QUARTALSBERICHT. Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, Argentinien, III/2012 1



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Transkript:

QUARTALSBERICHT Projektland: Quartal/Jahr: Argentinien III/2012 SCHLAGZEILEN 1. Neuer Cacerolazo : Die Konfrontation spitzt sich zu 2. Konflikte zwischen Nation und Provinzen: Kritische Finanzlagen 3. Noch mehr Restriktionen für den Devisenhandel 4. Wahlrecht ab 16? 13. September 2012: Cacerolazo Neuer Protestmarsch der Argentinier Am 13. September kam es zu Protesten gegen die amtierende Nationalregierung. Doch blieb es nicht bei Versammlungen auf der Plaza de Mayo in Buenos Aires, wo um die 150.000 Demonstranten zusammenkamen. Der Protest weitete sich auch auf viele weitere Städte des Landes aus, wie zum Beispiel auf Olivos (Provinz Buenos Aires) vor der Präsidentenresidenz, Córdoba (Provinz Córdoba), Rosario (Provinz Santa Fe), Mendoza und sogar bis nach Rio Gallegos in der Provinz Santa Cruz, wo Nestor Kirchner von 1987 bis 1991 das Amt des Bürgermeisters innehatte. Die Gründe für die landesweiten Protestmärsche waren mannigfaltig: Die Pläne einer Verfassungsreform (mit dem Ziel, eine zweite Wiederwahl der Präsidentin zu ermöglichen), Korruptionsskandale, die schlechte Sicherheitslage, Restriktionen beim Ankauf von US-Dollar, die hohe Inflation, die Schwäche der Institutionen, das Bahnunglück im Stadtviertel Once am 22. Februar, die falschen Statistiken des Nationalen Statistikamts INDEC und die Wiederholungen in den nationalen Radio- und Fernsehsendern, in denen die Präsidentin ihre Ansprachen hält. Die Cacerolazos, lautstarke Proteste durch das Trommeln auf Töpfe und Pfannen, sind ein spontaner Ausdruck des Protestes durch das Volk und werden nicht von politischen Fahnen geprägt. Das Lärmmachen auf den Straßen macht auf das Volk aufmerksam, andererseits soll der Lärm die Worte der Machthaber, hier, die der landesweit ausgestrahlten Ansprachen von Cristina Kirchner, übertönen. In den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook kam es zu Aufrufen zur Teilnahme an den Cacerolazos durch verschiedene Gruppen. Selbst wenn im Nachgang die Proteste durch die nationalen Abgeordneten Francisco de Narváez (Union Celeste y Blanco), Federico Pinedo (PRO) und Eduardo Amadeo (Frente Peronista) mit Worten unterstützt wurden, ist hier die direkte Initiative der Gesellschaft hervorzuheben, die nun einfach genug hat. Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, Argentinien, III/2012 1

Während der Demonstrationen befand sich Christina Kirchner gerade in San Juan, um neue Industrieanlagen einzuweihen. Sie vermied es, direkt zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und hielt daran fest, dass man nach neun Jahren an der Regierung ein neues Argentinien geschaffen habe. Im Gegensatz dazu äußerte sich der Gouverneur der politisch wichtigsten Provinz Buenos Aires, Daniel Scioli (ebenfalls Peronist der Frente Para la Victoria): Man muss versuchen, die Menschen und ihre Vorwürfe zu verstehen. Der amtierende Kabinettsvorsitzende Juan Manuel Abal Medina andererseits fand direktere Worte und bezog sich auf die Protestierenden wie folgt: In früheren Zeiten habe es Militärputsche gegeben., und den Protestanten wäre es wichtiger, was in Miami geschehe als in der Provinz San Juan. Damit wurde klar, dass der Cacerolazo dem reichen Mittelstand in die Schuhe geschoben wurde. Von Seiten der Opposition vertrat Mauricio Macri, Regierungschef der Autonomen Stadt Buenos Aires, die Meinung, die Leute würden sich nicht gegen ihre Präsidentin stellen, sondern für ihre eigene Zukunft eintreten. Die Mehrheit wolle Sicherheit, Fortschritt, die Gewissheit über den von der Regierung eingeschlagenen Weg und eine bessere Lebensqualität. Die Herausforderung für die Opposition bleibt nun, diese Proteste aufzufangen, um eine alternative Lösung zur amtierenden Regierung anbieten zu können. Die Proteste sind schließlich nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die Opposition gerichtet: Die Forderungen zielen auf eine Erneuerung und den Wiederaufbau der politischen Parteien in Argentinien ab. Die Beziehung zwischen der Nation und ihren Provinzen: Der Finanzausgleich als ewige Baustelle des Föderalismus? Die Provinz Córdoba fordert von der ANSES, der Nationalen Rentenversicherung, die Begleichung von Schulden von über 1 Milliarde Pesos (ca. 170 Millionen Euro), als Kompensation für die Provinzrentenkassen, die trotz eines im Jahre 2009 unterzeichneten Abkommens bisher nicht gezahlt worden seien. Die Regierung von Christina Kirchner schlug dem Gouverneur von Córdoba bildlich die Tür vor der Nase zu und ließ ihn wissen, dass sie diese Schulden der besagten Rentenkasse nicht anerkennen würde. Zudem kritisierte sie das hohe Rentenniveau, da die Kasse eine Rente in Höhe von 82 Prozent des letzten Gehalts auszahle. Dadurch liegt beispielsweise in Córdoba die Mindestrente bei 2.500 AS$ (415 Euro), auf nationalem Niveau jedoch bei nur 1.925 AS$ (318 Euro). Der Gouverneur von Córdoba, José Manuel de la Sota (dem Regierungslager zunächst angehörig, jedoch mittlerweile abtrünnig ), schaffte es, über die Abgeordneten der Provinz ein Gesetz zu billigen, mit welchem die Provinz den Fiskalpakt von 1992 verlassen konnte. Laut Fiskalpakt hält die Nation jedes Jahr 15 Prozent des Finanzausgleichs für die Provinzen zurück, um die Belastungen der nationalen Rentenversicherung ANSES auszugleichen. Für Córdoba wären dies 2012 ganze 2.100 Million AS$ (348 Millionen Euro). Gemäß des neuen Gesetzes forderte Córdoba vor dem obersten Gerichtshof die Rückzahlung dieser 15 Prozent ein, was zu großem Unmut in der Nationalregierung führte. De Sota richtete sich in einem offenen Brief an die Gouverneure der anderen Provinzen und forderte sie darin auf, es ihm gleich zu Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, Argentinien, III/2012 2

tun. Dies blieb jedoch ohne Erfolg, da die Provinzen Argentiniens ohnehin stark vom Geldfluss aus Buenos Aires abhängen. Eine anberaumte, außergerichtliche Einigung zwischen Vertretern der Regierung und der Provinz blieb erfolglos. De la Sotas Weg in Richtung politischer Opposition ist nicht mehr umkehrbar; seine Aspirationen, 2015 als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen und als Herausforderer des Kirchnerismus anzutreten, sind inzwischen offiziell. Der Gouverneur der Provinz Corrientes, Ricardo Colobi (Radikale Bürgerunion- UCR), prüft momentan die Möglichkeiten, seinem Mitstreiter José Manuel de Sota zu folgen und den mit dem Staat geschlossenen Fiskalpakt ebenfalls zu verlassen. Der Gouverneur vertrat die Meinung, dass der Staat Schulden in Höhe von über 1.500 Millionen Pesos (250 Millionen Euro) bei der Provinz Corrientes hätte. Corrientes hatte per Verwaltungsakt ihre Forderung eingereicht, bislang aber noch keine Antwort erhalten. Daher bleibt jetzt wohl auch für Corrientes nur der gerichtliche Weg. In Santa Fé forderte der Gouverneur Antonio Bonfatti (Sozialist) einen reformierten Fiskalföderalismus, um die Provinzen zu stärken. Er erinnerte daran, dass in den letzten Jahrzehnten die Beteiligung der Provinzen an den nationalen Steuereinnahmen um 28 Prozent gefallen sei. Offen sei eine Forderung von 1.307 Millionen Pesos (217 Millionen Euro) zum Ausgleich des Defizits der Rentenkassen von Santa Fé. Im Juli verfügte die größte Provinz, Buenos Aires, nicht mehr über die Mittel, die 555.000 Monatsgehälter der Angestellten des öffentlichen Dienstes (samt Urlaubsgelder) zu zahlen; diese Ausgaben belaufen sich auf 6.400 Millionen Pesos (ca. 1 Milliarde Euro). Wegen der verspäteten Zahlung des Urlaubsgeldes kam es bei verschiedenen staatlich Beschäftigten, wie zum Beispiel den Lehrern, zu Streiks von über 48 Stunden. Um die Zahlungen schließlich zu bewältigen, stand die Nationalregierung im Rahmen der außerordentlichen Finanzhilfe mit Geldern bei. Diese Lösung war nach einem Treffen des Gouverneurs Daniel Scioli mit dem Wirtschaftsministerium zustande gekommen. Viele Oppositionspolitiker gehen davon aus, dass konfliktreiche Beziehungen zwischen der Nation und denjenigen Provinzen entstehen, deren Gouverneure keine Bündnispartner des Kirchnerismus (mehr) sind. Im Fall von Scioli hatte selbiger nur wenige Tage vor dem Zahlungskonflikt bekanntgegeben, dass er sich vorstellen könne, sich 2015 als Präsidentschaftskandidat aufstellen zu lassen. Scioli könnte sich somit als Widersacher aus eigenen Reihen hervortun; stets versichert dieser jedoch, dass er sich nur dann zur Wahl stellen würde, wenn Cristina Fernández Kirchner nicht antreten sollte (wozu immerhin eine Verfassungsreform notwendig ist). Mehr Restriktionen für den Devisenhandel Die Kontrollen von Devisenkäufen werden nicht nur fortgesetzt, sondern immer weiter verschärft. Die Nationale Steuerbehörde AFIP erließ eine neue Verordnung, die argentinischen Touristen weitere Hindernisse für den Kauf von ausländischen Währungen auferlegt. Bisher war es möglich, unabhängig vom Reiseziel, sowohl Euros als auch US-Dollar zu beziehen, die die Fremdwährungen mit der höchsten Nachfrage bei den Argentiniern darstellen. Nun benötigt man zum Erwerb von Fremdwährungen die Bestätigung des Reiseunternehmens. Nach Abstimmung mit dem Migrationsamt Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, Argentinien, III/2012 3

hatte die AFIP gemeldet, dass ca. 20 Prozent der Personen, die US-Dollar für eine Reise gekauft hatten, das Land daraufhin gar nicht verlassen hätten. Aufgrund der neuen, verschärften Maßnahmen hat sich der Kauf von US-Dollar für den Tourismus von 34 auf 8 Millionen argentinische Pesos täglich reduziert. Im weiteren Verlauf ließ die AFIP durch ihren Leiter, Ricardo Echegaray, verkünden, dass auch beim Einkauf mit in Argentinien zugelassenen Kreditkarten im Ausland ab Oktober eine Gebühr von 15 Prozent fällig werde. Dabei könne dieser Betrag von der Einkommens- oder Eigentumssteuer abgesetzt werden. Interpretiert wird die Maßnahme als Instrument, den wachsenden Konsum im Ausland durch Kreditkarten einzudämmen. Dadurch entsteht nun ein dritter Wechselkurs, der so genannte Kreditkartendollar : Für diese Transaktionen liegt der US-Dollar bei 5,40 AR$. Der offizielle Wechselkurs steht momentan bei 4,71 AR$ und auf dem Schwarzmarkt bei 6,30 AR$. Ein internationalen Marktgesetzen entsprechender Kurs kann nicht mehr eruiert werden. Tatsache ist, dass der Peso zum offiziellen Kurs überbewertet wird, was sich schließlich bei der Rückzahlung von internationalen Schulden für den argentinischen Fiskus positiv zu Buche schlagen sollte. Die Dollarbeschränkungen hatten auch zur Folge, dass die Geldeinlagen in US-Dollar seit November von 15.000 Millionen US$ auf 9.300 US$ gefallen sind. Auch der Immobilienmarkt ist betroffen, da die Immobiliengeschäfte aufgrund der hohen Inflation des Pesos hierzulande in Dollar abgewickelt werden. So wurden im Juni 17,2 Prozent weniger Immobiliengeschäfte abgeschlossen als im Vergleichsmonat 2011. Der so genannte Cepo (Fangeisen) al dollar verkompliziert sämtliche größere Finanztransaktionen, jedoch ist auch der kleine Mann stark betroffen. Wählen ab 16 Die Initiative geht auf Senator Aníbal Fernandez (FPV - ehemaliger Kabinettsvorsitzender) zurück, nämlich, das Wahlgesetz so zu ändern, dass auch Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren das Recht zu wählen erhalten. Dabei soll die Ausübung des Wahlrechts für die Jugendlichen freiwillig sein, nicht obligatorisch, wie im allgemeinen argentinischen Wahlrecht üblich. Der Senator begründete seinen Vorschlag damit, dass heutzutage die Jugend früher eine persönliche Reife erlange und viele schon mit 16 dazu in der Lage seien, an Wahlprozessen der Republik teilzuhaben. Bei Einführung des Gesetzes würden 1,4 Millionen argentinische Jugendliche in das Wahlsystem integriert werden; ein Anteil von 4,8 Prozent aller Wahlberechtigten. Allerdings bleibt das Mindestalter sowohl für das passive Wahlrecht bei Gemeinderatswahlen als auch für den Eintritt in politische Parteien bei 18 Jahren. Zur Wahl ab 16 gehen die Meinungen auseinander. So argumentieren einige Abgeordnete für eine freiwillige Wahlteilnahme, andere dafür, auch das Wahlrecht ab 16 Jahren obligatorisch zu machen. Die größte Oppositionspartei UCR (Radikale Bürgerunion) erarbeite einen eigenen, alternativen Gesetzesvorschlag, heißt es. Die Frente Amplio Progresista stimme mehrheitlich darüber ein, das Wahlrecht ab 16 zu unterstützen. Die PRO-Partei enthielt sich der Stellungnahme darüber, wie sie über das Gesetz abstimmen werde, sollte es durch den Senat gebilligt und an die Abgeordnetenkammer übergeben werden. Abgesehen von der Haltung von Teilen der Opposition wird mit hinreichend Stimmen gerechnet, um die Gesetzesinitiative erfolgreich durchzubringen. Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, Argentinien, III/2012 4

Zeitgleich zu den ersten öffentlichen Diskussionen um den Gesetzesvorschlag wurden Beschwerden von Seiten Studenten, Professoren, Eltern und Oppositionspolitiker über die Campora geäußert, eine politische Jugendorganisation, die von Máximo Kirchner (Sohn der Präsidentin) geführt wird. Die regierungsnahe Gruppierung war mehrere Male in Schulen gegangen, um kirchneristische Politik mit Fahnen und Parteisymbolen zu bewerben. Die Jugend ist in Argentinien politisch sehr bedeutend, da sie, im Gegensatz zu europäischen Gesellschaften, in naher Zukunft einen entscheidenden Teil der Wählerschaft ausmachen wird. 2013 finden die nächsten Parlamentswahlen statt. Man hat sich auf mehr Gegenwind einzustellen, am Río de la Plata. In der Stadt der guten Lüfte ( buenos aires ) wird die Luft dick und die Stimmung kälter - eine politisch wie auch wirtschaftlich und sozial angespannte Situation. Krisenstimmung macht sich breit. Doch durch die Geschichte seines Landes entsprechend geprägt wird das argentinische Volk auch aus dieser Krise gehen, die Frage ist nur: Zu welchem Preis? Dr. Mariella Franz Die Autorin ist Leiterin der Hanns-Seidel-Stiftung in Buenos Aires, Argentinien Bericht erstellt unter Mitarbeit von Lucas M. De Nardo IMPRESSUM Erstellt: 28.09.2012 Herausgeber: Hanns-Seidel-Stiftung e.v., Copyright 2011 Lazarettstr. 33, 80636 München Vorsitzender: Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, Staatsminister a.d., Senator E.h. Hauptgeschäftsführer: Dr. Peter Witterauf Verantwortlich: Christian J. Hegemer, Leiter des Instituts für Internationale Zusammenarbeit Tel. +49 (0)89 1258-0 Fax -359 E-Mail: iiz@hss.de www.hss.de Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, Argentinien, III/2012 5