Erfahrungen zum registergestützten ZENSUS 2011 aus Sicht der Erhebungsstelle München

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Transkript:

Autor: Roland Dolansky Erfahrungen zum registergestützten ZENSUS 2011 aus Sicht der Erhebungsstelle München In Heft 2 / 2007 dieser Reihe wurde bereits Sinn und Zweck des Zensus erläutert, auf die rechtlichen Grundlagen eingegangen, der Ablauf und die Beteiligung der Kommunen beschrieben sowie die bereits im Vorfeld aus der Sicht der Gemeinden auftauchenden Bedenken hinsichtlich der Organisation, der Ergebnisermittlung und der späteren Nutzung des Datenmaterials hingewiesen. Hier noch einmal kurz eine Zusammenfassung: Primärerhebungen beim registergestützten Zensus Möglichkeiten der Auskunftserteilung Arbeitsstättenzählung Zentrales Ziel ist Ermittlung der Einwohnerzahl Der registergestützte Zensus 2011 (ein Teil der Daten wird aus den vorhandenen Verwaltungsregistern übernommen) besteht aus folgenden Primärerhebungen: Gebäude- und Wohnungszählung bei allen Eigentümern postalische Vollerhebung Befragung von ca. 10% der Bevölkerung im Bundesgebiet Stichprobe mit Erhebungsbeauftragten Befragung aller in Sonderbereichen (z.b. Wohnheime jeder Art, Gemeinschafts- und Notunterkünfte) lebenden Personen Vollerhebung mit Erhebungsbeauftragten Zur Prüfung der Qualität der Stichprobenergebnisse im Hinblick auf die amtliche Einwohnerzahl führen die zuständigen statistischen Landesämter eine Wiederholungsbefragung mit einem Auswahlsatz von 5 bis10% bei den nach 7 Abs.3 ausgewählten Anschriften durch Stichprobe mit Erhebungsbeauftragten Befragung zur Feststellung des Wohnungsstatus nach 15 ZensG 2011 Befragung zur Klärung von Unstimmigkeiten nach 16 ZensG 2011. Die Auskunftspflichtigen hatten drei Möglichkeiten ihrer Auskunftspflicht nachzukommen: Befragung direkt durch Erhebungsbeauftragten Selbstständige Beantwortung der Fragebögen mit kostenpflichtiger Rücksendung per Post Auskunftserteilung via online-fragebogen. Auf eine Arbeitsstättenzählung, wie bei der letzten Volkszählung 1987, wurde diesmal verzichtet. Informationen zu diesem Bereich sollen heute durch das Unternehmensregister abgedeckt werden (dezentral in den Statistischen Ämtern der Länder geführte Statistikregister, welche zum Jahresende im Statischen Bundesamt zusammengeführt und ausgewertet werden). Gegenüber dem Zehn-Jahres-Rhythmus einer Volkszählung hat dies den Vorteil, dass dieses Register ständig fortgeschrieben wird und jährliche Auswertungen möglich sind. Der Nachteil für die Kommunen liegt in der sehr begrenzten Anwendbarkeit des Unternehmensregisters als kleinräumige Datenquelle, da Unternehmen mit Filialbetrieben ihre Meldungen zusammengefasst am Unternehmenshauptsitz melden können. Das zentrale Ziel des Zensus ist die Ermittlung der Einwohner mit Hauptwohnsitz zum Stichtag 09. Mai 2011. Diese, dann durch das Landesamt festgestellte und veröffentlichte Einwohnerzahl, ist Grundlage für eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen, u.a. auch die zum kommunalen Finanzausgleich. Insofern besteht in den Gemeinden ein berechtigtes Interesse, dass möglichst alle Einwohner korrekt erfasst werden. Statistisches Amt der Landeshauptstadt München 1

Ein Abgleich der Melderegister und der kommunalen Bevölkerungsstatistik mit den Zählungsdaten ist seit dem VZ-Urteil von 1983 nicht mehr zulässig, womit das Problem bleibt, dass die kommunale Statistik mit unbereinigten Daten arbeiten muss und damit Abweichungen zur amtlichen Statistik vorgegeben sind. Im Folgenden werden die Erfahrungen der Erhebungsstelle bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der einzelnen Arbeitsschritte dargestellt. Datengrundlage Stichprobenumfang Ermittlung der Einwohnerzahl Vorbereitungsphase Die Datengrundlage und somit die Grundgesamtheit für die Stichprobenziehung sollte durch eine Zusammenführung und Prüfung der im Gesetz festgelegten Verwaltungsregister (Daten der Meldebehörden, der Landesvermessungsbehörden und der Bundesagentur für Arbeit) zu einem Anschriften -und Gebäuderegister (AGR) gebildet werden. Bekanntermaßen multiplizieren sich bei der Vermengung unterschiedlicher Dateien erst einmal die Fehler. Es stellt sich also die Frage, welche Kriterien unter welchem Datensatz als richtig gewertet und in das Anschriften- und Gebäuderegister (AGR) übernommen wurden. Wie wurde bei Unklarheiten verfahren und woher kamen die Informationen, die eindeutige und richtige Entscheidungen ermöglichten? Wie können Gemeinden feststellen, ob alle relevanten Gebäude mit Wohnraum innerhalb der Stadtgrenzen in die Stichprobe einbezogen wurden? Diese Fragen blieben bisher unbeantwortet. Eine Überraschung erlebten die Erhebungsstellen nach Übermittlung der Stichprobenanschriften, bei denen z.t. erhebliche Anteile der Adressen unzutreffend waren. Bei Betrachtung dieser Fehlerquoten kommen Zweifel auf, ob das der Stichprobenziehung zugrunde gelegte Grundgesamt der Realität entspricht, was bedeutet, die Aussagen der Stichprobenergebnisse entsprechen nicht den Verhältnissen der realen Grundgesamtheit. Vor Verabschiedung der Gesetze zum Zensus wurden 550 Adressen je Gemeinde zu Grunde gelegt und versichert, dass diese Zahl für alle Kommunen zur Absicherung der Hochrechnung voll ausreichend ist ( Für den Nachweis zusätzlicher Merkmale würde eine Stichprobe von 550 Adressen je Gemeinde benötigt. Dies würde gleichzeitig die Genauigkeit der Schätzung der Einwohnerzahl erhöhen. Quelle: Zensustest, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 8/2004, S.827). Die Abgeordneten stimmten dem Gesetz zu, in der Annahme, dass lediglich 550 Adressen je Gemeinde befragt werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes änderten sich die Zahlen zum Stichprobenumfang und wurden mit der Zeit immer mehr nach oben korrigiert in München von 550 auf 5 800 Anschriften mit ca. 133 000 zu befragenden Einwohnern (Auswahlsatz von 9,61%). Schweinfurt hatte mit 20,1% den höchsten Auswahlsatz. Später wurden die Zahlen wieder nach unten korrigiert (München 4 536 Anschriften mit ca. 65 000 Einwohnern für die Haushaltsstichprobe). Trotz Halbierung liegt diese Zahl beträchtlich über der, die zu Beginn genannt wurde und aufgrund des Zensustestes 2001 als ausreichend erachtet wurde. Die Gründe für die enormen Schwankungen konnten vom Bundes- bzw. Landesamt nicht befriedigend beantwortet werden. Es wurde immer auf ein externes, wissenschaftliches Gutachten verwiesen, das den Gemeinden auch nach mehrfacher Anforderung bis heute nicht vorgelegt wurde. Die Organisations- und Vorbereitungsarbeiten zur Bereitstellung von Räumlichkeiten und Personal gestalteten sich durch die sich laufend ändernden Größen des Stichprobenumfangs äußerst schwierig. Aus kommunaler Sicht ist es von großer Bedeutung, dass die Methodik zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahl für die Gemeinden transparent und nachvollziehbar ist, wie dies auch im Gesetz verankert ist. Dazu gehört sowohl die Vorgehensweise bei der Stichprobenziehung, aber auch das Hochrechnungsverfahren, das von den Stichprobenergebnissen zu den Korrekturen an den Einwohnerzahlen führt. 2 Statistisches Amt der Landeshauptstadt München

Aufgrund des Volkszählungsurteils von 1983 kann das kommunale Melderegister mit den Zensusdaten nicht bereinigt werden. Die Einwohnerzahlen der amtlichen Statistik sind folglich nicht mit denen der kommunalen Melderegister vergleichbar und auch nachträglich nicht korrigierbar. Ein vom Statistischen Bundesamt in Auftrag gegebenes Gutachten sollte Aufschluss über den Stichprobenplan liefern und letztendlich auch die Vorgehensweise bei der Hochrechnung für die Gemeinden transparent machen. Schließlich muss den Kommunen ermöglicht werden, die später vom Statistischen Landesamt festgelegte Einwohnerzahl nachvollziehen zu können. Aus wissenschaftlicher Sicht müssen diese Verfahren vorab festgelegt sein. Bisher liegt das Gutachten den Gemeinden, trotz mehrfacher Anforderung, nicht vor. Durch die bisher mangelnde Transparenz sind nun bei den Gemeinden erhebliche Zweifel an dem Zensusverfahren aufgekommen. Dies wird auch durch einen Beitrag in der Schriftenreihe der Hochschule Speyer von Herrn Univ.-Prof. Dr. Mario Martini, Lehrstuhlinhaber an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, bestätigt. Er führt u.a. aus: Nach seiner methodischen Konzeption wird der Zensus 2011 große Gemeinden mit einer hohen Fluktuation der Bevölkerung und schlechter Registerqualität jedoch systematisch gegenüber solchen Gemeinden benachteiligen, deren Register eine hohe Übereinstimmung mit der Wohnrealität in der Gemeinde aufweisen (Quelle: Der Zensus 2011 als Problem interkommunaler Gleichbehandlung, Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 208, Verlag Duncker & Humblot Berlin 2011, S. 114). Gebäude- und Wohnungszählung Nutzung der erhobenen Daten Ein unschätzbarer Nutzen, die der Zensus den Städten und Gemeinden bieten könnte, ist der Aufbau eines kommunalen Gebäude- und Wohnungsregisters bei den abgeschotteten Statistikstellen in Gemeinden bzw. Landkreisen. Dafür müssen diesen Statistikstellen aber die Einzeldaten der Gebäude- und Wohnungszählung mit den kommunalen normierten Gemeindestraßenschlüsseln zurück übermittelt werden und die Nutzung dieser Daten über die Zwei-Jahresfrist hinaus bis zum nächsten Zensus möglich gemacht werden. Die Adressen als Einzeldaten mit Straße und Hausnummer sind für die Städtestatistik die wichtigsten Erhebungsmerkmale überhaupt. Leider sind diese nur als Hilfsmerkmale anerkannt und damit nach einer Frist zu löschen. Gleiches gilt auch für die Ergebnisse der Stichprobe sowie die der Sonderbereiche. Ein Abgleich mit bestehenden Registern zu Gebäuden und Wohnungen ist gesetzlich nicht zulässig. Damit wird der Nutzen, insbesondere für die Großstädte, stark eingeschränkt. Zehn-Jahres-Rhythmus Nutzung der erhobenen Daten Nachdem die EU vorsieht, dass alle zehn Jahre ein Zensus durchzuführen ist, ist eine Löschung der mühsam erhobenen Daten sowohl der Bürgerschaft als auch den mit der Bearbeitung befassten Dienstkräften besonders in Hinblick auf die entstehenden Kosten nicht einleuchtend zu vermitteln. Die Daten wären dann zwar nicht immer brandaktuell, aufgrund der aufwendigen Prüfungen und Bereinigungen bilden sie aber immerhin eine unschätzbare Datengrundlage auf der aufgebaut werden könnte und somit der neuerliche Aufwand erheblich reduziert werden könnte. In der Praxis bedeutet das: 2008 werden die ersten Daten für den Aufbau des Anschriften- und Gebäuderegisters geliefert, sukzessive erfolgt die Plausibilisierung, Ermittlung der Sondergebäude und neun Monate vor Zensusstichtag noch einmal ein letzter Abgleich mit aktuellen Daten aus dem Melderegister. Im Jahr 2011 müsste dann das vollständige Anschriften- und Gebäuderegister als Referenzdatei für sämtliche Erhebungen und die Organisation der Haushaltsstichprobe bereit stehen. Dieses bundesweite Leitband darf dann sechs Jahre gespeichert bleiben. Spätestens 2017 muss es dann jedoch gelöscht werden, um 2018 wieder mit dem Aufbau eben dieses Registers für den Zensus 2021 inkl. Plausibilisierung, Ermittlung der Sonderanschriften, etc. zu beginnen. Statistisches Amt der Landeshauptstadt München 3

Welche Erfahrungen haben zwischenzeitlich die Gemeinden bei der Durchführung der Zensusarbeiten gemacht und welche Eindrücke haben Erhebungsbeauftragte und Befragte bei den Erhebungen vor Ort gewonnen? Erfahrungen der Erhebungsstelle München bei den Befragungen Schulungen Softwareeinsatz Personaleinsatz 4 Die Intervieweranwerbung gestaltete sich in München gegenüber der letzten Zählung 1987 in allen Bereichen wesentlich schwieriger. Die Aufrufe zur Mitarbeit für dieses Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung fanden weder bei Behörden noch bei Privatpersonen ein großes Echo. Auf Zwangsverpflichtungen, wie sie das Gesetz vorsieht, konnte aber trotzdem verzichtet werden. Um die Durchführung des Zensus sicher zu stellen, konnte unter Mitwirkung unseres Herrn Oberbürgermeisters und der Zustimmung des Stadtrats erreicht werden, dass für städtische Bedienstete drei Tage Dienstbefreiung für die Erledigung eines Arbeitsbezirkes gewährt wurde. Nicht zuletzt wegen dieses Anreizes waren die meisten im Einsatz befindlichen Erhebungsbeauftragten städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Trotz intensiver Werbung bildeten Studenten, Ruheständler und sonstige Privatpersonen nur einen geringen Anteil am Erhebungspersonal. Jede Zählerin und jeder Zähler musste vor seinem Einsatz einen halben Tag an einer umfassenden Schulung teilnehmen, bei der über die Rechte und vor allem die Pflichten der Erhebungsbeauftragten aufgeklärt wurde sowie der Umgang mit den Organisations- und Erhebungsunterlagen erläutert wurde. Vorgesehen war, die Erhebungsunterlagen nach der Schulung den Erhebungsbeauftragten auszuhändigen. Aufgrund der nicht rechtzeitig gelieferten Unterlagen und der verspäteten Bereitstellung der erforderlichen Programme war dies leider nicht möglich, sodass die Betroffenen noch einmal zur Abholung erscheinen mussten. Dankenswerter Weise trugen sie es mit Fassung, wenngleich doch einige ihre Koffer nicht mehr abholten und wir uns um Ersatz bemühen mussten. Einsatz der Software von IT-NRW (Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen) Zahlreiche Überraschungen bereitete die von IT-NRW zur Verfügung gestellte Software. Alle Erhebungsstellen mussten dieses Tool einsetzen und die Organisationspapiere für jeden Zählbezirk gesondert drucken und zusammenstellen. Neben der viel zu späten Bereitstellung der einzelnen Programmteile bereitete die Funktionalität und die Performance erhebliche Probleme. Diese Probleme setzten sich auch bei den weiteren Bearbeitungsschritten, trotz zahlreicher Wartungsfenster, fort und behindern nach wie vor die einzelnen Arbeitsschritte in der Erhebungsstelle. Damit war und ist die zur Verfügung gestellte Software, neben der Stichprobenziehung und der Hochrechnung der Einwohnerzahl, der größte Unsicherheitsfaktor des Zensus 2011. Generell wurde der Personaleinsatz bei den Erhebungsstellen durch das Landesamt zu gering eingeschätzt. Dies dürfte vor allem aus Kostengründen erfolgt sein. Vertreter der Städte und des Bayerischen Städtetags haben dies mehrfach moniert, konnten aber nur einen Teilerfolg erzielen und die zugrunde gelegten Bearbeitungszeiten für einzelne Arbeitsschritte etwas nach oben korrigieren. Die Gemeinden haben versucht den höheren Arbeitsanfall durch mehr Personal aufzufangen, durch die Softwareprobleme und -ausfälle ist der gewünschte Erfolg beim Bearbeitungsfortschritt jedoch ausgeblieben. Nachdem sich der gesamte Zeitplan des Zensus nach hinten verschoben hat, ist zu befürchten, dass die Erhebungsstellen die vorgesehenen Abgabetermine nicht rechtzeitig einhalten können. Trotz der skizzierten Probleme konnten wir uns stets mit unseren Anliegen an das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung wenden und auf deren Unterstützung bauen. Auf die mangelhaften Programme konnte die bayerische Behörde jedoch auch keinen Einfluss nehmen; sie ist auch Leidtragende dieser Entwicklung und bemüht sich weitgehend um Schadensbegrenzung. Statistisches Amt der Landeshauptstadt München

Befragungen Die Befragungen bei den Haushalten und den Sonderbereichen sind größtenteils abgeschlossen. Gegenüber der letzten Zählung gab es kaum Proteste gegen das Zählungswerk und dementsprechend wenig Verweigerungen. Dies mag verschiedene Gründe haben, u.a.: nur ein kleiner Teil der Haushalte wurde befragt, sodass nur wenige Bürgerinnen und Bürger persönlich davon betroffen waren es hat in der Gesellschaft offenbar ein Bewusstseinswandel stattgefunden, insbesondere bei der Generation, die mit Computern, Handys und der elektronischen Datenverarbeitung aufgewachsen ist. Berührungsängste hinsichtlich der heutigen technischen Möglichkeiten gibt es speziell bei der jüngeren Generation kaum noch, da sie weitgehend mit der Technik vertraut ist und durchwegs eine positive Einstellung zum Datenaustausch, vor allem bei der Nutzung sozialer Netzwerke hat. Nach den bisherigen Erkenntnissen gibt es wenig aktive Verweigerer, aber zahlreiche Haushalte, die nicht angetroffen wurden. In diesen Fällen muss die Erhebungsstelle schriftlich Kontakt mit den Haushalten aufnehmen, was zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet. Ferner wird es zunehmend schwieriger, die Verhältnisse zum Stichtag 09. Mai 2011 rückwirkend aufgrund hoher Fluktuation und Anonymität zu ermitteln. Nach dem derzeitigen Stand wurden ca. 80% der ausgefüllten Fragebogen über die Erhebungsbeauftragten geliefert. Der Rest teilt sich etwa zu gleichen Teilen auf schriftliche, postalische Beantwortung und online Beantwortung durch die Auskunftspflichtigen. Zwei kurze Erfahrungsberichte von Erhebungsbeauftragten über die Feldarbeit Erfahrungen als Erhebungsbeauftragter bei den Befragungen im Rahmen der Haushaltstichprobe Bevor ich überhaupt meine ehrenamtliche Aufgabe als Erhebungsbeauftragter wahrnehmen konnte, musste ich zunächst an der Schulung im Statistischen Amt teilnehmen. Freundlich aber bestimmt ging es in einem etwa 3 ½ Stunden dauernden Crash-Kurs um Paragraphen und Bestimmungen, Rechte und Pflichten von Befragten und Erhebungsbeauftragten, um etwaige Probleme, die während der Befragungen ggf. auftreten könnten. Bei einigen Storys standen mir dann tatsächlich die Haare zu Berge. Sie müssen nicht in die Wohnung rein, sagte die Schulungsleiterin, wenn Sie gleich beim Aufmachen ein mulmiges Gefühl haben. Na Klasse, so ein Anthony Perkins-Typ kann also auch dabei sein, dachte ich mir und versuchte dabei die Szenen aus einem weltbekannten Gruselklassiker aus dem Kopf zu bekommen. So hatte ich ehrlich gesagt ein recht unbehagliches Gefühl, als ich das erste Mal zu einem im Voraus vereinbarten Termin das Haus eines Auskunftspflichtigen betrat. So fühlt sich also ungefähr ein Staubsaugervertreter, der bei fremden Leuten an der Tür klingelt, dachte ich mir und hatte plötzlich ziemlichen Respekt vor diesem Beruf. Um es vorweg zu nehmen, ich hatte Glück. Gleich die erste Anschrift, die ich abarbeiten wollte, war wider Erwarten gerade zu von freundlichen Münchner und Münchnerinnen gespickt. Sicher half auch der Umstand, dass ich die Befragungen in dem Stadtteil durchführte, in dem ich auch aufgewachsen bin. So ertappte ich mich allen anfänglichen Ängsten zum Trotze das ein oder andere Mal auch schon dabei, wie ich mit so manch einem Befragten über alte Zeiten in dem Viertel schwelgte. Mei, sie san so nett...mögen S' no a Schoklaad, bevor S' genga? meinte dann sogar eine Dame, als ich kurz davor war zum nächsten Nachbarn aufzubrechen. Tja, am ersten Tag war also die Welt noch heil...! Am nächsten Tag waren dann aber doch zähe Verhandlungen gefragt. Ein Anruf auf meinem Handy. Ich möchte, dass Sie auf keinen Fall kommen, geschweige denn, dass ich Ihnen aufmache und in meine Wohnung rein lasse, tönte es aus dem Mobiltelefon. Statistisches Amt der Landeshauptstadt München 5

Aber ich muss Ihnen doch zumindest die Fragebögen persönlich überlassen erwiderte ich. Nein, auf keinen Fall. Erst vor kurzem haben zwei junge Männer mit einer Pistole versucht in unser Haus reinzukommen und nur meiner Vorsicht ist es zu verdanken, dass nichts passiert ist. Ich hab die nämlich von unserem Balkon aus beobachtet und ihnen nicht aufgemacht. Mehrere Runden an Überzeugungs- und Überredungsarbeit später hatte ich die Dame dann doch umgestimmt. Der Kompromiss bestand darin, dass ich das Interview im Treppenhaus mit ihr führen durfte. Dass die Dame dann plötzlich wie aus dem Nähkästchen plauderte und so manch ein Nachbar ohne weiteres mitlauschen konnte, war dabei plötzlich nebensächlich. Das Eis war durch gegenseitige Sympathie gebrochen und ich erfuhr vom erst vor kurzem verstorbenen Ehemann, der eine liebevoll eingerichtete und wertvolle Bierkrug- und Münzsammlung in der Wohnung hinterlassen hat, den vielen gemeinsamen Urlaubserlebnissen der Eheleute in Griechenland... und auf einmal sah ich Tränen in den Augen meines Gegenüber. Letztendlich sind die Befragten auch nur Menschen wie du und ich, dachte ich mir im Stillen, mit all Ihren Gefühlen, Träumen, Schwächen, Problemen, Wünschen, Hoffnungen und Erinnerungen. Dieser Gedanke war für mich sehr beseelend und gab meiner Motivation in den nächsten Wochen einen neuen Schub. Auch in den folgenden Tagen, an denen ich im Stadtteil als Erhebungsbeauftragter unterwegs war, gab es immer wieder dieses Auf und Ab der Gefühle. Der Zensus wurde von einigen Menschen mit sehr viel Skepsis und Argwohn aufgenommen. Ich musste mich bei so mancher Befragung beim Ausfüllen des Fragebogens das eine oder andere Mal mit dem Fensterbrett im Treppenhaus, oder sogar dem Treppchen im Eingangsbereich begnügen. Oft musste ich Argumente zum Sinn und Zweck des Zensus vorbringen und hier und dort auch mal die bittere Pille schlucken, dass zu einer Frage trotz Auskunftspflicht schlicht und ergreifend die Aussage verweigert wurde. Diese Menschen verstanden nicht, wieso der Staat der ja eh alles zu wissen scheint den Datenschutz missachtet und schon wieder nachhakt, ausspioniert und Informationen einfordert. Doch manchmal sorgten dann die Fragen im Fragebogen selbst dafür, dass sich so manch angespannte Situation in Wohlwollen auflöste. So musste ich z.b auch Rentner fragen, ob Sie (O-Ton):...in der Woche vom 9. bis 15. Mai 2011 Schüler waren.... Nach einem breitem Grinsen kamen dann schmunzelnde Antworten in der Art: Ja, kurz nach'm Kriag, oder Naa, da war i no im Kindergarten. Die positiven Erlebnisse und das möchte ich betonen überwogen deutlich. Der Großteil der Befragten zeigte Verständnis für den Zensus, da relativ unprekäre Informationen von ihnen verlangt wurden. Die Arbeit als Erhebungsbeauftragter hat mir persönlich sehr viel Spaß gemacht und viele schöne Erfahrungen und Eindrücke geschenkt. Ich hatte durch meine Arbeit das Privileg viele Menschen in Ihrem Allerheiligsten ihrer Wohnung zu besuchen. Das Bild von den vielen jungen Familien mit Ihren Kleinkindern, die uns durch ihre brabbelnden und quietschenden Zwischenrufe während der Interviews zum Lachen gebracht haben, hat sich bei mir für immer eingeprägt. Familie, Kinder und Lachen, ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft dieses Landes. Ioannis Mirissas Erfahrungen bei der Erhebung in Sonderbereichen Als Erhebungsbeauftragte, sprich Interviewerin, war ich in einem Blindenheim und in den dazugehörigen Personalwohnungen für die Zensus- Erhebung 2011 tätig. Bei meinem Erstkontakt mit der Einrichtungsleiterin händigte ich ihr die auszufüllende Liste für die Heimbewohner persönlich aus. Die Bewohner durften und konnten aufgrund ihrer Behinderung nicht direkt von mir befragt werden. Dieser erste Schritt war recht einfach und unkompliziert zu erledigen. 6 Statistisches Amt der Landeshauptstadt München

Nun waren die Personalwohnungen dran. Hierfür kündigte ich meinen Besuch eine Woche vorher in einem Erstankündigungsschreiben bei den Bewohnern an. Da der Fragebogen nur eine kurze Variante des langen Fragebogens bei der Haushaltsstichprobe darstellte, ging das Ausfüllen recht zügig. Es wurden Namen, Geburtsdatum- und Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Einzugsdatum in die Wohnung und die vorwiegende Benutzung der Wohnung erfasst. Nach Beendigen des Ausfüllens des Fragebogens wurde oft die Frage gestellt: Wie jetzt, das war's schon? Die Meisten hatten sicherlich viel mehr Fragen erwartet. Sehr oft kam auch die Frage auf: Und wozu ist das alles; was wird damit gemacht? Alle Befragten waren sehr höflich und zuvorkommend und baten mich zur Befragung zum Teil auch in ihr kleines Appartement In einem Fall wurde die Tür nach meinem Klingeln erst ein wenig später geöffnet und es trat mir ein sehr verschlafener Mann in Boxershorts entgegen. Ich erklärte ihm kurz, dass ich Zensus-Interviewerin bin und jetzt einen Termin für seine Befragung in meinem Schreiben angekündigt habe. Er hatte den Termin völlig vergessen und nachdem er sich gesammelt hatte, beantwortete er schnell all meine Fragen und fiel danach bestimmt wieder in einen tiefen Schlaf. Bei zwei anderen zu befragenden Personen, die das Ankündigungsschreiben leider (noch) nicht gelesen hatten, konnte ich nur durch einen Handyanruf einen kurzfristigen Termin vereinbaren. Am Telefon war es natürlich schwieriger für mich zu erklären, in welcher Funktion ich anrufe. Ich persönlich wäre in dieser Situation genauso skeptisch und misstrauisch gewesen per Telefon zum ersten Mal mit der Zensus-Befragung konfrontiert zu werden. Zunächst war der telefonisch erreichte Bewohner erst einmal verwirrt: Zensus? Noch nie gehört. Was ist das? Nach kurzer Beantwortung, wollte er wissen, ob die Fragen wirklich beantwortet werden müssen, da er sich momentan sehr im Lernstress befinde. Meine Antwort wies ihn auf seine Auskunftspflicht und bei Nichteinhaltung auf ein Zwangsgeld ab 300 Euro hin. Sofort stimmte er einem Termin noch am selben Abend zu und war bei unserer Befragung dann doch sehr aufgeschlossen. Insgesamt gesehen war die Zensus-Befragung für mich eine interessante Erfahrung, die mir auch einen kleinen Einblick in die Welt der Menschen, die in Heimen wohnen, geben konnte. Adriana Wenzlaff Zusammenfassung Anstelle einer primärstatistischen Erhebung wie bei der Volkszählung 1987 hat sich das Statistische Bundesamt für die EU-weite Zählung 2011 entschieden, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen und einen registergestützten Zensus durchzuführen. Gegen diesen Schritt ist aus kommunaler Sicht nichts einzuwenden, sofern die Vorgehensweise für die Kommunen nachvollziehbar gestaltet wird. Die sprunghaft ansteigende Stichprobengröße hat natürlich Auswirkungen auf die Gesamtkosten des Zensus. Die beim Zensus 2011 zu ermittelnde amtliche Einwohnerzahl muss rechtssicher sein. Sollten die oben erwähnten Schätz- und Hochrechnungsverfahren zur Anwendung kommen, ist es unverzichtbar, sie an diesem Ziel auszurichten und transparent zu machen. Leider ist das Statistische Bundesamt den Aufforderungen der kommunalen Verbände diesbezüglich nicht gefolgt, ebenso wenig bei der Auswahl der zu befragenden Merkmale. Durch die Beschränkung auf die EU-Merkmale wurde eine große Chance vergeben, mit geringstem Aufwand zu einem Mehrwert an wichtigen Informationen zu gelangen z.b.: die Miethöhe. Die Miethöhe ist für die Kommunen eine wichtige Information, wenn sie flächendeckend als Erhebungsmerkmal im Rahmen der GWZ zur Verfügung steht. Statistisches Amt der Landeshauptstadt München 7

Damit lassen sich daraus wertvolle Informationen für die kleinräumige Situation des Wohnungsmarktes gewinnen. Im Gegensatz zu Mietspiegeln, bei denen nur die überdurchschnittlich hohen Neuvermietungen als Auswahlgrundlage herangezogen werden, würden hierbei flächendeckend Bestandsmieten ermittelt. Derzeit gibt es keinerlei umfassendes aktuelles Datenmaterial zur Miethöhe des Wohnungsbestandes. Informationen zu Pendlerströmen. Kleinräumige Darstellungen der Verkehrsströme von Ein-, Aus- und innerstädtischen Berufs- und Ausbildungspendlern. Die Zählergewinnung (ca. 1 400 Personen) gestaltete sich in München sehr schwierig. Neben den städtischen Bediensteten wurden auch Landesbehörden aufgefordert geeignetes Personal zu benennen, allerdings mit wenig Erfolg. Die Durchführung der Befragungen selbst bereitete den meisten Erhebungsbeauftragten keine Probleme und auch die Auskunftspflichtigen waren sehr aufgeschlossen und kooperativ. Der Nutzen für die Gemeinden läge vorwiegend in der Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ), die als postalische Vollerhebung von den Landesämtern durchgeführt wird. Die hier auf kleinräumiger Basis (adressenscharf) gewonnenen Daten eröffnen eine Vielzahl erkenntnisreicher Analysemöglichkeiten, die jedoch durch das knappe Zeitfenster von längstens zwei Jahren mit anschließender gesetzlich vorgeschriebener Löschung qualifizierte Auswertungen erschwert. Ebenso wird damit eine permanente Nutzung der GWZ-Daten für den Aufbau bzw. die Pflege einer kommunalen Gebäude- und Wohnungsdatei ausgeschlossen. Die Unzulänglichkeiten bei der Vorbereitung des Zensus führten nicht nur zu zeitlichen Verzögerungen bei den Lieferungen der Daten- und Erhebungsunterlagen an die Erhebungsstellen, sondern auch zu beträchtlichem Mehraufwand für die Erhebungsstellen. Diese mussten versuchen, die Unterlagen für die stichtagsbezogene Befragung noch rechtzeitig bereitzustellen und alle Erhebungsbeauftragten in 50, ca. 3 ½ stündigen Einführung zu schulen. Speziell die zwingend zu nutzende Software bereitete erhebliche Probleme, die sich auch im weiteren Verlauf der umfangreichen Nachbearbeitung fortsetzen. Bei den Anwendern der widerspenstigen IT-Lösung drängt sich die Frage auf, ob eine rein händische Bearbeitung der Unterlagen nicht deutlich schneller, kalkulierbarer und kostengünstiger gewesen wäre. Durch die bisher mangelnde Transparenz des gesamten Verfahrens wird der Ermittlung und der Festlegung der amtlichen Einwohnerzahl mit großer Skepsis begegnet. Auch die vom Landesamt NRW zur Verfügung gestellten, nicht performanten Programme haben zu dieser Haltung beigetragen, nachdem im Vorfeld ständig versichert wurde, dass die Funktionalität und die permanente Verfügbarkeit der Software gesichert sind. Aufgrund der anhaltenden und vielfältigen technischen Probleme ist ferner zu befürchten, dass auch bei der weiteren Verarbeitung der Daten, besonders bei der für jede Gemeinde gesondert höchst komplexen Hochrechnung der Einwohnerzahlen Probleme auftauchen, die dann allerdings für die Gemeinden nicht so offensichtlich in Erscheinung treten. Die Vorankündigung der Landesämter, dass insbesondere die Großstädte mit massiven Einwohnerverlusten zu rechnen haben, trägt zusätzlich zur Verunsicherung der Gemeinden bei. Aufgrund der angesprochenen Unzulänglichkeiten werden wir die vom Landesamt festgestellte Einwohnerzahl soweit möglich einer kritischen Prüfung unterziehen. 8 Statistisches Amt der Landeshauptstadt München