Klimafolgenanpassung an Gewässern. Ruhr-Renaturierung Stadt Arnsberg
02 Quartiere entwickeln Eine von vier Themenwelten der KlimaExpo.NRW Durch seine charakteristische Kombination von hochverdichteten und industriell geprägten Metropolregionen und umgebenden ländlichen Räumen ist Nordrhein-Westfalen ein ideales Klima-Labor. Dieses produktive Spannungsfeld macht das Land zur dynamischen Keimzelle für den klimagerechten Umbau urbaner Infrastrukturen, die Entwicklung ländlicher Räume und die klimafreundliche Neuorganisation von Stadt-Land-Beziehungen: durch energie- und klimaorientierte Stadt- und Quartiersentwicklung, die konsequente Nutzung Erneuerbarer Energien oder durch intelligente Klimafolgenanpassungen wie die Ruhr-Renaturierung der Stadt Arnsberg. Die Idee Mehr Natur statt mehr Technik Der Hochwasseraktionsplan Ruhr zeigt die drohende Gefahr anhand konkreter Zahlen: Bei einem Jahrhunderthochwasser würde die Hälfte aller Schäden entlang der Ruhr die Stadt Arnsberg treffen in Höhe von geschätzten 15 Millionen Euro. Die Antwort von Arnsberg: vorbeugender Hochwasserschutz durch Renaturierung. Selbst bei weniger dramatischen Hochwassern drohten der 73.000-Einwohner-Stadt im Sauerland beträchtliche Schäden: In der Vergangenheit war es durch Starkregen bereits mehrfach zu massiven Überschwemmungen im Stadtgebiet gekommen. Diesem Problem allein durch technische Maßnahmen zu begegnen, wäre nicht nur kostenintensiv und wenig zuverlässig, sondern würde sich auch nachteilig auf Natur und Stadtbild auswirken. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, die Landschaft an die zunehmenden Starkregenereignisse anzupassen, die ein Resultat des Klimawandels sind, sagt Arnsbergs Bürgermeister Hans-Josef Vogel. Im Zuge dieser Anpassungsmaßnahme wurde die Ruhr bei Arnsberg bisher auf rund 12 Kilometern renaturiert quer durch das Stadtgebiet. Das Ergebnis ist nicht nur ein natürlicher Hochwasserschutz, sondern auch ein wieder aufblühendes Ökosystem und ein neues 39 Maßnahmenpakete sind zur Renaturierung der Ruhr bei Arnsberg vorgesehen. 50 % der Schäden bei einem Jahrhunderthochwasser entlang der Ruhr entstünden in Arnsberg. 20 Maßnahmenpakete 12 sind bereits umgesetzt. km Auf mehreren Abschnitten km mit dieser Gesamtlänge wurde die Ruhr bei Arnsberg bisher renaturiert. Naherholungsgebiet mit hoher Anziehungskraft. betrüge der geschätzte Schaden bei einem Jahrhunderthochwasser für die Stadt. 03 15 Mio. Euro
Das Projekt Vom Kanal zum Ruhr-Erlebnis Früher war die Ruhr hier wie ein Kanal, erinnert sich Hans-Josef Vogel. Weil der begradigte und eingepferchte Fluss insbesondere die im Frühjahr anfallenden Regenmengen nicht aufnehmen konnte, kam es in diesem Zeitraum regelmäßig zu Überschwemmungen. Darüber hinaus wurden die benachbarten Flächen am Ufer landwirtschaftlich genutzt mit negativen Auswirkungen auf die Wasserqualität. Heute hat sich die Tallandschaft total verändert, freut sich der Arnsberger Bürgermeister: Naturpark und Naherholungsgebiet bieten jetzt ein echtes Ruhr-Erlebnis. Das hat neben ökologischen auch ökonomische Effekte: Anwohner und Touristen zieht es wieder an die Ruhr, Gastronomie hat sich angesiedelt und auch der vorbeugende Hochwasserschutz funktioniert. Steigende Wasserspiegel werden jetzt durch die renaturierte Fläche aufgefangen. Zusätzlich werden zwar technische Vorkehrungen zum Hochwasserschutz getroffen, aber die wären ohne Renaturierung um ein Vielfaches aufwändiger und kostenintensiver gewesen. Dieses Projekt hat nicht nur die Wasserqualität und Artenvielfalt der Ruhr deutlich verbessert, es hat auch die Lebensqualität in der Region erhöht und den Fluss wieder zu einem Magneten für die Menschen aus der Umgebung gemacht. Lennart Wermelt, Sportfischerverein Gut Wasserwaid e. V. Natürlicher Flusslauf für neue Lebensräume Für die Renaturierungsstrecken wurden Standorte gewählt, an denen im Fall eines Hochwassers die größten Schäden zu erwarten wären also in erster Linie in besiedelten Gebieten. Bauliche Maßnahmen waren unter anderem die Aufweitung des Flussquerschnitts und das Entfernen von Uferverbauungen, das Ersetzen von Betonsicherungen durch naturnah aufgeschüttete Steine direkt an der zu sichernden Infrastruktur, nicht am Ufer und das Anlegen von Stillwasserbereichen. Durch diese Entgrenzung konnte die Ruhr wieder einen natürlichen und abwechslungsreichen Flusslauf entwickeln mit tiefen und flachen Stellen, schnell fließenden und ruhigen Abschnitten. So entstanden neue Lebensräume für Flora und Fauna und eine größere Artenvielfalt. Von der profitieren unter anderem auch die ansässigen Anglervereine: Die befischen und bewirtschaften ein gepachtetes Teilstück des Flusses und beobachten nach der Renaturierung eine positive Entwicklung der Wasserqualität und wachsende Fischbestände zum Beispiel von Esche und Forelle. 04 05
Bürgerakzeptanz durch Synergien und Beteiligung Bei der Realisierung des Projekts setzte die Stadt auf eine breite Beteiligung. Wir haben darauf geachtet, nicht nur die Verwaltung und die zuständigen Techniker mit einzubeziehen, sondern unter anderem auch den Heimatbund, Schulklassen und die ansässigen Anglervereine, betont der Bürgermeister: Es war ein Projekt Vieler. Ein weiterer Grund für die hohe Akzeptanz bei den Bürgern war die Schaffung von Synergien wie etwa die Verwendung des Bodenaushubs für einen Lärmschutzwall an der benachbarten Autobahn. Die Grundfinanzierung wurde durch eine Förderung des Landes aus Mitteln zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gesichert. Der städtische Anteil konnte aus Ausgleichsabgaben den so genannten Ökopunkten finanziert werden. Die leisten beispielsweise Unternehmen oder private Bauherren, wenn sie in die Natur eingreifen und Flächen versiegeln. Damit war das Projekt für den städtischen Haushalt annähernd kostenneutral. Unsere Investition bestand in erster Linie aus Ideen, Koordinationsaufwand und dem Management des Projektablaufs, sagt Hans-Josef Vogel. Dieses Projekt ist weit mehr als nur ein Klimaschutzprojekt. Es hat einen Mentalitätswandel angestoßen und ein ganz neues Bewusstsein gegenüber der Natur und der Region geschaffen. Hans-Josef Vogel, Bürgermeister Stadt Arnsberg Motor für den Fortschritt Start einer Renaturierungs- Bewegung Mit der Renaturierung der Ruhr auf rund 12 Kilometern konnte die Stadt Arnsberg gleich mehrere ökologische und ökonomische Effekte auslösen: Neben vorbeugendem Hochwasserschutz entstand eine naturnahe Parklandschaft als Naherholungsgebiet. Der RuhrtalRadweg und die ökologische Struktur der Region wurden aufgewertet und in den Bereichen Tourismus und Gastronomie entstanden neue Arbeitsplätze. Diese vielfältigen Vorteile haben bereits das Interesse von Strukturentwicklungsinitiativen und benachbarten Kommunen geweckt. Wir werden oft auf dieses Projekt angesprochen und machen gerne Werbung dafür, sagt Hans-Josef Vogel. Mittlerweile ist daraus sogar eine kleine Renaturierungs-Bewegung entstanden. Die soll auch in Zukunft dafür sorgen, dass intelligent realisierte Klimafolgenanpassung der Natur wieder mehr Raum verschaffen und dabei die Lebensqualität der Menschen verbessern im Ruhrgebiet, in ganz NRW und darüber hinaus. 06 07
Expo Fortschrittsmotor Klimaschutz GmbH Munscheidstraße 14 45886 Gelsenkirchen 0209-408599-0 post@klimaexpo-nrw.de www.klimaexpo-nrw.de Stadt Arnsberg Rathausplatz 1 59759 Arnsberg 02932-20 10 stadt@arnsberg.de www.arnsberg.de Die Ruhr-Renaturierung der Stadt Arnsberg ist ein Ausgezeichnetes Projekt der KlimaExpo.NRW. Im Auftrag der Landesregierung präsentiert die KlimaExpo.NRW das technologische und wirtschaftliche Potenzial Nordrhein-Westfalens in den Bereichen Energiewende, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung. Die Initiative ist Leistungsschau und Ideenlabor für den Standort NRW. In dieser Funktion zeichnet die KlimaExpo.NRW jährlich aus allen qualifizierten Projekten zwölf Projekte aus, die den Fortschrittsmotor Klimaschutz besonders gut veranschaulichen.