Kleinhirnbrückenwinkel, Zerebellum und Großhirn. Abb.1.5 Afferenzen des Rückenmarks (Quelle: Stoll et al. 2004) [189].

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Kleinhirnbrückenwinkel, Zerebellum und Großhirn 1 Abb.1.5 Afferenzen des Rückenmarks (Quelle: Stoll et al. 2004) [189]. hauptsächlich durch Projektionen vom Thalamus, der wiederum über thalamoretikuläre Fasern innerviert wird. Neuere Untersuchungen schreiben besonders dem parietoinsulären Kortex eine besondere Bedeutung als vestibulär assoziiertem Kortexareal zu (Brandt u. Dieterich 1999) [32]. Die Neuronen des parietoinsulären Kortex reagieren auf visuelle, vestibuläre, propriozeptive und somatosensorische Reizungen. Somit stellt das Areal ein integratives Zentrum für die bewusste Wahrnehmung von Bewegungsreizen und für die Orientierung im Raum dar. 7

1 1 Funktionelle Neuroanatomie und -physiologie des Gleichgewichtssystems Halswirbelsäule, kraniozervikaler Übergang und kraniomandibuläres System A. Ernst Die Halswirbelsäule und angrenzende Regionen können bei der Entstehung von Erkrankungen mit dem Leitsymptom Schwindel direkt und indirekt beteiligt sein. Die wichtigsten angrenzenden Regionen zur Halswirbelsäule sind das kraniomandibuläre System (Mundboden, Kaumuskulatur, Kiefergelenk; s. auch Abb. 1.7c, s. unten), die Kehlkopfregion, der Schulter-Arm- Bereich sowie die angrenzende Brustwirbelsäule. Die Verknüpfungen sind muskulär (Mundboden, Kaumuskulatur, Kehlkopf, Schulter-Arm-Region), neural (Mundboden, Schulter-Arm-Region) und sympathisch-parasympathisch. Die pathophysiologische Fehlregulation des Muskelbinnentonus (über die Aktivierung der Γ Schleife) kann erheblichen Einfluss auf den Funktionszustand angrenzender Muskelgruppen haben, sodass der betroffene, schmerzhaft verkürzte Muskel nicht unbedingt der Ursprung der Störung sein muss (Verkettung). Bei gelenkigen Fehlfunktionen (Blockaden) kommt es durch die segmentale Innervation zu einer Mitbeteiligung des zugehörigen Dermatoms, das dann ebenfalls angrenzende Regionen erfassen kann (Abb. 1.6). Die Halswirbelsäule und der kraniozervikale Übergang lassen sich in 3 funktionell unterschiedliche Abschnitte einteilen: untere Halswirbelsäule (mit dem sich anschließenden zervikothorakalen Übergang) mittlere Halswirbelsäule (III. V. Halswirbel, mit dem funktionell bedeutsamen Segment C2/C3) obere Halswirbelsäule (mit den Kopfgelenken und dem kraniozervikalen Übergang) Abb. 1.6a, b Lagebeziehung von N. spinalis und A. vertebralis zum Processus uncinatus (Quelle: Ernst u. Freesmeyer 2008) [81]; aus: Schünke/Schulte/Schumacher/Voll/ Wesker: Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Band Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem, 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2007; Abb.B, S. 124). a IV. Halswirbel (Ansicht von kranial). Dargestellt sind das Rückenmark, die Spinalwurzeln, die Spinalnerven und die Aa. vertebrales. b Halswirbelsäule (Ansicht von ventral). Zu erkennen sind die austretenden Spinalnerven und die beidseitige A.vertebralis. 8

Halswirbelsäule, kraniozervikaler Übergang und kraniomandibuläres System 1 Abb.1.7a c Verkettung der Bewegungssegmente. a Lage der kurzen Nackenmuskeln (Ansicht von dorsal; Mm. trapezius, sternocleidomastoideus, splenius capitis und semispinaliscapitisinderrechtennackenregionentfernt;(quelle: Ernst u. Freesmeyer 2008) [81]; aus: Schünke/Schulte/ Schumacher/Voll/Wesker: Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Band Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem, 2.Aufl. Stuttgart: Thieme; 2007; Abb. A, S.168). Die ersten 3 Halswirbel zeigen einen besonderen Aufbau: I. Halswirbel (Atlas): Er ist ringförmig gebaut und morphologisch anders als die darunter gelegenen Wirbel gestaltet. In seinem vorderen Anteil trägt er statt des Wirbelkörpers die beiden ovalen Massae laterales (s. Abb. 1.6b). II. Halswirbel (Axis): Dieser trägt einen kräftigen Wirbelkörper, über dem sich nach oben der Atlaszahn (Dens axis) aufrichtet. III. Halswirbel: Morphologisch ist der III. Hals- 9

1 1 Funktionelle Neuroanatomie und -physiologie des Gleichgewichtssystems Abb.1.7a c Verkettung der Bewegungssegmente (Fortsetzung). b Schematische Darstellung der sog. kinetischen Ketten (funktionell über die posturale Muskulatur miteinander verknüpfte Muskelgruppen; Quelle: Hesse 2008) [109]. c Schematische Darstellung der muskulären Verknüpfungen zwischen Halswirbelsäule und stomatognathem System (Quelle: Hesse 2008) [109]. wirbel, der funktionell noch zu den Kopfgelenken zu rechnen ist, ähnlich den Wirbeln IV VII. Im Querfortsatz befindet sich ein vertikal ausgerichtetes Foramen zur Aufnahme der aufsteigenden A. vertebralis. Hieraus resultiert die enge topografische Beziehung zwischen der A. vertebralis, dem Spinalnerv sowie den begleitenden segmentalen arteriellen, venösen und Lymphsystemen. Die Halswirbelsäule ist prädestiniert für segmentale Bewegungsstörungen, da sie der beweglichste (mit höchstmöglicher Anzahl an Freiheitsgraden der Bewegung bei geringster ossärer, ligamentärer bzw. muskulärer Führung), aber auch der störanfälligste Abschnitt der Wirbelsäule ist (Abb.1.7) So wird auch verständlich, warum Störungen in anderen Wirbelsäulenabschnitten (z. B. Beinlängenverkürzung, Blockierungen im Iliosakralgelenk, Skoliosen, Lumboischialgien) den Bereich der Halswirbelsäule beeinflussen können, um z. B. funktionelle Störungen in einem entfernten Bewegungssegment (durch sog. Verkettungen) zu bewirken. Die Gelenkblockierung einzelner Wirbelgelenke der Halswirbelsäule ist die am häufigsten vorkommende, akute Funktionsstörung der Wirbelsäule mit der höchsten klinischen Relevanz. Sie entsteht typischerweise durch statische Fehlbelastung (akute und chronische Fehlbelastungen, z. B. PC- Arbeit) bzw. durch Überlastung (z. B. Über-Kopf- Arbeit, Gelenkblockierung in anderen Wirbelsäulengelenken mit Verkettung, z. B. nach schwerem Heben oder Tragen). Immer wiederkehrende Funktionsstörungen an der Halswirbelsäule (gelenkig oder muskulär) können durchaus durch das kraniomandibuläre System getriggert werden. Bereits einzelne Veränderungen am Biss (z. B. durch Zahnbehandlungen), parodontale Entzündungen oder Kiefergelenksveränderungen können zu lang anhaltenden Funktionsstörungen mit Schmerzen, Bruxismus und einer posturalen Instabilität führen (kraniomandibuläre Dysfunktion). Vertebrobasilares Stromgebiet Die funktionell bedeutsamste Gefäßstruktur im Rahmen von Erkrankungen der Halswirbelsäule und des kraniozervikalen Übergangs ist die paarig angelegte A. vertebralis und der daraus hervorgehende Cirulus arteriosus Willisii (Abb. 1.8). Sowohl Gefäßmalformationen (z. B. Hypoplasie, Aplasie bzw. Direktabgänge der A. cerebelli inferior anterior und der A. cerebelli inferior posterior), genuine Gefäßerkrankungen (z. B. Stenosierungen, Aneurysmen) als auch begleitende Strukturveränderungen des kraniozervikalen Übergangs (z. B. Klippel-Feil-Syndrom, basilare Impression, Osteochondrose, rheumatoide Arthitis) oder reversible Funktionsstörungen (z. B. Kopfgelenkblockaden nach PC-Arbeit) können den arteriellen Blutfluss nachhaltig beeinflussen. Dies führt dann oft zur Auslösung von vestibulären Erkrankungen (z. B. Migräne, vestibuläre Paroxysmie). 10

Halswirbelsäule, kraniozervikaler Übergang und kraniomandibuläres System 1 Abb.1.8a, b Überblick über die arterielle Versorgung des Gehirns (Quelle: Ernst u. Freesmeyer 2008) [81]; aus: Schünke/Schulte/ Schumacher/Voll/Wesker: Prometheus, Lern- Atlas der Anatomie, Band Kopf, Hals und Neuroanatomie, 2.Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009; Abb.A, S.318 u. Abb.C, S.319). a Ansicht von links: Die Gehirnanteile in der vorderen und mittleren Schädelgrube werden durch Äste der A. carotis interna versorgt (Karotisstromgebiet), die Gehirnanteile in der hinteren Schädelgrube durch Äste der A. vertebralis bzw. durch die A. basilaris, die aus dem Zusammenschluss beider Aa. vertebrales hervorgeht (vertebrobasilares Stromgebiet). Beide Stromgebiete sind durch einen Gefäßring, den Circulus arteriosus cerebri (Willisii), miteinander verknüpft. b Ansicht von oben: Projektion des Circulus arteriosus cerebri (Willisii) auf die innere Schädelbasis. 11