Berufsbildung und Arbeitsintegration Hauptversammlung SVOAM Bern, 25. April 2013 Rudolf Strahm, Präsident SVEB 1
I Berufsbildung als Schlüssel zur Integration in den Arbeitsmarkt 2
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Jugendarbeitslosigkeit: August 2012 Jugendarbeitslosenquoten nach EUROSTAT (<25Jahre) Daten/saisonbereinigt August 2012. SCHWEIZ 3.5 % Durchschnitt EU-Länder (EU-27) 22,8 % Oesterreich 9.7 % Deutschland inkl.ost 8.1 % West-Deutschland ca 6 % Niederlande 9.7 % Frankreich 25.2 % Italien 34.5 % Spanien 52,9 % Finnland 18.2 % 5
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Mangelnde Ausbildung = häufigste Armutsgruppe Menschen ohne nachobligatorische Bildung ( Ungelernte ) sind in der Gesamtbevölkerung mit 30% vertreten. Aber unter den Sozialhilfeempfängern betragen sie 57 %. 9
Fazit: Das duale Berufsbildungssystem ist bezüglich Arbeitsmarktfähigkeit eindeutig überlegen. Das schweizerische System der arbeitsmarktlichen Integration ist best of class. Dank an die Integrationshelfer/innen! 10
II Unser System der Arbeitsmarktintegration Erkenntnisse Folgerungen für die aktivierende Sozialpolitik 11
1. Schlüssel ist in der berufspraktischen Bildung Welche Art von Bildung? Mehr schulische Bildung bringt nicht mehr Berufsintegration! Sie bringt nicht tiefere Arbeitslosigkeit! Schulisch-kognitive Selektionssysteme wirken ausgrenzend und klassenbildend Dummheit ist lernbar (J.Jegge) Bildungsferne und Menschen mit Mehrfachproblematik nur mittels Berufsbildung abeitsmarktlich integrierbar. 12
2. Arbeitsmarktintegrierende Bildung heisst Förderung und Qualifizierung der praktischen Intelligenz Praktische Intelligenz: Fähigkeit, Fachwissen auch anwenden zu können. Hohes Fachwissen allein führt noch nicht zu einem hohen Expertisierungsgrad, sondern nur zusammen mit der Fähigkeit, es auch anwenden zu können. Prof.Margrit Stamm 13
3. Betreuung, Coaching und Case Management sind zentral Entscheidend ist individuelle Betreuung bei den Übergängen und während Ausbildung Berufsberatung und Begleitung mittels Coaching Supported education in den Betrieben Niederschwellige Bildungsangebote EBA Insos-Lehre beibehalten Ziel von Bund und EDK: 95% eines Jahrgangs machen bis 24 Jahren eine Ausbildung auf Stufe Sek II (Mittelschule, Beruflehre) Case Management und Interinstitutionelle Zusammenarbeit IIZ 14
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4. Pro Memo: Die wichtigsten Akteure der Betreuung zur Berufsintegration Ergebnisse der Längsschnittstudie Neuenschwander: Eltern (Migrationseltern: schwach!) Lehrperson in Sek I (7.-9- Klasse) Berufsberater/in, Coaching-Person Betriebe: Schnupperangebote, Besuche QUELLE: Neuenschwander/Gerber/Frank/Rottermann: Schule und Beruf, Wege in die Erwerbstätigkeit. VS Verlag 2012. 16
5. Wirtschaft: Trend geht in Richtung Wissensgesellschaft aber anwendungsorientiert. Trend in Richtung Wissensgesellschaft Falsche Vorstellung: immer mehr Kopfarbeiter, mehr schulische und akademische Bildung Trend in der Arbeitswelt: Skills ständig durch neues Knowledge entwickeln, aufbessern, kombinieren. Neues Technologiewissen, Prozesswissen stets kombiniert mit Arbeitsqualität und Praxisanwendung. Wissensorientierung nicht durch Akademisierung, sondern durch Höherer Berufsbildung/Weiterbildung Wissensorientierte Berufsbildung mit beruflicher und 17 allgemeiner Weiterbildung und Spezialisierung
III Anforderungen an eine Integrationsstrategie 18
1. (Zu) hohe Anforderungen an Berufslehre Berufslehre mit EFZ: ständig höhere Anforderungen (Arbeitsmarktnähe: positives und wirksames aber selektives Kriterium) Berufl. Grundbildung mit EBA ( Anlehre ): Anforderungen für Schwächere z.t. hoch oder zu hoch. EBA-Abschlüsse in weiteren Berufen schaffen mehr Wahlmöglichkeiten plus Ziffer 2 19
2. Niederschwellige berufliche Ausbildungen schaffen Erfolgsmodell: Pflegehelferin SRK 40 000 Pflegehelferinnen 120 Schulstunden statt 400 (EBA) Widerstand der Standesorganisationen Weitere niederschwellige Berufszertifikate schaffen (mit Arbeitswelt) Zukunft: Weiterbildungsgesetz WeBiG soll mehr Möglichkeiten schaffen (Zertifikate,Berufs-/Diplomanerkennung) 20
3. Mehr Flexibilität für Schwache und Bildungsferne Betreuung/Coaching erfordert individuelle Lösungen In Sonderfällen auch mehr Zeit möglich, z.b. 2 Jahre Brückenangebot statt eines Flexibilität durch RAV und Kanton ermöglichen Integration in betriebliche Arbeitskultur: Zuverlässigkeit, Termintreue, nicht zu spät kommen, Problem bewältigen: Übergang von der Schulkultur in die arbeitsweltliche Kultur 21
4. Beziehungen zur Wirtschaft Ziel: Arbeitgeberpflichten: Minimalquoten für geschütztearbeitsplätze / Behinderte / Lernschwache für grössere Unternehmen z.b. Bonus-Malus-System, Sekundärarbeitsmarkt für IV Gute Beziehungen zu lokalen KMUs Beziehungspflege ist auch Chefsache für die Politiker: Animieren für Schnupperangebote, Lehrstellen und Praktikumsplätze Ansprech-Partner und Betreuung aufbauten für Betriebe, die schwierige Jugendliche ausbilden. Vertrauensbildung. 22
5. Anreize und Pflichten für Eltern Eltern mit Migrationshintergrund: i.d.r. tiefe Wertschätzung für Berufslehre Obligatorische Integrationsvereinbarung für Zuzüger/innen: Fördern und Fordern! Obligatorischer Spracherwerb für Zuzüger, resp. Grundkompetenzen inkl. aus EU- Staaten (Portugal, Oststaaten) Pflichten für Eltern: Elternabende,Kontakte Informationsanlässe, ev. Kulturvermittler 23
6. Pflichten für Auszubildende, Jugendliche, Sozialhilfeempfänger Prinzip: Fördern und Fordern. Finanzielle Anreize für die Lehre resp. die Arbeitsmarktintegration sind meist wirksam! Modell Passage (Winterthur) erfolgreich! Modell FORJAD (Waadt) erfolgreich! Modell KA-Bern (Stadt Bern) erfolgreich! Gemeinsamer Nenner: Fordern und finanzielle Anreize einsetzen. 24
7. Anforderungen an die Schule (Sek Stufe I) Fach Berufsorientierung (oder: Berufsvorbereitung/Laufbahnvorbereitung) auf Stufe Sek I (7.-9. Klasse) ist entscheidend. Lehrplan 21: Fach Berufsorientierung in der 8. und 9. Klasse beibehalten. Lehrpersonen in der Stufe Sek I sind zu wenig ausgebildet: obligatorische Einführung in den Päd.Hochschulen PH Druck auf die Kantonalen Behörden jetzt 25
8. Ausbildung für Sozialarbeit Beratung und Coaching zur Arbeitsmarktintegration erfordern profunde Kenntnis des Berufsbildungssystems, der Curricula, der Übergänge, der Anforderungen. Ausbildung der Sozialarbeiter ist für dieses Ziel mangelhaft.es fehlen Kenntnisse über das Berufsbildungssystem, den Arbeits- und Bildungsmarkt (Ersatz: Berufsberater) Leistungsaufträge der Kantone an Fachhochschulen mit klar definierten Kompetenzanforderungen für Sozialarbeit 26
Zum Schluss Berufsausbildung ist die wichtigste Armutsprävention. Sie sind die wichtigste Scharnierstelle zwischen Gesellschaft und Arbeitswelt. Stellen Sie Forderungen an Umwelt bleiben Sie nicht stumm. 27
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Danke für das Zuhören und viel Erfolg! 29