Rede im Deutschen Bundestag am 08. April Jahresabrüstungsbericht 2010 Erfolgreiche Schritte zu mehr Frieden und Sicherheit

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Transkript:

Dr. Reinhard Brandl Mitglied des Deutschen Bundestages Rede im Deutschen Bundestag am 08. April 2011 Jahresabrüstungsbericht 2010 Erfolgreiche Schritte zu mehr Frieden und Sicherheit Plenarprotokoll 17/103, TOP 36, S. 11821 D f.

1 Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung der Vision einer Welt ohne nukleare und andere Arten von Massenvernichtungswaffen ist ein Generationenprojekt. Es ist kein Thema wie andere Themen, die man sich vielleicht für eine Legislaturperiode vornimmt, um dann darauf hinzuarbeiten, innerhalb dieser einen Periode einen Haken daran zu setzen. Nichtsdestotrotz stehen wir zu unserer Verantwortung, unsere aktive Zeit dafür zu nutzen, diesem Ziel Stück für Stück näherzukommen. Das Ziel wird aber nie erreicht werden, wenn man sich nur auf die Waffen selbst konzentriert. Es muss in erster Linie darum gehen, in internationalen Bündnissen Rahmenbedingungen zu schaffen und Vertrauen herzustellen, sodass diese Waffen irgendwann einmal von selbst überflüssig werden. So betrachtet, war das Jahr 2010 ein gutes Jahr. Der Abschluss und die Ratifizierung des neuen START-Vertrags zwischen den USA und Russland markieren einen weiteren Schritt der Annäherung und Kooperation zwischen den beiden Ländern. Mit dem Vertrag wurden Transparenz- und Verifikationsmaßnahmen beschlossen und neue Obergrenzen für die strategischen Arsenale festgelegt. Der Vertrag ist aber auch ein Signal für die Welt. Das sichtbare Bemühen um nukleare Abrüstung bei beiden Mächten des Kalten Krieges hebt die Bedeutung des Themas auf der internationalen Bühne. Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht ist es aber mindestens genauso wichtig, dass jetzt in einem nächsten Schritt wieder Bewegung in die Verhandlungen mit Russland über die konventionellen Streitkräfte kommt. Die NATO hat im letzten Jahr ebenfalls ein Signal gesetzt: Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind wesentliche Elemente des neuen strategischen Konzepts, das im November in Lissabon beschlossen wurde. Erstmalig in ihrer Geschichte hat sich die NATO dem Ziel verschrieben, Voraussetzungen für eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Das ist auch ein großer Erfolg der diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung. Frau Zapf, die Arbeit auf Ebene der NATO geht jetzt ja weiter mit der Einrichtung des Abrüstungs- und Rüstungskontrollausschusses und der umfassenden Überprüfung

2 des NATO-Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs. Ihr Vorwurf, dass da jetzt nichts mehr passiert, trifft also nicht zu. Natürlich sind das alles kleine Schritte, genauso wie zum Beispiel der Dialog zwischen der NATO und Russland im NATO-Russland-Rat. Aber die Abrüstung innerhalb der NATO und innerhalb Russlands ist nur die eine Seite. Daneben steht das ist die weitaus konkretere Gefahr das Streben nach Atomwaffen vor allem in Ländern wie Iran, Syrien oder Nordkorea. Nordkorea weigerte sich auch 2010 konsequent, Transparenz über sein Atomprogramm herzustellen. Im Gegenteil: Durch die Bekanntgabe einer bisher unbekannten Urananreicherungsanlage und einen Angriff auf Südkorea hat sich die Lage in der Region weiter zugespitzt. Es gibt weiter Unklarheiten darüber, was denn Israel 2007 in Syrien überhaupt bombardiert hat. Die starke Vermutung, dass es sich dabei um den Rohbau eines nicht bekanntgegebenen Reaktors handelt, wurde bisher nicht ausgeräumt. Weiterhin kritisch ist auch die Lage im Iran. Auch 2010 ist das Land nicht den Auflagen des UN-Sicherheitsrates gefolgt. Es hat sein Atomprogramm fortgesetzt, die Urananreicherung ausgebaut und mit dem Bau des Schwerwasserreaktors in Arak fortgeführt. Durch Presseveröffentlichungen im Herbst letzten Jahres haben wir erfahren, wie groß die Nervosität in der Region ist, wie groß die Angst vor der iranischen Atombombe ist und welches Konfliktpotenzial damit verbunden ist. Deutschland bringt sich hier sehr konstruktiv in die E3-plus-3-Gespräche ein. Gesprächsbereitschaft auf der einen Seite, aber auch harte Sanktionen auf der anderen Seite, wenn das Angebot zum Dialog und zur Kooperation nicht angenommen wird, sind weiterhin der richtige Weg. Meine Damen und Herren, zu den Risiken der Proliferation kommt die Bedrohung durch den Nuklearterrorismus. Organisationen wie al-qaida folgen nicht der Logik der Abschreckung und hätten sicher keine Hemmungen, Atomwaffen auch tatsächlich einzusetzen. Es muss deswegen alles unternommen werden, damit solche Organisationen nicht in den Besitz von Atomwaffen kommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

3 Aber selbst, wenn sie nicht in den Besitz eines Sprengkopfes kommen, würde der Diebstahl von nuklearem Material zum Bau einer schmutzigen Bombe die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus auf eine ganz neue Stufe heben. Der Gipfel zur nuklearen Sicherung im April letzten Jahres war deswegen richtig und wichtig. Deutschland stellt beispielsweise bis 2012 für die Einrichtung einer Datenbank durch die IAEO für gering angereichertes Material 10 Millionen Euro zur Verfügung. Aber gerade, was die Etablierung internationaler Standards zur Absicherung von Nuklearanlagen und von Nuklearmaterial angeht, müssen wir noch dringend nachlegen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch nicht verschweigen, dass es jenseits der Fragen von nuklearer Abrüstung auch in anderen Bereichen der Rüstungskontrolle im Jahr 2010 wichtige Erfolge gab. Einen Erfolg möchte ich besonders herausstellen; er ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Am 1. August 2010 ist das Übereinkommen über Streumunition in Kraft getreten. Dies ist aus deutscher Sicht besonders erfreulich, weil wir es - auch schon während Ihrer Regierungszeit, verehrte Kollegen von der SPD - vorangetrieben haben und weil wir eines der ersten Länder waren, die diesen Vertrag unterzeichnet und im Parlament ratifiziert haben. Das Übereinkommen beschreibt einen umfassenden Verbotstatbestand für diese Art der Munition, die durch die hohen Raten von Blindgängern über Jahrzehnte hinweg noch eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt. Es geht bei diesem Abkommen nicht nur um die Munition selbst, sondern es geht in besonderem Maße um Hilfe für die Opfer. Deutschland war wesentlich am Erfolg des Abkommens und am Erfolg der ersten Vertragsstaatenkonferenz im letzten Jahr beteiligt. Das ist aber nur ein Beispiel der vielen deutschen Anstrengungen, die der Jahresabrüstungsbericht 2010 aufzeigt. Ich möchte allen Vertretern der Bundesregierung, aber auch allen Nichtregierungsorganisationen, die sich im vergangenen Jahr dafür stark gemacht haben, von dieser Stelle aus ganz herzlich danken. Sie alle leisten kleine Beiträge, kleine Schritte, von denen aber jeder auf dem Weg zu mehr Frieden und Sicherheit in der Welt wichtig ist.

4 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)