Grußwort Vom Notfall zur interdisziplinären Kooperation: Konsiliar- und Liaisondienste im Wandel von Dr. H. Hellmut Koch, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer 4. bis 6. Mai 2006 Nürnberg Es gilt das gesprochene Wort! Seite 1 von 5
Sehr geehrte Damen und Herren und Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie herzlich zur dreitägigen Werkstatt-Tagung Psychosomatik und Psychiatrie im Allgemeinkrankenhaus mit dem Thema: Vom Notfall zur interdisziplinären Kooperation: Konsiliar- und Liaisondienste im Wandel begrüßen. Einige von Ihnen haben schon am Vormittag an einem Trainingsseminar mit praktischen Übungen gemäß der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und zum Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie teilgenommen. Für die anderen wird der heutige Tag mit dem Vortrag von unserem Kollegen Dr. Dr. Günter Niklewski, über Entwicklungsperspektiven für den CL-Dienst in Psychiatrie und Psychosomatik unter veränderten ökonomischen Perspektiven beginnen. Lassen Sie mich einen Blick zurück zu den Anfängen der Konsiliar-Liaison-Dienste werfen, denn schließlich können wir auch durch die Beobachtung von bisherigen Entwicklungen auf heutige Trends schließen. Seite 2 von 5
Als ein Meilenstein der Konsiliarpsychiatrie in den USA kann der erste Weltkrieg gesehen werden. Bei Tauglichkeitsuntersuchungen wurden damals mehr Männer wegen psychischer Störungen ausgemustert als beispielsweise wegen Tuberkulose. Anscheinend fiel bei dieser Ausmusterung erstmalig auf, wie viele Menschen unter psychischen Störungen zu leiden hatten. Um dieser Unterversorgung entgegenzutreten, musste der Blick der Ärzte für diese Krankheit geschärft werden. So setzten sich Ärzte wie Karl Menninger und Adolf Meyer am Anfang des 20. Jahrhunderts für eine Integration psychiatrischer Abteilungen in die Allgemeinkrankenhäuser ein. Wir können also festhalten, dass erst durch diese Integration überhaupt eine Konsiliarpsychiatrie entstehen konnte. Sowohl die somatisch als auch die psychiatrisch zu behandelnden Patienten profitierten und wie wir alle wissen, profitieren sie immer noch von dieser Verbindung. Die Versorgung im Allgemeinkrankenhaus wird durch die psychiatrische Abteilung abgerundet, denn es gibt ja viele Patienten, die zum Beispiel nach chirurgischen Eingriffen, auch eine therapeutische Behandlung benötigen. Seite 3 von 5
Zum anderen ist die Versorgung von somatisch behandelnden Ärzten für psychisch Kranke schneller und besser verfügbar. Während sich Konsiliar-Liaisonpsychiatrie in den USA schon seit 80 Jahren entwickelt, finden sich in Europa die ersten größeren Aktivitäten viel später. Erinnern wir uns an die Gründung der Interessengemeinschaft von Konsiliarpsychiatern in Großbritannien zu Beginn der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Die Liaisonpsychiatry Group des Royal College of Psychiatrists, der Fachgesellschaft der englischen Psychiater war bestrebt, die Rolle der Liaisonpsychiatrie über den notfallpsychiatrischen Charakter hinaus, zu einer vertieften Zusammenarbeit mit somatischen Ärzten in der Versorgung von Patienten mit somatoformen Störungen, Hirninfarkten, Malignomen etc. zu entwickeln. Anrede Konsiliarpsychiatrie war ein großer Schritt und ist inzwischen zu einem bewährten System herangewachsen. Was schon seit längerem praktiziert wird, erfährt vor allem in letzter Zeit ein verstärktes Interesse auch an Universitäten und Praxen und schließlich in Fortbildungen wie dieser. Seite 4 von 5
Warum ist dieses Interesse so groß? Schließlich gehört es zum Klinikalltag, dass viele verschiedene Fachärzte gemeinsam einen Patienten behandeln und sich beraten. Es könnte daran liegen, dass 30 bis 50 Prozent aller in somatischen Abteilungen behandelten (nichtpsychiatrischen) Allgemeinkrankenhauspatienten zusätzlich an einer psychischen Beeinträchtigung leiden, deren Ausmaß die Stellung einer psychiatrischen Diagnose zulässt. Wie Sie wissen, kann psychische Komorbidität zu einer verstärkten Morbidität der körperlichen Grunderkrankung beitragen und mit erhöhter Mortalität, komplizierteren Krankheitsverläufen und verlängerten Krankenhausliegedauern einhergehen. Also sind die Patienten eines Konsiliarpsychiaters unter anderem Patienten, die eigentlich wegen körperlichen Beschwerden behandelt werden, aber noch dazu unter einer psychischen Störung leiden. Ich denke, dass unser Interesse einfach deshalb so groß ist, weil der Konsiliar- und Liaisondienst ein sehr wichtiger und elementarer Teil bei der Behandlung von Patienten ist. Und deshalb bin ich mir sicher, dass es interessante und aufschlussreiche Tage werden auf die wir uns freuen können und sicher noch mehr dazulernen werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Seite 5 von 5