Globalisierung und Internationale Wirtschaftsbeziehungen

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Transkript:

ÜV Internationale Beziehungen, 3.12.02 Globalisierung und Internationale Wirtschaftsbeziehungen Trends der Globalisierung (Held u. a. 1999; Beisheim u. a. 1998; Rode 2001, 2002) drastische Zuwachsraten der Weltwirtschaftsbeziehungen seit dem 2. Weltkrieg, vor allem seit 1970: Zuwachsraten des Welthandels Explosion der Weltfinanzmärkte Zunahme ausländischer Direktinvestitionen Wirtschaftsmächte: Staaten oder multinationale Unternehmen? - 2001: ca. 60.000 Mutterfirmen = Globalisierung der Produktion? - 90er Jahre: 25% des Welthandels = Intra-Firmen-Handel - Globales Netzwerk von Niederlassungen Umsatz General Motors > BIP Saudi-Arabiens Umsatz Daimler Chrysler > BIP Singapurs aber: Globalisierung oder OECDisierung? Nordamerika, Westeuropa, Japan und asiatische Schwellenländer Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen vs. Zunahme inländischer Wirtschaftsaktivitäten Wie neu ist Globalisierung? Ende 19. Jhdt.: Welthandel = ca. 33% des Weltprodukts

Theoretische Ansätze (Gilpin 1987; Caparaso und Levine 1992; vgl. Woods) 2 Realismus/(Neo-)Merkantilismus: Sicherheitsinteressen genießen Vorrang vor ökonomischen Interessen der Staaten. Streben nach wirtschaftlicher Autarkie früher Begünstigung einheimischer Industrie, heute strategischer Handel Protektionismus: früher Schutzzölle, heute nicht-tarifäre Handelshemmnisse (z.b. Importquoten) Orientierung an relativen Gewinnen liberale Theorie/Wirtschaftsliberalismus: Wohlfahrtsinteressen der (rationalen, nutzenmaximierenden) Marktteilnehmer/innen als Ausgangspunkt Idee des freien Welthandels: Theorie komparativer Kostenvorteile (D. Ricardo) Welthandel als Friedenssicherung (Frieden durch Interdependenz) Interdependenz = wechselseitige (ökonomische) Verflechtung mit Kostenwirkungen (Keohane und Nye 1977) Empfindlichkeit (sensitivity) = Ausmaß, in dem Veränderungen in A Kosteneffekte in B hervorrufen Verwundbarkeit (vulnerability) = Ausmaß, in dem Empfindlichkeit in erträglichen Grenzen gehalten werden kann zunehmende Interdependenz/Globalisierung in der Weltwirtschaft zunehmende Konflikte zunehmender Regelungsbedarf durch Regime etc. Verbindung zwischen liberaler Theorie und Institutionalismus!

3 Institutionalismus und die internationalen Wirtschaftsbeziehungen Ausgangspunkt: liberale Theorie/ komparativer Vorteil : Weltmarkt regelt sich selbst kein Regime nötig aber: Problem der schwarzen Schafe /Trittbrettfahrer Anreiz zu Protektionismus entspricht Gefangenendilemma : DC>CC>DD>CD Bedarf nach zwischenstaatlichen Vereinbarungen und Regimen, um Erwartungsstabilität zu schaffen Beispiel GATT/WTO Folge der Erfahrungen mit dem unilateralistischen Protektionismus der Zwischenkriegszeit 1947: General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) verschiedene Verhandlungsrunden zur Liberalisierung der Welthandelsbeziehungen 1993: World Trade Organization (WTO) Prinzipien: 1. gradueller Abbau von Handelshemmnissen 2. Nicht-Diskriminierung, Multilateralismus (Meistbegünstigungsklausel) 3. diffuse, bedingungslose Reziprozität 4. embedded liberalism (Ruggie 1983) = Kompromiß aus Freihandel und Staatsinterventionismus (Keynes) Funktionen der WTO (Genf): Verwaltung der WTO Handelsabkommen Forum für Handelsverhandlungen und Vorbereitung neuer Welthandelsrunden Gestärktes Streitbeilegungsverfahren bei Handelskonflikten Überwachung nationaler Handelspolitiken Problem: Priorität für die Beseitigung von Handelshemmnissen, allenfalls indirekte Berücksichtigung anderer Ziele (Menschenrechte, Umwelt, Gesundheit; vgl. Globalisierungskritik)

Globalisierung und die Handlungsfähigkeit der Nationalstaaten Oder: Macht die Globalisierung der Wirtschaft alles platt? = Fragestellung des Second Image Reversed (Gourevitch 1978) Ökonomisierungsthese (Hirst und Thompson 1996; Ohmae 1996): Internationalisierung der Finanzmärkte + Globalisierung der Produktion Autonomieverlust staatlicher Wirtschafts- und Sozialpolitik Staaten im globalen Standortwettbewerb; Wettlauf nach unten im Regulierungswettbewerb; Abbau des Wohlfahrtsstaates Neoliberale Globalisierungsbefürworter: Und das ist gut so! Globalisierungskritiker: Und das ist schlecht so! Empirische Befunde: (Rode 2001; Grande und Risse 2000; Scharpf und Schmidt 2000; Schirm 1999; Zürn 1998) Bisher kein genereller Abbau der Staatsquote (Anteil Staatsausgaben an BSP) und des Wohlfahrtsstaates feststellbar Enorme Varianz bei Fähigkeit von Nationalstaaten, mit Internationalisierungsfolgen umzugehen Autonomieverlust bedeutet nicht automatisch Verlust von Handlungsfähigkeit, sondern Wiedergewinnung von Handlungsmöglichkeiten durch a) internationale Kooperation b) Regieren im Rahmen von Netzwerken aus öffentlichen und privaten Akteuren: public private partnerships (Reinicke 1998, Reinicke und Deng 2000) 4

Literatur 5 Beisheim, Marianne, Sabine Dreher, Gregor Walter, Bernhard Zangl und Michael Zürn 1998: Im Zeitalter der Globalisierung? Thesen und Daten zur gesellschaftlichen und politischen Denationalisierung, Baden-Baden. Caparaso, James A. und David P. Levine 1992: Theories of Political Economy, Cambridge. Gilpin, Robert 1987: The Political Economy of International Relations, Princeton NJ. Gourevitch, Peter 1978: The Second Image Reversed: The International Sources of Domestic Politics, in: International Organization 32: Nr. 4, 881-912. Grande, Edgar und Thomas Risse, (Hrsg.) 2000: Globalisierung und die Handlungsfähigkeit des Nationalstaates. Themenheft der "Zeitschrift für Internationale Beziehungen. Vol. 7, 2, Baden-Baden. Held, David, Anthony McGrew, David Goldblatt und Jonathan Perraton 1999: Global Transformations. Politics, Economics, and Culture, Stanford. Hirst, P. und G. Thompson 1996: Globalization in Question: The International Economy and the Possibilities of Governance, Cambridge. Keohane, Robert O. und Joseph S. Jr. Nye 1977: Power and Interdependence, Boston. Ohmae, Kenichi 1996: Der neue Weltmarkt. Das Ende des Nationalstaates und der Aufstieg regionaler Wirtschaftszonen, Hamburg. Reinicke, Wolfgang H. 1998: Global Public Policy. Governing without Government?, Washington DC. Reinicke, Wolfgang H. und Francis Deng 2000: Critical Choices. The United Nations, Networks, and the Future of Global Governance, Ottawa et al. Rode, Reinhard 2001: Weltregieren durch internationale Wirtschaftsorganisationen, Halle. --- 2002: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Münster. Ruggie, John G. 1983: International Regimes, Transactions, and Change: Embedded Liberalism in the Postwar Economic Order, in: International Regimes, hrsg. von Stephen S. Krasner, Ithaca NY, 195-231. Scharpf, Fritz W. und Vivien A. Schmidt, (Hrsg.) 2000: Welfare and Work in the Open Economy. Vol. I: From Vulnerability to Competitiveness, Vol. II: Diverse Responses to Common Challenges, Oxford. Schirm, Stefan A. 1999: Globale Märkte, nationale Politik und regionale Kooperation - in Europa und den Amerikas, Baden-Baden. Zürn, Michael 1998: Regieren jenseits des Nationalstaates. Globalisierung und Denationalisierung als Chance, Frankfurt/Main.