Dokumente Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, Heft 3, 59. Jhg., Juni 2003

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Dokumente Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, Heft 3, 59. Jhg., Juni 2003 Komitee zur Förderung der Deutsch-Französisch-Polnischen Zusammenarbeit e.v. ( Weimarer Dreieck ) Schirmherren: Roland Dumas, Hans-Dietrich Genscher und Krzysztof Skubiszewski (vormals Komitee zur Förderung des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrages e.v., Paris/Berlin) Das V. Gipfelgespräch zum Weimarer Dreieck am 9.5.2003 in Breslau: Eine kritische Bewertung Klaus-Heinrich Standke, Berlin/Cabourg 1...Ich sei gewährt mir die Bitte in eurem Bund der dritte. Friedrich v. Schiller, Die Bürgschaft, (1798) Seit ihrer Gründung in Weimar am 28. August 1991 durch die drei damaligen Außenminister Roland Dumas, Hans-Dietrich Genscher und Krzysztof Skubiszewski fanden deutsch-französisch-polnische Begegnungen im Zeichen des Weimarer Dreiecks auf Ebene der Chefs der Außenressorts der drei Länder insgesamt elf Mal statt. Die Staats- und Regierungschefs in diesem Zeitraum fünf Mal in sog. Gipfeltreffen zusammengekommen und zwar drei Mal in Polen und jeweils ein Mal in Deutschland und in Frankreich: Seitdem auf Einladung des damaligen polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa im Jahr 1993 erstmals in Danzig der damalige französische Staatspräsident Francois Mitterand und der damalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Rahmen des Weimarer Dreiecks zusammentrafen, sind diese Gipfeltreffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs zur Tradition geworden. Sie fanden im Jahr 1998 in Posen, im Jahr 1999 in Nancy, Jahr 2001 in Neustadt/Weinstraße und zuletzt wieder in Polen, nämlich in Breslau am 9. Mai 2003 statt. Das jüngste Weimarer Gipfeltreffen in Breslau stand unter besonderem Erwartungsdruck: Es war die erste Dreierbegegnung nach dem Ende des Irakkrieges, der nicht nur zu einem Riss in den UN-, NATO- und EU-Strukturen führte, sondern auch durch das Weimarer Dreieck, 1 Präsident des Komitees zur Förderung der deutsch-französisch-polnischen Zusammenarbeit e.v. ( Weimarer Dreieck ). Dieser Beitrag wurde in in Dokumente - Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, H. 3, 58. Jg., Juni 2003, sowie in französischer Sprache in «DOCUMENTS Revue des Questions Allemandes», 58. Jhg., Nr. 3/2003 Juli-August-September 2003 und in polnischer Sprache in Polski Przegld Dyplomatyczny, No. 14, August/September 2003 veröffentlicht. Eine Ausgabe in russischer Sprache erfolgt im November 2003. 1

Die emotionelle Verurteilung der Haltung einiger EU-Kandidatenländer und als Mitunterzeichner einer Solidaritätsdemarche gegenüber den USA ( Gemeinsamer Aufruf der Acht vom 30.1.2003) durch den französischen Staatspräsidenten hat ( ces pays ont manqué une bonne occasion de se taire... ) besonders in Polen als Partnerland des Weimarer Dreiecks tiefe Verstimmung ausgelöst, Die feierliche Begrüßung von acht MOE-Kandidatenländern am 16.4.2003 in Athen im Kreis der EU-15 hat das Sonderkapitel des Weimarer Dreiecks als Unterstützungsmechanismus der bevorstehenden EU-Aufnahme Polens und der bereits erfolgten Aufnahme in die NATO in gewisser Weise obsolet werden lassen. Die Spekulationen über die Zukunft des Dreiecks reichten daher von einem allmählichen phasing out bis zu einem neuen politischen Durchbruch, der das trilaterale Verhältnis in eine, wenn schon nicht gleiche, aber doch ähnliche Qualität wie die der engen bilateralen deutschfranzösischen Beziehungen befördern würde. Vor diesem Hintergrund ist das erhebliche Interesse der Öffentlichkeit an diesem Weimarer Gipfelgespräch in Breslau, auch wenn die eigentliche Begegnung im historischen Rathaussaal kaum mehr als eine Stunde dauerte, allein schon daran zu ermessen, dass mehr als 400 Journalisten zu der Veranstaltung bei dem Pressebüro der Polnischen Präsidialkanzlei akkreditiert waren. I.) Am Vorabend des Gipfels hat das Komitee zur Förderung der Deutsch-Französisch- Polnischen Zusammenarbeit e.v., welches im Jahr 2002 unter Schirmherrschaft der drei genannten Gründungsväter des Weimarer Dreiecks entstanden ist, in Zusammenarbeit mit dem Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien an der Universität Breslau (WBZ) und dem Bureau International de Liaison et de Documentation (B.I.L.D.), Paris, ein Trilaterales Kolloquium durchgeführt zum Thema Das Weimarer Dreieck: Hoffnungen von gestern Erwartungen an morgen. Ziel der Veranstaltung war es, sowohl aus der Sicht der diplomatischen Vertreter der drei Länder wie auch aus wissenschaftlicher Sicht einen Beitrag zu einem besseren Verständnis von Hintergrund, Funktionsweise und Bedeutung des vielschichtigen Gebildes des Weimarer Dreiecks zu leisten. Die Veranstaltung in der prachtvollen Aula Leopoldina der Breslauer Universität wurde von dem Direktor des Willy-Brandt-Zentrums, Krzysztof Ruchniewicz, moderiert. Der Direktor der EU-Abteilung im polnischen Außenministerium, Paweł Swieboda, würdigte die Bedeutung des Weimarer Dreiecks als Chance für Polen, in einem informellen Rahmen mit seinen beiden großen Partnern Deutschland und Frankreich in der polnischen Heranführungsstrategie an die EU eng zusammenarbeiten zu können. Die Weimarer Initiative als einer Politik der regionalen Nachbarschaft innerhalb größerer Strukturen, wie sie vom Weimarer Dreieck exemplifiziert wurde, sei von anderen regionalen Kooperationskonzepten, wie etwa durch den Barcelona-Prozess im Mittelmeerraum aufgenommen worden. Nun gälte es, diese Zusammenarbeit durch neue Themenstellungen, wie z.b. der der atlantischen Beziehungen, auszuweiten. Das Weimarer Gipfeltreffen in Wroclaw werde in diesem Sinne neue Konzepte der privilegierten Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern vorstellen. Diese sollten jedoch nicht als neue Achse oder gar als Direktorat gegenüber den übrigen EU-Ländern verstanden werden. Das Treffen in Wroclaw werde daher auch keine Bühne für spektakuläre Erklärungen sein. 2

Der französische Botschafter in Polen, Patrick Gautrat, verkannte nicht einen gewissen latenten Skeptizismus gegenüber dem, wie er ihn nannte, Trialog im Rahmen des Weimarer Dreiecks. Dennoch seien dessen Meriten unverkennbar: Die Symbolkraft des Standortes Wroclaw als Austragungsort des Weimarer Gipfeltreffens zeige den Grad der in Europa inzwischen erreichten Aussöhnung zwischen den Völkern. Die ursprüngliche Absicht des Weimarer Dreiecks, die Integration Polens in die europäischen Strukturen zu erleichtern, könne inzwischen als erreicht gelten. Nun komme es darauf an, analog zu der deutsch-französischen Zusammenarbeit, auch innerhalb des Weimarer Dreiecks die Nichtregierungsdimension sichtbarer werden zu lassen. Ähnlich wie Paweł Swieboda verwies der Botschafter Frankreichs auf die positive Ausstrahlung hin, die das Weimarer Dreieck auf andere regionale Kooperationen wie etwa der mit der Ukraine oder auf den Barcelona-Prozeß haben könne. Obwohl er als Diplomat sozusagen aus professionellen Gründen gehalten sei, die Dinge optimistisch darzustellen und in den internationalen Beziehungen immer dasjenige besonders herauszustellen, was gut funktioniere, so sei sein Optimismus, was die Zukunft des Weimarer Dreiecks anbelange, von seiner inneren Überzeugung bestimmt. Der deutsche Botschafter in Polen, Reinhard Schweppe, gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass diese Veranstaltung im ehrwürdigen Rahmen der Aula Leopoldina stattfände, im selben Raum, in dem Bundeskanzler Gerhard Schröder am 18.6.2002 in Anwesenheit des polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller vor einem Jahr den Gründungsfeierlichkeiten des Willy Brandt-Zentrums beigewohnt habe. Nach seiner Überzeugung werde der Breslauer Gipfel in die Reihe der trilateralen Begegnungen der Staats- und Regierungschefs im Zeichen des Weimarer Dreiecks als historischer Gipfel eingehen. Im Vergleich mit früheren Veranstaltungen habe der Gipfel in Breslau drei neue Qualitäten: 1. Der Rahmen der Zusammenarbeit im Weimarer Dreieck werde wesentlich erweitert. Neben den Staats- und Regierungschefs und den Außenministern werden künftig auch andere Regierungsressorts wie die Innen- und Arbeitsminister in die trilaterale Zusammenarbeit einbezogen. 2. Die Rolle der Regionen innerhalb des Weimarer Dreiecks werde künftig an Bedeutung gewinnen. 3. In den Außenbeziehungen der erweiterten EU werde der Mechanismus des Weimarer Dreiecks einen wichtigen Stellenwert erlangen. Alles in allem könne man gegenüber der bisherigen trilateralen Zusammenarbeit nach dem Gipfelgespräch des Weimarer Dreiecks in Breslau durchaus von einem Quantensprung sprechen. Der Direktor des Polnischen Instituts für internationale Beziehungen, Warschau, Ryszard Stemplowski vertrat die Auffassung, dass das,weimarer Dreieck auch heutzutage einen Sinn hat. Es entstand als die Antwort auf den Systemwechsel in Mittel- und Osteuropa. Die drei Weimarer Partnerländer sollten die Antwort auf die Frage der Gestalt der Europäischen Union, der transatlantischen Beziehungen und des Verhältnisses mit Russland, Weißrussland und der Ukraine suchen. Deutschland, Frankreich und Polen sollten ihre Vorstellungen zur Frage der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit ihren anderen Partnern aus der Europäischen Union konsultieren. Das Weimarer Dreieck sollte sich künftig auch gemeinsam zu lösenden strategischen Fragen widmen wie z.b. der Definition und 3

Durchführung von Projekten der im Nizza-Vertrag vorgesehenen gemeinsamen vertieften Zusammenarbeit ( enhanced cooperation ). Er unterstrich - ähnlich wie schon früher Hans-Dietrich Genscher, einer der Gründungsväter des Weimarer Dreiecks - die Notwendigkeit, den losen Rahmen des Weimarer Dreiecks zu einer wechselseitigen besseren Kenntnis der anderen Partner zu nutzen. Für Henri Ménudier, Universität Paris III (Sorbonne Nouvelle), legitimieren geschichtliche und praktische Erwägungen das Entstehen des Weimarer Dreiecks. Nach dem Hass und den Kriegen des letzten Jahrhunderts sollten nun Versöhnung und Zusammenarbeit sowie Solidarität und Freundschaft das gegenseitige Verhältnis bestimmen. Die deutschfranzösischen Erfahrungen sollten als Modell dienen. Auch in dem erweiterten Europa wird die bilaterale und die trilaterale Zusammenarbeit eine große Bedeutung behalten, um die Probleme der EU zu diskutieren sowie um gemeinsame Initiativen und Entscheidungen vorzubereiten. Eine Voraussetzung dafür sei eine vertiefte Information über die Nachbarn. Neben den Regierungen sollten sich Wirtschaft und Zivilgesellschaft als Hauptakteure behaupten. Klaus-Heinrich Standke, Präsident des Komitees zur Förderung der Deutsch-Französisch- Polnischen Zusammenarbeit e.v., ( Weimarer Dreieck ), Berlin, nahm eine Charakterisierung der in den internationalen Beziehungen höchst originellen Konstruktionsform des Weimarer Dreiecks vor und kam zu einer insgesamt positiven Einschätzung des in den knapp zwölf Jahren gemeinsam Erreichten: Das Weimarer Dreieck ist ein informeller trilateraler Konsultationsmechanismus, für den es weder ein Gründungsdokument noch einen Staatsvertrag oder ein ständiges Sekretariat gibt. Trotz des beträchtlichen Personenwechsels im Amt des Außenministers in den drei Ländern ist eine erstaunliche Kontinuität bewahrt worden: So waren insgesamt nacheinander 7 polnische, 4 französische und 3 deutsche Außenminister an den jährlichen Begegnungen im Weimarer Dreieck beteiligt. Ergänzend zu den Ministertreffen fanden seit 1994 auch regelmäßig Begegnungen der Europa-Staatssekretäre bzw. Direktoren sowie der Planungsstäbe statt. Ebenfalls seit 1994 und verstärkt seit der Aufnahme Polens in die NATO - fanden in regelmäßigen Abständen Treffen der Verteidigungsminister statt. Auch die Finanzminister und die Justizminister sind zu trilateralen Begegnungen zusammengetroffen. Treffen der Parlamentarier der drei Länder verdienen hier genau so zu erwähnt zu werden wie ein Treffen der Regionenvertreter der drei Staaten in Krakau, die in ihrer Deklaration von Malopolska (7.6.2000) ihren Willen erklärt haben, zu neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Regionen der drei Länder zu gelangen. Zahllos sind trilaterale Begegnungen der Zivilgesellschaft in Form von Wirtschaftsgesprächen, Studentenbegegnungen, kulturelle und kulturpolitische Veranstaltungen. In wachsendem Masse ist das Weimarer Dreieck Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung: Ein sicherlich bei weitem unvollständiges Literaturverzeichnis enthält rund 70 wissenschaftliche Beiträge, Dissertationen, Diplomarbeiten und Schwerpunkthefte von Zeitschriften in deutscher, französischer und polnischer Sprache zum Thema Weimarer Dreieck. 2 2 Standke, Klaus-Heinrich, Das Weimarer Dreieck : Seine Entwicklung seine Perspektiven, 4

Statt einer eigenen Einschätzung zur Zukunft des Weimarer Dreiecks gab er die Meinungsäußerung des französischen Senators Xavier de Villepin, bei, der ihm bei einem Gespräch im Rahmen der Einweihung der neuen Französischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin am 23.1.2003 mitteilte: Le Triangle de Weimar: Il est aujourdhui plus important que jamais.... Wortgleich hierzu der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hans Martin Bury: Für ihn ist besonders in diesen Tagen das Gesprächsformat des Dreiecks wichtiger denn je. Schon jetzt stehe fest, dass die Welt nach dem Krieg im Irak eine andere sein werde: Es wird eine Welt sein, die die Fähigkeit sich in den anderen hineinzuversetzen als eine notwendige Voraussetzung für jede Zusammenarbeit erst wieder lernen muss. Das Weimarer Dreieck kann und muss! hier ansetzen: Es gilt zu verhindern, dass das Projekt EU infolge der Irakkrise dauerhaft Schaden nimmt. Auch bieten Weimarer Gespräche den geeigneten Rahmen, um das Verhältnis Europas ( des alten ) zu den USA vor dauerhaftem Schaden zu bewahren und Vertrauen und Verständnis wieder aufzubauen. Von dem für Mai in Breslau geplanten Weimarer Gipfeltreffen können diesbezüglich wichtige Signale ausgehen.... 3 II. Der Präsident der Republik Polen, Aleksander Kwasniewski, präsentierte am 9. Mai 2003 auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten, Jacques Chirac, und dem deutschen Bundeskanzler, Gerhard Schröder, die wichtigsten Ergebnisse des Gipfels in Breslau, der unter dem Zeichen Die Zukunft der Zusammenarbeit im Rahmen des Weimarer Dreiecks stand: Der Bundeskanzler und die Präsidenten bekräftigten ihr Bekenntnis zum Weimarer Dreieck, dessen Auftrag weiterhin darin besteht, die Netze der Kooperation immer dichter zu knüpfen, die die Völker und Staaten (...) auf allen Ebenen und in der ganzen Breite des Lebens miteinander verbinden. Das Weimarer Dreieck kann als Forum des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den drei Partnern eine Impulse gebende, gestaltende Kraft im Dienst der erweiterten Union werden. Im Hinblick darauf haben Frankreich und Deutschland beschlossen, Polen in ihre Überlegungen zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Politiken, insbesondere der gemeinsamen Agrarpolitik, der Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und der Verkehrspolitik, einzubeziehen. Der Bundeskanzler und die Präsidenten kamen überein, die Abstimmung zwischen den drei Ländern über die Entwicklung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) durch die Abhaltung regelmäßiger dreiseitiger Konsultationen zu intensivieren. Diese Konsultationen zielen darauf ab, sowohl die Entwicklung der zivilen und militärischen Fähigkeiten im Rahmen der ESVP zu beschleunigen als auch die strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der NATO zu verstärken. In diesem Zusammenhang unterrichteten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Jacques Chirac Präsident Aleksander Kwasniewski über die Vorschläge des Treffens der Staats- und Regierungschefs am 29. April 2003 in Brüssel, die im Kreis aller gegenwärtigen und künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in: Kneipp, Danuta et al. (Hrsg.), Staatenkooperation in der EU und darüber hinaus, Opladen 2003 3 BerliNews, 7. April 2003, www.berlinews.de 5

weiter beraten werden. Der Bundeskanzler und die Präsidenten beschlossen ferner, eine enge Zusammenarbeit bei der im Rahmen des Konvents betriebenen Reform der europäischen Institutionen, vor allem hinsichtlich der institutionellen Architektur und der GASP, zu entwickeln. Diese gemeinsame Arbeit soll fortgesetzt und intensiviert werden. Sie führten einen eingehenden Meinungsaustausch über die Perspektiven einer Verstärkung der partnerschaftlichen Beziehungen zu Russland sowie zu den anderen neuen Nachbarn der erweiterten Union, insbesondere der Ukraine, und verständigten sich auf eine Fortsetzung dieses Austauschs. Der Bundeskanzler und die beiden Präsidenten begrüßten den seit der Gründung des Weimarer Dreiecks entstandenen engen Dialog der Außenminister und der Verteidigungsminister, den erfreulichen Rhythmus der Abstimmung zwischen den Finanzministern und die Aussicht auf ein erstes Treffen der Minister für Arbeit und Soziales und der Europaminister. Sie ermutigten zu einer Ausweitung des Aktionsradius des Dreiecks auf weitere Bereiche wie Verkehr und Inneres, zu einer stärkeren Verankerung des Dreiecks in der Zivilgesellschaft durch eine Intensivierung der dezentralen Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften der drei Länder sowie zum Austausch zwischen Jugendlichen und Studenten. In diesem Zusammenhang haben sie beschlossen, Möglichkeiten für eine Dreierkooperation durch ihre Regierungen prüfen zu lassen, insbesondere in Bezug auf die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Schließlich riefen sie dazu auf, den Dialog zwischen den Parlamentariern der drei Länder auszubauen. Im Frage-und-Antwort -Teil der Pressekonferenz zeigten sich deutlicher als in der sorgfältig ausgehandelten Presseverlautbarung unterschiedliche Auffassungen Deutschlands und Frankreichs einerseits und Polens andererseits: Zum Dokument über die verstärkte europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, welches bei dem Gipfeltreffen am 29. April 2003 in Brüssel von Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg erarbeitet wurde, sagte Präsident Kwasniewski, er habe den Text zwar zur Kenntnis genommen, Polen sei aber keinesfalls einverstanden, wenn die Vorschläge zu einer Schwächung der NATO führen würden oder eine Duplizierung deren Aufgaben zur Folge hätten. Dasselbe gelte für die GASP; auch hier seien grundlegende Fragen und Zweifel anzumelden. Derartige Initiativen sollten nicht die der NATO duplizieren. Der Bundeskanzler ergänzte, daß die Vorschläge vom 29.4. für jedes Mitglied der EU offen seien, auch für Polen. Sie seien nicht gegen die NATO gerichtet, sondern sollten im Gegenteil einen europäischen Pfeiler innerhalb der NATO schaffen. Hinsichtlich des Entwurfs zu einer neuen Resolution, die von den USA eingebracht wurde, wünschte Präsident Kwasniewski, daß sie angenommen werde. Präsident Chirac stellte zur Haltung Frankreichs im Sicherheitsrat der UNO fest, daß Krieg eine Sache sei und der Wiederaufbau des Irak eine andere. Dennoch müsse er dabei bleiben, daß ein Präventivkrieg nicht eine Doktrin für die Welt von morgen werden dürfe. In jedem Fall müsse der Sicherheitsrat gewährleisten, daß der Irak seine volle Souveränität wieder erlange. Der Bundeskanzler betonte seinerseits, daß der Wiederaufbau des Irak unter dem Dach der UNO erfolgen müsse. 6

Angesprochen auf die von Polen angebotenen Vermittlungsdienste zur Entspannung des Verhältnisses zwischen den USA und Deutschland und Frankreich, stellte der französische Präsident fest, er habe nicht das Gefühl, daß Frankreich hierzu irgendwelche Brücken von anderer Seite brauche. Die transatlantischen Beziehungen Frankreichs seien immer noch genügend stark. Auch der Bundeskanzler sah keine Notwendigkeit für Deutschland zu einer Moderation durch Dritte im transatlantischen Verhältnis. Der französische Staatspräsident erklärte auf Anfrage, daß er mit seinen Bemerkungen gegenüber der Solidaritätsadresse einer Gruppe von MOE- Kandidatenländern mit den USA keinesfalls die Absicht gehabt habe, diese zu verletzen. Er müsse aber bei seiner Haltung bleiben, daß neue Mitglieder, die in eine Familie aufgenommen werden wollen, ihre Solidarität zuallererst mit dieser zeigen müssten. Er betonte ferner den Stellenwert der kulturellen Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern und unterstütze im besonderen die Hochschulzusammenarbeit. Als Beispiel erwähnte er den Wunsch zu einer verstärkten Kooperation zwischen der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken und der, wie er sie nannte, Deutsch-Polnischen Universität in Frankfurt/Oder. Abschließend waren sich die drei Gipfelteilnehmer einig darüber, daß trotz der wahrzunehmenden Spannungen das Weimarer Dreieck wirksam und nützlich sei. III. Als Fazit verdient festgehalten zu werden, daß allein der Umstand des Abhaltens des Weimarer Gipfels in einer politisch turbulenten Zeit eine positive Signalwirkung hatte. Wenn in der Tat Konsultationen in heiklen Fragen, in denen Einigkeit zwischen Deutschland und Frankreich besteht, Polen nicht erst post factum einbezogen, sondern als gleichberechtigter Partner von vornherein in das Vertrauen gezogen wird, können Irritationen, wie sie unlängst auf beiden Seiten entstanden sind, vermieden werden. Die Abschlußarbeiten zum Europäischen Konvent und die Vorbereitung der Regierungskonferenz stellen bereits den nächsten Test für den erneit bekräftigten politischen Willen zu einer engen Verzahnung der Positionen der Länder des Weimarer Dreiecks dar. Dessen ungeachtet zeigt sich bereits jetzt, daß Polen für die USA der wichtigste strategische Partner in Mittelosteuropa geworden ist. Für Frankreich und Deutschland wird es gewöhnungsbedürftig sein, daß der deutsch-französische Motor künftig wohl nicht mehr wie in den Jahrzehnten zuvor, der Garant für eine stete Weiterentwicklung der Europäischen Union sein kann. Je nach Interessenlage werden wechselnde Allianzen of the willing nach der EU-Erweiterterung noch mehr als bisher die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern prägen. Vielleicht ist es diese Erkenntnis, die die Gipfelteilnehmer in Breslau in ihrer Presseverlautbarung zur Zukunft des Weimarer Dreiecks die unverbindliche Kannform wählen ließen und nicht eine stärkere affirmative Formulierung wie wird, soll oder muß : Das Weimar Dreieck kann als Forum des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den drei Partnern eine Impulse gebende, gestaltende Kraft im Dienst der erweiterten Union werden. Wie dem auch sei, die Zukunft des Weimarer Dreiecks scheint nach dem Gipfel von Wroclaw gesichert zu sein. Der mehrfach geäußerte Wille der Staats- und 7

Regierungschefs, daß ergänzend zu den verstärkten Konsultationen auf Regierungsebene eine größere Bürgernähe des Weimarer Dreiecks auf allen Ebenen und in der ganzen Breite des Lebens zu schaffen sei, kann als eines der wichtigsten Ergebnisse dieses Gipfels gelten. Auch die deutsch-französische Freundschaft hätte niemals die Qualität erlangt, wie sie unlängst bei den 40-Jahr- Feiern des Elysée-Vertrages immer wieder anerkannt wurde, wenn es nicht gelungen wäre, neben den bilateralen Gipfelgesprächen und Ministerrunden aller Art breite Segmente der Bürgergesellschaft in beiden Ländern für eine bilaterale Zusammenarbeit zu gewinnen. Auch das Weimarer Dreieck wird sich daran messen lassen müssen, inwieweit es diese Herausforderung zu seiner Sache macht. Zu Verwirklichung dieses Ziels wird das Komitee bestrebt sein, seinen Beitrag zu leisten. 8