Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis

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Transkript:

Versorgungsnahe Forschung Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis Ein Leitfaden für die Wissenschaft Erstellt im Rahmen des Förderschwerpunkts Versorgungsnahe Forschung Chronische Krankheiten und Patientenorientierung FORSCHUNG PATIENTEN ORIENTIERUNG CHRONISCHE KRANKHEITEN

Impressum Auftraggeber Bundesministerium für Bildung und Forschung Erstellt durch Prognos AG Dr. Ronny Klein, Daniel Riesenberg, Melanie Henkel Berlin, Düsseldorf 2016

Inhaltsverzeichnis 1 Wozu dieser Leitfaden dient 2 2 Chancen des Transfers 4 3 Das richtige Thema für den Transfer? 5 4 Transferstrategie erarbeiten 6 5 Unterstützung finden 10 6 Ihre Kommunikation gestalten 12 7 Finanzierung sicherstellen 16

1 Wozu dieser Leifaden dient Was ist versorgungsnahe Forschung? Ein Leitfaden für die Wissenschaft Versorgungsnahe Forschung ist ein Teil der vielschichtigen Gesundheitsforschung. Dabei interessiert sich die versorgungsnahe Forschung bzw. die Versorgungsforschung insbesondere für die Wirksamkeit von Gesundheitsleistungen unter Alltagsbedingungen und fragt weiter, wie die Versorgung konkret verbessert werden kann. Erkenntnisse der versorgungsnahen Forschung können den Versorgungsalltag nur verbessern, wenn sie angewendet werden. Dieser Leitfaden soll Ihnen als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler Wege aufzeigen, wie ein Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis gelingen kann. Dieser Leitfaden wurde von der Prognos AG erarbeitet, die in den Jahren 2014 und 2015 sechs Projekte des Förderschwerpunkts Versorgungsnahe Forschung: Patientenorientierung und Chronische Krankheiten 1 bei der Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse in die Praxis begleitet hatte. Sie erhalten mit dem Leitfaden Informationen, wie Sie praxisrelevante Themen für die Forschung finden, eine geeignete Strategie für den Transfer erarbeiten, Unterstützung finden, Ihre Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, Leistungserbringern und Kostenträgern gestalten und die Finanzierung sicherstellen. Dieser Leitfaden wurde für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelt, die einen stark anwendungsorientierten Forschungsansatz verfolgen und ein hohes Interesse am Transfer ihrer Ergebnisse in die Praxis haben. Forschung ist jedoch nicht ausschließlich anwendungsorientiert, weshalb mit diesem Leitfaden nicht der Eindruck erweckt werden soll, dass der Transfer in die Praxis immer das Ziel der Bemühungen von Wissenschaft und Forschung sein müsste. Der Transfer von Forschungsergebnissen als Modell Modellhaft verstehen wir Praxistransfer folgendermaßen: Die Akteure aus Politik, Wissenschaft und Versorgungspraxis machen sich jeweils ein eigenes Bild der Bedarfe der Patientinnen und Patienten, der Defizite im Versorgungsalltag und des derzeitigen Wissensstands. Sie leiten daraus eigene Ideen und Strategien ab, wie die Gesundheitsversorgung verändert werden sollte. Die Gesundheitspolitik gestaltet den gesetzlichen Rahmen der Gesundheitsversorgung, und die Forschungspolitik initiiert durch gezielte Förderung neue Forschungsprojekte, um Wissenslücken zu schließen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führen Forschungsprojekte durch und gewinnen auf dieser Grundlage neue Erkenntnisse, die durch Folgeprojekte validiert oder falsifiziert werden und so den Wissensstand erweitern. Neue Erkenntnisse in der Versorgung umzusetzen, obliegt jedoch der Praxis. Dazu gehören Leistungserbringer und Kostenträger, die deshalb als Enabler (deutsch: Ermöglicher ) bezeichnet werden können. Rechtliche Vorgaben und Richtlinien bilden den Rahmen, in dem sich Leistungserbringer und Kostenträger bewegen. Häufig stehen sie überdies im Wettbewerb mit anderen Anbietern, wodurch ihre Strategien beeinflusst werden. 1 Der Förderschwerpunkt wird seit dem Jahr 2006 gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und dem Verband der Privaten Krankenversicherung finanziert und von den Bundesministerien für Gesundheit (BMG) sowie Arbeit und Soziales (BMAS) mitgetragen. 2

Ein Schlüssel für den erfolgreichen Transfer von Forschungsergebnissen in den Versorgungsalltag liegt somit darin, die verschiedenen Akteure aus Politik und Praxis zu kennen, deren Rahmenbedingungen zu verstehen, über ihre Strategien informiert zu sein und die eigenen Aktivitäten darauf abzustimmen. Schlüssel für einen erfolgreichen Transfer Quelle: Prognos AG 2015 3

2 Chancen des Transfers Transfer kann mühsam sein. Engagement der Wisssenschaft ist notwendig. Warum sich mit dem Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis auseinandersetzen? Genügt es nicht, relevante Fragestellungen zu beforschen und die Ergebnisse zu veröffentlichen? Zumal sich der Zugang zu den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen als schwierig und zeitaufwendig erweisen kann. Und schließlich müssen nach dem Abschluss eines Forschungsprojekts erst einmal neue Projekte und Mittel eingeworben werden, um das eigene Forschungsprofil weiter auszubauen. Diese Fragen bewegen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wenn sie an den Transfer von Ergebnissen denken. Sie sind einer der vielen Gründe, warum so wenige Erkenntnisse aus der Forschung tatsächlich den Weg in die Versorgungspraxis finden. Von der biomedizinischen Forschung wird berichtet, dass weniger als 10 % der Forschungsergebnisse innerhalb von 20 Jahren in der Versorgung etabliert sind. Und auch in der versorgungsnahen Forschung ist der Weg in den Versorgungsalltag oft lang. Trotz wissenschaftlicher Belege erscheint es zu Beginn schwierig, die beteiligten Personen im Versorgungsalltag zu überzeugen, ihre gewohnten Abläufe zu überprüfen und Neues zu versuchen. Gerade deshalb ist das Engagement der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler so wertvoll. Denn zunächst kennt keiner die Vorteile neuer oder veränderter Methoden für die Patientinnen und Patienten, Leistungserbringer und Kostenträger so gut wie sie. Chancen des Transfers für die Wissenschaft Sich für den Transfer der eigenen Forschungsergebnisse in die Praxis zu engagieren, bietet Ihnen viele Chancen. Vor allem erleben Sie, wie die eigene wissenschaftliche Arbeit dazu beiträgt, Defizite in der Gesundheitsversorgung abzubauen und Innovationen zu etablieren. Sie gestalten mit Ihrer Arbeit den Umbau mit. Gleichzeitig setzen Sie sich noch intensiver mit konkreten Problemen in der Versorgung auseinander, was die Relevanz der eigenen Forschung weiter erhöhen kann. Die gewonnenen Kontakte zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung, zur Ärzteschaft, zu Angehörigen der Gesundheitsberufe, zu Patientenorganisationen oder Organisationen der Selbstverwaltung sind wiederum hilfreich für zukünftige Forschungsprojekte. Schließlich ist in vielen Ausschreibungen und Förderprogrammen zur versorgungsnahen Forschung der Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis ein wichtiges Förderkriterium. Durch überzeugende Transferkonzepte steigern Sie somit Ihre Chancen auf zukünftige Forschungsförderung. 4

3 Das richtige Thema für den Transfer? In den allermeisten Fällen werden Sie bereits ein Forschungsthema gewählt haben. Vielleicht werden Sie sich aber auch fragen, welche Themen aus Sicht der Praxis gerade besonders relevant sind. Mit diesen Quellen könnten Sie Ihre Suche nach solchen Themen beginnen: Quellen möglicher Forschungsthemen Gesundheitsziele.de 120 Organisationen des deutschen Gesundheitswesens entwickeln seit dem Jahr 2000 gemeinsam mit Bund und Ländern nationale Gesundheitsziele und sie empfehlen Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Aktuelle Ziele sind etwa Alkoholkonsum reduzieren, Gesund älter werden oder auch Depressive Erkrankungen: verhindern, früh erkennen, nachhaltig behandeln. In den Berichten zu den Gesundheitszielen finden Sie detaillierte Beschreibungen zum Themenfeld und relevante Kontaktpersonen aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. http://www.gesundheitsziele.de Gutachten des Sachverständigenrates für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Der vom Bundesministerium für Gesundheit berufene Rat erstellt seit dem Jahr 1987 Gutachten zur gesundheitlichen Versorgung in Deutschland und entwickelt Vorschläge, wie Versorgungsdefizite und mögliche Überversorgung abgebaut werden könnten. Das jüngste Gutachten aus dem Jahr 2014 beschäftigt sich mit einer bedarfsgerechten Versorgung und zeigt Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche auf. An vielen Stellen wird in den Gutachten auf konkrete Forschungsbedarfe hingewiesen. http://www.svrgesundheit.de Forschungsförderung und Ausschreibungen Die Bundesministerien für Bildung und Forschung, für Gesundheit sowie für Arbeit und Soziales legen regelmäßig Förderprogramme auf oder schreiben einzelne Projekte aus, um aus ihrer Sicht relevante Themen wissenschaftlich bearbeiten zu lassen. Auch die Organisationen der Kostenträger und Leistungserbringer betreiben eigene Forschungsförderung, wodurch die ausgeschriebenen Themen besonders nah am Versorgungsalltag sind. U. a.: http://www.foerderinfo.bund.de https://www.gkvspitzenverband.de http://www.deutscherentenversicherung.de http://www.zi.de Kongresse Der Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Kongressen gibt immer wieder Impulse für die eigene Themenwahl und erleichtert die Suche nach Kooperationspartnern. In der Versorgungsforschung sind bspw. der jährliche Deutsche Kongress für Versorgungsforschung, das Rehabilitationswissenschaftliche Kolloquium und der Hauptstadtkongress für Medizin und Gesundheit bedeutsame Treffpunkte für die gesamte Branche. http://www.netzwerkversorgungsforschung.de http://www.rehakolloquium.de http://www.hauptstadtkongress.de Direkter Kontakt Der direkte Kontakt zu Patientenorganisationen, Kostenträgern und Leistungserbringern ermöglicht Ihnen Gespräche über die wahrgenommenen Defizite im Versorgungsalltag, woraus eigene Forschungsthemen abgeleitet werden können. 5

4 Transferstrategie erarbeiten Transfer so früh wie möglich bedenken Ab welchem Zeitpunkt sollten Sie sich mit dem Transfer Ihrer Forschungsergebnisse auseinandersetzen? Bereits wenn Sie ein Thema wählen, das Forschungsprojekt planen und das Forschungsdesign entwerfen, lohnt es sich, über den Praxistransfer nachzudenken. So können frühzeitig Kostenträger, Leistungserbringer und Patientenvertreter in die Projektplanung eingebunden werden, wodurch möglicherweise eine höhere Relevanz der Forschungsfrage und der erwarteten Ergebnisse gesichert werden kann. Bspw. legen Kostenträger Wert darauf, dass beim Studiensetting und der Auswahl der Studienteilnehmenden die Stichprobe nicht zu klein ist, eine hohe Wirksamkeit bzw. Verbesserung in der Versorgung nachgewiesen werden kann und gesundheitsökonomische Analysen Teil der Studie sind, die Aussagen zu den kostenseitigen Auswirkungen einer Innovation erlauben. Strategie im Projektteam erarbeiten Behandeln Sie den Transfer als ein eigenes Teilprojekt, das es zu planen und managen gilt. Als erstes sollte dafür eine Transferstrategie mit dem Projektteam erarbeitet werden. Dies gilt auch, wenn Sie mit Ihren Überlegungen zum Transfer erst beginnen, wenn Ihr Forschungsprojekt bereits läuft oder abgeschlossen ist. I. Bestandsaufnahme durchführen Stärken-Schwächen- Profil Zu Beginn empfehlen wir eine gezielte Bestandsaufnahme. Sammeln Sie für ein Stärken Schwächen-Profil Antworten auf die Fragen: Welche Stärken und Schwächen haben Ihre (erwarteten) Ergebnisse? (Evidenz, Vermittelbarkeit, Neuartigkeit etc.) Warum sind Ihre Ergebnisse für relevante Akteure in der Versorgung interessant? Welche Vorbehalte könnten die Akteure haben? Wer profitiert von einer Umsetzung der Ergebnisse in die Versorgungspraxis und wen könnten Sie dafür begeistern, sich mit Ihnen für den Transfer der Ergebnisse einzusetzen? Bei wem haben Sie für Ihre Ergebnisse möglicherweise bereits Interesse wecken können? Auf welche Netzwerke und Vorerfahrungen können Sie bei Ihren Transferaktivitäten aufbauen? Wo fehlen Ihnen Netzwerke und Vorerfahrungen? Welche Hilfsmittel, welches Personal und welche Fachkenntnisse stehen Ihnen für den Ergebnistransfer zur Verfügung? Welche Lücken an Hilfsmitteln, Personal oder Fachkenntnissen haben Sie? Welche Transferaktivitäten würden Ihnen besonders liegen, welche nicht? 6

Ein Beispiel aus der Praxis der Umsetzungsbegleitung: Beispiel eines Stärken-Schwächen-Profils: Online-Selbstassessment für Patientinnen und Patienten Aus wissenschaftlicher Perspektive Für den geplanten Transfer Eigene Ressourcen und Kompetenzen Stärken Evidenzbasierte Ergebnisse Direkt am Patienten Keine direkten Nebenwirkungen Peer-review Artikel Hohe Übertragbarkeit auf andere Krankheiten Kostengünstige Intervention individualisiert und interaktiv, online, von zu Hause aus ausdruckbar Gute Kontakte zu einer Krankenkasse und einem Selbsthilfeverband Teil eines größeren Rahmenprogramms und somit anerkannt als Experten Werbewirksam Kontakte zu einem Kompetenznetz Wird bereits eingesetzt Wissenschaftliche Inhalte können in Vorträgen und Gesprächen vertreten werden. Schwächen Relativ grobe Rückmeldungen an den Patienten Ergebnisse in Bezug auf verminderte Inanspruchnahme von Medikamenten sind nicht valide. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung Kassen sind evtl. nur an Kosten von stationären Aufenthalten interessiert. Richtige Ansprechpartner bei Kassen nicht bekannt Informierte Patienten werden evtl. als Störung empfunden. Technische Fortführung unklar Kein Werbematerial vorhanden Keine Ressourcen für Umsetzung vorhanden IT-Kompetenz kaum vorhanden Versuchen Sie Ihre Forschungsergebnisse aus der Praxisperspektive zu sehen: Stellen Sie sich Ihre Forschungsergebnisse bzw. Ihre Innovation als Produkt oder als Leistung einer Krankenkasse vor wie würden Sie es beschreiben? Ist es eine neue Therapie, eine Schulung, ein Teamkonzept, ein Fragebogen o.ä.? In welchem Bereich des Gesundheitswesens würde Ihr Produkt angewendet werden? In der hausärztlichen oder fachärztlichen ambulanten Versorgung, im Krankenhaus, in der Rehabilitation, in der Pflege, in der Prävention oder in anderen therapeutischen Bereichen? Wer reguliert diese Bereiche? Welche Gesundheitsberufe würden das Produkt konkret einsetzen? Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Heilmittelerbringer? Für welche Patientinnen und Patienten ist das Produkt gedacht? Wer vertritt diese? Wie einsatzbereit ist Ihr Produkt? Was fehlt noch bzw. was ist erforderlich, damit es im großen Umfang zum Einsatz kommen kann? Gibt es zum Beispiel schon ein Manual oder Train the Trainer-Konzept? Welche Kosten sind mit dem Einsatz und der Verbreitung Ihres Produktes ungefähr verbunden? Würde Ihr Produkt die bisherige Versorgung ergänzen oder könnte es auch etwas Bestehendes ersetzen? Durch die Brille der Praxis geschaut 7

Adressaten benennen Fragen Sie sich, wer von einer Umsetzung in die Praxis betroffen wäre, wer über eine Umsetzung in die Praxis entscheiden müsste ( Enabler ) und durch wen eine solche Entscheidung beeinflusst werden könnte. Dies sind mögliche Adressaten Ihrer Transferaktivitäten. Im Kapitel 5 bietet Ihnen der Leitfaden eine Orientierungshilfe für die Adressatensuche. (s. 5. Unterstützung finden) II. Ziele und Maßnahmen festlegen Anschließend legen Sie mit Hilfe der gesammelten Informationen realistische Transferziele fest, die in einem überschaubaren Zeitrahmen erreicht werden können. Vereinbaren Sie nicht zu viele Ziele oder legen Sie zumindest ein primäres Ziel fest, welches Sie in jedem Fall erreichen wollen. Beispiele für Transferziele Maßnahmen festlegen Beispiele für Maßnahmen Zugriffszahlen auf einen Online-Fragebogen erhöhen Langfristig Hosting einer Homepage sicherstellen Teamschulung außerhalb der Studienkliniken in weiteren Kliniken durchführen Aufnahme einer Therapie in den Heilmittelkatalog des Gemeinsamen Bundesausschusses Finanzierungszusage einer regionalen Krankenkasse gewinnen Mit diesem Wissen können Sie nun geeignete Maßnahmen zum Transfer festlegen. Diese sollten zu den formulierten Zielen beitragen, die benannten Stärken und Schwächen berücksichtigen und auf die gewählten Adressaten zielen. Flyer für die Ansprache von Kostenträgern, Leistungserbringern, Selbsthilfegruppen entwerfen (s. 6. Ihre Kommunikation gestalten) Beitrag für eine Zeitschrift schreiben, der die Adressaten der Transferaktivitäten erreicht Train the Trainer-Manual erstellen, um eine Schulung weiter verbreiten zu können Recherchieren, wie neue Therapieformen in den Heilmittelkatalog gelangen Ansprechpartner in den Verbänden der Leistungserbringer und Kostenträger identifizieren, anschreiben und als Multiplikatoren gewinnen (s. 5. Unterstützung finden) III. Termine, Verantwortlichkeiten und Ressourcen bestimmen Ein Projektplan schafft Übersicht. Schließlich bringen Sie die Maßnahmen in eine logische sowie zeitliche Reihenfolge und halten in einem Projektplan die Termine fest, bis zu denen die Maßnahmen abgeschlossen sein sollen. Vereinbaren Sie außerdem, wer in dem Projektteam jeweils die Verantwortung für die einzelnen Maßnahmen trägt und welche personellen, finanziellen und technischen Ressourcen benötigt werden. (s. 7. Finanzierung sicherstellen) Im Projektverlauf sollten Sie Fortschritt und mögliche Änderungen in den Zielen, Maßnahmen, dem Team und den Terminen festhalten, um jederzeit über eine aktuelle Planung zu verfügen. 8

Beispiel für einen Zeitplan aus der Umsetzungsbegleitung Arbeitsplan AP1: Kick-off, Vorarbeiten Kick-off Workshop Status der Arbeiten abgeschlossen Zeitplan Mai 14 Jun 14 Jul 14 Aug 14 Sep 14 Okt 14 Nov 14 Dez 14 Jan 15 Feb 15 Erstellung Maßnahmenplan abgeschlossen Telefonische Jour Fixe 7. Erstellung Einseiter (Zielgruppe abgeschlossen Patienten, Multiplikatoren, Politik) Adressdatenbank Krankenkassen- Kontakte Recherche relevanter Termine AP2: Direktansprache von Patienten CED-Tag (20.9. bis 19.10.14) Arzt-Patienten-Schulungen AP3: Gewinnung von Multiplikatoren Gespräche mit Krankenkassen AP4: Fachpublikationen Dt. Fachveröffentlichung In Arbeit Review im Ärzteblatt AP5: Allgemeine Öffentlichkeitsarbeit Publikation in Bauchredner In Arbeit Apotheken Umschau und weiterer Medien AP6: Politische Unterstützung für das Projekt gewinnen zurückgestellt Gespräch mit BMG Gespräch mit UPD, IQWiG, zurückgestellt Verbraucherschutz etc. AP7: Langfristige technische Sicherstellung Gespräch mit Kompetenznetz (ab Dezember) AP8: Übertragung auf andere Krankheiten Rheuma-Liga 9

5 Unterstützung finden Praxis in die Forschung einbinden Wer sind relevante Akteure? Eine hohe Praxisnähe erleichtert den Transfer von Forschungsergebnissen. Diese Nähe zum Alltag der Gesundheitsversorgung kann erreicht werden, wenn die von der Innovation betroffenen Akteure und Entscheidungsträger in das Forschungsprojekt eingebunden sind und ihre Perspektiven und Einsichten einbringen. Je früher dies im Projektablauf geschieht, desto relevanter sind später die Ergebnisse des Forschungsvorhabens für die Versorgung. Stellen Sie sich die Frage, welche Akteure im Gesundheitswesen von Ihren neuen Erkenntnissen betroffen sein würden: Welche Patientinnen und Patienten, welche Leistungserbringer und welche Kostenträger? Wer entscheidet, ob Ihre Innovation in der Praxis umgesetzt werden kann ( Enabler ) und wer kann diese Entscheidung beeinflussen? BMG: Bundesministerium für Gesundheit, GBA: Gemeinsamer Bundesausschuss, AWMF: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften, KBV: Kassenärztliche Bundesvereinigung, BÄK: Bundesärztekammer, DKG: Deutsche Krankenhausgesellschaft, GKVSV: GKV-Spitzenverband, DRV: Deutsche Rentenversicherung, DGUV: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, MDS: Spitzenverband des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, MDK: Medizinischer Dienst der Krankenkassen Unterstützung auf Mikro-, Meso- und Makroebene Suchen Sie Probanden oder Institutionen, die das Forschungsvorhaben unmittelbar begleiten? Dann sind vor allem Akteure der Mikroebene (s. Abb. oben) relevant, da sie den Versorgungsalltag vor Ort kennen und gestalten. Wenn Sie Adressaten für Ihre Transferaktivitäten suchen, lohnt es sich, auf der Meso- und Makroebene für Unterstützung zu werben und Multiplikatoren zu gewinnen. So kann bspw. ein Klinikträger entscheiden, ein innovatives Teamentwicklungskonzept in all seinen Kliniken einzuführen. Oder eine Fachgesellschaft kann in ihren Mitgliedsmedien zielgenau für ein innovatives Tool zur Arzt-Patienten-Kommunikation werben. 10

Welche Akteure eingebunden werden sollten, hängt von ihrer erarbeiteten Transferstrategie ab. Hier einige Hinweise, wie die jeweiligen Adressatengruppen organisiert sind: In Selbsthilfegruppen haben sich Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichsten Erkrankungen zusammengeschlossen. Ein guter Startpunkt für die Suche sind Dachorganisationen wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband. Patientinnen und Patienten Patienteninformationen könnten darüber hinaus für die Unabhängige Patientenberatung und die Gesundheitsinformationen des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) interessant sein. Ärztinnen und Ärzte sind in Kammern, medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden organisiert. Für die ambulante Versorgung sind insbesondere die Kassenärztlichen Vereinigungen zuständig. Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind ebenfalls Mitglied in Kammern und verschiedenen Berufsverbänden. Auch die therapeutischen Berufe bspw. der Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie sind in Verbänden organisiert. Gleiches gilt für medizinische Fachangestellte und Pflegeberufe. Leistungserbringer Bei Krankenhäusern, den Einrichtungen der Rehabilitation und Pflegeheimen können neben den großen Trägern auch Trägerverbände (kirchlich, privat, freigemeinnützig) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft Unterstützung bieten. Je nach Bereich der Innovation sind unterschiedliche Kostenträger zuständig. Für die medizinische Versorgung sind dies die Gesetzliche und Private Krankenversicherung (GKV, PKV). In der Rehabilitation sind es zumeist die Träger der Rentenversicherung und in der Pflege die soziale und private Pflegeversicherung. Allerdings gibt es viele Detailfragen zur Finanzierung, weshalb oft ein Blick in die Sozialgesetzbücher V (GKV), VI (DRV), VII (DGUV), IX (Rehabilitation) und XI (Pflege) notwendig ist. So können bspw. Patientenschulungen als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation von der GKV finanziert werden ( 43 SGB V). Im Rahmen medizinischer Rehabilitation werden diese Leistungen als Teil des Therapieplans erbracht. Eine andere Möglichkeit bietet sich wiederum im Rahmen Strukturierter Behandlungsprogramme ( 137f SGB V) oder indirekt über die Förderung der Selbsthilfe ( 20h SGB V). Schließlich ist für viele Entscheidungen der Gemeinsame Bundesausschuss als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen zuständig. Dieser legt in Richtlinien den Leistungskatalog der GKV fest. Außerdem beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens. Kostenträger Selbstverwaltung 11

6 Ihre Kommunikation gestalten Sender-Empfänger- Modell Zielgruppengerechte Ansprache Kommunizieren heißt, kodierte Nachrichten zwischen Sender und Empfänger zu übertragen. Der Empfänger wird Sie nur verstehen, wenn er den Schlüssel zur Dekodierung Ihrer Nachricht besitzt, und wenn er die von Ihnen gewählten Kanäle nutzt. Patientinnen und Patienten, Leistungserbringer und Kostenträger anzusprechen, erfordert unterschiedliche Sprachen und Medien. Bedenken Sie immer, dass in der Praxis andere Dinge als Wissenschaft und Forschung im Vordergrund stehen. Um diese Sprachen zu erlernen, ist daher ein Dialog auf Augenhöhe mit den verschiedenen Akteuren notwendig, um durch Zuhören und Feedback effektive Kommunikationsstrategien zu entwickeln. Für jede Gruppe stehen andere Aspekte im Vordergrund, weshalb es sinnvoll ist, unterschiedliche Ansprachen zu wählen und bspw. verschiedene Texte zu entwerfen. Für Patientinnen und Patienten steht im Vordergrund, die Innovation zu verstehen und Bezug zur eigenen Situation herzustellen. Es sollten auch mögliche Kosten, die die Patientinnen und Patienten selber tragen müssen, adressiert werden. Für Leistungserbringer muss ersichtlich sein, welcher Neuwert sich im Vergleich zum bisherigen Vorgehen ergibt, welcher Aufwand mit der Einführung und Nutzung des Produkts verbunden ist und wer die Kosten trägt. Kostenträger benötigen Hinweise, wer für wen in welchem Setting die Innovation erbringt, was sie kostet und welche Qualitätsverbesserungen sich ergeben. Außerdem legen sie Wert darauf zu erfahren, wie hoch die Kosten und ggf. Einsparungen an anderer Stelle ausfallen, die sich aus der Innovation ergeben. Zwei Beispiele solcher Projektbeschreibungen für Kostenträger finden sich auf den nächsten Seiten. Für alle Texte gilt, dass sie in der Sprache der Zielgruppe verfasst, möglichst einfach formuliert und klar strukturiert sind sowie ein bis zwei Seiten nicht überschreiten. Bilder oder Abbildungen sollten den Text auflockern (s. Abbildung S. 13). 12

KOKOS die Patientenschulung für Kommunikationskompetenzen in Arztgesprächen Das habe ich nicht verstanden, Herr Doktor. Können Sie mir das bitte genauer erklären? Das Arztgespräch richtig nachbereiten Sich richtig auf das Arztgespräch vorbereiten Kennen Sie das? Sie kamen gar nicht dazu, Ihr Anliegen zu erzählen und Ihre Fragen loszuwerden? Sie haben vor lauter medizinischen Fachbegriffen kaum etwas verstanden? Sie haben sich schon wieder nicht getraut, diese eine wichtige Sache anzusprechen? Falls Sie eine dieser Fragen mit ja beantworten, ist unsere Schulung KOKOS (Kommunikationskompetenz-Schulung) genau das Richtige für Sie. Auf Ihre Beteiligung kommt es an In der Gruppenschulung KOKOS, die sich an alle Personen richtet, die häufiger mit Ärzten Gespräche führen (z.b. als chronisch Kranker oder Angehöriger), lernen Sie, effektiv mit Ihrem Arzt zu sprechen, denn richtig reden will gelernt sein. Nicht nur der Beitrag Ihres Arztes, sondern auch Ihre Beteiligung ist für ein gelungenes Arztgespräch wichtig. Dadurch können Sie einen wichtigen Beitrag zu Ihrer Behandlung leisten. Während Ärzte die Gelegenheit erhalten, Ihre Kommunikation durch Schulungen zu verbessern, gab es diese Möglichkeit bisher kaum für Patienten. Mit KO KOS haben nun auch Sie diese Chance, Ihre Kommunikationskompetenz in Arztgesprächen auszubauen. Das Schulungskonzept beinhaltet u.a. folgende Übungsfelder: Feedback geben KOKOS Übungsfelder der Schulung Meinungen formulieren Eigene Wünsche und Bedürfnisse äußern (Rück-) Fragen stellen Das lernen Sie während der Schulung Eine ausführliche Vor- und Nachbereitung des Gesprächs ist eine Möglichkeit zur aktiven Beeinflussung scheinbar nicht veränderbarer Umstände, wie z.b. knappe Zeit des Arztes oder Vergessen. Dabei sollen u.a. Ziele für das anstehende Gespräch notiert und gewichtet werden. Selten überlegen sich Patienten vor dem Gespräch auch, wie sie ihre Fragen an den Arzt formulieren sollen: geschlossen oder offen? Beides hat seine Vor- und Nachteile, wie durch Praxisübungen herausgearbeitet wird. In KOKOS wird auch das Argumentieren in Arztgesprächen geübt. Denn nur mit einem guten Argument kann ein Patient seine Meinung begründen und vom Arzt eine passende Reaktion erwarten. Wann und wie man seinem Behandler eine wertschätzende und konkrete Rückmeldung gibt, sowohl positive als auch negative, kann als Königsdisziplin im Kommunizieren angesehen werden und wird deswegen ausgiebig im Rollenspiel vertieft. 201 13

Modifizierte Constraint Induced Movement Therapy bei Schlaganfallpatienten in der ambulanten Physio- und Ergotherapie ( CIMT at home") Gekürzte Fassung Leistung CIMT at home ist eine für den Einsatz in der Häuslichkeit modifizierte Form der Constraint induced movement therapy (CIMT) für SchlaganfallpatientInnen. Vier Wochen üben die PatientInnen in ihrem häuslichen Umfeld in Begleitung eines nichtprofessionellen Übungsbegleiters (z.b. eines Angehörigen) insgesamt 20 Tage à 2 Stunden täglich Therapieziel Verbesserung des Armeinsatzes bei alltagsrelevanten Aktivitäten Leistungsempfänger/Zielgruppe SchlaganfallpatientInnen mit einseitiger, teilweiser Lähmung (Hemiparese) eines Armes, bei denen der Schlaganfall 6 Monate zurückliegt Leistungserbringer Ergo- und PhysiotherapeutInnen mit mindestens zweijähriger Erfahrung in der Behandlung von Menschen mit Schlaganfall und Zertifizierung für CIMT at home Versorgungskontext CIMT wird von Leitlinien zur Rehabilitation von sensomotorischen Störungen empfohlen, ist aber noch nicht in der ambulanten Therapie etabliert. Eine qualitätsgesicherte Ausbildung der TherapeutInnen ist durch ein Schulungskonzept sichergestellt Gespräche mit der Krankenkasse Es sollen Wege zur Implementierung von CIMT at home in die Regelversorgung diskutiert werden, z.b. über Aufnahme in die Heilmittelrichtlinie (HeilMRL). Wissenschaftliche Evidenz Titel des Forschungsprojekts Förderung der Teilhabe von Schlaganfallpatienten in der vertragsärztlichen Versorgung durch Constraint Induced Movement Therapy Ansprechpartner Dr. med. Anne Barzel, Prof. Dr. med. Martin Scherer Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut für Allgemeinmedizin Universitätsklinikum HamburgEppendorf Projektdesign Die Wirksamkeit wurde im Rahmen einer clusterrandomisierten kontrollierten Studie überprüft. Zusätzlich wurden Aspekte einer Umsetzung in die Praxis in Fokusgruppen mit TherapeutInnen untersucht Ergebnisse zur Wirksamkeit Der positive Effekt auf die Bewegungsqualität des betroffenen Armes (Motor Activity Log Quality of Movement) wurde für die vorgestellte, in der Häuslichkeit durchgeführte CIMT nachgewiesen Ergebnisse zur Kosteneffizienz Es zeigten sich für die Studienteilnehmenden keine Unterschiede zwischen CIMT at home und üblicher Therapie hinsichtlich Kosten und Leistungsinanspruchnahme. Jedoch ist der Zeitaufwand, den die TherapeutInnen durch die in CIMT at home verpflichtenden Hausbesuche erbringen müssen, größer. 14

Rehabilitationsnachsorge für depressive Patientinnen und Patienten mit einer Smartphone-App (DEPRENA) Gekürzte Fassung Leistung DEPRENA ist ein ambulantes Nachsorgeangebot mit Smartphone-App, das sich speziell an DepressionspatientInnen richtet, die an einer stationären, psychosomatischen Rehabilitation teilgenommen haben Therapieziel Umsetzung von Verhaltensintentionen und Stärkung der Selbstmanagementfähigkeiten und Selbstwirksamkeitserwartungen, wodurch Rückfällen nach stationärer Depressionsbehandlung vorgebeugt werden soll Leistungsempfänger/Zielgruppe DepressionspatientInnen, die am Ende der Rehabilitation höchstens eine leichte bis mittelschwere Ausprägung depressiver Symptome aufweisen Leistungserbringer Reha- und Akutkliniken, die ein verhaltenstherapeutisch orientiertes, störungsspezifisches Behandlungsangebot für depressive PatientInnen vorhalten Versorgungskontext Die Nachsorgephase erstreckt sich über ein halbes Jahr. In dieser Zeit durchlaufen die PatientInnen 3 Intensivphasen mit täglicher, App-gestützter Tagesplanung und -bewertung. Nach jeder Phase finden obligatorisch telefonische Kontakte mit dem betreuenden Coach in der Klinik statt. Der technische Support ist durch die Firma Solutec gewährleistet Gespräche mit der Deutschen Rentenversicherung Wir möchten DEPRENA als ein Medizinprodukt anbieten und schlagen vor, DEPRENA zunächst als Modellprojekt zeitlich begrenzt auf 18 Monate in zwei Reha-Einrichtungen anzubieten. Während dieser Phase wird eine Begleitforschung durchgeführt Wissenschaftliche Evidenz Titel des Forschungsprojekts Wirksamkeit von Handheldgestütztem Selbstmanagement (ECoaching) in der Rehabilitationsnachsorge sowie Wirksamkeit Smartphonegestützter, psychosomatischer Rehabilitationsnachsorge (eatros) bei depressiven Patienten Ansprechpartner Dipl.-Psych. Stefan Schmädeke, Leitender Psychologe, AHG Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim Projektdesign Akzeptanz und Wirksamkeit von Smartphone-gestützter Reha-Nachsorge konnten in einer randomisierten Kontrollgruppenstudie empirisch belegt werden (eatros). DE PRENA stellt eine Fortentwicklung dieses Nachsorgekonzepts mit Neuen Medien dar Ergebnisse zur Wirksamkeit Während in der Kontrollgruppe die Depressionssymptomatik geringfügig anstieg, konnten während der eatros-nachsorge die in der stationären Rehabilitation erzielten Verbesserungen aufrechterhalten werden. Die Wirksamkeit wurde auch hinsichtlich der Selbstregulationskompetenzen nachgewiesen. Ergebnisse zur Kosteneffizienz Bislang wurden keine Untersuchungen dazu vorgenommen. Einsparpotenziale könnten sich durch vermiedene Rückfälle nach stationärer Depressionsbehandlung ergeben 15

7 Finanzierung sicherstellen Der Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis ist komplex und langwierig. Ihr Projektteam benötigt daher entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen. Transferagenturen Transferphasen der Forschungsförderung Transferaktivitäten als Teil des Forschungsprojekts Praxispartner gewinnen und einbinden Zunächst könnten Sie innerhalb Ihrer Forschungseinrichtung prüfen, ob eine Transferagentur existiert, die Sie etwa in der Kontaktanbahnung unterstützt. Transferagenturen sind zwar häufig auf Ausgründungen und den Technologietransfer ausgerichtet, aber möglicherweise können Sie sie von Ihren Ideen überzeugen. Forschungsförderung in der Versorgungsforschung legt zunehmend Wert auf den Praxistransfer. Deshalb ist zusätzlich zur Forschungsphase möglicherweise eine Transferphase im Förderprogramm geplant. Prüfen Sie, ob Ihr Projekt die Voraussetzungen einer solchen Transferphase erfüllen würde. Für den Antrag können Sie auf Ihre Transferstrategie und den erstellten Projektplan zurückgreifen. (s. 4. Transferstrategie erarbeiten) Einen Teil der Transferaktivitäten können Sie auch im Antrag auf Forschungsförderung aufnehmen, ohne dass eine eigenständige Transferphase im Förderprogramm vorgesehen sein muss. Patientinnen und Patienten, Leistungserbringer und Kostenträger frühzeitig einzubinden und das Projekt bspw. über einen Beirat begleiten zu lassen, wäre eine Maßnahme, die sowohl für das Forschungsprojekt selbst als auch den späteren Transfer wertvoll ist. Forschungsförderung ist zeitlich begrenzt. Für die gesteckten Transferziele bedarf es jedoch oft längerer Zeiträume, als Förderprogramme üblicherweise gewähren. Daher sollte die erste Maßnahme Ihrer Transferstrategie darin bestehen, Unterstützung aus der Praxis zu gewinnen. (s. 5. Unterstützung finden) Ein Teil der Transferaktivitäten könnte dann von den Partnern getragen werden, etwa indem sie in ihren Mitgliedsorganisationen und den Gremien der Selbstverwaltung über die Innovation informieren und für eine Umsetzung werben. Eigenständiges Transferprojekt Idealerweise gelingt es Ihnen, Interessenten zu gewinnen, die ein eigenständiges Transferprojekt finanzieren. Auch Innovationen der versorgungsnahen Forschung müssen in verschiedenen Kontexten erprobt und weiter an den Versorgungsalltag angepasst werden, bevor sie in die Regelversorgung eingehen können. Dies kann bspw. in Selektivverträgen oder Modellprojekten für einzelne Kostenträger geschehen, die die Durchführung und Evaluation des Projektes finanzieren. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Leitfaden wertvolle Anregungen gegeben zu haben und einen Beitrag zum erfolgreichen Praxistransfer von Ergebnissen der versorgungsnahen Forschung zu leisten. 16

Weitere Informationen und Veröffentlichungen finden Sie auf der Internetseite des Förderschwerpunkts: www.forschung-patientenorientierung.de Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner: für das BMBF Dr. Annika Putz DLR Projektträger Gesundheitsforschung Heinrich-Konen-Str. 1 53227 Bonn annika.putz@dlr.de für die DRV Bund Dr. Rolf Buschmann-Steinhage Deutsche Rentenversicherung Bund Bereich Reha-Wissenschaften 0420/R 4003 10704 Berlin rolf.buschmann-steinhage@drv-bund.de für die Krankenkassen Dr. Roland Leuschner BKK Dachverband e.v. Mauerstraße 85 10117 Berlin roland.leuschner@bkk-dv.de für die Private Krankenversicherung Dr. Norbert Loskamp Verband der Privaten Krankenversicherung e.v. Büro Berlin Glinkastraße 40 10117 Berlin norbert.loskamp@pkv.de FORSCHUNG PATIENTEN ORIENTIERUNG CHRONISCHE KRANKHEITEN

Gemeinsamer Förderschwerpunkt Versorgungsnahe Forschung Chronische Krankheiten und Patientenorientierung