Klinisch-ethische Entscheidungen am Lebensende Medizin des Alterns und des alten Menschen

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Transkript:

Klinisch-ethische Entscheidungen am Lebensende Medizin des Alterns und des alten Menschen Dr. med. Alena Buyx, M.A. Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin Von-Esmarch-Str. 62 48149 Münster buyxale@ukmuenster.de

Entscheidungen am Lebensende Rahmenbedingungen Derzeit sind 22,4% von 82 Millionen (18,4 Millionen) > 60 Jahre alt (2020: 29%) Mit dem Alter steigen Inzidenz- und Prävalenz- Zahlen insbesondere schwerer und chronischer Erkrankungen (kardiovaskulär, Diabetes, muskuloskelettal, Karzinome, Demenzen usw.) Multimorbidität: 96% der 70plus haben mind. eine behandlungsbedürftige Erkrankung, 30% haben fünf und mehr Erkrankungen

Entscheidungen am Lebensende Rahmenbedingungen Die meisten Menschen verbringen ihren letzten Lebensabschnitt im Krankenhaus oder in einer Pflegeeinrichtung Über 70% aller Deutschen sterben nicht zu Hause (Tendenz steigend) Was bedeutet das alles für Sie? In den meisten ärztlichen Fachrichtungen: sehr viele alte, kranke, sterbende Menschen viele Entscheidungen am Lebensende

Entscheidungen am Lebensende Rahmenbedingungen Vielfältige Möglichkeiten, jenseits kurativer Therapie Lebensqualität zu erhöhen Leben zu erhalten/zu verlängern Sterben hinauszuzögern Viele Entscheidungen am Lebensende sind nicht mehr vorwiegend klinisch-medizinischer, sondern klinisch-ethischer Art wann soll wie gestorben werden? Mögliche Probleme/Konflikte: Mangel an Informationen Spannung zwischen Selbstbestimmung von Patienten und ärztlicher Fürsorge

Ethische Leitwerte für klinische Entscheidungen Patienten-Autonomie 1. Einwilligung jetzt für jetzt (informed consent) 2. Vorausverfügung jetzt für später 3. Mutmaßungen über den früheren Willen 4. Stellvertreterentscheidungen ohne Willens-Indizien (Pat.-Wohl) Fürsorge-Prinzip

Arten von Vorausverfügungen 1) Inhaltliche Patientenverfügungen (PV) Vorausgreifende Willenserklärung 2) Vorsorgevollmacht (VV) Bevollmächtigung einer Vertrauensperson 3) Betreuungsverfügung (BV) Vorschlag für Betreuer Vorausverfügungen sind sinnvoll für Patienten: Mit chronischer Erkrankung Mit infauster Diagnose Im höheren Lebensalter

Regelungsinhalte von Vorausverfügungen Formal: Stellvertreterbestimmung (VV und BV) Inhaltlich: Wünsche im Vorgriff auf künftige Entscheidungsunfähigkeit (PV): (1) (differenzierter) Therapieverzicht - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - (2) besondere Therapien (3) Schmerztherapien (4) individuelle Wünsche

Bindungskraft von Patientenverfügungen Vorweg: Eine PV ist grundsätzlich bindend! Der in einer PV geäußerte Wille des Patienten ist grundsätzlich verbindlich, deshalb dürfen sich Ärzte nicht über die in einer PV enthaltenen Willensäußerungen hinweg setzen. ZEKO/BÄK, 2007 Praxis-Problem: PV sind oft schwer anwendbar wenig konkret missverständlich formuliert erkennbar in Unkenntnis der medizinischen Realität abgefasst usw. usf. Dennoch nicht irrelevant!

Patientenverfügungen aktuell Voraussetzung: Einwilligungsfähigkeit Keine besondere Form notwendig Auch mündlich (Schriftform empfohlen), Formblatt Keine notarielle Beglaubigung nötig Eigenhändige Unterschrift, keine Zeugen nötig (empfohlen)

Patientenverfügungen aktuell Inhalt: Konkrete Angaben über Situation und Maßnahme (ärztl. Beratung empfohlen) Keine rechtlich unzulässigen Forderungen Kein Anspruch auf nicht indizierte Maßnahmen Jederzeit Widerruf möglich (auch mündlich) Unbegrenzte Reichweite und Gültigkeit (umstritten)

Strittiges Endgültige rechtliche Regelung steht aus Willensantizipation, Wohlüberlegtheit Reichweite Gültigkeit Aktuelle Willensäußerungen Beratungspflicht Essentiell: Dialog

Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!