FUR GESCHICHTE. AFCHrV DER PHILOSOPHIE



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AFCHrV FUR GESCHICHTE I DER PHILOSOPHIE Begrundet 1888 von Ludwig Stein, fortgefuhrt von Paul Wilpert, Hans Wagner und Karl-Heinz Ilting In Verbindung mit Edwin M. Curley, Chicago und unter standiger Mitwirkung von Claudio Cesa, Pisa, Rudolf Haller, Graz, Klaus Hartmann, Tubingen, Jaakko Hintikka, Florida, Terry Irwin, Ithaca, Charles H. Kahn, Philadelphia, Richard Kraut, Chicago, Ludwig Landgrebe, Koln, G. E. L. Owen t, Cambridge, Josef Schmucker, Regensburg, Richard Sorabji, London, Jurgen Sprute, Gottingen, Wolfgang Stegmuller, Miinchen, Jules Vuillernin, Paris, Wolfgang Wieland, Heidelberg, Margaret D. Wilson, Princeton, Richard Wollheim, London, Albert Zimmermann, Koln herausgegeben von RAINER SPECHT 71. BAND 1989 HEFT 1 SONDERDRUCK Im Buchhandel einzeln nicht kauflich WALTER DE GRUYTER BERLIN NEW YORK

Rezensionen 115 so on. The scare quotes employed round the word 'picture' indicate that the word must not be taken too literally. Mental pictures... are of course not always as clear and distinct as photographs. (1) So the qualifications on the use of the term 'picture' have nothing to do with issues of undetermination of content, but merely with the comparative fuzziness of mental pictures when contrasted with photographs. As an account of the mental content that functions in intentional states, this is highly problematic. One wonders, for example, just how one's "picture" of tomorrow's unwanted rain differs from onc's "picture" of tomorrow's expected rain. Later in the book the authors mention two problems which elery theory of intentionality must be able to solve: (1) reference to non-existent objects. and (2) reference to an object in more than one way (i.e., by way of differing contents). A r11ir.d problem - one which presents a difficulty for the sort of Content Theory that the authors defend - is not mentioned. This is the problem of how one can have mental reference to different objects by way of the same content. If, indeed. as thc authors claim. the content of a mental state determines its refercncc. then there appears to be some difficulty in accounting for the fact that the same content can pick out different objects. The authors apparently omit this possibility because the! accept Husserl's claim that the same content must pick out the same object. Da~ld Li'oodruff Smith offers as a counterexample the perceptions at different times of an) one of several phenomenologically identical tennis balls. On the standard account of the content of these perceptual acts, the content of each act nil1 be identical although the object can be different. Smith argues, as a conscquencr:. for the necessity of recognizing an intrinsic demonstrative dimension in perception. The whole issue is, however, overlooked by the authors. This omission is particularl) puzzling in light of the fact that the authors mention that their view is greatly indebted to the work of David Smith, among others. A brief historical introduction to phenomenology that would be accessible to philosophers in the analytic tradition and would clarify the important similarities in the issues that concern both traditions would be most valuable. While this volume provides some helpful steps in the direction, one would have hoped for more. Chicago, Ill. Suzanne Cunningham Allan Janik: Essuys on Wittgenstein and Weininger. Amsterdam: Rodopi 1985. (= Studien zur ijsterreichischen Philosophie; Bd. 9.) 161 S. Allan Janik ist ein glinzender Essayist. Vielen Lesern ist er durch das zusammen mit Stephen Toulmin verfarte Buch Wittgensteins Wien schon bekannt, in welchem die beiden Autoren fiir eine engagierte kulturkritische Philosophie eintraten. Eine engagierte Kulturphilosophie ist auch in den Essays iiber Wittgenstein und Weininger icin Anliegen. Nichts liige Allan Janik ferner als eine antiquarisch distanzierte Gsistesgeschichte.

116 Rczcnsioncn Uer vorliegendc Band bcstcht aus acht Essays: von cincr Abhandlung ubcr Schopenhaucr und Wittgenstcin aus der Mitte dcr sech7iger Jahrc bis zu cinem Beitrag zu Ll'lttgenstein, Marx und der Soziologic aus dem Jahre 1983. In dem einleitenden Essay die Entstchungsgeschichtedcs Buchcs Wittgensteins Wicn anschaulich dargestellt. Zu seiner ungeheuren uberraschung hat dcr junge Doktorand Allan Janik rasch herausgefunden, dab sein philosophischer Betreuer. Professor Stephcn Toulmin, nicht nur scincr durchaus unkonventionellen Wittgenstein-Interpretation zustimnite, sondern thn auch von Anfang an als einen Kollegcn und Kooperationspartncr bchandcltc. Stephen Toulmin war durch seincn naturwissenschaftlichen Hintergrund in ciner bessercn Lagc als dic anderen Schuler Wittgenstcins, dic grundlegenden Motive in Wittgcnstcins Dcnken aufzufassen. Und Allan Janik kam zu der Wittgenstcin-Lekture mit iibcrwiegend ethischen und existentialistischen Intcressen, nicht zuletzt geprigt durch seine Arbeit mit thomistischer Philosophie. In der Unzufriedenheit mit der damals gcliiufigen Wittgenstein-Interpretation, in der Wittgcnstein als analytischcr Cambridge-Philosoph odcr gar als logischer Empirist aufgefart wurde, habcn dic beiden sich gcfundcn; desglcichen in der Entrustung ubcr dic Heuchelei des Vietnam-Kricges. In einer Zeit, da von,,defoliation of regions" und.,pacification of villages" dic Redc war, war es fur Toulmin und Janik unmoglich, uber Karl Kraus, Fritz Mauthncr und verwandte Autoren zu schreiben, ohne die ~hnlichkeitcn mit der hcutigcn Lage wahrrunchmcn. Sic hatten mit Allan Janiks Worten die Absicht,,,die nahe Verbindung, die zwischcn abstraktcn intellcktuellen Fragen und der Wirklichke~t des politischcn Lcbcns in cincr von uns fcrnlicgenden Epoche in solcher Weise zu illustrieren, dab ein pro~oz~erender Vergleich mit der sturmischen Gcgcnwart ermoglicht wurde". Fur Allan Janik ist es keincswegs ausreichend, Kulturkritik in dcr Form cincr quictistischcn Sozialpathologie vom Standpunkte eines kontcmplativen Beobachtcrs ru betreibcn. Es gchort nach Allan Janik zum Weser~ der Kulturkritik. dab sle cine ethische C~rundlagc hat (S. 54). In Anknupf~~ng an R. G. Collingwoods Vorstellung von,.absoluten Voraussetzungen" schlagt er cine Unterscheidung zwischcn,.moralisten" und..philosophen im eigentlichen Sinnc" vor. Philosophen im eigentlichen Sinne widmcn hich bewurt und ausdrucklich dcr Aufgabe, die grundlegendcn Voraussetzungen einrclncr IIa~idlungen und Institutioncn darzulegen. Cicwohnlicherweise haben sic eine ahademische Ausbildung. die fur die notwendigcn analytischen Fcrtigkeiten forderlich sein kann. Die Moralisten tun in der Tat mehr oder wcniger dasselbe, nur in einer \+eni@er uusdrucklichen Weise. Fur Moralisten wie Karl Kraus und Abraham a Santa Clara 1st die analytischc Aufgabe dcm praktischcn Zweck untergeordnet. moralische T i~rtirltic~rli~i~qc~~? /U vcranlassen. Die Kulturkritik cincs Moralisten wie Karl Kraus besteht darin. dar er seine eigcnc Gesellschaft durch eine mehr oder weniger implizite Kritik der unterlicgcnden absoluten Voraussctzungen kritisiert. Es bcsteht, wie Janik hcmerkt. die Gefahr, dab Moralisten sich als schlechte Philosophcn crwcisen wcgen der ihnen cigenen Tcndenz, sich gegen die Moglichkeit eincr ~ber~rufungzu immunisieren (z. B. in Fallen wie denen des eben crwiihnten Abraham und den Mitgliedern des Brenner Kreises wie Ferdinand Ebner, Theodor Haccker und Carl Dallago). Fur den kritischen Kulturhistorikcr wird es darum cine wichtige Aufgabc, die Kulturkritiker seibst kritisch zu bcwerten in der Absicht, die wahren philosophischen Moralisten von dcnjenigen zu unterscheidcn, die im schlcchtcn Sinnc,,moralistisch" sind. Kulturphilosophie

und intcllcktuellc Geschichtc im Sinne Janiks gehoren nicht zu einer neutralen Metaebene, sondern sind selbst Teile des kulturkritischen Vorhabens. Wenn man diesem Forschungsprogramm zustimmt, und das schcint mir durchaus empfehlenswert, dann eroffnet sich ein wcites Aufgabcnfcld fur den engagierten Philo- >ophen und Historiker. Ein Paradebeispiel ist der einst so bcriihmte und bcriichtigtc Plutor des Ruches Geschlechr und Churucrer (Wicn und Leipzig 1903). Fiir einen empfindsamen Analysator wie Allan Janik konnte gerade Otto Weiningers sonderbare Mischung von treffcnder Kulturkritik und fehlgcschlagencr wissenschaftlicher Spckulation ein ~bungsfeld ohnegleichen sein. Dcr Kern dcs vorlicgcnden Bandcs bcstcht aus drei Essays ubcr Weininger und die Moglichkciten, Wittgensteins Ethik \,or dem Hintergrund von Weiningers Werk zu beleuchten. Wittgenstein war offenbar von Weiningers Arbciten tief beeindruckt.,,it isn't necessary or rather not possible to agrcc with him but the greatness lies in that with which we disagree. It is his enormous mistake which is great", schricb Wittgcnstcin an G. E. Moore im Jahre 1931 (in L~rter.~ to Russell, Kq~nes and Moore, hrsg. von G. H. von Wright, Ithaca, N. Y.. 1974). Gerade was er mit dem,,enormen Fehler" gemeint hat, ist schwcr zu sagen. Wie Janik sehr klar reigt, wire cs ungcrccht, Weininger als eincn vulgaren Antifeministen und Antisem~ten 7u charakterisieren. Weiningcrs herausfordernde Aussagen beispielswcise iiber die Natur der Frau und die Natur des Juden sind in dcr Tat mehrdeutig. Wenn er ctwa om Unterschied zwischen Mann und Frau schreibt. hat das gewohnlich nichts niit Anatomie 7u tun; die gebrauchlichc Untcrscheidung zwischen den Geschlechtern trigt fur Weiningers Anliegen recht wenig aus. Vielmehr ist er, wie Janik formul~crt. daran interessiert, den Unterschied zwischen Geschlecht und Genus herauszuarbeiten. 7u diescm Zwecke operiert er mit Bcgriffcn aus zwei verschiedenen Sphiren: rum ersten mit biologischen Begriffen (mit Hypothescn ubcr minnlichc und weiblichc Plasmcn. die in untcrschicdlichen Verhiltnisscn in allcn Individuen vorkommcn), rum 7weitcn mit idealtypischcn Regriffen, nach denen kcin cinzigcs Individuurn rein mlnnlich oder rein weiblich sein kann. Dicsc bcgriftlichc Komplexitlt hat nicht nur zu vulgircn Fehlintcrprctationcn gefuhrt; auch in Weiningers eigenem Dcnkcn waren entsprechcnde Konfusioncn vor diesem l-iintergrund wohl zu crwarten. ~hnliches gilt naturlich auch fur seine Aussagen uber die Natur des Juden. (Im idealtypischen Sinne is1,,der Judc" der Mann, der der Vcrsuchung, Frauen sexuell auszubeuten, nicht wiederstehen kann.) In einer kritischen Analyse von Weiningers Werk miiljte man somit vcrsuchen. seine biologischen Spekulationen von seinem Beitrag zur Ethik miiglichst sauber zu unterscheidcn. Vor dem Hintergrund der damaligen Forschungslage auf den Gcbictcn der Biologie und Sexologie ware es unrichtig, Weiningcrs Spckulationcn als vollig unfundicrt abzufertigen. Es ware in der Tat cinc fasziniercndc Aufgabe fur einen Wissenschaftsgcschichtler, Weiningers biologischcs Forschu~lgsprogramm in seinem geschichtlichen Kontext zu rckonstruicren. Geradc Allan Janik mit seinem hoch entwikkeltcn Fingcrspitzengcfiihl wire fur cine solche Aufgabc der rechtc Mann. Inzwischcn miissc11 wir uns mit seincn schon vorliegenden Skizzen und Vorschliigen begniigen. Allan Janik bctont, dar cthische Fragen im Zentrum von Wciningers Denken standen, gcnau wie in Wittgensteins Dcnken (vorausgcsetzt, dalj die Hauptthesc in Wfirrcensteins Wien stichhaltig ist). Die Kcrnfragc fiir Weiningcr war:,,kann es zwischcn den Geschlechtern moraliscl-re VerhIltnisse geben?" (Janik, S. 69.) Weiningcr hat offcn-

bar geglaubt, dal3 eine solche Frage rational behandelt werden konne, erstens durch ein wissenschaftliches Studium der Sexualitiit, und zweitens durch eine Analyse der Natur des rationalen Verhaltens. Auf dern Cebiete der Wissenschaftstheorie wie auf ethischem Cebiet war Weininger ein Mann von ausgesprochen kantischer Pragung:,,Der moralische Mensch ist der Mensch, der nur mit Riicksicht auf die Pflicht handelt" (Janik, S. 71). Und hier komrnen wir in die Niihe von Wittgensteins Ethik, wie sieetwa in der Logisch-Philosophischen Abhundlung anzutreffen ist. In ihr folgen Bemerkungen iiber Ethik und ~sthetik ziemlich unvermittelt auf die Darstellung logischer Themen. Ganz iihnliche Aussagen kann man bei Weininger finden:,,logik und Ethik aber sind im Crunde nur eines und dasselbe - Pflicht gegen sich selbst... Alle Ethik ist nur nach den Cesetzen der Logik rnijglich, alle Logik ist zugleich ethisches Cesetz. Nicht nur Tugend, sondern auch Einsicht, nicht nur Heiligkeit, sondern auch Weisheit ist Pflicht und Aufgabe des Menschen" (Geschlecht undchuracter, S. 200; vgl. Janik, S. 71 und 85). Allan Janiks Hypothese ist nun, dar Wittgenstein wohl Weiningers Ethik in der Praxis akzeptiert hat, aber dal3 er die Vorstellung von der Moglichkeit einer entsprechenden Theorie verwerfen mul3te. Wenn Logik und Ethik im Crunde identisch sind, wie Weininger behauptet hat, dann mu0 die Moglichkeit einer ethischen Theorie aus demselben Crunde verworfen werden wie die Moglichkeit einer logischen Theorie: beide sind aunerhalb der Welt, beide sind transzendental. (,,Die Logik ist transcendental", Tractatus 6.13;,,Die Ethik ist transcendental". Tractatus 6.421.) Dem Verhsser des Tructutus gerniil3 ist es klar, dal3 sich die Ethik nicht aussprechen liot (6.421). Durch seine Placierung von Wittgensteins Ethik in ciner Tradition, die durch Namen wie Schopenhauer und Weininger gekennzeichnet werden kann (und darnit auch durch Namen wie Platon, Kant und Kierkegaard), hat Allan Janik einen bedeutenden Beitrag zum Wittgenstein-Verstandnis geliefert. Wer diese Themen wcitervcrfolgen will, etwa in Richtung auf die Entwicklung von Wittgensteins Spiitphilosophie oder, was mir zur Zeit vordringlich erscheint, in Richtung auf eine systematische Reflexion iiber die Moglichkeit einer ethischen Theorie iibcrhaupt, wird in diesen Essays den natiirlichen Ausgangspunkt finden. Bergen Tore Nordenstam Bei der Redaktion eingegangene Biicher RedaktionsschluB 28. 4. 1989 Alighieri, Dante: Monarchia. Lateinisch/deutsche Studienausgabe. Mit Einl., ~bers. und Kommentar hrsg. von Ruedi Imbach... Stuttgart: Reclam 1989. (= Universal-Bibliothek; Nr. 8531.) 371 S. [Aristoteles] Aristotle: The politics (Politics, englisch). Ed. by Stephen Everson. Cambridge [U. a.]: Cambridge University Press 1988. (Cambridge texts in the history of political thought.) XXX11/207 S.

INHALTSVERZEICHNIS DES I. HEFTES PERRY, BRUCE:... 1 Sc~iimm, ECKHART: Mapanimity, M~yeihoyqLa, and the System of Aris-...... 'U~SJLER, DLKTMAR: Das Wechselverhdtnis von Thmrie und Praxis bei Car1.. I... On the Cornford-fragment (28 B 8.38*) 1 totle's Nicomachean Ethm 10 ~ss, ENDRE: Ein Versuch, Hegels letzte Arbeit zu verstehen 23 on Clausewitz 39 11. Zur Diskusdon SANDK~MW, H m J&G: F. W. J. Schelling - Ein Werk im Werden... 63 111. Rezensionen - HOJSENFELDE~, M.: Die Philosophk der Antike. M. 3: Stoa, Epikureiunus und. I Skepsis (B. Inwood)... 73 The modes of scqticism: ancient texts and modern interpretations (A. Biihler)... 81 ANNAS, J. and J. BABNES: MARENBON, J.: Later Medival philosophy (1150-1350): an introduction (S. L ' Macmnald)... 84 WALLACE, W. A.: Galileo and his sources: the heritage of the Collegio Romano in Galileo's science (k Adcw and D. Jesy)... 89 C.: Demonstratio logicae verae ivn ica (J. S. Freedman)... 94.... REGNERUS, KANT, I.: Metaphysische Anfangsgriinde der hhtskhre (W. Kersting)... 100 r' ISammelrezension] FLAY, J. C.: Hegel's quest for certaid - HINCHMAN, L. P.: Hegel's critique of the Enli htenment - m, D. $: He l's recollection: a study of images in the ~&nownology... of Spirit (C.-A. Kheier) 102 HOLZHEY, H.: Cohen und Natorp. Bd. 1: Unprung und Einbeit: die Geschichte der,marburger Schulc' alr Auseinandmtzun um die Logik des Dcnkens. Bd. 2: Da Marburger Ncukantianismus in &lkn: Zcugnisse kritil~her Lektiire; Briefe der Marburger; Dokumente zur Philosophiepolitik der Schule &.-H. Lembeck)... 109 SAJAMA, S. and M. W p m : A historical introduction to phenomenology (S. Cunningham)... 112., JANIK, A.: Essays on Wittgeastein and Weininger (T. Nordenstam)... l l5 TV. Bei der Redaktion einppngem Biicher... l l8 v. I I. 4nschriftenveneicbais der Mitorbeiter... 124 W.