Pressekonferenz in Wien am 4. Dezember 2012 Ausführungen D r. B e r n h a r d R e u t e r s b e r g, Mitglied des Vorstands, E.ON SE Es gilt das gesprochene Wort
Pressekonferenz in Wien am 4. Dezember 2012 Seite 2 von 5 Lieber Herr Anzengruber, meine sehr geehrten Damen und Herren, nachdem Ihnen Herr Anzengruber die Eckpunkte unserer Vereinbarung bereits vorgestellt hat, will ich mich darauf konzentrieren, Ihnen die wesentlichen Aspekte aus der Sicht von E.ON zu erläutern. Mit den Wasserkraftkapazitäten am Inn wird Verbund in der Tat sehr attraktive Beteiligungen, Kraftwerke und Projekte übernehmen. Wir trennen uns nicht davon, weil wir auf einmal der Meinung sind, Wasserkraft habe ihren Reiz verloren. Ganz im Gegenteil: Sie ist eine zentrale Basis für den Aufbau einer regenerativen Stromerzeugung. Noch bis vor wenigen Jahren war sie zumindest in unseren Ländern der einzige regenerative Energieträger, der einen wirklich nennenswerten Beitrag zur Stromerzeugung leistete. Inzwischen kommen in immer größerem Umfang Wind, Sonne und Biomasse hinzu. Wasserkraft gewinnt in einem solchen System noch an Bedeutung, weil sie einerseits in der sog. Grundlast rund um die Uhr zur Verfügung steht und weil sie andererseits zumindest bislang die einzige großtechnische Lösung für die Speicherung elektrischer Energie bietet. Vor diesem Hintergrund wird die Wasserkraft auch für unser Unternehmen ihre hohe Bedeutung behalten. Nach der Abgabe der Anlagen am Inn werden wir in Europa weiterhin über rund 6.000 Megawatt Wasserkraftkapazität verfügen, vom Norden Skandinaviens über Italien bis nach Asturien in Spanien. Und in unserem Heimatmarkt Deutschland werden wir mit rund 2.300 Megawatt weiterhin ein bedeutender Wasserkraft-Erzeuger sein. Im Vergleich dazu sind die 350 Megawatt, die wir an Verbund im Wesentlichen in Form von Beteiligungen abgeben, aus unserer Sicht durchaus verschmerzbar. Und wir wissen: bei Verbund sind sie in guten Händen, denn wir kennen uns aus einer schon seit Jahrzehnten laufenden, vertrauensvollen und erfolgreichen Zusammenarbeit. Mit dem Vollzug der Transaktion werden rund 40 unserer Mitarbeiter in den Wasserkraftwerken Ering, Eglfing und Nussdorf zum Verbund wechseln. Für die rund 200 Mitarbeiter der bisher mit dem Verbund gemeinsam gehaltenen Grenzkraftwerke GmbH ändert sich nichts, da diese schon heute die Betriebsführung der Kraftwerke der ÖBK und DKJ erledigen.
Pressekonferenz in Wien am 4. Dezember 2012 Seite 3 von 5 Im Gegenzug werden wir vom Verbund ein Geschäft in der Türkei übernehmen, das für uns hohe strategische Bedeutung hat. Vor gut zwei Jahren haben wir unsere Konzernstrategie weiterentwickelt und uns damit frühzeitig auf bereits absehbare Entwicklungen in der Stromwirtschaft eingestellt. Offensichtlich war und ist, dass Europa die Zukunft seiner Energieversorgung vor allem in den regenerativen Energien sieht. Das hört sich zunächst vielleicht etwas banal an, bedeutet aber in der Konsequenz einen radikalen Wandel, dessen Auswirkungen nicht erst in Jahrzehnten einsetzen. Gerade in Deutschland erleben wir zur Zeit, wie schnell durch diesen Wandel die bisherigen Marktregeln über den Haufen geworfen werden. Gaskraftwerke, die noch vor wenigen Jahren als DIE Zukunftslösung betrachtet wurden, laufen immer weniger und verdienen kein Geld mehr. Die Großhandelspreise für Strom haben ein so niedriges Niveau erreicht, dass es für Neuanlagen keinerlei Investitionsanreize mehr gibt. Sie können sich vorstellen, dass solche Entwicklungen ein Unternehmen wie E.ON, das in der Erzeugung auf einen breiten Energiemix setzt, in besonderem Maße betreffen. Natürlich stellen wir uns dem Trend zu den Erneuerbaren. Seit 2007 haben wir rund 8 Milliarden Euro in diesem Bereich investiert. Inzwischen verfügen wir neben rund 6.000 Megawatt aus Wasserkraft bereits über eine Erzeugungskapazität von rund 4.200 Megawatt aus Wind, Sonne und Biomasse, die wir mit weiteren Investitionen in den nächsten Jahren ausbauen werden. Dabei werden wir in Deutschland die mit der Abgabe der Wasserkraftbeteiligungen verbundene Reduzierung um rund 350 Megawatt allein durch den Bau des Windparks Amrumbank West in der Nordsee größtenteils ausgleichen. Mit der Errichtung des 290-Megawatt-Windpark werden wir voraussichtlich im nächsten Jahr beginnen. Hinzu kommen zwei weitere Windparks vor den Küsten Schwedens und Großbritanniens. Sie sehen: mit unseren Investitionen gehen wir konsequent den Weg in die Erneuerbaren und setzen damit ein zentrales Element unserer Strategie um. Dennoch mussten wir uns weitergehende Fragen stellen: reicht das, um unser Gesamtgeschäft zukunftsfähig zu machen? Was machen wir mit dem wertvollen Know-how, das wir über Jahrzehnte als Planer, Errichter und Betreiber von konventionellen Kraftwerken aufgebaut haben, wenn es in unseren bisherigen europäischen Märkten nicht mehr gefragt ist?
Pressekonferenz in Wien am 4. Dezember 2012 Seite 4 von 5 Sie erkennen schon die Richtung. Im Ergebnis haben wir uns entschieden, das Geschäft außerhalb unserer bestehenden, europäischen Kernmärkte weiterzuentwickeln und auszubauen. Dahinter stehen Trends, die Märkte wie die Türkei und Brasilien prägen: überdurchschnittlich hohes Wirtschaftswachstum gepaart mit einer positiven demographischen Entwicklung, die zu steigender Energienachfrage und zu einem erheblichen Bedarf an effizienten und klimaschonenden Energielösungen führen. Durch den Anteilstausch mit dem Verbund kommen wir bei Umsetzung dieses für uns zentralen Strategieelements einen sehr großen Schritt weiter. Dabei steigen wir nicht nur in den türkischen Markt ein, sondern in ein etabliertes und gut funktionierendes Geschäft: In enger Zusammenarbeit mit Sabancı haben Sie, Herr Anzengruber, und Ihre Mannschaft in den letzten Jahren das Gemeinschaftsunternehmen EnerjiSA zu einem vielversprechenden Player im türkischen Energiemarkt entwickelt. Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass gerade in diesem Moment der türkische Energieminister Taner Yildiz an der gemeinsamen Pressekonferenz von Sabancı, Verbund und E.ON in Istanbul teilnimmt. Gemeinsam mit Sabancı wollen wir EnerjiSA zu einem der führenden privaten Energieunternehmen der Türkei entwickeln. Die Ausgangsbasis dafür ist hervorragend: EnerjiSA verfügt bereits über 1.700 Megawatt Erzeugungskapazität, darunter auch 320 Megawatt Wasserkraft. Weitere 2.000 Megawatt sind derzeit insgesamt im Bau, in der Projektentwicklung befinden sich rund 1.500 Megawatt. Wir fangen also nicht bei Null an, sondern verfügen durch die Transaktion bereits über eine gut etablierte Plattform, von der aus wir gemeinsam mit Sabancı die vielversprechenden Wachstumschancen im türkischen Markt nutzen wollen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die regenerative und konventionelle Stromerzeugung, in der wir die bestehenden Kapazitäten von derzeit rund 1.700 Megawatt bis 2020 auf bis zu 8.000 Megawatt gezielt ausbauen wollen. Daneben begrüßen wir, dass sich EnerjiSA an der Privatisierung weiterer Stromverteiler beteiligen will um so seine aktuelle Marktposition mit etwa 3,5 Millionen Kunden weiter auszubauen. Neben der Vermarktung des erzeugten Stroms wollen wir auch im Gasgeschäft Handels- und Vertriebsaktivitäten entwickeln. Dies umfasst auch den Import von Gas über Pipelines oder als verflüssigtes Erdgas.
Pressekonferenz in Wien am 4. Dezember 2012 Seite 5 von 5 Sabancı ist dabei für uns ein geradezu idealer Partner. Um gemeinsam die für EnerjiSA gesteckten Ziele zu erreichen, werden wir in dem künftigen Joint Venture E.ONs Erfahrungen und Kompetenzen auf nahezu allen Wertschöpfungsebenen der Strom- und Gaswirtschaft bündeln mit Sabancı s profunder Vertrautheit mit dem Markt, seinen wettbewerblichen und regulatorischen Rahmenbedingungen und mit den Erwartungen von Kunden, Politik und Gesellschaft. Eine solche Kombination sich optimal ergänzender Kompetenzen ist ein Kernelement unserer Strategie für den Aufbau von Geschäften in neuen Märkten. Wir haben also in der Tat, wie Herr Anzengruber bereits gesagt hat eine Transaktion vereinbart, die beide Unternehmen Verbund und E.ON bei der Umsetzung der jeweiligen Unternehmensstrategie ein gutes Stück voranbringt. Die Fokussierung auf das heimische Kerngeschäft ist für Verbund strategisch ebenso sinnvoll wie die verstärkte internationale Ausrichtung für E.ON. In der Zukunftswelt der Energieversorgung ist für beides Platz: für Spezialisten ebenso wie für geographisch und geschäftlich breit aufgestellte Unternehmen. Der Anteilstausch ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass es nicht nur ein Nebeneinander unterschiedlich ausgerichteter Unternehmen und Strategien gibt, sondern auch ein Miteinander. Ich danke Ihnen, Herr Anzengruber, dafür, dass wir auf unseren unterschiedlichen Wegen zusammengekommen sind und diesen Anteilstausch vereinbaren konnten. Und ich darf ergänzen, dass sich unsere Wege auch in Zukunft nicht ganz trennen und wir da, wo es energiewirtschaftlich und unternehmerisch sinnvoll ist, weiterhin vertrauensvoll zusammenarbeiten. Diese Rede enthält möglicherweise bestimmte in die Zukunft gerichtete Aussagen, die auf den gegenwärtigen Annahmen und Prognosen der Unternehmensleitung des E.ON-Konzerns und anderen derzeit verfügbaren Informationen beruhen. Verschiedene bekannte wie auch unbekannte Risiken und Ungewissheiten sowie sonstige Faktoren können dazu führen, dass die tatsächlichen Ergebnisse, die Finanzlage, die Entwicklung oder die Leistung der Gesellschaft wesentlich von den hier abgegebenen Einschätzungen abweichen. Die E.ON SE beabsichtigt nicht und übernimmt keinerlei Verpflichtung, derartige zukunftsgerichtete Aussagen zu aktualisieren und an zukünftige Ereignisse oder Entwicklungen anzupassen.