Rolle und Potenziale von Prosumern in der neuen Energiewelt Erkenntnisse aus den Projekten Prosumer-Haushalte und PV-Nutzen Berliner Energietage 2016: Rolle von Prosumern in der neuen Energiewelt Berlin, 13. April 2016 Prof. Dr. Bernd Hirschl IÖW Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin und BTU Cottbus-Senftenberg
Kurzvorstellung: Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung - IÖW Seit über 30 Jahren Forschung und Politikberatung für nachhaltiges Wirtschaften Zwei Standorte: Berlin (Hauptsitz), Heidelberg / über 40 Mitarbeiter/innen aus Wirtschafts- und Sozial-, Ingenieur- und Naturwissenschaften Themenschwerpunkte: Klima und Energie, Nachhaltige Unternehmensführung, Umweltpolitik und Governance, Produkte und Konsum, Wasser- und Landmanagement, Innovation und Technologien, Evaluation und Bewertung Langjährige Erfahrungen in der Analyse, Entwicklung und Bewertung von Innovationen und Märkten sowie politischen Instrumenten und Klimaschutzstrategien Unabhängig, 100% durch Drittmittel finanziert; überwiegend öffentliche Auftraggeber, aber auch NGOs, Gewerkschaften, Stiftungen, Unternehmen www.ioew.de Hier relevante Projekte Prosumer-Haushalte, 2013-2016 zusammen mit FCN/RWTH Aachen und GWS, gefördert vom BMBF (SÖF: Transformation des E-Systems) www.prosumer-haushalte.de PV-Nutzen, gefördert vom BMWi, 2012-2015, zusammen mit ISEA und IFHT RWTH Aachen http://www.pv-nutzen.rwth-aachen.de/ 2
Inhalt 1. Definition 2. Potenziale 3. Systemwirkung 4. Ökonomische Effekte 5. Rahmen & Hemmnisse 6. Fazit & Empfehlungen 3
1. Zur Definition Der Energie-Prosumer: eine Annäherung Producer Consumer Prosumer Energie wird im Haushalt produziert Energie wird im Haushalt verbraucht PV-Anlage Haushaltsgeräte BHKW Wärme Kleinwindkraft Power-To-Heat Wärme Elektroauto Intelligenter Verbrauch = Anbieter von smarten Dienstleistungen - Lastverschiebung 4 - Regelenergie -
2. Potenziale Unabhängigkeit als starkes Motiv Eigenverbrauch spielt als Motiv für die Anschaffung einer PV- Anlage zunehmend eine sehr wichtige Rolle Bei einer Befragung gaben über 90 % der PV- Anlagenbesitzer, die ihre Anlage 2013 installierten, eine hohe Wichtigkeit des Eigenverbrauchs an 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Wichtigkeit des Eigenverbrauchs 2010 2011 2012 2013 Installationsjahr der PV-Anlage (6) überhaupt nicht wichtig (5) (4) (3) (2) (1) sehr wichtig Frage: Wie wichtig ist es Ihnen, möglichst viel des selbst erzeugten Stroms aus Ihrer PV-Anlage auch selbst zu verbrauchen, anstatt ihn für die Allgemeinheit gegen Vergütung ins Netz einzuspeisen (das nennt man Eigenverbrauch)? Befragt wurden 532 PV-Anlagenbesitzer im Mai 2014 5
2. Potenziale Vielfältige weitere Motive Allg. ökologische Gründe Eigenverbrauch Geldanlage/Investition Allg. wirtschaftliche Gründe Geld sparen/kosten senken Eigenen Strom produzieren Autarkie/Unabhängigkeit steigende Strompreise Stromverbrauch senken Rendite EE und Energiewende unterstützen Gute Lage des Daches Altersvorsorge/Rente Förderung/sichere Investition Einspeisevergütung Geld verdienen Ökostrom erzeugen Gegen Atomkraft Dachsanierung/Neubau Zukunftstechnologie/Zukunftsdenken 0% 5% 10% 15% 20% 25% 6 Eigene Befragung von 532 PV-Anlagenbesitzern, Mai 2014, Offene Abfrage der Beweggründe zur PV-Anlageninstallation
Power-To-Heat 2. Potenziale vielfältige Optionen für E-Prosumer Eigenverbrauch Strombezug aus dem Netz Stromeinspeisung KWK+BAT KWK PV-OW+KWK PV-S+KWK PV-OW+EHZ PV-S+EHZ PV-OW+WP PV-S+WP PV-OW+BAT PV-S+BAT PV-OW PV-S -10.000-8.000-6.000-4.000-2.000 0 2.000 4.000 6.000 Strommenge (Verbrauch neg, Einspeisung pos) [kwh] Legende: PV: Photovoltaik, S: Süd-Ausrichtung, OW: Ost-West-Ausrichtung, BAT: Batterie, WP: Wärmepumpe, EHZ: Elektroheizstab, KWK: Mikro-Kraft-Wärme- Kopplungsanlage 7
2. Potenziale Eigenverbrauchsanteile und Autarkiegrade 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 26% Eigenverbrauchsanteil Autarkiegrad 21% 74% 56% Zentrale Parameter für den Prosumer- Haushalt: Durchschn. 4-P-HH mit ca. 4.500 kwh jährlichem Stromverbrauch, PV-Anlage: 4 kwp, Batterie: 4 kwh, Wärmepumpe: 5,8 kw, Heizstab: 4 kw, KWK: 2,5 kw therm Direktverbrauch = selbstverbrauchter eigenerzeugter Strom Eigenverbrauchsanteil = Direktverbrauch / gesamte Eigenerzeugung Autarkiegrad = Direktverbrauch / Gesamtverbrauch 8
3. Systemwirkungen Auswirkungen auf die Lastkurve (PV & BAT) PV-Süd vs. PV-Ost/West (Jahresmittelwerte) PV vs. PV mit Batterie (Jahresmittelwerte) Ertrag ist bei Ost-West Ausrichtung geringer mit geringerem Leistungsgradienten Der Einsatz einer Batterie kann die Leistungsspitzen sowohl im Verbrauch als in der Einspeisung reduzieren 9 Simulationsergebnisse mit IÖW-Modell EPROM
Netzaustauch [kw] 3. Systemwirkungen: Betriebsstrategie zum systemdienlichen Eigenverbrauch mit Batterie 10 Betriebsstrategie durch sog. Persistenzprognose (ohne externe Kommunikation) PV-Erzeugung kann dadurch nahezu ohne Verluste auf 60 % der Leistung gekappt werden bei 50% ca. 5% Verluste, bei max. Eigenverbrauch und 50% Kappung ca. 10% Verluste Positiver Nebeneffekt: Persistenzprognose erhöht die Lebensdauer von Li-Io-BAT Zeit [Stunden] PV ohne Batterie Max Eigenverbrauch Perfekte Prognose Persistenzprognose Quelle: Projekt PV-Nutzen, ISEA 2015
3. Systemwirkungen Auswirkungen auf die Lastkurve (PV & PtH) PV vs. PV mit Heizstab PV vs. PV mit Wärmepumpe Der Heizstab verringert die Leistungsspitze deutlich und hat damit eine netzdienliche Wirkung Die Wärmepumpe verringert die Leistungsspitze in der Einspeisung, der Gradient ist jedoch unverändert 11 Simulationsergebnisse mit IÖW-Modell EPROM
4. Ökonomische Effekte Wirtschaftlichkeit PV-Speichersysteme 12
4. Ökonomische Effekte Regional- und volkswirtschaftliche Ebene Dezentrale Energiesysteme und Energie-Dienstleistungen durch und mit Prosumern sorgen für Wertschöpfung und Beschäftigung vor Ort (die Wertschöpfungsanteile der Hardware-Produktion nehmen kontinuierlich ab) Prosumer stellen in steigendem Maße privates Kapital für die Energiewende bereit (aktuell z.b. ca. 15% Speicheranteil bei allen PV-Neuinstallationen, stärkste Wachstumsraten) dezentrale Speicher und KWK können bei entsprechender Betriebsweise den Netzausbau mindern und SDL bereitstellen (mindert Systemkosten) 13
Mio. Euro 4. Ökonomische Effekte volkswirtschaftlich: keine Entsolidarisierung 1.500 1.250 1.000 750 500 250 0-250 -500-750 -1.000-1.250-1.500 Entgangene Einnahmen und vermiedene Kosten durch EEG-Vergütung durch kleine PV-Anlagen Positiv: Vermiedene Kosten 2015 2018 2020 Negativ: Entgangene Einnahmen (Umlagen, Entgelte, Steuern) Entgangene Umlagen+Entgelte (BAT Neuanlagen) Saldo (BAT Neuanlagen) Vermiedene Vergütungszahlungen (BAT Neu+Altanlagen) Vermiedene Vergütungszahlungen (BAT Neuanlagen) Entgangene Umlagen+Entgelte (BAT Neu+Altanlagen) Saldo (BAT Neu+Altanlagen) 14 Gesamtwirtschaftlich kein Entsolidarisierungseffekt durch Prosumer- Haushalte mit PV-Anlagen Jährliche entgangene Einnahmen durch ausgenommene Industrieunternehmen aktuell ca. 5,5 Mrd., ähnlich für Kraftwerkseigenverbrauch
5. Rahmen und Hemmnisse für Eigenverbrauch und lokalen Verbrauch 15 Nur Kleinanlagen mit einer Erzeugung bis 10 MWh pro Jahr sind ausgenommen von der EEG-Umlage Andere EE-Anlagen sowie hocheffiziente KWK müssen anteilige EEG-Umlage auf Eigenverbrauch zahlen obgleich das EEG-Konto entlastet und ein Klimaschutzbeitrag geleistet wird Alle eigenverbrauchenden Anlagen müssen viertelstündig Erzeugungs- und Verbrauchswerte durch geeichte Messeinrichtungen an den Netzbetreiber übermitteln Die geplante Verpflichtung zur Direktvermarktung für größere Anlagen stellt ein Hemmnis für sinnvollen Eigenverbrauch in größeren Objekten und Gewerbe dar Auch andere (fehlende) Regelungen verhindern lokalen, systemdienlichen Verbrauch durch z.b. Mieterstrommodelle
5. Rahmen und Hemmnisse für Speicher Gute Förderung für Homespeicher einerseits, schlechte Rahmenbedingungen für Speicher als Systembaustein andererseits Speicher sind energierechtlich noch Erzeuger und Letztverbraucher und damit doppelt (mit Umlagen) belastet Regeln für den Regelenergiemarkt (Präqualifizierung) sind noch immer primär auf Kraftwerke zugeschnitten 16
6. Fazit und Empfehlungen 17 Es gibt vielfältige und starke Motive für private Energieerzeugung die Bürger wollen Motor der (dezentralen) Energiewende bleiben Privates Prosuming kann systemdienlich erfolgen der private Erzeuger hat eine hohe Bereitschaft dazu und keine nennenswerten Einbußen Privates Prosuming ist zunehmend wirtschaftlich (Batterieeinsatz, PtH) und weist auch regional- und volkswirtschaftlich positive Effekte auf Urbanes Prosuming, insbesondere durch Solarnutzung, sollte uneingeschränkt gefördert werden, da die städt. Netze noch große Mengen Solarstrom aufnehmen können Wichtiger Nebeneffekt: privates Prosuming kann auch die Resilienz der Energieversorgung erhöhen Der gegenwärtige Rahmen steht der Nutzung dieses systemdienlichen Potenzials eher entgegen
6. Fazit und Empfehlungen Empfehlung: das Ausbaupotenzial und die Investitionsbereitschaft privater Investoren (systemdienlich) nutzen! Stabile Rahmenbedingungen schaffen Vergütungsprinzip: Wirtschaftlichkeit unter Einbeziehung von Umlagen/Netzentgelten Komplexität der Rahmenbedingungen gering halten Herstellergarantie für Batterien, z.b. durch Kopplung an Förderprogramm wie KfW fördernde Rahmenbedingungen für nahräumliche EE-Stromnutzung, z.b. Mieterstrommodelle im MFH oder Quartieren Maximale Dimensionierung der PV-Anlage fördern Systemdienliche Integration in das Energiesystem Zuverlässige Kappung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung in überlasteten Netzen 18
Vielen Dank. Prof. Dr. Bernd Hirschl IÖW Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin und BTU Cottbus-Senftenberg 13. April 2016
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