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Transkript:

Bundesfinanzhof Beschl. v. 30.11.2004, Az.: VIII R 51/03 Weniger als halbes Kindergeld darf nicht voll angerechnet werden Zahlt ein Vater mangels ausreichender Einkünfte seinem Kind weniger Unterhalt, als es ihm (je nach Alter) als Existenzminimum zusteht, so darf er von seinen Überweisungen nicht wie sonst das halbe Kindergeld abziehen. Daraus folgt, dass ihm das Finanzamt auch nicht das halbe Kindergeld steuererhöhend ansetzen darf. Quelle: Wolfgang Büser Anrechnung von Kindergeld bei der Bemessung der Einkommensteuer; Abzug von Kinderfreibeträgen bei der Berechnung der Einkommensteuer; Einsatz von Kindergeld für den Unterhalt eines Kindes zur Sicherung des Barexistenzminimums; Überprüfung der Vereinbarkeit von 1612b Abs. 5 BGB mit den Gleichheitsrechten des Grundgesetzes (GG); Befreiung von der Steuerpflichtigkeit für Unterhaltszahlungen bei Vorliegen eines Sicherungsbedürfnis für den Barunterhalt eines Kindes; Austausch des Familienlastenausgleichs durch den Familienleistungsausgleich; Möglichkeit einer kumulativen Beanspruchung von Kindergeld und Kinderfreibetrag; Erfüllung der Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind durch die Pflege und Erziehung durch den mit dem Kind zusammenlebenden Elternteil neben der Verpflichtung zum Barunterhalt für den anderen Elternteil; Gewährung von Kindergeld bei Übersteigen einer Steuerminderung auf Grund des Abzugs von Freibeträgen durch das gezahlte Kindergeld; Zustehen der Kinderfreibeträge für beide Elternteile zu gleichen Teilen und Verdoppelung dieser bei zusammenveranlagten Elternteilen; Steuerbefreiung für das Existenzminimum von sämtlichen Mitgliedern einer Familie Gericht: BFH Entscheidungsform: Beschluss Datum: 30.11.2004 Referenz: JurionRS 2004, 27080 Aktenzeichen: VIII R 51/03 Verfahrensgang: vorgehend: FG Münster - 21.05.2003 - AZ: 10 K 38/03 E Rechtsgrundlagen: 31 S. 5 EStG 32 Abs. 6 EStG 36 Abs. 2 S. 1 EStG 1612b Abs. 5 BGB 1606 Abs. 3 S. 2 BGB Art. 6 Abs. 1 GG Fundstellen: BFHE 207, 471-501 AuR 2005, 199 (Kurzinformation) 1 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

AUR 2005, 199 (Kurzinformation) BB 2005, 369-370 BFH/NV 2005, 443-455 (Volltext mit amtl. LS) BStBl II 2008, 795-809 (Volltext mit amtl. LS) DB 2005, VI Heft 6 (amtl. Leitsatz) DB 2005, 317 (amtl. Leitsatz) DStR 2005, VIII Heft 6 (Kurzinformation) DStRE 2005, 259-271 (Volltext mit amtl. LS) DStZ 2005, 135 (Kurzinformation) EStB 2005, 91 (Volltext mit amtl. LS) FamRB 2005, 124 (Kurzinformation) FamRZ 2005, 451 (amtl. Leitsatz) FF 2005, 102 (Pressemitteilung) FR 2005, 380-389 GStB 2005, 18 HFR 2005, 546-551 (Volltext mit amtl. LS) INF 2005, 166 JuS 2005, X Heft 3 (Pressemitteilung) KÖSDI 2005, 14542 NJW 2005, 1392 (amtl. Leitsatz) NWB 2006, 1039-1040 NWB 2005, 391-392 (Kurzinformation) SJ 2005, 4-5 stak 2005 StB 2005, 83 StuB 2005, 322 WISO-SteuerBrief 2005, 1 wistra 2005, IV Heft 3 (Kurzinformation) ZFE 2005, 74 2 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

BFH, 30.11.2004 - VIII R 51/03 Amtlicher Leitsatz: Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob 31 Satz 5 und 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2001 maßgeblichen Fassung insoweit mit dem GG vereinbar sind, als danach bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen gemäß 31 Satz 4 EStG um die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch in den Fällen um die Hälfte des gezahlten Kindergelds zu erhöhen ist, in denen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhalt nach 1612b Abs. 5 BGB i.d.f. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I 2000, 1479) mit der Folge ganz oder teilweise unterblieben ist, dass im wirtschaftlichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen --die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden-- Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt worden sind. Tatbestand 1 A. 2 I. Gegenstand der Vorlage Sachverhalt 3 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist geschieden. Aus der geschiedenen Ehe sind die 1993 und 1997 geborenen Kinder L und S hervorgegangen, die im Haushalt der Mutter leben. 4 Der Kläger hatte sich in der notariell beurkundeten Scheidungsvereinbarung vom... März 2000 verpflichtet, für die beiden Kinder vom ersten des auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monats an Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 128 v.h. des jeweiligen Regelsatzes der Düsseldorfer Tabelle (nach Einkommensgruppe 5) abzüglich 50 v.h. des gesetzlichen Kindergeldes zu zahlen. Bei der Ermittlung des zu zahlenden Unterhalts gingen die Vertragsparteien von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Klägers von 3 550 DM aus. 5 Dementsprechend zahlte der Kläger im Januar 2001 für seine beiden Kinder Unterhalt in Höhe von insgesamt 737 DM (für S nach Altergruppe 1 bis 5 Jahre: 455 DM./. 135 DM Kindergeld = 320 DM und für L nach Altersgruppe 6 bis 11 Jahre: 552 DM./. 135 DM Kindergeld = 417 DM). 6 Nach Aufforderung seiner geschiedenen Ehefrau, Kindesunterhalt künftig entsprechend der zum 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Neuregelung des 1612b Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu leisten, zahlte der Kläger ab Februar 2001 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 792 DM (für S: 455 DM./. 110 DM Kindergeld = 345 DM, für L: 552 DM./. 105 DM Kindergeld = 447 DM). 7 In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 gab der Kläger in der Anlage "Kinder" die Höhe des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen des an die Mutter der Kinder ausgezahlten Kindergeldes mit jeweils 1 317 DM (insgesamt 2 634 DM) an. 8 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 28. März 2002 die Einkommensteuer 2001 nach einem zu versteuernden Einkommen von 64 553 DM (nach Abzug von zwei Kinderfreibeträgen und zwei Betreuungsfreibeträgen) unter Hinzurechnung der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes (insgesamt 3 240 DM) nach der Grundtabelle auf 17 880 DM fest. 9 Der Kläger hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, nach der Neuregelung des 1612b Abs. 5 BGB habe er auf den geschuldeten Unterhalt nicht mehr --wie bisher-- das halbe Kindergeld, sondern für die Zeit ab Februar 2001 nur noch 110 DM für 3 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

10 II. S und 105 DM für L anrechnen können. Seine geschiedene Ehefrau habe einen entsprechenden Anspruch auf Änderung der Scheidungsvereinbarung gehabt, so dass Einwendungen gegen die ab Februar 2001 erhobene Unterhaltsforderung keinen Erfolg versprochen hätten. Als "gezahltes Kindergeld" i.s. des 36 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dürften daher nur die unter Berücksichtigung des 1612b Abs. 5 BGB noch anrechenbaren Kindergeldbeträge in Höhe von insgesamt 2 635 DM angesetzt werden. Entscheidung des Finanzgerichts (FG) 11 Das FG hat der Klage stattgegeben. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1249 veröffentlicht. 12 Das FG führt zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen aus, nach dem eindeutigen Wortlaut des 31 Satz 5 EStG sei das Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs in jedem Fall Voraussetzung für die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes, wenn dieses --wie im Streitfall-- nicht an den Steuerpflichtigen, sondern an den anderen Elternteil ausgezahlt worden sei. Dem Kläger habe im Streitfall nur ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch in Höhe von insgesamt 2 635 DM zugestanden. Nach 1612b Abs. 5 BGB i.d.f. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I 2000, 1479) unterbleibe eine Anrechnung des Kindergelds auf den Kindesunterhalt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande sei, 135 v.h. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Der Kläger sei nur zur Zahlung von 128 v.h. des Regelbetrages verpflichtet. Seit der Aufforderung der geschiedenen Ehefrau, ab 1. Februar 2001 Unterhalt nach der ab 1. Januar 2001 geänderten Rechtslage zu zahlen, habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf die bis dahin erfolgte Anrechnung des hälftigen Kindergeldes gehabt. Der Senat verkenne nicht, dass es bei seiner Entscheidung zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten kumulativen Inanspruchnahme von Kindergeld und Freibeträgen des 32 Abs. 6 EStG komme. Der Senat verkenne auch nicht, dass die vom Gesetzgeber mit der Regelung des 1612b Abs. 5 BGB beabsichtigte finanzielle Besserstellung des das Kind betreuenden Elternteils in ihr Gegenteil verkehrt werden könne, wenn bei der Günstigerprüfung dieses Elternteils einerseits (wegen Fehlens einer zivilrechtlichen Ausgleichspflicht) mehr als die Hälfte des Kindergeldes anzusetzen, andererseits aber nur die hälftigen Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen seien. Da nach dem Wortlaut des 31 Satz 5 EStG ("zustehen") aber nur ein bestehender Ausgleichsanspruch dem Kindergeld gleichgestellt sei, habe die Hinzurechnung des Kindergeldes zwingend zu unterbleiben, soweit der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht um das anteilige Kindergeld gekürzt werden dürfe. 13 III. Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren 14 Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. 15 Das angefochtene Urteil stehe nicht in Einklang mit den Regelungen der 31 Satz 5, 36 Abs. 2 EStG und 1612b BGB n.f. Das FG habe zu Unrecht in einem sog. Mangelfall nicht das volle hälftige Kindergeld, sondern entsprechend der Regelung des 1612b Abs. 5 BGB nur einen abgestuften Betrag verrechnet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung bestimme sich die nach 36 Abs. 2 EStG gebotene Hinzurechnung "im entsprechenden Umfang" ausschließlich danach, in welchem Umfang der Kinderfreibetrag zu gewähren sei. Da einem Elternteil, der seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen (d.h. zu mindestens 75 v.h.) nachkomme, ein hälftiger Kinderfreibetrag zustehe, sei auch das gezahlte Kindergeld in diesem Unfang hinzuzurechnen. Im Streitfall habe diese Rechtsauffassung zur Folge, dass der tariflichen Einkommensteuer des Klägers das hälftige Kindergeld hinzuzurechnen sei. 16 4 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

Entgegen der Ansicht des FG stehe 1612b Abs. 5 BGB n.f. der Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes nicht entgegen. Nach dem Grundsatz des 1612b Abs. 1 BGB sei das auf ein Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte anzurechnen, wenn an den barunterhaltspflichtigen Elternteil Kindergeld nicht ausgezahlt werde, weil ein anderer vorrangig berechtigt sei. Nach 1612b Abs. 5 BGB n.f. unterbleibe in den sog. Mangelfällen die Anrechnung des Kindergeldes, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande sei, Unterhalt in Höhe von 135 v.h. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Diese Vorschrift sei unglücklich formuliert und nur schwer verständlich. Sie diene dem Interesse des Kindes an seiner Versorgung und solle sicherstellen, dass das Kindergeld in erster Linie für den Kindesunterhalt verbraucht werde. Der Barunterhaltsverpflichtete solle nicht das (anteilige) Kindergeld für sich verwenden dürfen, solange das Existenzminimum des Kindes noch nicht abgedeckt sei. Er sei deshalb so lange verpflichtet, die ihm zustehende Hälfte des Kindergeldes für den Unterhalt des Kindes einzusetzen, bis dessen Barexistenzminimum gesichert sei (BTDrucks 14/3781, S. 7 f.). Es solle auch im Fall des 1612b Abs. 5 BGB bei dem Anspruch des Barunterhaltsverpflichteten auf das hälftige Kindergeld bleiben, das wirtschaftlich als dessen Unterhaltsleistung anzusehen sei. Im Einklang damit habe der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung zu 1612b Abs. 5 BGB a.f. ausgeführt, bei der steuerrechtlichen Prüfung, ob die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch das im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs geleistete Kindergeld erreicht worden sei, müsse nach wie vor der hälftige Kindergeldanteil berücksichtigt werden. Denn der Ausgleichsberechtigte werde so gestellt, als habe er den hälftigen Anteil gemäß 1612b Abs. 1 BGB zwar erhalten, aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung eingesetzt (BTDrucks 13/7338, S. 30 f.). 17 Die Versagung der Anrechnung des Kindergeldes in den Fällen des 1612b Abs. 5 BGB führe bei der Besteuerung möglicherweise zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--), weil die horizontale Steuergleichheit nicht gewährleistet sei. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden aber auch gegen die Entscheidung des FG, das gezahlte Kindergeld nur in dem Umfang der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen, in dem es auf den Kindesunterhalt angerechnet worden sei. Die Rechtsauffassung des FG sei unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie geschiedene oder getrennt lebende Eltern im Verhältnis zu zusammenveranlagten Eltern begünstige. 18 Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. 19 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 20 Das FG habe zu Recht nur den Teil des Kindergeldes nach 31 Satz 5, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG verrechnet, der nach 1612b Abs. 5 BGB n.f. auf den Unterhaltsanspruch der Kinder angerechnet worden sei. 21 Der Gesetzgeber des 1612b Abs. 5 BGB n.f. habe schon bei der Beschlussempfehlung vom 28. Juni 2000 (BTDrucks 14/3781, S. 3) auf die Diskrepanzen zwischen dem Unterhaltsrecht einerseits und dem flankierenden Sozial- und Steuerrecht hingewiesen. Ihm sei offenbar bewusst gewesen, dass 1612b Abs. 5 BGB in Widerspruch zu den Regelungen des Einkommensteuerrechts ( 31, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG ) stehe. 22 Auf diese Problematik habe auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 9. April 2003 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2003, 2733, 2735, Finanz-Rundschau --FR-- 2003, 1035) zur Verfassungsmäßigkeit des 1612b Abs. 5 BGB hingewiesen. 23 5 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung stehe auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG zur verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums von Kindern. Auch Unterhaltspflichtige, die nicht in der Lage seien, Kindesunterhalt in Höhe von 135 v.h. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten, hätten Anspruch auf eine steuerliche Freistellung ihres Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes. Bei der sog. Günstigerprüfung nach 31 Satz 4 EStG dürfe deshalb die steuerliche Auswirkung einer Berücksichtigung der hälftigen Freibeträge nur mit dem auf den Barunterhalt des Kindes angerechneten Kindergeld verglichen werden. 1612b Abs. 5 BGB n.f. bewirke, dass Unterhaltspflichtige, die nur den Regelbetrag zahlen könnten, im Ergebnis (nämlich wegen der Versagung der vollen Anrechnung des Kindesgeldes) denselben Unterhalt zahlten wie Unterhaltspflichtige, die 135 v.h. des Regelbetrags leisteten. Ein Steuerpflichtiger mit einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen von bis zu 1 300 EUR zahle deshalb gegenwärtig denselben Unterhaltsbetrag wie ein Steuerpflichtiger mit einem Einkommen von bis zu 2 300 EUR. Bei den unteren Einkommensgruppen sei das hälftige Kindergeld aber in der Regel höher als die steuerliche Entlastung durch die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG ; das habe zur Folge, dass ein Unterhaltspflichtiger, der nur den Regelbetrag (100 v.h.) leisten könne, seinen Anspruch auf das Kindergeld bis zur Auffüllung auf 135 v.h. des Regelbetrages für den Kindesunterhalt einsetzen müsse, also im Ergebnis keine steuerliche Entlastung erfahre, während ein Unterhaltspflichtiger der Einkommensgruppe 6, der schon aufgrund seines Einkommens Unterhalt in Höhe von 135 v.h. des Regelbetrages zahle, die Kürzung seiner Unterhaltsverpflichtung um das hälftige Kindergeld beanspruchen könne. Die steuerliche Gleichbehandlung aller Unterhaltsschuldner fordere, dass bei der Günstigerprüfung (und bei der Verrechnung des Kindergelds nach 31 Satz 5 EStG ) stets nur der Kindergeldanteil berücksichtigt werde, der tatsächlich zu einer Entlastung des Steuerpflichtigen geführt habe. Gründe 24 B. Entscheidungsgründe 25 Die Vorlage an das BVerfG ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.v.m. 80 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) geboten, weil der Senat 31 Satz 5 und 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2001 maßgebenden Fassung (im Folgenden: EStG ) insoweit für verfassungswidrig hält, als nach diesen Vorschriften bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen gemäß 31 Satz 4 EStG um die Freibeträge nach 32 Abs. 6 EStG gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch in den Fällen um die Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zu erhöhen ist, in denen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhalt nach 1612b Abs. 5 BGB i.d.f. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I 2000, 1479) mit der Folge ganz oder teilweise unterblieben ist, dass im wirtschaftlichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen --die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden-- Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt worden sind. 26 I. 27 1. 28 a) Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften Einkommensteuerrechtliche Vorschriften Die Rechtsentwicklung der im Streitfall zu beurteilenden einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zur Entlastung von Familien mit Kindern stellt sich bis zum Streitjahr 2001 wie folgt dar: 6 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

29 aa) 30 bb) Vom 1. Januar 1983 bis zum 31. Dezember 1995 erhielten Eltern zum Ausgleich der mit dem Unterhalt und der Betreuung von Kindern verbundenen Belastungen Kindergeld nach den Kindergeldgesetzen und Kinderfreibeträge nach dem EStG. Dabei wurde der Kinderfreibetrag von zunächst 432 DM (1983) auf 4 104 DM (1992) angehoben (zur Rechtsentwicklung des Kinderlastenausgleichs vgl. die ausführliche Darstellung bei Jachmann in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, 31 Rdnr. A 20 ff.). Das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) ersetzte mit Wirkung vom 1. Januar 1996 den Familienlastenausgleich durch den Familienleistungsausgleich. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber zum einen der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung tragen, nach der das GG fordert, existenznotwendigen Aufwand für Kinder in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freizustellen. Zugleich sollte eine deutlich verbesserte Förderung der Familien mit Kindern erreicht und die besondere Leistung der Familie für die Gesellschaft anerkannt werden (BTDrucks 13/1558, S. 139, 155). 31 Während bis zum 31. Dezember 1995 Kindergeld und Kinderfreibetrag nebeneinander (kumulativ) beansprucht werden konnten (sog. dualer Familienlastenausgleich), ist dies ab 1996 nur noch alternativ möglich ( 31 Satz 1 EStG; BTDrucks 13/1558, S. 139, 155). Die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG sind bei der Einkommensteuerveranlagung abzuziehen, wenn die bei der Einkommensteuerveranlagung von Amts wegen durchzuführende Vergleichsrechnung (sog. Günstigerprüfung) ergibt, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern nicht in vollem Umfang durch das während des Kalenderjahres als Steuervergütung gezahlte Kindergeld bewirkt wird ( 31 Satz 4 EStG ). In diesen Fällen sind das Kindergeld (oder vergleichbare Leistungen) nach 36 Abs. 2 EStG zu verrechnen, auch soweit sie dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustehen ( 31 Satz 5 EStG ). Zu verrechnen sind nach der im Streitjahr maßgeblichen Fassung des 31 EStG nur das im Veranlagungszeitraum tatsächlich gezahlte Kindergeld und der darauf bezogene Ausgleichsanspruch. Das Kindergeld ist nach 36 Abs. 2 Satz 1 EStG "im entsprechenden Umfang" zu verrechnen, d.h. die Höhe der Hinzurechnung richtet sich danach, ob das Einkommen um einen vollen oder einen halben Kinderfreibetrag für den jeweiligen Zahlungszeitraum vermindert wurde. 32 Ergibt die Vergleichsrechnung, dass das während des Kalenderjahres gezahlte Kindergeld höher ist als die Steuerminderung aufgrund des Abzugs der Freibeträge, bleibt es bei der Gewährung des Kindergelds; ein Abzug der Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG ist dann nicht möglich. Soweit das Kindergeld die steuerliche Entlastung durch die Freibeträge übersteigt, ist es für die Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht erforderlich; insoweit dient es der Förderung der Familie ( 31 Satz 2 EStG ). 33 cc) Die Gleichstellung des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs mit dem Kindergeld ist bei der Günstigerprüfung nicht zusammenveranlagter Eltern von Bedeutung. Bei diesen erfüllt in der Regel der Elternteil, der mit dem minderjährigen Kind zusammenlebt, seine Unterhaltspflicht durch die Pflege und Erziehung des Kindes ( 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ), während der andere Elternteil zum Barunterhalt verpflichtet ist. Der das Kind betreuende Elternteil ist in der Regel der Empfänger des staatlichen Kindergelds ( 64 EStG ). Bei der Günstigerprüfung des Barunterhaltspflichtigen ist das an den anderen Elternteil ausgezahlte Kindergeld in Höhe des dem Barunterhaltspflichtigen zustehenden hälftigen Anteils so zu berücksichtigen, als hätte es der barunterhaltspflichtige Elternteil erhalten (BTDrucks 13/7338, S. 29). In gleicher Weise ist bei der Veranlagung des anderen Elternteils zu verfahren. Auch wenn das Kindergeld in voller Höhe an diesen Elternteil ausgezahlt wird, kann bei seiner Günstigerprüfung nur der ihm zustehende hälftige Anteil angesetzt werden. Durch diese Regelung wird der für den steuerlichen Familienleistungsausgleich 7 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

maßgebliche Halbteilungsgrundsatz verwirklicht, der besagt, dass die steuerlichen Entlastungen durch das Kindergeld oder --alternativ-- die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG grundsätzlich beiden Eltern gleichermaßen zugute kommen müssen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, 132, 140). Die Freibeträge für Kinder stehen beiden Elternteilen in gleicher Höhe zu ( 32 Abs. 6 Satz 1 EStG ). Bei zusammenveranlagten Eltern verdoppeln sie sich. Der Kinderfreibetrag wurde in 1996 auf 3 132 DM bzw. 6 264 DM für zusammenveranlagte Eltern angehoben; im Streitjahr 2001 beträgt er 3 456 DM bzw. 6 912 DM. 34 Das Kindergeld wird --auf Antrag ( 67 EStG )-- unabhängig von der Höhe des Einkommens des Kindergeldberechtigten im laufenden Jahr monatlich gezahlt. Damit wird zunächst nur sichergestellt, dass bereits im Rahmen der vorläufigen Steuererhebung (Lohnsteuer, Einkommensteuervorauszahlungen) auch die subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen näherungsweise berücksichtigt wird. Das Kindergeld wird für jedes Kind nur an einen Anspruchsberechtigten ausgezahlt, und zwar in der Regel an denjenigen, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat ( 64 Abs. 1 und 2 EStG ). Im Streitjahr betrug das Kindergeld für das erste und zweite Kind jeweils 270 DM ( 66 Abs. 1 EStG ). 35 Nach dem Halbteilungsgrundsatz muss das Kindergeld --ebenso wie die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG -- grundsätzlich beiden Eltern zugute kommen, unabhängig davon, wer von ihnen Empfänger des Kindergeldes ist. Dem Barunterhaltspflichtigen steht deshalb in der Regel ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zu (vgl. dazu unten I.2.). 36 dd) 37 ee) Durch das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2552, BStBl I 2000, 4) wurde der Familienleistungsausgleich in einer ersten Stufe neu geregelt; der Gesetzgeber hat damit --entsprechend dem Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 2 BvR 1057, 1226, 980/91 (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182)-- berücksichtigt, dass das Existenzminimum eines Kindes nicht nur den sächlichen Bedarf, der durch den Kinderfreibetrag abgedeckt wird, sondern auch einen Betreuungs- und Erziehungsbedarf umfasst. Zusätzlich zum Kinderfreibetrag wird deshalb seit dem Veranlagungszeitraum 2000 für jedes Kind bis zur Vollendung des 16. Lebensjahrs ein jährlicher Betreuungsfreibetrag in Höhe von 1 512 DM bzw. 3 024 DM bei zusammenveranlagten Eltern ( 32 Abs. 6 Satz 1 EStG ) gewährt. Die Einführung des Betreuungsfreibetrags hat auf die Systematik des Familienleistungsausgleichs keine Auswirkung. Der Betreuungsfreibetrag wird --ebenso wie der Kinderfreibetrag-- nur dann vom Einkommen des Steuerpflichtigen abgezogen, wenn die steuerliche Freistellung des Einkommens in Höhe des sächlichen Existenzminimums und des Betreuungsbedarfs nicht bereits durch das monatlich gezahlte Kindergeld bewirkt wird ( 31 Satz 4 EStG ). 31 EStG hatte im Streitjahr folgende Fassung: "Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs wird durch die Freibeträge nach 32 Abs. 6 oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschnitt bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt. Wird die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, sind bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach 32 Abs. 6 abzuziehen. In diesen Fällen sind das Kindergeld oder vergleichbare Leistungen nach 36 Abs. 2 zu verrechnen, auch soweit sie dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustehen..." 38 Soweit 31 Satz 5 EStG den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch dem gezahlten Kindergeld gleichstellt, steht er in Zusammenhang mit 64 EStG, der bestimmt, dass für jedes Kind nur an 8 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

einen Berechtigten Kindergeld gezahlt wird. Durch den Ausgleichsanspruch erhält der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil im wirtschaftlichen Ergebnis seinen hälftigen Anteil am staatlichen Kindergeld. 39 36 Abs. 2 Satz 1 EStG lautete im Streitjahr wie folgt: "Wurde das Einkommen in den Fällen des 31 um einen Kinderfreibetrag nach 32 Abs. 6 vermindert, so wird im entsprechenden Umfang das gezahlte Kindergeld der Einkommensteuer hinzugerechnet; 11 Abs. 1 findet insoweit keine Anwendung." 40 Eine 36 Abs. 2 Satz 1 EStG inhaltlich entsprechende Regelung findet sich in 2 Abs. 6 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung. 41 Zweck der Hinzurechnung nach 31 Satz 5, 36 Abs. 2, 2 Abs. 6 Satz 2 EStG ist es, eine Doppelbegünstigung des Steuerpflichtigen durch die Freibeträge und das Kindergeld zu vermeiden (BTDrucks 13/1558, S. 157). 42 b) 43 aa) Die weitere Rechtsentwicklung der maßgeblichen Vorschriften nach dem Streitjahr 2001 verlief wie folgt: Der im Jahr 2000 eingeführte Betreuungsfreibetrag wurde durch das Zweite Familienförderungsgesetz vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch einen einheitlichen Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf in Höhe von 1 080 EUR bzw. (bei Ehegatten) 2 160 EUR für jedes zu berücksichtigende Kind (ohne Altersgrenze) ersetzt. 44 bb) Durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 --StÄndG 2003--) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2004, 710) wurde 31 Satz 4 EStG wie folgt gefasst: "Ist der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger als der Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt." 45 36 Abs. 2 Satz 1 EStG wurde durch Art. 1 Nr. 14 StÄndG 2003 aufgehoben. 46 Die Vergleichsrechnung des 31 Satz 4 EStG wird --abweichend von der bisher geltenden Regelung-- seit dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht auf der Grundlage des tatsächlich gezahlten Kindergelds, sondern des Anspruchs auf Kindergeld durchgeführt. Die Änderung dient der Verwaltungsvereinfachung, weil --anders als nach früherem Recht-- Änderungen der Steuerfestsetzung bei nachträglicher Zahlung von Kindergeld nicht mehr erforderlich sind (BTDrucks 15/1798, S. 2, 17). Ob ein Steuerpflichtiger Anspruch auf Kindergeld hat, richtet sich nach 62 ff. EStG. Bei nicht zusammenveranlagten Eltern bestimmt sich der Umfang des anzurechnenden Kindergeldanspruchs nach der Verteilung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum. Nach dem Grundsatz der Halbteilung ( 32 Abs. 6 EStG ) wird der Kinderfreibetrag grundsätzlich jedem Elternteil zur Hälfte gewährt mit der Folge, dass jeder Elternteil Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes hat. Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen der Übertragung des Kinderfreibetrages; der Kinderfreibetrag eines Elternteils, der seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nicht nachkommt, kann auf Antrag auf den anderen Elternteil übertragen werden ( 32 Abs. 6 Satz 6 EStG 2004). Bei der Günstigerprüfung wird im Fall der Übertragung des 9 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

47 2. 48 a) Kinderfreibetrages den Freibeträgen des 32 Abs. 6 EStG der volle gesetzliche Kindergeldanspruch gegenübergestellt. Auf das Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs kommt es nach der Neufassung des 31 Satz 4 EStG 2004 nicht mehr an. Unterhaltsrechtliche Vorschriften 31 Satz 5 EStG in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung stellt den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des zum Barunterhalt verpflichteten Elternteils dem Anspruch auf Kindergeld gleich. Eine gesetzliche Vorschrift, die den Anspruch auf Ausgleich des Kindergelds zwischen den Eltern allgemein regelte, gab es bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz --KindUG--) vom 6. April 1998 (BGBl I 1998, 666) nicht. 49 Bis zu diesem Zeitpunkt war der Ausgleich bezüglich des Kindergelds nur für den Unterhalt nichtehelicher Kinder in 1615g BGB a.f. --eingeführt durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl I 1969, 1243)-- gesetzlich geregelt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift war das auf das Kind entfallende Kindergeld auf den Regelunterhalt zur Hälfte anzurechnen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sah 1615g BGB a.f. nicht vor. 50 b) 51 c) In der Rechtspraxis wurde aber auch den zum Barunterhalt verpflichteten Vätern ehelicher Kinder ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil in Höhe des hälftigen Kindergelds zugebilligt. Denn das staatliche Kindergeld soll die Belastung von Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern erleichtern und ohne Rücksicht darauf, welcher Elternteil Empfänger des Kindergeldes ist, beiden Unterhaltspflichtigen zugute kommen. Dieser Anspruch wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) aus dem allgemeinen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch hergeleitet (BGH-Urteile vom 21. Dezember 1977 IV ZR 4/77, BGHZ 70, 151 [BGH 21.12.1977 - IV ZR 4/77], und vom 8. Oktober 1980 IVb ZR 533/80, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 1981, 26). Dabei hat es die Rechtsprechung nicht beanstandet, dass der Ausgleichsanspruch auch von den Vätern ehelicher Kinder im Wege der Verrechnung mit dem Unterhaltsanspruch des Kindes realisiert wurde (BGH-Urteile in BGHZ 70, 151 [BGH 21.12.1977 - IV ZR 4/77] ; in FamRZ 1981, 26, und vom 28. Januar 1981 IVb ZR 573/80, FamRZ 1981, 347). Durch 1612b Abs. 1 BGB i.d.f. des KindUG hat der Gesetzgeber den Grundsatz des 1615g Abs. 1 BGB a.f. (Anrechnung der Hälfte des Kindergeldes auf den Unterhalt des nichtehelichen Kindes) einheitlich auf alle zum Barunterhalt verpflichteten Elternteile erstreckt, also auch auf geschiedene oder getrennt lebende Eltern. 52 1612b BGB hatte bis zum 31. Dezember 2000 auszugsweise folgenden Wortlaut: "(1) Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur Hälfte anzurechnen, wenn es an den barunterhaltspflichtigen Elternteil nicht ausgezahlt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist. (2) bis (4)... (5) 10 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten." 53 Gesetzliche Grundlage für die Regelbetrag-Verordnung ist 1612a Abs. 1 BGB n.f., nach dem ein minderjähriges Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung verlangen kann. Für das Streitjahr gelten die Regelbeträge i.d.f. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Regelbetrag-Verordnung vom 8. Mai 2001 (BGBl I 2001, 842). Der Regelbetrag entspricht dem jeweiligen Richtsatz in der untersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. 54 Abweichend von 1615g BGB a.f. unterbleibt die Anrechnung der Hälfte des Kindergeldes auf den Barunterhalt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Barunterhalt in Höhe des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. 55 Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der das Kind betreuende Elternteil mindestens über den Regelbetrag und seinen eigenen Kindergeldanteil verfügen kann, um den Lebensunterhalt des Kindes zu sichern. Mit der Begründung, dass die Regelbeträge nach der Regelbetrag-Verordnung hinter dem Existenzminimum von Kindern zurückblieben, wurde darauf verzichtet, den Regelbetrag als im Regelfall bedarfsgerechten Unterhalt zu definieren (BTDrucks 13/9596, S. 31). 56 In der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs (BTDrucks 13/7338, S. 30) heißt es zu den steuerlichen Folgerungen aus der Neuregelung des 1612b Abs. 5 BGB : 57 d) "Bei der steuerrechtlichen Prüfung der Frage, ob durch das im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs geleistete Kindergeld die steuerrechtlich gebotene Freistellung erreicht wurde ( 31 Satz 5 EStG ), ist aber nach wie vor der hälftige Kindergeldanteil zu berücksichtigen. Denn der Ausgleichsberechtigte wird so gestellt, als habe er den hälftigen Anteil gemäß Abs. 1 zwar erhalten, aber -ganz oder teilweise- zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen eingesetzt." Mit Wirkung ab 1. Januar 2001 wurde 1612b Abs. 5 BGB durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I 2000, 1479) dahin gehend abgeändert, dass eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 v.h. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. 58 Die Anhebung der Bezugsgröße auf 135 v.h. des Regelbetrages durch 1612b Abs. 5 BGB i.d.f. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 geht auf einen Antrag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zurück (BTDrucks 14/3781, S. 3, 4). Der Antrag wurde damit begründet, dass eine unterhaltsrechtliche Entlastung der Alleinerziehenden insofern geboten sei, als die bisher der Entlastung Alleinerziehender dienende Vorschrift des 33c EStG als verfassungswidrig aufgehoben worden sei. Durch die Neuregelung solle sichergestellt werden, dass das Existenzminimum des Kindes Anknüpfungspunkt für die Verteilung und Verwendung des Kindergeldes werde. Dabei sei davon auszugehen, dass das Existenzminimum eines Kindes 135 v.h. des jeweiligen nach Altersgruppen gestaffelten Regelbetrages entspreche. Dementsprechend habe die Anrechnung des Kindergeldes zu unterbleiben, soweit der für den Unterhalt des Kindes zur Verfügung stehende Betrag, also der nach dem unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommen geschuldete Unterhalt, hinter dem Barexistenzminimum des Kindes zurückbleibe (sog. Mangelfall). Der hälftige Kindergeldanteil werde künftig nur angerechnet, soweit er zusammen mit dem tatsächlich geschuldeten Unterhalt das Barexistenzminimum des Kindes übersteige. Diese Regelung erscheine im Interesse des Kindes sachgerecht. Der neue Abs. 5 des 1612b BGB führe 11 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

auf diese Weise zu einer geänderten Verwendung des Kindergeldes unter Übernahme des Barexistenzminimums als maßgeblicher Grenze, ohne dass von der in 1612b Abs. 1 BGB angeordneten Halbteilung des Kindergeldes abgewichen werde. Der Barunterhaltsverpflichtete werde jedoch so lange verpflichtet, die ihm zustehende Hälfte des Kindergeldes für den Unterhalt des Kindes zu verwenden, bis das Barexistenzminimum des Kindes gesichert sei. 59 Die vom Rechtsausschuss vorgeschlagene Neufassung des 1612b Abs. 5 BGB wurde vom Bundestag am 6. Juli 2000 beschlossen und ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten. Zugleich nahm der Bundestag eine vom Rechtsausschuss empfohlene Entschließung an, durch die die Bundesregierung gebeten wurde, das geltende Unterhaltsrecht, insbesondere hinsichtlich der Abstimmung seiner Inhalte mit sozial- und steuerrechtlichen Parallelregelungen sowie der Auswirkungen des 1612b Abs. 5 BGB in der Praxis, gründlich zu überprüfen und Vorschläge zu seiner Neuregelung einzubringen (BTDrucks 14/3781, S. 3; Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 14. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Bd. 202, Plenarprotokoll 14/114, S. 10899). 60 Das BVerfG hat durch Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035 entschieden, 1612b Abs. 5 BGB n.f. sei verfassungsgemäß; die Vorschrift verstoße insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (ebenso zuvor: BGH-Urteil vom 29. Januar 2003 XII ZR 289/01, FamRZ 2003, 445). 61 Zwar bewirke 1612b Abs. 5 BGB, dass gerade der Leistungsschwächere gegenüber dem Leistungsstärkeren durch das Kindergeld keine oder nur eine geringe Entlastung seiner eigenen Lebenssituation erfahre, dies aber nur deshalb, weil seine geringe Leistungsfähigkeit schon bei der Bemessung der Höhe der Unterhaltsverpflichtung berücksichtigt worden sei. 1612b Abs. 5 BGB stelle lediglich sicher, dass bei einem Einkommen, das nicht ausreiche, neben dem Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen auch das des Kindes zu sichern, das Kindergeld vorrangig darauf verwendet werde, die finanzielle Lücke bis zur Existenzsicherung auch des Kindes zu schließen. Selbst wenn man in der unterschiedlichen Heranziehung des Kindergeldes von Unterhaltspflichtigen eine Ungleichbehandlung sehen würde, sei diese durch den mit der Norm verfolgten Zweck, das Barexistenzminimum des unterhaltsberechtigten Kindes zu sichern, gerechtfertigt. 62 In den Gründen seines Beschlusses führt das BVerfG (unter B.I.2.b aa) zur steuerlichen Funktion des Kindergeldes aus: 63 "Diesem unterhaltsrechtlichen Zugriff steht nicht entgegen, dass das Kindergeld auch dazu dient, den Unterhaltspflichtigen von seinen Belastungen durch seine Leistungen gegenüber dem Kind steuerlich freizustellen. Das Kindergeld ist nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß 31 Satz 2 EStG steuerlicher Ausgleich und zugleich familienfördernde Sozialleistung. Dabei ist weder gesetzlich bestimmt noch nach festen Beträgen bestimmbar, welcher Anteil des Kindergeldes auf die steuerliche Entlastung entfällt und welcher staatliche Förderleistung ist. Allerdings dient gerade der Steuerausgleich der Freistellung des Betreuungs-, Erziehungsund Ausbildungsbedarfs eines Kindes, also auch des Bedarfs, der die Existenz des Kindes sicherstellt. Soweit dieser Bedarf vom Unterhaltspflichtigen mit seinen Unterhaltszahlungen in Höhe des notwendigen Minimums nicht abgedeckt wird, kann das Kindergeld nicht die Funktion einer steuerlichen Entlastung haben: Eine Belastung, die insoweit nicht vorhanden ist, ist auch nicht steuerlich auszugleichen. Vielmehr ist das Kindergeld in diesem Umfang Sozialleistung zum Zweck der Sicherung des Existenzminimums des Kindes. Allein diesen Sozialleistungsanteil des Kindergeldes führt 1612b Abs. 5 BGB der Zwecksetzung entsprechend dem Kindesunterhalt zu, wenn er bestimmt, dass das Kindergeld solange zur Aufbesserung der Unterhaltsleistung zu verwenden ist, bis der existenzsichernde notwendige Bedarf des Kindes, der mit 135 v.h. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung vorgegeben wird, erreicht ist." 12 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

64 II. 65 1. In den nachfolgenden Ausführungen weist das BVerfG darauf hin, dass die das Kindergeld betreffenden Normen in ihrer sozialrechtlichen, steuerrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Verflechtung immer weniger dem Gebot der Normenklarheit und Vorhersehbarkeit der Ergebnisse der Rechtsanwendung genügten. So sei schon nicht erkennbar, inwieweit des Kindergeld in seiner Doppelfunktion als Sozial- und als steuerliche Ausgleichsleistung Steuergerechtigkeit herstellen solle und welcher Anteil hiervon staatliche Familienförderung sei. Bei nicht zusammenveranlagten Eltern fielen Freibetragsberechtigung und Kindergeldberechtigung auseinander, weil die Freibeträge hälftig aufgeteilt würden, das Kindergeld aber nur einem Elternteil insgesamt gewährt werde. Dem anderen Elterteil stehe lediglich ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, den 1612b Abs. 1 BGB zunächst in einen Anspruch auf Anrechnung auf den Kindesunterhalt transformiere; dieser Anspruch werde dem Barunterhaltspflichtigen durch 1612b Abs. 5 BGB aber ganz oder teilweise genommen, wenn er nicht in der Lage sei, Unterhalt in Höhe von 135 v.h. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Ferner bestimme 31 EStG, dass das Kindergeld, wenn ein Anspruch auf die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG bestehe, mit der Einkommensteuer auch insoweit zu verrechnen sei, als es dem Steuerpflichtigen im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs zustehe. Ob diese Vorschrift auch dann anzuwenden sei, wenn das Kindergeld gemäß 1612b Abs. 5 BGB nicht auf den Kindesunterhalt angerechnet werde, dem Steuerpflichtigen also nicht zufließe, sei dem Gesetz nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen. Beurteilung des Streitfalls am Maßstab des einfachen Rechts Im Streitfall ergibt die Günstigerprüfung nach 31 Satz 4 EStG, dass der Steuervorteil des Klägers bei Abzug der Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG höher ist als der ihm zustehende Ausgleichsanspruch. Denn der Abzug der Freibeträge führt zu einer steuerlichen Entlastung von 1 906 DM (für L) und 1 837 DM (für S), ist also höher als das hälftige Kindergeld von je 1 620 DM. 66 Dieses Ergebnis ändert sich nicht, wenn bei der Vergleichsrechnung nur der tatsächlich auf die Unterhaltsverpflichtung des Klägers angerechnete Betrag berücksichtigt wird. Bei der Veranlagung des Klägers waren deshalb die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG abzuziehen. 67 2. Gemäß 31 Satz 5 i.v.m. 36 Abs. 2 Satz 1 EStG war infolgedessen der dem Kläger zuzurechnende Kindergeldanteil, auch soweit er ihm im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustand, der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen. Im Streitfall ist das Kindergeld nach 64 EStG an die Mutter der Kinder ausgezahlt worden. Dem Kläger stand somit gemäß 1612b Abs. 1 BGB ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zu. 68 Einer Hinzurechnung der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes für L und S (zusammen 3 240 DM) steht nicht die Regelung des 31 Satz 5 EStG entgegen, nach welcher das Kindergeld zu verrechnen ist, "soweit" es dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs "zusteht". Zwar kann der Kläger im Streitjahr nur einen Teil des ihm zuzurechnenden Kindergeldanteils --insgesamt nur 2 635 DM-- auf den Unterhaltsanspruch seiner Kinder anrechnen, weil er nur 128 v.h. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung geleistet hat ( 1612b Abs. 5 BGB n.f.). Das ändert jedoch nichts daran, dass ihm zivilrechtlich nach dem Grundsatz des 1612b Abs. 1 BGB ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zusteht (BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035; BGH-Urteil in FamRZ 2003, 445; Greite in Korn, Einkommensteuergesetz, 31 Rz. 29; Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Fach A, I. Kommentierung, 31 EStG Rz. 33; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 31 EStG Anm. 37; a.a. Jachmann in Kirchhof/Söhn, a.a.o., 31 Rdnr. B 20; Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., 31 Rz. 35; Peetz, FR 2002, 510; Zimmermann in Lademann, Einkommensteuergesetz, 36 Anm. 32). Denn der zum Barunterhalt Verpflichtete wird durch 1612b Abs. 5 BGB so gestellt, als 13 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

69 3. 70 4. 71 a) 72 b) habe er den hälftigen Anteil nach Abs. 1 der Vorschrift zwar erhalten, ihn aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht eingesetzt. Die Verpflichtung, das hälftige Kindergeld für den Unterhalt des Kindes zu verwenden, endet erst dann, wenn das Barexistenzminimum des Kindes, das einem Prozentsatz von 135 des Regelbetrages entspricht, gesichert ist (Beschluss des BVerfG in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035; BGH-Urteil in FamRZ 2003, 445; BTDrucks 14/3781, S. 7 f.; 13/7338, S. 30). Der Auffassung des FG, dem Kläger habe nur ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch in Höhe des tatsächlich auf die Unterhaltsverpflichtung angerechneten Betrages zugestanden, kann deshalb nicht gefolgt werden. Da bei der Veranlagung des Klägers die (hälftigen) Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG abzuziehen waren, musste das Kindergeld (hier: der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch) "im entsprechenden Umfang" der Einkommensteuer hinzugerechnet werden ( 36 Abs. 2 Satz 1 EStG ). Diese Formulierung besagt nach allgemeiner Meinung, dass sich der Umfang der Hinzurechnung des Kindergeldes danach bestimmt, ob bei der Einkommensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen ein voller (vgl. 32 Abs. 6 Sätze 3, 4, 7 EStG ) oder --wie im Regelfall bei nicht zusammenveranlagten Eltern-- ein hälftiger Kinderfreibetrag berücksichtigt wurde (BFH-Urteile vom 13. August 2002 VIII R 53/01, BFHE 200, 206, BStBl II 2002, 867 [BFH 13.08.2002 - VIII R 53/01] ; vom 16. Dezember 2002 VIII R 65/99, BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593; vom 16. März 2004 VIII R 88/98, BFHE 205, 465; FG Berlin, Urteil vom 30. Januar 1998 1595/97, EFG 1998, 1066; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. Dezember 1999 2 K 592/98, EFG 2000, 325; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 9. März 1998, BStBl I 1998, 347, 350, Tz. 23; Brenner in Kirchhof/Söhn, a.a.o., 36 Rdnr. C 1 a; Jachmann, ebenda, 31 Rdnr. B 13; Glanegger in Schmidt, a.a.o., 31 Rz. 31; Greite in Korn, a.a.o., 31 Rz. 28; Helmke in Helmke/ Bauer, a.a.o., 31 Rz. 31 ff.; Hillmoth, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1998, 417; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.o., 31 EStG Anm. 36; Seibel, ebenda, 36 EStG Anm. 17; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 31 EStG Rz. 320; Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 36 EStG Rz. 9; vgl. jetzt auch den eindeutigen Wortlaut des 31 Satz 4 EStG 2004). Eine einschränkende Auslegung oder teleologische Reduktion der 31 Satz 5 und 36 Abs. 2 Satz 1 EStG dahin gehend, dass das Kindergeld nur in Höhe des tatsächlich auf den Kindesunterhalt angerechneten Betrages der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen ist, kommt nicht in Betracht. Einer einschränkenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Zustehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs" steht zunächst der eindeutige Wortlaut des 36 Abs. 2 Satz 1 EStG entgegen, der bestimmt, dass sich der Umfang der Hinzurechnung des Kindergelds nach dem Umfang der Inanspruchnahme des Kinderfreibetrages durch den Steuerpflichtigen richten soll. Nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften kann aber der Kinderfreibetrag nur entweder mit dem einfachen Betrag des 32 Abs. 6 Satz 1 EStG (im Streitjahr: 3 456 DM) oder --in den Fällen des 32 Abs. 6 Sätze 3, 4 und 7 EStG -- mit dem doppelten Betrag abgezogen werden. Eine davon abweichende Aufteilung des Kinderfreibetrages zwischen den Eltern --etwa nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung am Kindesunterhalt-- kennt das EStG nicht. Diese Zurechnungsregel entspricht auch der Systematik des Familienleistungsausgleichs. Ein Grundprinzip des steuerlichen Familienleistungsausgleichs ist der Halbteilungsgrundsatz, der besagt, dass sowohl die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG als auch das Kindergeld beiden Elternteilen --auch wenn sie nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden-- gleichermaßen zugute kommen müssen. Das gilt steuerrechtlich nicht nur in den Fällen des 1606 14 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017

Abs. 3 Satz 2 BGB (Gleichstellung des Betreuungs- mit dem Barunterhalt bei minderjährigen Kindern), sondern grundsätzlich in allen Fällen, in denen beide Elternteile zum Unterhalt des Kindes beitragen. Eine Ausnahme sieht das Gesetz für den Kinderfreibetrag nur bei einer wesentlichen Verletzung der Unterhaltspflicht vor (vgl. 32 Abs. 6 Satz 7 EStG ); der Freibetrag kann in einem solchen Fall auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen werden. Hat ein Elternteil die Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden Freibetrags auf sich erreicht, sind bei seiner Einkommensteuerveranlagung nach 31 Satz 4 EStG die steuerlichen Auswirkungen des verdoppelten Freibetrags mit der Höhe des vollen Kindergelds zu vergleichen (BFH-Urteil in BFHE 205, 465). Solange der zum Barunterhalt Verpflichtete seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen (d.h. zumindestens 75 v.h.; vgl. BFH-Urteil vom 12. April 2000 VI R 148/97, BFH/NV 2000, 1194) nachkommt, steht ihm der Kinderfreibetrag in der gesetzlichen Höhe zu. Das gilt auch, wenn er aufgrund seines niedrigen Einkommens nur einen sehr geringen Kindesunterhalt zahlen kann (BFH-Urteil vom 25. Juli 1997 VI R 124/95, BFH/NV 2000, 553; BFH-Beschluss vom 17. Februar 2000 VI B 260/97, BFH/NV 2000, 950). 73 Bei einem Barunterhaltspflichtigen, der --wie der Kläger-- seine Unterhaltspflicht in vollem Umfang erfüllt hat, ist deshalb auch der Kindergeldanspruch stets in der ihm nach 1612b Abs. 1 BGB zustehenden Höhe --d.h. mit der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds-- bei der Günstigerprüfung ( 31 Satz 4 EStG ) und bei der Hinzurechnung nach 36 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. 74 c) Auch der Zweck der in 31 Satz 5, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG angeordneten Hinzurechnung kann eine einschränkende (verfassungskonforme) Auslegung, wie sie vom FG befürwortet wird, nicht rechtfertigen. Durch die Hinzurechnung soll eine kumulative Begünstigung durch das Kindergeld und die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG ausgeschlossen werden (BTDrucks 13/1558, S. 155, 157; Greite in Korn, a.a.o., 31 Rz. 26; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.o., 31 EStG Anm. 36). Zwar kommt es nicht zu einer kumulativen steuerlichen Begünstigung des zum Barunterhalt verpflichteten Elternteils, wenn das Kindergeld seiner tariflichen Einkommensteuer nur in dem Umfang hinzugerechnet wird, in dem der ihm zustehende Ausgleichsanspruch seine Unterhaltsverpflichtung tatsächlich gemindert hat (vgl. dazu die Ausführungen unter III.). 75 Die mit 31 Satz 5, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG beabsichtigte Vermeidung einer Doppelbegünstigung kann jedoch nicht isoliert --bezogen auf den einzelnen Steuerpflichtigen (hier: den barunterhaltspflichtigen Elternteil)-- gesehen werden. Vielmehr soll --bezogen auf beide Elternteile-- eine mehrfache Begünstigung für ein und dasselbe Kind durch die Freibeträge und das Kindergeld ausgeschlossen werden. Zu einer solchen Mehrfachbegünstigung bis zur Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds kommt es jedoch --worauf das FG in seiner Entscheidung zu Recht hingewiesen hat-- wenn der Umfang der Hinzurechnung des Kindergeldes nicht mit dem Umfang der Freibetragsberechtigung korrespondiert. Die Hinzurechnung des Kindergeldes beim Barunterhaltspflichtigen nur in der Höhe, in der es auf den Kindesunterhalt angerechnet werden kann, hätte in den Fällen des 1612b Abs. 5 BGB zur Folge, dass bei nicht zusammenveranlagten Eltern im Ergebnis ein höheres Existenzminimum des Kindes von der Besteuerung freigestellt würde als bei zusammenveranlagten Eltern (Hessisches FG, Urteil in EFG 1998, 1686; Helmke/Bauer, a.a.o., 31 EStG Rz. 35; Jachmann in Kirchhof/Söhn, a.a.o., 31 Rdnr. B 20; BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 347, Tz. 23). 76 Kann beispielsweise ein geschiedener Steuerpflichtiger für sein minderjähriges Kind nur Unterhalt in Höhe des Regelbetrages leisten, ist aber sein Einkommen i.s. von 2 Abs. 6 EStG gleichwohl so hoch, dass die Inanspruchnahme der Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG zu einer höheren Entlastung führt als das hälftige Kindergeld, ist ihm nach 1612b Abs. 5 BGB die Anrechnung des Kindergeldes auf seine Unterhaltsverpflichtung in vollem Umfang versagt. Nach Auffassung des FG dürfte in einem solchen Fall der hälftige Kindergeldanspruch nicht nach 31 Satz 5 EStG verrechnet werden. Bei der Veranlagung der Mutter des Kindes kann aber --entgegen der Ansicht des FG-- bei Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch die Freibeträge des 32 Abs. 6 EStG nur der ihr zustehende hälftige Kindergeldanteil verrechnet werden, da ihr auch nur der einfache Kinderfreibetrag zusteht. Im Ergebnis verbliebe somit im Beispielsfall die Hälfte des tatsächlich 15 2017 aok-business.de - PRO Online, 14.02.2017