Rechtliche Vorsorge für den Krankheits- oder Pflegefall Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung Vortrag BAGSO-Fachtagung An die Zukunft denken Bonn, 13. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche Referent beim SoVD
Rechtliche Vorsorge - Überblick 1. Inhaltliche Abgrenzung Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung 2. Patientenverfügung Inhalt, Regelungsumfang, formelle Anforderungen 3. Vorsorgevollmacht Inhalte, Regelungsumfang, formelle Anforderungen 4. Betreuungsverfügung Inhalte, Vor- und Nachteile 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 2
1. Inhaltliche Abgrenzung Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 3
Zur Abgrenzung Patientenverfügung WAS möchte ich? Ich lege meine medizinischen Behandlungswünsche vorab inhaltlich fest. Vorsorgevollmacht WEN möchte ich? Ich lege fest, wer mich vertreten soll, wenn ich selbst nicht mehr entscheiden kann. Betreuungsverfügung WER soll im Fall einer gerichtlich angeordneten Betreuung zu meinem Betreuer bestellt werden? 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 4
2. Die Patientenverfügung 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 5
Was ist eine Patientenverfügung? Verfügung zu medizinischen Behandlungswünschen Betrifft nicht Basisversorgung. Erstellt vorab für Fall der Einwilligungsunfähigkeit Betrifft nicht unmittelbar bevorstehende Behandlungen. Gilt in jedem Krankheitsstadium, 1901a III BGB Ich selbst entscheide vorab, was medizinisch getan und unterlassen werden soll, wenn ich mal nicht mehr entscheidungsfähig sein sollte. 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 6
Vorteile einer Patientenverfügung? Sichert Selbstbestimmung: Nicht andere entscheiden, sondern ich selbst entscheide durch Vorabverfügung. Bindet alle Akteure (Arzt, Pflegepersonal, Angehörige); 1901 a BGB. Gilt in jedem Krankheitsstadium; 1901a III BGB. Inhaltliche Hilfe für schwere Entscheidungen, die Angehörige im Fall der Fälle treffen müssen. Keine Pflicht zur Erstellung! 1901 a IV BGB. 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 7
Formelle Anforderungen für eine wirksame Patientenverfügung Volljährigkeit des Verfassers (18 Jahre) Einwilligungsfähigkeit (Vollbesitz der geistigen Kräfte) Schriftform (besser: gesamtes Dokument selbst verfassen nur als Ankreuzformular verwenden) Unverzichtbar: eigenhändige Unterschrift (mit Ort und Datum) 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 8
Inhaltliche Anforderungen für die Wirksamkeit der Patientenverfügung Grundregel: So konkret wie möglich! Nur konkrete Beschreibung von Behandlungssituationen und Behandlungswünschen sichert rechtliche Bindungswirkung. Konkret Lebens-/Behandlungssituation (WANN) Behandlungswünsche (WAS) 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 9
Mögliche konkrete Inhalte für Patientenverfügung Konkrete Lebens- und Behandlungssituation Sterbephase Tödliche Krankheit Konkrete Krankheit Gehirnschädigung + unwiederbringliche Kontaktaufnahmeunfähigkeit Fortgeschrittener Hirnabbauprozess (z.b. Demenz), der eigenständige Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich macht Konkrete Behandlungs-/ Nichtbehandlungswünsche Lebensverlängernde Maßnahme Bewusstseinsbeeinträchtigende Mittel Künstliche Ernährung/Flüssigkeitszufuhr Wiederbelebung Künstliche Beatmung Dialyse Antibiotika (ja/nein), oder nur zur Beschwerdelinderung Ergänzende alternative Behandlungen Wechselwirkung zu Organspende; Obduktion 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 10
Rechtliche Vorsorge - Weitere (mögliche) Inhalte für Patientenverfügung Beratung sehr anzuraten, sollte auch in der Verfügung dokumentiert werden (Arzt, Jurist, Beratungsstelle) Aktualisierung anzuraten, Aktualisierungsvermerk in Verfügung aufnehmen (Widerruf jederzeit möglich) Vertrauenspersonen benennen (sie kann Inhalte durchsetzen und ggf. Regelungslücken ausfüllen) Eigene Wertevorstellungen mit aufschreiben (liefern Auslegungshinweise, auch für den mutmaßlichen Willen) Wünsche zum Sterben (Wer soll mich begleiten? Wo möchte ich sterben?) 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 11
Rechtliche Vorsorge - Notwendige abschließende Regelungen für Patientenverfügung Verbindlichkeitserklärung: Wille unterstreichen, dass Verfügung a) von allen zu beachten ist und b) Auslegungshinweis für Ermittlung des mutmaßlichen Willens gibt, ggf. Willen zur Einholung einer streitentscheidenden Meinung unterstreichen Betonung, dass von Nichtwiderruf auszugehen ist, solange kein anderer Wille deutlich erkennbar wird Schlussformel: Erklärter Verzicht auf weitere ärztliche Aufklärung, Tragweitenbewusstsein, Hinweis auf absolute Freiwilligkeit (ohne Druck erstellt), Vollbesitz der geistigen Kräfte, ggf. Hinweis auf Beratung WICHTIG: Eigenhändige Unterschrift mit Ort und Datum 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 12
Rechtliche Vorsorge - Mögliche Ergänzungen in/für Patientenverfügung Ggf. Bestätigung des Vollbesitzes der geistigen Kräfte (durch Arzt) Ggf. Hinweis auf erfolgte Beratung (durch Arzt, Jurist, Beratungsstelle o.a. ) Ggf. Hinweis auf vorhandene Kopien der Patientenverfügung (Wer hat sie? Wo sind sie?) Ggf. Aktualisierungsvermerke in der Patientenverfügung Dringend anzuraten: Hinweiskärtchen für das Portemonnaie, um Auffinden der PV abzusichern! 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 13
Rechtliche Vorsorge - WICHTIG: Ergänzung zur Patientenverfügung Eine Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte Person kann der Patientenverfügung eine Stimme geben (auch Auslegungshinweise) Ist Patientenverfügung teilweise/vollständig unwirksam oder fehlen Aussagen zu vorliegenden Lebens-/ Behandlungssituationen, kann bevollmächtigte Person einspringen und diese Lücke füllen (mutmaßlichen Willen durchsetzen helfen) 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 14
3. Die Vorsorgevollmacht 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 15
Was ist eine Vorsorgevollmacht? Bestimmung meines Vertreters für den Fall der Fälle WER soll mich in rechtlichen Angelegenheiten vertreten, wenn ich selbst nicht mehr entscheiden kann? 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 16
Vorteile einer Vorsorgevollmacht Sichert Selbstbestimmung Meine Wünsche in vertraute Hände Ich entscheide selbst: Wer soll mich vertreten? Wie viele Vertrauenspersonen möchte ich? In welchen Bereichen und in welchem Umfang soll mich eine Vertrauensperson vertreten? Welche eigenen Wünsche, Werte möchte ich berücksichtigt sehen? Welche Vorkehrungen gegen Missbrauch sind mir wichtig? WICHTIG: Es gibt kein automatisches Vertretungsrecht unter Ehegatten. Im Fall der Fälle käme es immer zu einer (gerichtlich angeordneten) Betreuung. Verhindern kann das nur eine Vorsorgevollmacht! 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 17
Formelle Anforderungen an Vorsorgevollmacht Volljährigkeit des Verfassers (18 Jahre) Volle Geschäftsfähigkeit (Vollbesitz der geistigen Kräfte) Schriftform (Ankreuzformular möglich) Höchstpersönliche Unterschrift unter dem Dokument Spezielle Formvoraussetzungen im Einzelfall: Beglaubigung (Notar/Betreuungsbehörde bestätigt Echtheit der Unterschrift): nötig für Erklärungen ggü. Grundbuchamt/Erbausschlagung Notarielle Beurkundung (Inhaltsprüfung des Dokuments): notwendig bei unwiderruflichem Kaufvertrag über Immobilie bzw. Verbraucherkredit 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 18
Inhaltliche Anforderungen an Vorsorgevollmacht Grundregel: Inhalte können frei bestimmt werden! Empfehlung aber: Generalvollmacht = Vollmacht in allen rechtlichen Angelegenheiten Zusätzlich ausdrücklich zu nennen (sofern erwünscht): Medizinisch riskante Eingriffe (+ gerichtliche Genehmigung) Freiheitsentziehende Unterbringung (+ gerichtliche Genehmigung) Organspende 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 19
Inhaltlich mögliche Bereiche für Vorsorgevollmacht Gesundheitsangelegenheiten (Behandlungsinhalte) Aufenthaltsbestimmungsrecht (Wohnort) Behördenangelegenheiten (Beantragungen) Vertragsangelegenheiten (Post, Telekom, Miete) Gerichtliche Vertretung Kontoangelegenheiten ACHTUNG: Viele Banken fordern zusätzlich hausinterne Konto-/Depotvollmacht! 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 20
Wissenswertes und Beachtenswertes 1. Wirksamkeit der Vollmacht Empfohlen: Keine zeitliche Einschränkung D.h. Geltung ab Ausstellung der Urkunde nicht nur auf den Fall der Fälle beschränken (behindert Geltung im Rechtsverkehr) auch über Tod hinaus (sonst Lebendbescheinigung erforderlich) Widerruf möglich, dann Dritte informieren und Urkunde zurückfordern Zu bedenken: Geltung ab sofort ermöglicht Vollmacht ab sofort (Missbrauch) 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 21
Wissenswertes und Beachtenswertes 2. Missbrauchsschutz prüfen Inhaltlich unbeschränkte und zeitlich unbegrenzte Vollmacht ermöglicht Missbrauch, mögliche Schutzmöglichkeiten: Nur absolute Vertrauenspersonen bevollmächtigen Originalvorlage verfügen Gemeinschaftliche Vertretung erwägen (beide Bevollmächtigte müssen sich immer einig sein bei Verfügungen) Geteilte Aufgaben zuweisen an mehrere Bevollmächtigte Hinterlegung der Urkunde bei Dritten (Notar, Arzt ) Kontrollbevollmächtigung (Dritter darf Vollmacht widerrufen) Statt Vollmacht: Betreuungsverfügung (Gericht kontrolliert Betreuer) 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 22
Wissenswertes und Beachtenswertes 3. Beratung Rechtlich nicht zwingend vorgeschrieben, aber empfohlen Beratung durch Notar, Betreuungsvereine (nicht SoVD) Besonders empfohlen: Bei großem Vermögen und bei Bevollmächtigung mehrerer Personen 4. Auffinden sichern Hinweiskärtchen im Portemonnaie Anzeige/Registrieren bei Bundesnotarkammer Hinterlegung zu Hause/bei Dritten (z.b. Notar) Aufbewahrungsort mit Bevollmächtigten besprechen! 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 23
Wissenswertes und Beachtenswertes 5. Wertevorstellungen/inhaltliche Anweisungen Wünsche-Brief möglich, aber extra formulieren, um Wirkungseinschränkungen der Vollmacht zu vermeiden (Infragestellen im Rechtsverkehr) Bsp. Pflegeheimwünsche, religiöse Ansichten, Mitgliedschaften Eröffnet Hilfen für Bevollmächtigten Zusätzlich Betreuungsverfügung erwägen Vollmacht immer mit bevollmächtigter Person gemeinsam besprechen (Überforderung vermeiden, Hilfen durch Betreuungsvereine) WICHTIG: Zusätzlich Patientenverfügung erwägen! 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 24
4. Die Betreuungsverfügung 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 25
Ziel einer Betreuungsverfügung Beeinflusst Auswahl des Betreuers im Falle gerichtlich angeordneter Betreuung, Gericht muss Betreuer-Wünsche beachten Verhindert Bestellung unerwünschter/unbekannter Betreuer Vorteile gegenüber Vorsorgevollmacht Betreuer wird vom Gericht überwacht, Bevollmächtigter wird nicht durch Gericht überwacht Nachteile gegenüber Vorsorgevollmacht Verhindert gerichtlich angeordnete Betreuung nicht; Betreuung (früher: Entmündigung) wird von vielen als Stigma empfunden Empfehlung: Betreuungsverfügung zumindest neben der Vorsorgevollmacht mit ausstellen 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 26
Anforderungen an Betreuungsverfügung Geschäftsfähigkeit des Verfassers (Volljährigkeit, Vollbesitz der geistigen Kräfte) Schriftliche Abfassung empfohlen (Formularnutzung möglich) Höchstpersönliche Unterschrift (mit Ort und Datum) Begrenzung auf erforderliche Betreuung Benennung von Erstwunsch-Betreuer und ggf. auch Zweitwunsch- Betreuer Möglich: Ausdrücklicher Ausschluss bestimmter Personen von Betreuung ( Auf gar keinen Fall soll. bestellt werden. ) Besondere Wünsche zur inhaltlichen Wahrnehmung der Betreuung möglich 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 27
Weitere Hilfen Die Broschüren des SoVD Broschüre zur Patientenverfügung (ohne Formularvordruck, aber mit vielen Formulierungshilfen) Broschüre zur Vorsorgevollmacht (mit Formularvordrucken zur Vorsorgevollmacht und auch zur Betreuungsverfügung) 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 28
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 18. November 2013 Fabian Müller-Zetzsche, Referent 29