Das Ehrenamt in der kfd Positionspapier Das Internationale Jahr der Freiwilligen hat neues Bewusstsein für das Ehrenamt, für Freiwilligenarbeit und Bürgerschaftliches Engagement geweckt. Mit diesem Positionspapier wendet sich die Katholische Frauen-gemeinschaft Deutschlands (kfd) zum Abschluss des Internationalen Jahres an Verantwortliche in Kirche, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, weil alle zusammen die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Arbeit verbessern müssen. 1. Ehrenamtliche Arbeit ist eine wichtige gesellschaftliche Arbeit Ehrenamtliche Arbeit trägt entscheidend zum Zusammenhalt in der Gesellschaft bei. Staat und Kirche brauchen die unentgeltlich und freiwillig geleistete Arbeit von Frauen und Männern. Das Verständnis von Ehrenamt stellt sich in der kfd heute so dar: Die Mitglieder der kfd bilden eine Gemeinschaft von Frauen, die sich als Christinnen ehrenamtlich sozial und politisch engagieren. In verbandlichen Gesprächsgruppen begleiten Frauen einander durch ihr Leben, vertiefen ihren Glauben, erkennen soziale und politische Ungerechtigkeiten und fordern Kirche, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft auf, ihren Beitrag zur Lösung dieser Probleme zu leisten. Seit Jahrzehnten beteiligen sich kfd-frauen an öffentlichen Meinungsbildungsprozessen. Sie formulieren ihre Interessen und bringen sie in gesellschaftliche Diskussionen ein. kfd-frauen wirken mit bei Runden Tischen in Kommunen, bei Stadtteilprojekten, in Arbeitsgemeinschaften und Dachverbänden. In einer Zeit, in der Menschen nicht mehr selbstverständlich die Sozialpflichtigkeit ihres Eigentums, ihrer Zeit, ihrer Ausbildung, ihrer Kompetenzen bedenken, fördert der Staat bürgerschaftliches Engagement. Durch den Aufbau von Freiwilligenagenturen wirbt er bei den Bürgerinnen und Bürgern, sich solidarisch für andere zu engagieren und so eigene Vorstellungen von selbstbestimmtem Leben zu verwirklichen. Aus einer solchen Haltung sind kfd-frauen ehrenamtlich tätig: Mit ihren Begabungen und Fähigkeiten setzen sie sich für das Gemeinwohl ein. An den Bezeichnungen "Ehrenamt" und "ehrenamtlich geleistete Arbeit" hält die kfd fest und beschreibt sie inhaltlich folgendermaßen: - Ehrenamtliche leisten eine Arbeit, die den Mitmenschen und dem Gemeinwohl zugute kommt und ihnen selbst Freude und Gewinn bringt. - Ehrenamtliche Arbeit ist eine freiwillig gewählte Aufgabe, die nicht Bestandteil eines Erwerbsberufes oder einer staatsbürgerlichen Pflicht ist. - Ehrenamtliche Arbeit wird im Rahmen einer Trägerorganisation geleistet, die sie durch einen Nachweis bestätigen kann. Solche Trägerorganisationen sind Verbände, Vereine, Kirchengemeinden, kirchliche oder kommunale Einrichtungen, Parteien, Gewerkschaften, Selbsthilfeorganisationen sowie viele Gruppen und Initiativen. - Ehrenamtliche Arbeit wird unentgeltlich geleistet. Anfallende Kosten (Fahrtkosten, Porto, Telefon etc.) werden erstattet. Honorare, am Zeitaufwand orientierte Aufwandsentschädigungen oder Verdienstausfall werden nicht gezahlt. - Ehrenamtlich geleistete Arbeit ist mit Verbindlichkeit und Verantwortung verbunden. Aufgaben in Leitung, Organisation und Interessenvertretungen, Wahlämter oder
Bildungsaufgaben, bestimmte Dienste, wie beispielsweise Besuchsdienste, Hausaufgabenhilfen oder Pflege, werden auf Zeit übernommen. - Ehrenamtliche Arbeit ist eine gesellschaftlich notwendige Arbeit, die zusätzlich zur Familien- und Er-werbsarbeit geleistet wird und nicht den Lebensunterhalt sichert. Frauen wie Männer sollen die Möglichkeit und die Wahlfreiheit haben, ehrenamtliche Arbeit mit Erwerbsarbeit und Familienarbeit zu vereinbaren. 2. Die Nachweisaktion "Macht unsichtbare Arbeit und unsichtbare Qualifikationen sichtbar!" 1995 hat die kfd "Nachweise über ehramtlich, freiwillig und unentgeltlich geleistete Arbeit in Kirche und Gesellschaft" und über die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen entwickelt. Zusammen mit dreizehn anderen Verbänden wurden diese Nachweise 1997 bundesweit eingeführt. Auf Initiative der kfd haben sich die beteiligten Verbände und Selbsthilfe-Organisationen zum "Trägerkreis Ehrenamt" zusammengeschlossen, in dem weiter an den Zielen gearbeitet wird, die mit der Einführung der Nachweise verbunden waren. Die Nachweise haben unsichtbare Arbeit sichtbar gemacht: Über 7.000 ehrenamtlich arbeitende Frauen, Männer und Jugendliche haben sich nach dem ersten Jahr der Nachweisführung an einer Auswertung beteiligt. Eine wissenschaftlich erarbeitete Studie belegt seit 1998 die breit gefächerte Vielfalt, den beachtlichen Umfang und die hohe Qualität der ehrenamtlich geleisteten Arbeit in den beteiligten Verbänden. Bis heute sind mit den Nachweisen über ehrenamtlich geleistete Arbeit und über Fort- und Weiterbildung folgende Ziele verknüpft: - Art und Umfang der ehrenamtlich geleisteten Arbeit werden bestätigt: Unsichtbare Arbeit wird sichtbar! - Das Selbstbewusstsein und die Selbstbestimmung Ehrenamtlicher werden unterstützt. - Die öffentliche Anerkennung der ehrenamtlich geleisteten Arbeit wird gefördert. - Die Berücksichtigung ehrenamtlicher Arbeit im Steuerrecht wird möglich. - Im Ehrenamt erworbene Qualifikationen können nachgewiesen und beim Einstieg ins Erwerbsleben sowie bei beruflicher Weiterentwicklung anerkannt werden: Unsichtbare Qualifikationen werden sichtbar! 3. Die kfd fördert ehrenamtliche Arbeit Als Verband, in dem Menschen Gemeinschaft erfahren und sich für andere einsetzen, stellt die kfd Begegnungsmöglichkeiten, Tätigkeitsfelder und Organisationsstrukturen zur Verfügung, auf die Kirche und Gesellschaft angewiesen sind. Bei der ehrenamtlichen Arbeit erfahren kfd-frauen Unterstützung durch die Mitwirkung von Hauptamtlichen. Gemeinde- und Pastoralreferentinnen, Pfarrer und Diakone in der Geistlichen Begleitung/Leitung von kfd-pfarrgemeinschaften und auf Dekanatsebene sowie Referentinnen auf Diözesan- und Bundesebene arbeiten mit Ehrenamtlichen zusammen.
Die kfd fördert ehrenamtliche Arbeit je nach Region oder verbandlicher Ebene auf unterschiedliche Weise. Dabei stehen im Vordergrund: - die Persönlichkeitsbildung und Stärkung der Selbstverantwortung von Frauen; - Fort- und Weiterbildungen für unterschiedliche ehrenamtliche Aufgaben sowie Begleitung bei der Über-nahme einer Aufgabe; - Erstellung von Tätigkeitsprofilen für verbandliche Ämter und Aufgaben; - Beschreibung der ehrenamtlichen Tätigkeit und der dadurch erworbenen Qualifikationen; - Entwicklung neuer Formen ehrenamtlichen Engagements, zum Beispiel in zeitlich befristeten Projekten. 4. Herausforderungen für die kfd Der gesellschaftliche Strukturwandel hat Auswirkungen auf das ehrenamtliche Engagement von Frauen und Männern. Die kfd ist herausgefordert, die Ehrenämter im Verband aktuell weiter zu entwickeln: - Frauen lösen sich aus der Jahrhunderte lang gewachsenen Rollenverteilung, nach der der Mann für den Familienunterhalt zuständig war und für die Hausfrau und Mutter eine außerhäusliche Tätigkeit nur im Ehrenamt möglich war. Heute verbinden viele Frauen Familien- und Erwerbsarbeit und wollen sich zudem im Ehrenamt engagieren. Schließlich wird die Nachfamilienphase und der Ruhestand für Frauen immer mehr zu einem eigenen Lebensabschnitt, den sie gestalten wollen. In der kfd werden die unterschiedlichen Formen und Sichtweisen des Ehrenamtes, die sich aus der je spezifischen Lebenssituation von Frauen ergeben, geschätzt. - Die kfd setzt sich kritisch mit den Folgen von Mobilität und Flexibilität auseinander. Das ehrenamtliche Engagement von Frauen - und Männern - hängt auch davon ab, wie stark sie in ein Milieu eingebunden sind, in dem sie Vertrautheit und Stabilität finden können. - Die kfd greift Anregungen aus der Entwicklung der Selbsthilfe, von Bürgerinitiativen, aus der Freiwilligenarbeit, der Entstehung von Freiwilligenagenturen und dem Bürgerschaftlichen Engagement auf, um das Ehrenamt im Verband zeitgemäß und attraktiv zu gestalten. 5. Förderung der ehrenamtlichen Arbeit: Erwartungen an die Kirche Zum Selbstverständnis von kfd-frauen als Christinnen gehört, dass alle Gläubigen von Gott zur Teilnahme an der Heilssendung der Kirche berufen und durch Taufe und Firmung hierzu bestellt sind. Die Kirche, jede Gemeinde lebt wesentlich durch das Ehrenamt. Alle Gläubigen sind dafür verantwortlich, die christliche Bot-schaft, dass Gott das Heil für alle Menschen will, zu verkünden und konkret erfahrbar zu machen. Dazu gehören sozial-caritatives und politisches Engagement gleichermaßen. Da die Kirche vom ehrenamtlichen Engagement der Gläubigen lebt, erwartet die kfd, dass sie ehrenamtliche Arbeit fördert. Besonders wichtig ist:
- Wenn Ehrenamtliche einen Dienst in der Kirche übernehmen, müssen sie an Entscheidungen über ihren Arbeitsbereich beteiligt werden. - Ehrenamtliche Arbeit in der Kirche soll denen, die sie leisten, Freude und persönlichen Gewinn durch bereichernde Erfahrungen bringen. Freiwillig Engagierte müssen für ihre Aufgaben qualifiziert werden; an der fachlichen und spirituellen Begleitung durch Hauptamtliche darf nicht gespart werden. - Verbindliche Absprachen über den Beginn und das Ende einer ehrenamtlichen Tätigkeit sowie über den zeitlichen Aufwand müssen auch in der Kirche zu einer Selbstverständlichkeit werden. - Der Ersatz für finanzielle Aufwendungen ist ein Grunderfordernis, ebenso die Versicherung der ehrenamtlich Tätigen. Nicht zuletzt gehört dazu auch die Erstattung der Auslagen für eine Kinderbetreuung während der Ausübung eines Ehrenamtes. - Ehrenamtlich geleistete Arbeit muss Anerkennung finden. Ein partnerschaftlicher Umgang von Haupt- und Ehrenamtlichen, Transparenz, Beteiligung, Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung sind wesentliche Elemente hierfür. Ehrenamtliche sind auch in der Kirche keine Handlanger von Hauptamtlichen oder Ersatz für sie. Konkreter, persönlicher wie öffentlicher Dank, auch Bescheinigungen über die ehrenamtlich geleistete Arbeit, tragen zur Wertschätzung der Ehrenamtlichen bei. - Die Kirche ist Arbeitgeberin. Daher hält es die kfd für selbstverständlich, dass alle kirchlichen Anstellungsträger sämtliche Fördermöglichkeiten für das Ehrenamt nutzen. - Bischöfe müssen ihren Einfluss auf den Gesetzgeber und auf die Wirtschaft geltend machen, um Verbesserungen für die Rahmenbedingungen ehrenamtlicher Arbeit zu erreichen. - Die Deutsche Bischofskonferenz wird aufgefordert, verpflichtende Richtlinien für die Förderung des ehrenamtlichen Engagements in der Kirche zu entwickeln. 6. Förderung der ehrenamtlichen Arbeit: Erwartungen an Staat, Gesellschaft und Wirtschaft Ehrenamtlich tätige kfd-frauen bringen sich im vorparlamentarischen Raum in politische Debatten ein, damit Gerechtigkeitslücken durch Gesetzesänderungen geschlossen werden. Sie wirken mit an demokratischen Willensbildungsprozessen und tragen so zum Erhalt und Ausbau demokratischer Strukturen bei. Durch ehrenamtliche Arbeit fördert der Verband die Übernahme von Verantwortung sowie die Kooperation mit anderen Verbänden und Organisationen. Auf diese Weise wirkt die kfd aktiv an der Verbesserung des sozialen und politischen Klimas in der Bundesrepublik mit. Die Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements darf nicht zur Folge haben: - dass ehrenamtlicher, freiwilliger, unbezahlter Einsatz für Menschen in schwierigen Lebenssituationen zur Streichung oder Nicht-Einrichtung von Arbeitsplätzen in der professionellen Sozialarbeit führt. Viele dieser Arbeitsplätze sind oder wären Frauenarbeitsplätze. Ehrenamtliche Frauenarbeit darf nicht gegen professionelle und zu bezahlende Arbeit ausgespielt werden; - dass Probleme der Sozialversicherung über die Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Die Zukunft
des Sozialstaates darf nicht vorrangig unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit von Leistungen diskutiert werden. Debattiert werden muss darüber, welche Bereiche der gesamtgesellschaftlichen Solidarität auf der Basis von Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit organisiert werden können und welche einer gesetzlichen Regelung bedürfen, um die Ansprüche von Bür-gerinnen und Bürgern an den Staat abzusichern. Dafür müssen die Prinzipien der christlichen Soziallehre, Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Nachhaltigkeit, die Richtung weisen. Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen ehrenamtlicher Arbeit sind besonders wichtig: - Ehrenamtliches und freiwilliges Handeln kann nicht verordnet werden. Die kfd lehnt eine soziale Dienst-pflicht sowohl für Jugendliche wie für Rentnerinnen und Rentner ab. - Ehrenamtlich geleistete Arbeit muss als gesellschaftlich notwendige Arbeit anerkannt werden. Der auf bezahlte Erwerbsarbeit reduzierte Arbeitsbegriff muss so erweitert werden, dass auch Leistungen im Ehrenamt und in der Familie selbstverständlich als Arbeit gelten. - Die Vereinbarkeit von Familienarbeit, Erwerbsarbeit und ehrenamtlicher Arbeit muss für Männer wie Frauen möglich sein. Einseitige geschlechtsspezifische Zuweisungen von Aufgaben müssen überwunden werden. Die Erwerbsarbeitswelt muss familien- wie ehrenamtlichen-gerecht gestaltet werden. - Die Nachweise über ehrenamtlich geleistete Arbeit und über Fort- und Weiterbildungen für ein Ehrenamt müssen politische Anerkennung finden. - Freistellungen und bezahlter Sonderurlaub für ehrenamtliche Leitungsaufgaben und Bildungsarbeit sowie für die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen müssen bundeseinheitlich gesetzlich geregelt werden. - Die für und durch ehrenamtliche Arbeit erworbenen Qualifikationen müssen für die Ausbildung, für den Einstieg in eine Erwerbsarbeit und für beruflichen Aufstieg anerkannt werden. - Ehrenamtlich aufgewendete Arbeitsstunden müssen in Zeitbudget-Studien erfasst und die erbrachten Leistungen als konkrete Wertschöpfung in die Berechnung des Bruttosozialproduktes aufgenommen werden. - Verbände und Organisationen müssen institutionell so gefördert werden, dass eine selbstverständliche und unbürokratische Kostenerstattung an Ehrenamtliche möglich und deren Aus- und Fortbildung gewährleistet ist, Die inhaltliche Verantwortung dafür tragen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips die einzelnen Organisationen die auch die Qualität von Fortbildungen nachweisen. - Solange Verbände die erforderliche institutionelle Förderung nicht erhalten, benötigen Ehrenamtliche steuerliche Entlastungen: Aufwendungen, die durch ein nachgewiesenes Ehrenamt entstehen, müssen von der Steuer abgesetzt werden können. - Die Altersabsicherung kann in Zukunft nicht allein an der geleisteten Erwerbsarbeit orientiert sein. Das Rentenmodell von kfd und KAB mit seiner auf drei Säulen basierenden Grundsicherung, (Arbeitnehmer-Pflichtversicherung, betriebliche und private Altersvorsorge) berücksichtigt ehrenamtliche Tätigkeit und Familienarbeit angemessen.
- Die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit dürfen bei ehrenamtlicher Arbeit nicht gekürzt werden. - Die bei Sportvereinen anerkannte Übungsleiter-Pauschale muss zu einer Ehrenamts-Pauschale weiter entwickelt werden. - Vergünstigungen, die derzeit ehrenamtliche Leitungspersonen in der Jugendverbandsarbeit erhalten, sollen auf alle ehrenamtlichen VerantwortungsträgerInnen ausgeweitet werden. Dazu muss eine "Ehrenamts-Karte" entwickelt werden. - Kommunen sollten ein "Job- bzw. Profi-Ticket" für Ehrenamtliche fördern. - Ehrenamtliche Tätigkeiten müssen in der gesetzlichen Unfall- und Haftpflichtversicherung abgesichert werden. Düsseldorf, 30. November 2001