Energiegewinnung nach dem Vorbild der Sonne Vakuumtechnik ermöglicht die Herstellung von Fusionsbedingungen Auf der Suche nach alternativen und sauberen Energiequellen gewinnt die Energieerzeugung durch Kernfusion zusehends an Bedeutung. Bereits seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts versuchen Wissenschaftler weltweit, die Kernfusion auf der Erde friedlich zu nutzen. In der Sonne funktioniert das perfekt. Die dort herrschenden extremen Bedingungen nachzuahmen sind für Physiker und Ingenieure jedoch ein hartes Stück Arbeit. Grundsätzlich geht es darum, je zwei Wasserstoff-Isotope miteinander zu einem neuen Helium-Atomkern zu verschmelzen. Bei diesem Prozess entstehen Helium und ein einzelnes Neutron sowie eine außerordentlich große Energiemenge. Diese frei werdende Energie soll für die Stromgewinnung genutzt werden: Aus nur einem Gramm Brennstoff kann man in einem Kraftwerk so theoretisch 90.000 Kilowattstunden Energie erzeugen. Das entspricht der Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle. Die Herausforderung bei der Fusionsforschung liegt darin, die Atomkerne zur Verschmelzung zu bringen. Da man die in der Sonne vorliegenden Fusionsbedingungen in einem Kraftwerk auf der Erde nicht ohne Weiteres nachstellen kann, wird die Fusion erst bei einer sehr hohen Plasmatemperatur von ca. 100 bis 150 Millionen Kelvin und im Hochvakuum bei einer im Vergleich sehr geringen Teilchenzahldichte von 10 20 pro Kubikmeter möglich. Nach dem Aufheizen trennen sich die Atomkerne von den Elektronen und bilden das Plasma. Die geladenen Atomkerne werden mit Hilfe eines sehr starken Magnetfelds durch den Reaktor geführt und von den Reaktorwänden ferngehalten. Wenn sich zwei Atomkerne nahe kommen oder sogar zusammenstoßen, verschmelzen diese miteinander und setzen eine große Energiemenge frei. Ein Teil dieser Energie sorgt dafür, dass das Plasma ohne externe Energiezufuhr auf gleicher Temperatur bleibt und seinen Zustand beibehält.
Computergrafik: Kryostat, Magnetspulen und Plasmagefäß der Fusionsanlage Wendelstein 7-X. (Foto: IPP) Um Energie für die Stromgewinnung zu erzeugen, muss letztendlich eine positive Energiebilanz vorliegen. Nur wenn bei der Kernfusion im Kraftwerk überschüssige Energie übrig bleibt, kann diese auch für die Stromgewinnung verwendet werden. In der Fusionsforschung haben sich gegenwärtig Anlagentypen nach dem Tokamak- und dem Stellarator-Prinzip bewährt. Beide Reaktoren schließen das Plasma in einem ringförmigen Magnetfeld ein. Der Tokamak-Reaktor ist symmetrisch aufgebaut und stellt einen Teil des einschließenden magnetischen Feldes durch einen starken, im Plasma fließenden elektrischen Strom her. Stellaratoren hingegen schließen das Plasma mit einem Magnetfeld ein, das alleine von äußeren Spulen erzeugt wird. Hierdurch ergibt sich eine hoch komplexe, asymmetrische Form des Reaktors. Aufgrund der hohen Kosten für die Erforschung der Fusionstechnik werden vermehrt einzelne nationale Forschungsprojekte zu internationalen Gemeinschaftsprojekten zusammengelegt. Zwei große Forschungsprojekte mit internationaler Beteiligung auf dem europäischen Kontinent sind das Tokamak-Projekt ITER in Cadarache, Frankreich, und das Stellarator-Projekt Wendelstein 7-X in Greifswald, Deutschland. Während man sich für das ITER Projekt die Gewinnung von Energie zum Ziel gesetzt hat, soll mit Hilfe der Wendelstein 7-X Fusionsanlage eine Brenndauer von etwa 30 Minuten ohne Energiegewinnung erreicht werden. Wendelstein 7-X ist ein Schlüsselexperiment: Es soll die Kraftwerkstauglichkeit der Stellaratoren demonstrieren und ist gegenwärtig das weltweit größte Fusionsexperiment vom Stellaratortyp. Die Anforderungen an die Vakuumtechnik im Fusionsreaktor Wendelstein 7-X besteht im Wesentlichen aus zwei ineinander geschachtelten, ringförmigen Vakuumkammern. Die äußere Kryostaten-Kammer beinhaltet das Isolationsvakuum und die Kühltechnik für die supraleitenden Spulen, die zur Erzeugung Technische Daten Großer Plasmaradius Kleiner Plasmaradius Magnetfeld Entladungsdauer Plasmaheizung Plasmavolumen Plasmamenge Plasmazusammensetzung Plasmatemperatur Wendelstein 7-X 5,5 Meter 0,53 Meter 3 Tesla bis 30 Minuten, Dauerbetrieb mit Mikrowellenheizung 20 Megawatt 30 Kubikmeter 5 30 Milligramm Wasserstoff, Deuterium, Helium 60 Millionen Kelvin 2
des Magnetfeldes notwendig sind. In der inneren Kammer, dem Plasmagefäß, wird im Hochvakuum das eigentliche Plasma erzeugt. Ein wichtiger Faktor für den Betrieb des Fusionsreaktors ist ein robustes, verlässliches und leistungsfähiges Vakuumsystem. Alle Vakuumkomponenten wurden daher für den Einsatz am Wendelstein 7-X vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik qualifiziert. Im inneren Plasmagefäß der Anlage ergeben sich starke Magnetfelder bis zu einer Stärke von 3 Tesla, um die elektrisch geladenen Teilchen des Plasmas einzuschließen. Die Magnetfeldstärke in der unmittelbaren Umgebung ist derart hoch, dass die Vakuumtechnik über spezielle Aufnahmen in einem Abstand von 4 bis 9 Meter an dem Plasmagefäß montiert werden muss. Selbst in dieser Entfernung betragen die Magnetfeldstärken 7 Millitesla und zeitweise sogar 20 Millitesla. Die Feldstärken sind dabei fast 1.000-fach höher als das natürliche Erdmagnetfeld. INFOBOX Plasma In der Physik versteht man unter Plasma einen gasförmigen Zustand, in dem freie Elektronen und ionisierte Atome vorkommen. Dieser Zustand kann bei hohen Temperaturen (thermischer Zerfall) erreicht werden, beispielsweise auch durch starke elektrische Felder (Blitz, Gasentladungslampe). Bei hohen Temperaturen ( 5.000 Kelvin) zerfallen Gase nahezu vollständig in ein Plasma. Das Plasma wird nicht durch einen Phasenübergang aus dem Gas erzeugt wie etwa Wasser aus Eis, sondern durch Reaktion, nämlich durch den Zerfall eines neutralen Atoms in ein 0-Ion und ein Elektron. Es kann sich dann ein Gleichgewicht zwischen neutralen Atomen und elektrisch geladenen Ionen einstellen, das durch die sogenannte Saha-Gleichung beschrieben wird. Bei noch höheren Temperaturen können die Atomkerne gänzlich freigelegt werden, was bei der Kernfusion wichtig ist. Grundsätzlich verhält sich ein Plasma wie ein Gas, mit Elektronen und Kationen oder Atomkernen als kleinsten Teilchen. Diese Eigenschaft macht das Plasma zu einem guten elektrischen Leiter. Um den Basisdruck im Plasmagefäß von 10-8 Hektopascal zu erreichen, müssen neben dem Kammervolumen von 100 Kubikmetern auch die durch Ausgasung der inneren Oberfläche von ca. 1.300 Quadratmetern entstehenden Gaslasten abgepumpt werden. Zudem müssen die eingesetzten Vakuumpumpen in der Lage sein, die am Fusionsprozess beteiligten leichten Gase Wasserstoff, Deuterium und Helium, mit einer hohen Kompression abzupumpen. Eine gute Verträglichkeit der Turbopumpen gegenüber den Materialien, die für die Beschichtung der Oberflächen des Plasmagefäßes verwendet werden, ist eine weitere Voraussetzung. Aufnahme einer Plasma-Entladung in einer Fusionsanlage. (Foto: IPP) 3
Die Lösung von Pfeiffer Vacuum Aufgrund der hohen Einsatz- und Qualitätsanforderungen an das Vakuumsystem, qualifizierte sich Pfeiffer Vacuum als kompetenter Partner für dieses Projekt. Zusammen mit den Experten des Kernfusionsexperiments Wendelstein 7-X wurde die benötigte Vakuumausrüstung sorgfältig ausgewählt und entsprechend den Anforderungen und Einsatzbedingungen verifiziert: Turbopumpen Für beide Vakuumkammern kommen HiPace Turbopumpen von Pfeiffer Vacuum der Saugvermögensklasse 2.000 Liter pro Sekunde zum Einsatz, welche die besonders hohen Anforderungen von Fusionsexperimenten erfüllen. Alleine an dem Plasmagefäß stellen alle installierten Turbopumpen insgesamt ein Saugvermögen von etwa 40.000 Liter pro Sekunde bereit. Durch die starken Magnetfelder in der Experimentumgebung werden auf die Rotoren der schnelldrehenden Turbopumpen sogenannte magnetische Wirbelströme induziert, die zu einem hohen Wärmeeintrag in die Pumpen führen. Dank des speziellen Lagerungsprinzips und des inneren Aufbaus der HiPace Turbopumpe HiPace 2300 (Beispielabbildung) Wendelstein 7-X im März 2014, kurz vor dem Ende der Hauptmontage. (Foto: IPP, Beate Kemnitz) 4
Turbopumpen ist gewährleistet, dass eine große Menge der Wärme abgegeben werden kann und die Pumpen so eine in Versuchsreihen nachgewiesene hohe thermische Betriebssicherheit in äußeren Magnetfeldern erreichen. Aus der guten Magnetfeldverträglichkeit der Turbopumpen von Pfeiffer Vacuum ergibt sich der Vorteil, dass sie in relativ kurzer Entfernung am Plasmagefäß montiert werden können. Durch die daraus resultierenden kürzeren Rohrleitungen wird ein höheres effektives Saugvermögen am Plasmagefäß erzielt. Ein weiterer Vorteil sind die auf die mechanische Betriebssicherheit ausgelegten ausgesprochen niedrigen Drehmomente der hybridgelagerten Turbopumpen. Die bei der Befestigung der Pumpen zu berücksichtigenden Drehmomente liegen um den Faktor 3 bis 4 niedriger im Vergleich zu anderen Bauarten. Messtechnik An den Vakuumkammern werden speziell für den Einsatz in rauen Bedingungen entwickelte Druckmessgeräte von Pfeiffer Vacuum eingesetzt. Die Verträglichkeit der Messtechnik in starken Magnetfeldern wurde vorab vom Max-Planck-Institut erfolgreich evaluiert. Die zum Einsatz kommenden robusten Kaltkathodenmessröhren sind als passive Sensoren ohne elektronische Bauteile am Flansch ausgeführt. Die dazugehörige Auswerteelektronik befindet sich mehrere Meter entfernt in einem sicheren Bereich und wird über lange Kabel mit den passiven Sensoren verbunden. Die Sensoren werden zudem zusätzlich abgeschirmt, so dass diese auch in den hohen magnetischen Streufeldern zuverlässig den Druck anzeigen. Vakuumbauteile Für die Erzeugung des Vakuums werden Hunderte von speziellen, vakuumtauglichen Verbindungs- und Rohrbauteilen benötigt, die nach den anspruchsvollen Vorgaben des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik gefertigt werden mussten. Neben der hochpräzisen Fertigung sind vor allem die Auswahl geeigneter Materialien mit einer optimalen magnetischen Permeabilität und Kobaltarmut, die Nutzung modernster Fertigungstechnologien wie beispielsweise das Laserschweißen sowie die entsprechenden Qualitätsnachweise wichtige Faktoren für das zuverlässige Funktionieren des Vakuumsystems und damit der gesamten Fusionsanlage. Pfeiffer Vacuum lieferte für die Aufnahme der Turbopumpen mehrere Sonderbauteile mit Nennweiten von DN 400 bis DN 250 sowie Bauteile zur Verrohrung, Flansche und sogenannte Tauchrohre für die visuelle Beobachtung des Plasmas. Insgesamt hat Pfeiffer Vacuum Edelstahl-Vakuumbauteile mit einem Gesamtgewicht von mehr als 12 Tonnen für den Bau des Fusionsexperiments nach Greifswald ausgeliefert. Helium-Lecksuche Das Vakuumsystem wurde am 10. Dezember 2015 in Betrieb genommen. Bevor die Kammern evakuiert werden konnten, musste die Helium-Dichtigkeit von über 2.000 Schweißnähten und weiteren Flanschverbindungen einzeln überprüft und sichergestellt werden. Da sich die Schweißnähte an teilweise schwer zugänglichen Stellen befinden, entschied man sich in Greifswald bewusst für den portablen Lecksucher ASM 310 von Pfeiffer Vacuum. Ein entscheidendes Kriterium war die gute Zuverlässigkeit im Aufspüren von kleinsten Helium-Leckageraten. Aufgrund des geringen Gewichts und der kompakten Bauform des ASM 310 konnte dieser einfach an die zu untersuchenden Nähte transportiert werden und eignete sich daher ideal für dieses Einsatz-gebiet. ModulLine IKR 070 Sonder-Rohrbauteile Helium-Lecksucher ASM 310 5
Vakuumlösungen aus einer Hand Pfeiffer Vacuum steht weltweit für innovative und individuelle Vakuumlösungen, für technologische Perfektion, kompetente Beratung und zuverlässigen Service. Komplettes produktsortiment Vom einzelnen Bauteil bis hin zum komplexen System: Wir verfügen als einziger Anbieter von Vakuumtechnik über ein komplettes Produktsortiment. Kompetenz in Theorie und Praxis Nutzen Sie unser Know-how und unsere Schulungsangebote! Wir unterstützen Sie bei der Anlagenplanung und bieten erstklassigen Vor-Ort-Service weltweit. Sie suchen eine perfekte Vakuumlösung? Sprechen Sie uns an: www.pfeiffer-vacuum.com Pfeiffer Vacuum GmbH Headquarters Germany T +49 6441 802-0 info@pfeiffer-vacuum.de Irrtümer und/oder Änderungen vorbehalten. PI0391PDE (Januar 2016/0)