhig machen, das fällt ja unter Religionsfreiheit. Aber Gottesdienst als Angebot für sich selbst anzunehmen, das können sich viele nicht vorstellen. Ein Christ, das ist für sie jemand, der einen Code für ein heiliges Abrakadabra hat. Er berührt ihr Leben nicht. Das alles ist so fern, so exotisch, dass viele Menschen nicht wissen, warum sie an Gott glauben und ihr Leben mit dem von Jesus Christus verbinden sollten. Aber wenn wir dann nach dem Lebensgefühl fragen, dann ahnen viele, dass ihr Leben doch irgendwie leer ist. Ich bekam vor einiger Zeit das Theaterprogramm des Theater Vorpommern in die Hand. Im Vorwort schrieben der damalige Intendant und der Verwaltungsdirektor: Verehrtes Publikum, liebe Freunde des Theaters, die Medien sind voll von Berichten über Börsenflauten, Finanz- und Spendenskandalen, Firmenpleiten, Haushaltsdefiziten, aber auch voll von Angeboten für Höchst- und Tiefstpreise und Millionen- Gewinnspiele. Dreht sich in unserem Lande wirklich alles nur um das liebe Geld? Was ist mit Glaube, Liebe, Hoffnung? Was ist mit Lust und Neugier auf das, was die Welt im Innersten zusammenhält? Sind uns diese Werte abhanden gekommen? Hier wird im säkularen Kontext eine religiöse Frage gestellt. Künstler wissen, dass man nicht mit einer inneren Leere sein Leben führen kann, sondern dass es etwas geben muss, was das Leben füllt. Ohne Glaube, Liebe und Hoffnung ist das Leben ohne Sinn. Keiner kann sich sein Leben als ein Kaspar Hauser ohne Nähe und Zuneigung anderer Menschen einrichten. Zurückgeworfen auf uns selbst, merken wir, dass wir Begegnung und Beziehung brauchen. Wir brauchen aber nicht nur ein menschliches Gegenüber. Wir sind als Menschen auch auf die Beziehung zu Gott hin angelegt. Dem Menschen, der Gott als Gegenüber verloren hat, fehlt die innere Mitte seines Lebens. Wir sind auf Gott hin ge- 3

schaffen. Fällt diese Beziehung fort, dann fehlt uns etwas. Eine spirituelle Leere breitet sich aus. Die Orientierung fehlt. Die drei christlichen Grundhaltungen, Glaube, Hoffnung, Liebe erinnern uns daran, dass wir das für das Leben wirklich Wichtige eben nicht mit Geld kaufen können. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Was steht im einzelnen hinter diesen Grundbestimmungen des Christseins? Wie können wir mit Hilfe der Musik Glauben neu lernen? 1. Musik stärkt und tröstet. Sie hilft zum Glauben Zunächst eine Abgrenzung: Glaube ist nicht ein vages Für-möglich-halten. So wird das Wort allerdings umgangssprachlich gebraucht. Wenn ich etwas nicht weiß, wenn ich es vermute, dann sage ich: Ich glaube es. Ich schaue aus dem Fenster und sage: Ich glaube, morgen wird s regnen. Biblisch hingegen steht der Glaube für eine tragende Lebensbeziehung. Da ist Glauben ein Vertrauen. Das deutsche Wort glauben kommt von dem Stamm geloben. Sich zu Gott bekennen, sich an ihm festmachen, das ist Glaube. Denn Gott hat sich zuerst zu uns bekannt und sich darin festgelegt, wie er sich ein für alle mal und endgültig in Jesus Christus gezeigt hat, damit wir leben können. So bedeutet der Glaube nach christlichem Verständnis nichts anderes, als dass wir auch unsererseits unser Leben in Jesus Christus festmachen. Und wenn wir nachfragen, was Paulus unter Glauben versteht, dann könnten wir das für uns heute so wiedergeben: Glauben heißt nicht, dass ich etwas mit meinen eigenen Kräften durchtrage, sondern dass ich von Gott in Jesus Christus getragen werde. Glaube ist das Leben Jesu Christi in mir. Paulus sagt in Gal. 2, 20: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. In der Verbindung zu Jesus Christus bekommen wir Anschluss an die Kräfte der Ewigkeit. Da sind wir mit unserem begrenzten Leben angebunden an Gottes unendliche Weisheit, Allmacht und Kraft. Davon geht eine Bewegung aus. Im Glauben werden wir mitgerissen in die Beziehung Gottes zu dieser Welt. In einer Region, in der viele das Vertrauen zu Gott verloren haben, brauchen wir eben solchen Glauben. Der Glaube eröffnet uns nämlich auch eine andere Sicht auf die Wirklichkeit. Wir sehen nicht mehr nur das, was vor unseren Augen ist, was wir rein äußerlich erkennen können. Glaube lässt uns durchblicken auf die Welt, so wie sie Gott geschaffen und gemeint hat. Wir leben als Christen mit der Lebenshaltung, Partner Gottes zu sein. Das ist eine Lebenshaltung, die mich als ganzen Menschen betrifft. Jeden Schritt darf ich tun im Aufblick zu Gott. Jeder Tag ist von ihm begleitet. Wenn ich morgens früh aufstehe und schwierige Dinge vor mir liegen, dann darf ich wissen: Ich muss diesen Tag nicht allei- 4

ne aus meinen eigenen Kräften heraus leben, sondern da geht einer mit. Mein Leben und sein Leben sind untrennbar miteinander verbunden. Ich darf heute, wie an jedem Tag, aus den Kräften der Ewigkeit leben. Das ist Glaube. Die Zukunft Vorpommerns wird eine andere sein, wenn die Menschen in dieser Region sich wieder zu solchem Glauben einladen lassen. 2. Musik gibt Hoffnung Hoffen und harren hält viele zum Narren, sagt der Volksmund. Hoffnung ist unter Verdacht geraten. Zu viele Ideologien und Weltanschauungen versprachen und versprechen viel, Versprechen, die erst am Sankt-Nimmerleinstag eingelöst werden sollen. Hoffnung, das klingt nach Vertröstung. Darum ist auch die Hoffnung unter uns weitgehend erstorben. Die Menschen, und wir eingeschlossen, lassen sich nicht mehr hinhalten für eine dermaleinst bessere Welt. Und so geben sie die Hoffnung auf, und suchen das kleine private Glück. Sie ziehen sich zurück in ihre überschaubare Welt und verlieren damit die ganze von Gott geschaffene Welt mit ihren vielfältigen Perspektiven aus den Augen. Es gibt ganz praktische Wege und Strategien, wie solches In-sich-zurückziehen stattfindet. Der Liedermacher Hermann van Veen hat davon gesungen: Jeden Abend denke ich beim Spazierengehen, warum ist draußen kein Mensch zu sehn? Doch die Nachbarn interessiert kein Abendstern. Alle sehen, wie ein Blick durch Fenster zeigt, nur fern. [.] Und wenn die ganze Erde bebt, das Fernsehvolk bleibt ungerührt, weil der, der nur am Bildschirm klebt, die Wirklichkeit nicht mehr spürt. Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir uns abends in unsere in flackerndes Licht getauchten Wohnzimmer hineinversenken und stundenlang Fernsehen konsumieren, dann räumen wir Gott, der uns zur Hoffnung berufen hat, nicht genügend Raum ein, uns in seine Geschichte mit ihren weiten Perspektiven hinein zunehmen. Hoffnung hat nichts mit Vertröstung zu tun. Hoffnung hat etwas zu tun mit einem Vertrauen auf Hilfe und Veränderung von außen. 5

Wenn in einer Familie der Sohn mal wieder eine 5 in Mathe nach hause bringt und der Vater zu ihm sagt: ich hoffe, du setzt dich jetzt auf deinen Hosenboden!, dann drückt seine Hoffnung einen Appell an die Einsicht des Sohnes aus. Wenn aber der Sohn darauf antwortet: ich hoffe das auch, dann hat er etwas missverstanden. Hoffnung ist immer etwas außerhalb meiner Möglichkeiten. Wenn wir hoffen, dann richten wir unseren Blick von uns und unseren begrenzten Möglichkeiten weg auf Gott. So ist die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit in dieser Welt nicht frommer Wunschtraum oder ein Vertrösten auf das Jenseits. Im Vertrauen darauf, dass Gott am Ende der Zeiten Rechenschaft auch und gerade von denen fordert, die jetzt die Macht haben, wird die Hoffnung zu einer inneren Kraft, die antreibt, schon jetzt und hier für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. Aber diese Hoffnung kann keiner aus sich selbst heraus produzieren. Hoffnung muss wachsen. Hoffnung muss sich entzünden. Hoffnung wächst aus dem Vertrauen auf Gott, dem Glauben. Darum beginnt Paulus diese Trias mit dem Glauben und kommt dann zur Hoffnung. Hoffnung entzündet sich an der Person Jesu Christi, weil er Interesse an uns hat. Er begleitet uns und er kommt wieder. Und damit hat diese Welt eine Ausrichtung auf ein Ziel. Es ist eben nicht egal, was mit mir und meiner kleinen Welt passiert, sondern ich bin miteinbezogen in Gottes großen Plan. Ich produziere diese Hoffnung nicht, sondern Christus, der Lebendige, kommt in mein Leben und nimmt mich mit in diese Bewegung der Hoffung hinein, die mir Schwung gibt, den ich selbst nicht produzieren kann. Das ist der Weg der Christen auch zum Aufbau dieses unseres Landes, nicht abzuwandern, sondern hier den Ort zu suchen, an den Gott uns gestellt hat. Indem wir diese Hoffnung leben und verkündigen, können wir Wegbereiter für Gottes Güte werden. 3. Musik schafft Gemeinschaft und eröffnet so der Liebe Raum In der Musik kommen Menschen zusammen. Man kann zwar auch für sich allein Musik machen, aber erlebt wird Musik doch erst dort, wo sich mehrere Musikanten zusammen tun oder der Hörgenuss gemeinsam erlebt wird. In der Musik wird anschaulich, wie aus mehreren unterschiedlichen Stimmen und Klangfarben Harmonien entstehen und Stimmen einander ergänzen und tragen. Das gilt für den Chor ebenso wie für den Gemeindegesang. Und auch die Orgel kommt dort zu ihrer Bestimmung, wo sie das Gotteslob der Gemeinde begleitet, stützt und befeuert. So schafft Musik Raum für Gemeinschaft und Miteinander, für die Liebe als einendes Band von Gemeinde. Sie bietet die Grundlage dafür, dass mit der gemeinsam gemachten Musik auch Gemeinschaft entsteht, die zum Interesse füreinander führt, zu Liebe und Zuneigung, 6

ja Hingabe. Dabei hat Gemeinschaft von Menschen immer den Charakter, dass sie über sich hinaus weist auf den, der Gemeinschaft schenkt: Gott. Und so ist denn Gemeinschaft immer auch mehr als die Summe ihrer Teile, weil hier Platz ist für Zuwendung, für Hingabe, eben für Liebe. Wo das geschieht, kommt Musik zu ihrem Ziel und zu ihrer Bestimmung. Liebe besteht nicht für sich allein, sondern sie regt sich und wird tätig. Aber wie werden wir fähig zur Liebe? Eine Ausrichtung an Jesus Christus als unserem Vorbild befähigt uns noch nicht zur Liebe. Jesus Christus ist dann eine beeindruckende Persönlichkeit. Aber das macht mich ja eher klein, weil ich merke: Zu dieser Liebe, die von Jesus Christus ausgegangen ist, auch als er den Weg durch die Niederungen, durch Leid und Tod gegangen ist, bin ich doch aus meinen Kräften heraus überhaupt nicht fähig. Na gut, diejenigen die mich wiederlieben, die vermag ich vielleicht auch noch zu lieben. Aber gerade die anderen so zu lieben, wie sie Christus geliebt hat, diejenigen, die es mir schwer machen, die ich nicht abkann, die mir unsympathisch sind, wo soll ich denn dafür die Kraft hernehmen? Nein, Christus als Vorbild, das macht mich ganz klein und schwach. Aber Christus lebt. Er ist eine lebendige Person und im Glauben kommt er in unser Leben hinein. Im Zusammenhang von 1Kor. 13 heißt es: Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Und weil das Leben Christi nicht nur ein vorbildliches Leben für uns ist, sondern weil er dieses Leben in uns lebt, werden wir zu Taten der Liebe fähig, die wir aus unseren Kräften heraus nie tun können. Liebe Gemeinde, ohne Glaube, Hoffnung und Liebe ist alles nichts. Wer aber glaubt, hofft und liebt, der hat alles, selbst wenn er nichts hat. Dieses alles kann man gewinnen, wenn man still wird und z. B. beim Spiel der Orgel über sein Leben nachdenkt. Jetzt klingt sie wieder, wie zu Bugenhagens Zeiten und ruft die Gemeinde zu Glaube, Hoffnung und Liebe. Amen. 7