Exemplarische Ereignisse aus der jüdischen Geschichte finden Sie passend zu jeder Folge auf jeweils einer DIN-A4-Seite. Die Ereignisblätter können zur Vertiefung oder Vergegenwärtigung der in den Folgen präsentierten Inhalte genutzt werden. Für die Folge 5»Heimatsuche«stehen folgende»ereignisse aus der jüdischen Geschichte«zur Verfügung: Jüdische Selbstverwaltung in Polen Chmielnicki Massaker Spinosa wird verbannt Entstehung des Chassidismus Moses Mendelssohn übersetzt die Thora ins Deutsch Gleichberechtigung und Emanzipation http://www.url.de Link TIPP Unter www.geschichte-eines-volkes.de können Ihre Schüler/innen weitere Informationen recherchieren und Ausschnitte der Sendereihe online anschauen.
Jahreszahl (jüdisch): 5340 Jahreszahl (gregorianisch): 1580 Jüdische Selbstverwaltung in Polen Im polnischen Königreich entsteht eine jüdische Selbstverwaltung, die in Form und Umfang beispiellos ist. Im Jahr 1580 wird die jüdische»vier-länder-synode«gegründet. Darin wird das gesamte Gebiet Polens in vier»länder«eingeteilt, nach der Anzahl der dort lebenden Juden und der Bedeutung der dortigen Gemeinden. Alle Juden im Königreich Polen sind dieser Selbstverwaltung unterstellt. Sie sammelt einerseits die Steuern für den König und leitet sie weiter. Andererseits übernimmt sie auf der Verwaltungsebene die Macht innerhalb der großen jüdischen Bevölkerung. Gerichte, soziale Unterstützung, Deckung der religiösen Bedürfnisse werden von den Gemeinden, den Ländern mit ihren eigenen Räten und der Synode aller Länder organisiert und durchgeführt. Die Länder sind im Einzelnen: 1.Großpolen mit Hauptstadt Posen (Poznan) 2.Kleinpolen, Krakau (Kraków) 3.Ruthenien, Lemberg (Lwów) 4.Wolhynien, Ostrog (Ostroh) Hinzu kamen das Oberzentrum der polnischen Juden und der Sitz des Synodenrats in Lublin (der andere Sitz war in der Marktstadt Jaroslaw in Kleinpolen) sowie das Land Podolien.
Jahreszahl (jüdisch): 5408-5409 Jahreszahl (gregorianisch): 1648-1649 Chmielnicki Massaker Die polnischen Landesadeligen leben ganz à la Mode in großem Luxus. Viele verbringen die meiste Zeit des Jahres in Paris. Die enormen Kosten eines solchen Lebens müssen die Pachtbauern finanzieren, die unter übelsten Bedingungen arbeiten müssen. Hinzu kommt noch die Steuerlast, die proportional zum Luxusniveau des herrschaftlichen Haushaltes ansteigt. Der Adel, unbedarft in Sachen Finanzen, bedient sich bei Fachleuten. Oft sind es Juden, die den Besitz polnischer Adeliger bewirtschaften. Entsprechend sind sie auch die Steuereintreiber und nicht selten die einzigen Kontaktpersonen der Bauern. Zu deren Wut über die schlechten Lebensbedingungen gesellt sich noch ein religiöser Konflikt hinzu. Die polnischen Adeligen sind katholisch, während die Bauern zur russisch-orthodoxen Kirche gehören, welche ihrerseits Animositäten gegen Rom pflegt. Diese Spannung entlädt sich in einem Aufstand, der nationale Ausmaße annimmt. Unter der Führung des Adeligen Bogdan Chmielnicki, der von Tataren, Kosaken und dem einfachen Volk unterstützt wird, werden die Polen vertrieben und deren»handlanger«bekämpft. Besonders hart trifft dies die Juden. Wo auch immer die Aufständischen eintreffen, werden die verhassten Juden niedergemetzelt. Zehntausende werden ermordet, ganze Gemeinden verschwinden. Die unerhörten Gräueltaten säen weiteren Terror. Wenige Juden überleben. Einer von ihnen ist Rabbi Nathan Hanover, der den Schrecken in seinem Buch»Jawen Metzulah«,»Abgrund der Verzweiflung«beschreibt.
Jahreszahl (jüdisch): 5416 Jahreszahl (gregorianisch): 1656 Spinosa wird verbannt Im protestantischen Amsterdam wird um 1579 ein Verbot der Verfolgung aus religiösen Gründen verhängt. Conversos und aus Spanien und Portugal geflüchtete Juden lassen sich ab zirka 1590 vermehrt in der Stadt nieder. Die»Sephardim«, wie sie heißen, sind oft reiche Händler von Gewürzen und Diamanten. Sie haben Geschäftsbeziehungen in ganz Europa und in die neuen Kolonien hinein. Darüber hinaus verfügen sie über Insiderkenntnisse aus Spanien dem großen Feind der Niederlande. Sie werden in dieser Phase hoch geschätzt. Hinzu kommen Flüchtlinge aus dem Osten, die sogenannten»aschkenasim«: ohne Hab und Gut, ohne Bildung und das kulturelle Niveau der Sephardim. Sie bekommen Hilfe, arbeiten trotz aller Unterschiede bei ihren Glaubensgenossen in niederen Berufen als Dienstboten und Diener. Beide Gruppen werden von Rembrandt van Rijn (1606-1669) porträtiert. Die einen zahlen gut für Porträts, die anderen findet er einfach faszinierend. 1656 wird Baruch Spinoza aus der jüdischen Gemeinde in Amsterdam verbannt. Er ist ein Nachkomme portugiesischer Conversos und Scheinchristen, die in Amsterdam zum Judentum zurückkehrten. Er stellt die These auf, Gott sei ein Teil der Welt und stehe nicht außerhalb. Damit öffnet er die Tür für die moderne Philosophie. In Amsterdam hört sich diese These jedoch nach Blasphemie an. Die Juden fürchten, dass die christliche Umgebung sich über solche Blasphemie ärgern könnte. Aus Baruch wird zwar Benedikt, die Idee aber bleibt und beeinflusst alle nachfolgenden Philosophen. Um 1675 wird die»esnoga«, die prachtvolle portugiesische Synagoge in Amsterdam eingeweiht. Im selben Jahr erscheint in der Stadt die erste jüdische Zeitung. Bis zur Zerstörung durch die Nazis wächst und gedeiht die jüdische Gemeinde in Amsterdam, dem»neuen Jerusalem«.
Jahreszahl (jüdisch): 5500 Jahreszahl (gregorianisch): 1740 Entstehung des Chassidismus Auf die Verfolgungen in Europa reagieren die Juden mit einer intensiven Religiosität. Der mystische Israel Ben Eliezer findet dieses Judentum jedoch geistlos und zu akademisch. Er hat seine Ausbildung zum Rabbiner unterbrochen und verdient seinen Lebensunterhalt mit einfachen Arbeiten. Seine Bekanntheit als Schlichter und Heiler bringt ihm den Namen Ba al Schem Tow (der gute Heiler) ein. 1740 zieht er nach Medzieboz und beginnt dort zu lehren. Der Chassidismus entsteht. Eine Lehre der Freude, des Tanzes und des Gesangs.»Wo Trübsal herrscht, zieht Gott aus«, ist eine der Kernaussagen des berühmten Rabbis. Der Chassidismus übernimmt Grundsätze der mystischen Kabbala. Gott, lehrt er, befinde sich überall und muss nur entdeckt werden. Das Studium der Schriften wird weniger hoch geschätzt als im talmudischen Judentum. Dadurch können sich auch die einfachen Einwohner der Schtetl, der jüdischen Städtchen und Stadtteile, trotz fehlender Bildung als»vollständige«juden verstehen. Die Talmudisten verurteilen diese neue Bewegung sie sind als Mitnagdim, Widersacher, bekannt. Immer mehr Stimmen bejahen allerdings die neue Lehre. Heute ist der Chassidismus (aus dem hebräischen Wort Chessed: Wohlwollen, Gnade), weltweit verbreitet. Typisch für die Bewegung sind die Höfe berühmter, heiliger Rabbiner, die Zaddikim. Besonders bekannt ist die Chabad Bewegung der Rabbinerdynastie Schneerson aus Lubavitch.
Jahreszahl (jüdisch): 5543 Jahreszahl (gregorianisch): 1783 Moses Mendelssohn übersetzt die Thora ins Deutsch Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und dem Anfang des Absolutismus werden Juden erneut nach Deutschland eingeladen. Die Hofjuden, die mit Kapital und Geschäftsbeziehungen die Interessen ihrer jeweiligen Fürsten vertreten, öffnen Türen für jüdische Gemeinden. Die meisten unter den Juden sind bettelarme Flüchtlinge aus Osteuropa und sprechen Jiddisch. Einer von ihnen ist Moses Mendelssohn, geboren in Dessau. Er lernt die Schriften auf Jiddisch und Hebräisch, und eignet sich Mathematik, Deutsch, Latein, Englisch, Französisch und Philosophie an. Mit 14 folgt er seinem Lehrer nach Berlin und wird dort selbst zu einem Lehrer und später Geschäftführer einer Seidenmanufaktur. Daneben veröffentlicht er seine philosophischen Werke. Diese bringen ihm den Ruf ein, der»jüdische Sokrates aus Berlin«zu sein. Er wird für die Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften vorgeschlagen. Der Vorschlag scheitert an Kaiser Friedrich II. Mendelssohn ist ein gläubiger Jude, der für die Öffnung der jüdischen Gesellschaft kämpft. Er meint, als ein integrierter Teil der deutschen Gesellschaft könnten die Juden Gleichberechtigung erhalten und gleichzeitig ihre Identität bewahren. Unter dem Eindruck von Mendelssohns Engagement eröffnet David Friedlander 1778 in Berlin die erste Freischule für jüdische Kinder, die den Schülern vor allem weltliches Wissen beibringt. Im Jahr 1783 veröffentlicht Mendelssohn eine Übersetzung der Thora ins Deutsche - ein Meilenstein in der Geschichte der deutschen Juden. Trotz Bedenken der Rabbiner, die Heilige Schrift eigne sich nicht als Textbuch zum Erlernen der deutschen Sprache, hat die Übersetzung weit reichende Auswirkungen. Die Haskala-Bewegung, das jüdische Pendant zur philosophischen Aufklärung, entsteht. Juden werden in der deutschen Gesellschaft zu einem Motor der Modernisierung und Liberalisierung. Viele sehen die Möglichkeit, eine ihnen feindliche Welt zu verbessern und stehen bei neuen ideologischen und politischen Bewegungen an vorderster Front.
Jahreszahl (jüdisch): 5551 Jahreszahl (gregorianisch) 1791 Gleichberechtigung und Emanzipation Im Jahr 1789 nimmt die Französische Revolution den Geist der Aufklärung auf. Die Erklärung der Menschenrechte impliziert Gleichberechtigung auch für Juden. Graf von Clermont-Tonnerre gelangt zu der Erkenntnis, dass die religiöse Überzeugung nicht zur Diskriminierung führen dürfe, solange die öffentliche Ordnung nicht gestört sei. Lediglich der Zusammenhalt der Juden stört ihn, weshalb er vor der Nationalversammlung fordert»( ) den Juden als Nation nichts, den Juden als Individuen alles zu gewähren«. Damit verknüpft er die theoretische Gleichberechtigung der Juden mit der Voraussetzung der vollständigen Anpassung. Im September 1791 bewirkt ein Gesetz der Nationalversammlung die bürgerliche Gleichstellung der Juden in Frankreich. Die Emanzipation der Juden wird mehr oder minder Realität in Westeuropa (Niederlande 1796, Belgien 1831, Österreich-Ungarn und Sardinien 1848, Deutschland (begrenzt) 1848-1871, Italien 1870, Schweiz 1874). In anderen europäischen Ländern wie etwa Spanien, Portugal oder in den skandinavischen Ländern wurden die Juden erst im 20. jahrhundert gleichberechtigt. Die Gleichberechtigung brachte eine rasche Integration der Juden und eine Liberalisierung innerhalb der Gemeinden mit sich. Auch die konservativen Tendenzen des 19. Jahrhunderts konnten diese Entwicklung nicht rückgängig machen.