Bauen zwischen den Kulturen Schlichtung durch Mediation als seltene Schweizer Mediationspraxis im Bauwesen 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 1
Inhalt 1. Unterschiedliche Denkmuster 2. Einführung in CH Verhältnisse 3. CH Statistik 4. Ein Fallbeispiel 5. Gerichtsverfahren oder Mediation 6. Hin zu einer neuen Baukultur 7. Fazit und Qualität der Mediation 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 2
Differenzen im Verständnis: urban vs. ländliche Kultur Basel Roche Tower 2015 Ort in Süddeutschland 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 3
Lebensformen Bild NZZ 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 4
Schwerpunkte Planen / Bauen Kommunikations Kultur 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 5
Inhalt 1. Unterschiedliche Denkmuster 2. Einführung in CH Verhältnisse 3. CH Statistik 4. Ein Fallbeispiel 5. Gerichtsverfahren oder Mediation 6. Hin zu einer neuen Baukultur 7. Fazit und Qualität der Mediation 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 6
Mitgliedsorganisation des Schweizerischen Dachverband Mediation (SDM). Ein Zusammenschluss von Fachleuten aus der Planungs, Bauund Immobilienwirtschaft mit Mediationserfahrung. Zweck: Der Verein bezweckt Konfliktprävention, Konfliktberatung und mediative Konfliktlösung in der Planungs, Bau und Immobilienbranche zu fördern. Seine Mitglieder sind aktive Mediatorinnen und Mediatoren und pflegen den fachlichen Austausch. 26 Aktiv Mitglieder mit Felderfahrung in den Branchen Bau/Immobilien, und fundierter Mediationsausbildung. Sprachlich regional: deutsche und französische Schweiz. Gründung: Dezember 2012 Vorstand: Jürg Gasche Bühler (Geschäftsstelle), Kristina Kröger, Peter Leuenberger, Susanna Sacchetti (Präsidium) 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 8
Baumängel im Wohnungsbau CH Studie ETH Zürich (Kriebus/Menz 2013 ) Baumängel sind die Materialisierung von Fehlern im Planungs und Ausführungsprozess. Im Schweizer Wohnungsbau wendet die Bauwirtschaft ca. 8% ihrer jährlichen Ausgaben zu deren Behebung auf (ca. 1,6 Milliarden CHF). Fazit: Baumängel sind deshalb ökonomisch äusserst relevant. 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 9
Mediationsklausel Anwendung in Verträgen «In einem Streitfall wird vor Anrufung eines Gerichtes eine Mediation durchgeführt. Der Mediator wird bei Bedarf bestimmt». Durch diesen Wortlaut im Vertrag erklären die Vertragsparteien ihre Absicht, in einem Streitfall eine Mediation versuchen zu wollen: Verträge SIA, KBOB, SBV etc. (Planer, Architekten, Ingenieur, GU, TU, Subunternehmer, Bauunternehmeroder Handwerkerleistungen) 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 10
Mischt Euch in fremde Händel 3 000 Richterinnen und 10 000 Rechtsanwälte in Konfliktarbeit tätig. Schlichtungs und Ombudsstellen und vermutlich mehr als 1 000 aktive Mediator/innen. Was zum Frieden führt: Zuerst «Aufeinander horchen». Niklaus von der Flüe im 15. Jh. «Mischt Euch nicht in fremde Händel!» soll Bruder Klaus den Eidgenossen während der Reformation geraten haben. 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 11
Mediationsverfahren statt Gericht kein CH Mediationsgesetz Die Parteien können anstelle eines Schlichtungsverfahrens eine Mediation zur Streitbeilegung durchführen (ZPO 213, 1.1.2011). Voraussetzungen: Einverständnis aller Parteien Gemeinsamer Antrag aller Parteien. Schlichtungsgesuch einreichen oder an Schlichtungsverhandlung Antrag stellen (ZPO 213 Abs. 2). Ablauf Mediation Die Mediation selbst ist in der ZPO nicht geregelt. Es ist deshalb Sache der Parteien, die Mediation zu organisieren (ZPO 215). Der Ablauf der Mediation kann deshalb von den Parteien frei bestimmt werden. Die Genehmigung der Vereinbarung (Schlichtungsbehörde) setzt voraus: gemeinsamer Antrag der Parteien Klage wird bei Schlichtungsbehörde rechtshängig 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 12
Das Schlichtungsverfahren nach ZPO Zwingend, als Vorstufe zum gerichtlichen Prozess Friedensrichterämter (kantonal geregelt): Entgegennahme von Forderungen bis ca. 2000 CHF, anschliessend Zuständigkeit Gericht (tiefste Stufe: Paritätische Schlichtungsbehörde in Miet und Pachtsachen, bzw. in Arbeitssachen) Ziel: in nicht formeller Verhandlung Lösungen finden Friedensrichter/in als Vermittler/in 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 13
Mediation und Schlichtung Rechtsgültige Abschlussverfügung 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 14
aus der Praxis Friedensrichteramt fast keine Schlichtungsgesuche mit vereinbarter Mediation ca. 5% aller Fälle Mediation durch Empfehlung im Schlichtungsverfahren (Kanton Zürich) Voraussetzung: Schlichter (Friedensrichter) kennt Mediation, kann dadurch Eignung einschätzen und beraten Fazit: Weichenstellung erfolgt meistens früher 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 15
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Tätigkeitsfelder Mediator/innen CH 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 17
Erfolge der Mediationen CH Statistik SDM/Auswertung 2014 Bauen 81 100% 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 18
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Vertragskündigung zur Unzeit Die Fakten Bauherrin sucht einen guten Handwerker für Ausbau Dachstock bzw. Umbau Elternhaus. Im nördlichen Nachbarland sind Handwerker günstiger als in der Schweiz. Bauherrin formuliert schriftl. Vertrag. Beide Parteien unterzeichnen rechtsgültig (inkl Mediationsklausel). Vertragssumme = 50 000 Streitsumme = ca. 20 000 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 20
Involvierte Parteien (Beziehungen) Bauherrin und ihr Ehemann (CH) 1 Bauhandwerker, 1 Geselle (D) Im Haus lebende, alleinstehende Mutter Zum Ende der Renovation sollte zu einem Familienfest im Haus eingeladen werden 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 21
Wo gehobelt wird, da fliegen Spähne Bauarbeiten zur Hälfte erfolgt. Bauherrin kündigt Vertrag zur Unzeit. Streit eskaliert. Bauhandwerker wendet sich an einen CH Rechtsanwalt, klagt Bauherrschaft ein. Bauherrschaft wendet sich an Rechtsanwalt. Dieser rät von einem Gerichtsverfahren ab. Rechtsanwalt empfiehlt Mediation, da bessere Lösungschancen vorhanden; Nennung von drei Adressen Mediator/Mediatorin. 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 22
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Gerichtliches Umfeld Zivilprozess Antragstellung z.hd. Friedensrichteramt Rechtsbegehren: Die Gesuchsgegenerin sei zu (Betrag + Zins) verpflichtet Der Gesuchsgegnerin seien die Prozesskosten aufzuerlegen (Gerichtskosten und Parteien entschädigung). Verfahrensanträge: Anstelle des Schlichtungsverfahrens sei eine Mediation durchzuführen. Es sei Mediator (Name/ Adresse, Berufstitel) zu bestimmen. 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 24
Wahl des/der Mediator/in Mediator/in hat keine Ausbildung in Rechtswissenschaften Unabhängigkeit von bautechnischen Belangen kritisch? Mediator aus «räumlich» nahem Umfeld Frau oder Mann? Über methodische Vorgehensweise i.d.r. kein Einblick Ein Blick auf die Kulturen Mediator/in verfügt über Ausbildung in Rechtswissenschaften Unabhängigkeit von rechtlichen Belangen kritisch? Mediator aus einer anderen Stadt/Ort Frau oder Mann? Über methodische Vorgehensweise i.d.r. kein Einblick 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 25
Mediation ein Werkzeugkasten Weg von Positionen hin zu Interessen hinter den Positionen führen aktiv Zuhören (lassen) Streit zwischen Parteien geschehen lassen (wenn keine Gewalt im Spiel ist) Fragen, fragen, fragen aber welche sind erlaubt? Mit welchen Fragen schaffe ich es den Panzer zu knacken, wenn alle Parteien ihr Recht verteidigen? (!) Missverständnisse zwischen unterschiedl. Kulturangehörigkeit Mediation in der (Bau ) Wirtschaft: wie viel Gefühl darf s denn sein? 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 26
«Raum» für Paradigmenwechsel Zuversicht: «Alle können etwas be wirken» Ohne Zeitdruck «moderieren» Bedürfnisse der Parteien aussprechen lassen Methoden: fall bzw. themenweise auswählen Fragen, zusammenfassen, paraphrasieren > reformulieren spiegeln > verstärken Parteien animieren das gegenseitig zu tun Paradigmenwechsel nicht verpassen 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 27
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Projekte haben auch Stacheln Projekte sind lebende Organismen, ähnlich einer Pflanze. Sie kommen zur Hochblüte, wenn ständiges Lernen im Projektteam zum Prinzip gemacht wird. Prozesskompetenz in der Projektarbeit. Autoren: Mayrshofer/Kröger, Mühleverlag oder Peter M. Senge, Organisationsentwicklung 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 29
Beobachtbares vs. unsichtbares Oberhalb Wasserspiegel Alles Beobachtbare: Strukturen, Umgangsformen, Verhaltensweisen Unterhalb Wasserspiegel Werte, Überzeugungen, Vertrauen, Gefühle Grundeinstellungen, Weltbilder 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 30
Achtsam mit Gliederung der Prozesse Entscheidungsprozess Teamentwicklungsprozess Start Z i e l Projektmanagementprozess Produktentstehungsprozess Abb. Nach D. Mayrhofer/H. A. Kröger, Prozesskompetenz in der Praxis 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 31
Geduldiges und aktives Zuhören Zuerst «Aufeinander horchen» (Bruder Klaus 15. Jh.) Lernprozess ist für Mediator und Medianten (Klienten) ein Vorteil: Mediation vs. Gerichtsverfahren Progressiv für alle zukünftigen Projektabwicklungen grosse und kleine 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 32
1. Fakten Konfliktbearbeitung wichtigste Fragen (1) Was hat sich zugetragen (visualisieren) Ziel Art des Konflikts? 2. Beziehung Sind die am Streit beteiligten Vertragspartner, nahestehende Personen? 3. Beobachtung/Wahrnehmung CRB 2015 Sacchetti/Gasche Bühler Wie geht es mir Was nehme ich wahr (z. B. Körperhaltung)? Beeinträchtig (privat, beruflich; kurz, mittel langfristig)? Was würden die andern sagen, warum der Konflikt eskaliert ist? 08.03.2016 33
4. Bedürfnisse Konfliktbearbeitung wichtigste Fragen (2) Was brauche ich (Gesundheit, Sozial, Finanzen, Kommunikation? Was höre ich vom anderen, was ihm/ihr wichtig ist? 5. Handlungen und Bitten Was will ich tun, um aus dem Konflikt herauszukommen? 6. Reflexion laufend, Einbezug unbeteiligte Fachkollegen, Drittperson als Vermittler 7. Nächster Schritt Welchen nächsten Schritt will ich machen? CRB 2015 Sacchetti/Gasche Bühler 34
Inhalt 1. Unterschiedliche Denkmuster 2. Einführung in CH Verhältnisse 3. CH Statistik 4. Ein Fallbeispiel 5. Gerichtsverfahren oder Mediation 6. Hin zu einer neuen Baukultur 7. Fazit und Qualität der Mediation 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 35
Fazit und Qualität Ein Baumediator kennt die Baukultur, hat aber gleichzeitig ein breites Wissen über Kulturunterschiede, Methoden & Fragetechniken. Streit am Mediationstisch, aber auch Sprech pausen gilt es auszuhalten. Mediation geht nicht ohne Paradigmen wechsel. Jeder Konfliktfall ist neu und deshalb anders. 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 36
Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Susanna Sacchetti Mediatorin SDM, Organisationsberaterin FH, Architektin REG B www.bewirken.ch www.baumediation sdm.ch Präventiv od. bei Streitigkeiten in folgenden Bereichen tätig: Öffentl. Raum/Verwaltung Planung/Bau/Immobilien Nachbarschaft/Wohnen Arbeit/innerbetriebliche Konflikte Unternehmensnachfolge/ Familien 08.03.2016 2. Internationaler Bau Mediationstag in Essen / Susanna Sacchetti 37