Entwurf eines Strafgesetzbuchs der Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit

Ähnliche Dokumente
STATUT DES INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOFS FÜR RUANDA *

Inhaltsverzeichnis. Abkürzungsverzeichnis A. Einleitung

sind die vertragschliessenden Parteien hiemit wie folgt übereingekommen:

Völkerstrafgesetzbuch (VStGB)

Konvention über die Rechte des Kindes Schutzrechte

Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs 2

Bundesgesetz über die Änderung von Bundesgesetzen zur Umsetzung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs

Bundesgesetz über die Änderung von Bundesgesetzen zur Umsetzung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs

BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH. Jahrgang 2014 Ausgegeben am 29. Dezember 2014 Teil I

verabschiedet auf der Sitzung des Sicherheitsrats am 8. November 1994

RÖMISCHES STATUT DES INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOFS *

Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs 2

Römisches Statut des Internationalen. Strafgerichtshofs

Menschenrechtsbildung mit Jugendlichen Karteikarten für den Workshopeinsatz

(1) Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben. Dieses Recht ist gesetzlich zu schützen.

Sekretariat VEREINTE NATIONEN. Bulletin des Generalsekretärs Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch Truppen der Vereinten Nationen

Menschenrechtsbildung mit Jugendlichen Karteikarten für den Workshopeinsatz

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden

Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs 2 3

STATUT DES INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOFS FÜR RUANDA *

Übersetzung (Stand: 16. Juli 1999) (an die neue deutsche Rechtschreibung angepasste Version vom 9. November 1999)

verabschiedet auf der Sitzung des Sicherheitsrats am 27. Mai 2015

Humanitäres Völkerrecht

Grundrechtliche Gewährleistungen bei Vernehmung und Befragung ROLAND HOHEISEL-GRULER

IStGH-Statut IStGH-Statut - Koalition für einen Internationalen Strafgerichtshof - Deutsches Komitee (CICC.DE)

Änderungen des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs betreffend das Verbrechen der Aggression

Tätigkeiten des Beauftragten für den Katastrophenschutz

Textgegenüberstellung. Artikel 1 Änderungen des Strafgesetzbuches StGB

Verteidigungsrechte nach der EMRK und dem EuGH

Recht und Gerechtigkeit am Beispiel des Artikel 6 EMRK Recht auf ein faires Verfahren

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

BESCHLUSS (GASP) 2017/1775 DES RATES vom 28. September 2017 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Mali

Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen vom 16. Dezember 1970 (BGBl II S. 1505) (Übersetzung)

Menschenrechtsbildung mit Jugendlichen Karteikarten für den Workshopeinsatz

RESOLUTION DER GENERALVERSAMMLUNG

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und das Völkerrecht. Vorbemerkungen

Zur Geschichte: Wo Menschen zusammenleben,

Menschenrechte Dokumente und Deklarationen

Abschnitt I. Menschenrechte und Grundfreiheiten

Schutz von Frauen in bewaffneten Konflikten

Konvention iiber die Nichtanwendbarkeit von Verjahrung~vorschriften auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

VORVERFAHRENSKAMMER I SITUATION IN DER DEMOKRATISCHEN REPUBLIK KONGO IN DER SACHE. DRINGEND Versiegelt. Haftbefehl gegen Callixte Mbarushimana

Vorlesung Völkerstrafrecht

Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR 1. Gegenrevolutionäre Verbrechen

Menschenrechte in bewaffneten Konflikten. Federal Ministry for Foreign Affairs of Austria

2. Europarat. Bereinigte Übersetzung, zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz abgestimmte Fassung. Fassung.

START. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

VORVERFAHRENSKAMMER I. Richterin Sanji Mmasenono Monageng, Vorsitzende Richterin Richterin Sylvia Steiner Richter Cuno Tarfusser

Anhang Menschenrechte

... Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung

DIE 30 UNGEKÜRZTEN ARTIKEL DER ALLGEMEINEN ERKLÄRUNG DER MENSCHENRECHTE.

in der Erwägung, daß der Genuß von Rechten und Freiheiten auch die Übernahme von Pflichten mit sich bringt;

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II)

ÜBEREINKOMMEN ÜBER DIE VERBREITUNG DER DURCH SATELLITEN ÜBERTRAGENEN PROGRAMMTRAGENDEN SIGNALE

Druckschrift Einsatz Nr. 03. Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)

Seminar: Menschenrechtsbildung am Beispiel Antidiskriminierung und Vielfalt Dozent: Herr Volker Kaufmann Studentinnen: Lena Eurich und Jannika

Bewegungsfreiheit. Bewegungsfreiheit, rechtliche Verankerung. Bewegungsfreiheit, rechtliche Verankerung. Art. 10 Abs. 2 BV

Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)»

Liechtensteinisches Landesgesetzblatt

Bundesgesetz betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes

Internationaler Strafgerichtshof

UN Konvention über die Rechte des Kindes

Die von internationalen Strafgerichtshöfen anwendbaren Normen des Völkerstrafrechts

Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus

BESTIMMUNGEN ÜBER DIE GEMEINSAME SICHERHEITS- UND VERTEIDIGUNGS- POLITIK

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Resolution 217 A (III) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10.

Resolution 217 A (III) der UN-Generalversammlung vom 10. Dezember 1948 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte PRÄAMBEL

Das Völkerstrafgesetzbuch und das Verbot der Strafbegründung durch Gewohnheitsrecht

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Statut des Sondergerichtshofes für Sierra Leone *

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

ARTIKEL 2 DISKRIMINIERUNGSVERBOT ARTIKEL 1 MENSCHENWÜRDE

Resolution der Generalversammlung. [aufgrund des Berichts des Dritten Ausschusses (A/66/462/Add.2)]

BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH


Die Strafbarkeit von Vertreibungen aus ethnischen Gründen im bewaffneten nicht-internationalen Konflikt

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte UNO-Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948

Bundesgesetz betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes

Bundesgesetz betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes

Schweizerisches Strafgesetzbuch

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

gestützt auf Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe b) des Vertrags über die Europäische Union,

Schweizerisches Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetz

Inhalt. Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und. Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe 164

NomosGesetze. Prof. Dr. Dr. h.c. Christian Tomuschat Prof. Dr. Christian Walter. Völkerrecht. 7. Auflage. Nomos

Schutz der Menschenwürde

verabschiedet auf der Sitzung des Sicherheitsrats am 18. Juni 2015

(ABl. L 164 vom , S. 3)

unter Hinweis auf ihre Resolution 46/51 vom 9. Dezember 1991 und ihren Beschluß 48/411 vom 9. Dezember 1993,

Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit failed und failing States

Transkript:

Entwurf eines Strafgesetzbuchs der Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit 1996 Von der Völkerrechtskommission auf ihrer 48. Tagung 1996 angenommener und der Generalversammlung als Teil des Berichts der Kommission über die Arbeit dieser Tagung vorgelegter Wortlaut (dort ab Ziff. 50). Der Bericht, der auch Kommentare zu den Artikelentwürfen enthält, ist im Yearbook of the International Law Commission, 1996, Vol. II (Part Two) erschienen. Copyright United Nations 2005 Deutscher Übersetzungsdienst, Vereinte Nationen, New York Juni 2005

Entwurf eines Strafgesetzbuchs der Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit (1996) TEIL 1 ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN Artikel 1 Geltungsbereich und Anwendung des Strafgesetzbuchs 1. Dieses Strafgesetzbuch findet Anwendung auf die in Teil II umschriebenen Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit. 2. Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit sind nach dem Völkerrecht Verbrechen und als solche strafbar, unabhängig davon, ob sie nach innerstaatlichem Recht strafbar sind. Artikel 2 Individuelle Verantwortlichkeit 1. Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit ziehen individuelle Verantwortlichkeit nach sich. 2. Wer das Verbrechen der Aggression nach Artikel 16 begeht, ist dafür individuell verantwortlich. 3. Wer ein in den Artikeln 17, 18, 19 oder 20 genanntes Verbrechen begeht, ist dafür individuell verantwortlich, wenn er a) ein solches Verbrechen vorsätzlich verübt; b) die Begehung eines solchen Verbrechens, das tatsächlich vollendet oder versucht wird, anordnet; c) die Begehung eines solchen Verbrechens unter den in Artikel 6 genannten Umständen nicht verhindert oder unterbindet; d) wissentlich unmittelbare und wesentliche Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei der Begehung eines solchen Verbrechens leistet, einschließlich der Bereitstellung der Mittel für die Begehung; e) an der Planung oder der Verabredung zur Begehung eines solchen Verbrechens, das tatsächlich vollendet wird, unmittelbar teilnimmt; f) einen anderen unmittelbar und öffentlich zur Begehung eines solchen Verbrechens, das tatsächlich vollendet wird, aufstachelt; g) versucht, ein solches Verbrechen zu begehen, indem er eine Handlung vornimmt, die den Beginn der Ausführung des Verbrechens darstellt, wobei es auf Grund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht tatsächlich zur Tatausführung kommt. Artikel 3 Bestrafung Wer für ein Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit verantwortlich ist, ist dafür strafbar. Die Strafe ist der Art und der Schwere des Verbrechens angemessen. 2

Artikel 4 Verantwortlichkeit der Staaten Der Umstand, dass dieses Strafgesetzbuch die individuelle Verantwortlichkeit für Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit vorsieht, lässt jede Frage der Verantwortlichkeit der Staaten nach dem Völkerrecht unberührt. Artikel 5 Anordnung einer Regierung oder eines Vorgesetzten Die Tatsache, dass eine eines Verbrechens gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit angeklagte Person auf Anordnung einer Regierung oder eines Vorgesetzten handelte, enthebt diese Person nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, kann jedoch strafmildernd berücksichtigt werden, wenn es die Gerechtigkeit erfordert. Artikel 6 Verantwortlichkeit des Vorgesetzten Die Tatsache, dass ein Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit von einem Untergebenen begangen wurde, enthebt seine Vorgesetzten nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, wenn sie wussten oder auf Grund der zu der Zeit gegebenen Umstände hätten wissen müssen, dass der Untergebene ein solches Verbrechen beging oder zu begehen im Begriff war, und wenn sie nicht alle in ihrer Macht stehenden erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um das Verbrechen zu verhindern oder zu unterbinden. Artikel 7 Amtliche Stellung und Verantwortlichkeit Die amtliche Stellung einer Person, die ein Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit begeht, selbst wenn sie als Staats- oder Regierungschef handelte, enthebt sie nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und ist kein Strafmilderungsgrund. Artikel 8 Begründung der Gerichtsbarkeit Unbeschadet der Gerichtsbarkeit eines internationalen Strafgerichtshofs trifft jeder Vertragsstaat die notwendigen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über die in den Artikeln 17, 18, 19 und 20 bezeichneten Verbrechen zu begründen, gleichviel wo oder von wem diese Verbrechen begangen wurden. Die Gerichtsbarkeit über das in Artikel 16 bezeichnete Verbrechen liegt bei einem internationalen Strafgerichtshof. Der in Artikel 16 genannte Staat wird jedoch nicht daran gehindert, seine Staatsangehörigen für das in dem Artikel bezeichnete Verbrechen vor Gericht zu stellen. Artikel 9 Verpflichtung zur Auslieferung oder Strafverfolgung Unbeschadet der Gerichtsbarkeit eines internationalen Strafgerichtshofs liefert der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet eine Person, die verdächtigt wird, ein in den Artikeln 17, 18, 19 oder 20 bezeichnetes Verbrechen begangen zu haben, sich befindet, diese Person aus oder verfolgt sie strafrechtlich. Artikel 10 Auslieferung von Verdächtigen 1. Soweit die in den Artikeln 17, 18, 19 und 20 bezeichneten Verbrechen nicht von einem zwischen den Vertragsstaaten bestehenden Auslieferungsvertrag als der Auslieferung unterliegende strafbare Handlungen erfasst werden, gelten sie als in diesen Vertrag aufgenommen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, 3

diese Verbrechen als der Auslieferung unterliegende strafbare Handlungen in jeden zwischen ihnen zu schließenden Auslieferungsvertrag aufzunehmen. 2. Erhält ein Vertragsstaat, der die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrags abhängig macht, ein Auslieferungsersuchen von einem anderen Vertragsstaat, mit dem er keinen Auslieferungsvertrag hat, so steht es ihm frei, dieses Strafgesetzbuch in Bezug auf diese Verbrechen als Rechtsgrundlage für die Auslieferung anzusehen. Die Auslieferung unterliegt den im Recht des ersuchten Staates vorgesehenen Bedingungen. 3. Vertragsstaaten, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, erkennen unter sich diese Verbrechen als der Auslieferung unterliegende strafbare Handlungen vorbehaltlich der im Recht des ersuchten Staates vorgesehenen Bedingungen an. 4. Diese Verbrechen werden für die Zwecke der Auslieferung zwischen Vertragsstaaten so behandelt, als seien sie nicht nur an dem Ort, an dem sie sich ereignet haben, sondern auch in den Hoheitsgebieten der anderen Vertragsstaaten begangen worden. Artikel 11 Rechtsgarantien 1. Wer eines Verbrechens gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit angeklagt wird, gilt als unschuldig, solange seine Schuld nicht nachgewiesen ist, und hat ohne Diskriminierung Anspruch auf die allen Menschen zustehenden Mindestgarantien in Bezug auf das Recht und die Tatsachen und hat folgende Rechte: a) Er hat Anspruch darauf, dass über eine gegen ihn erhobene Anklage durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in billiger Weise und öffentlich verhandelt wird; b) er ist unverzüglich und im Einzelnen in einer ihm verständlichen Sprache über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Anklage zu unterrichten; c) er muss hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung und zum Verkehr mit einem Verteidiger seiner Wahl haben; d) es muss ohne unangemessene Verzögerung ein Urteil gegen ihn ergehen; e) er hat das Recht, bei der Verhandlung anwesend zu sein und sich selbst zu verteidigen oder durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen; falls er keinen Verteidiger hat, ist er über das Recht, einen Verteidiger in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten; fehlen ihm die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers, so ist ihm ein Verteidiger unentgeltlich zu bestellen; f) er darf Fragen an die Belastungszeugen stellen oder stellen lassen und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter den für die Bela-stungszeugen geltenden Bedingungen erwirken; g) er kann die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers verlangen, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht; h) er darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen. 2. Wer wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil entsprechend dem Gesetz nachprüfen zu lassen. 4

Artikel 12 Ne bis in idem 1. Niemand darf wegen eines Verbrechens gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit vor Gericht gestellt werden, dessentwegen er bereits durch einen internationalen Strafgerichtshof rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde. 2. Wer wegen eines Verbrechens von einem innerstaatlichen Gericht rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde, darf nicht erneut wegen desselben Verbrechens vor Gericht gestellt werden, es sei denn a) von einem internationalen Strafgerichtshof, wenn i) die Handlung, die Gegenstand des Urteils des innerstaatlichen Gerichts war, von diesem Gericht als ein gewöhnliches Verbrechen und nicht als ein Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit gewertet wurde oder ii) das innerstaatliche Gerichtsverfahren nicht unparteilich und unabhängig war, wenn es dazu dienen sollte, den Angeklagten vor internationaler strafrechtlicher Verantwortlichkeit zu schützen, oder wenn der Fall nicht mit der gebotenen Sorgfalt verfolgt wurde; b) von einem innerstaatlichen Gericht eines anderen Staates, wenn i) die Handlung, die Gegenstand des früheren Urteils war, im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates begangen wurde oder ii) der betreffende Staat das Hauptopfer des Verbrechens war. 3. Im Falle einer späteren Verurteilung nach diesem Strafgesetzbuch berücksichtigt das Gericht bei der Strafzumessung, inwieweit dieselbe Person bereits eine von einem innerstaatlichen Gericht wegen derselben Handlung verhängte Strafe verbüßt hat. Artikel 13 Rückwirkungsverbot 1. Niemand darf nach diesem Strafgesetzbuch wegen Handlungen verurteilt werden, die vor seinem Inkrafttreten begangen wurden. 2. Dieser Artikel schließt die Verurteilung einer Person wegen einer Handlung nicht aus, die im Zeitpunkt ihrer Begehung nach dem Völkerrecht oder nach innerstaatlichem Recht strafbar war. Artikel 14 Gründe, welche die Strafbarkeit ausschließen Das zuständige Gericht entscheidet über die Zulässigkeit von Gründen, welche die Strafbarkeit ausschließen, im Einklang mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und unter Berücksichtigung der Art des Verbrechens. Artikel 15 Mildernde Umstände Bei der Strafzumessung berücksichtigt das Gericht gegebenenfalls mildernde Umstände im Einklang mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen. 5

TEIL II VERBRECHEN GEGEN DEN FRIEDEN UND DIE SICHERHEIT DER MENSCHHEIT Artikel 16 Verbrechen der Aggression Wer als Anführer oder Organisator aktiv an der Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung einer von einem Staat begangenen Aggression teilnimmt oder eine solche anordnet, ist für ein Verbrechen der Aggression verantwortlich. Artikel 17 Verbrechen des Völkermords Verbrechen des Völkermords bedeutet jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe; c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe. Artikel 18 Verbrechen gegen die Menschlichkeit "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bedeutet jede der folgenden Handlungen, die auf systematische Weise oder in großem Umfang begangen und von einer Regierung oder einer Organisation oder Gruppe angestiftet oder geleitet wird: a) vorsätzliche Tötung; b) Ausrottung; c) Folter; d) Versklavung; e) Verfolgung aus politischen, rassischen, religiösen oder ethnischen Gründen; f) institutionalisierte Diskriminierung aus rassischen, ethnischen oder religiösen Gründen unter Verletzung grundlegender Menschenrechte und Freiheiten, die zu einer schwerwiegenden Benachteiligung eines Teils der Bevölkerung führt; g) willkürliche Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung; h) willkürlicher Freiheitsentzug; i) zwangsweises Verschwindenlassen von Personen; j) Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und andere Formen sexuellen Missbrauchs; 6

k) andere unmenschliche Handlungen, die der körperlichen oder seelischen Unversehrtheit, der Gesundheit oder der Menschenwürde schweren Schaden zufügen, wie Verstümmelung und schwere Körperverletzung. Artikel 19 Verbrechen gegen Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetes Personal 1. Die folgenden Verbrechen erfüllen den Tatbestand eines Verbrechens gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit, wenn sie vorsätzlich und auf systematische Weise oder in großem Umfang gegen Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetes Personal, das an einem Einsatz der Vereinten Nationen beteiligt ist, begangen werden, mit dem Ziel, den Einsatz an der Erfüllung seines Mandats zu hindern oder ihn dabei zu behindern: a) vorsätzliche Tötung, Entführung oder ein sonstiger Angriff auf die Person oder Freiheit solchen Personals; b) ein gewaltsamer Angriff auf die Diensträume, die Privatwohnung oder die Beförderungsmittel solchen Personals, der geeignet ist, deren Person oder Freiheit zu gefährden. 2. Dieser Artikel findet keine Anwendung auf einen vom Sicherheitsrat als Zwangsmaßnahme nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen genehmigten Einsatz der Vereinten Nationen, bei dem Angehörige des Personals als Kombattanten gegen organisierte bewaffnete Verbände eingesetzt sind und auf den das Recht der internationalen bewaffneten Konflikte anwendbar ist. Artikel 20 Kriegsverbrechen Jedes der folgenden Kriegsverbrechen erfüllt den Tatbestand eines Verbrechens gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit, wenn es auf systematische Weise oder in großem Umfang begangen wird: a) jede der folgenden Handlungen, die unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht begangen wird: i) vorsätzliche Tötung; ii) Folter oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche; iii) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit; iv) Zerstörung und Aneignung von Eigentum in großem Ausmaß, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und rechtswidrig und willkürlich vorgenommen werden; v) Nötigung eines Kriegsgefangenen oder einer anderen geschützten Person zur Dienstleistung in den Streitkräften einer feindlichen Macht; vi) vorsätzlicher Entzug des Rechts eines Kriegsgefangenen oder einer anderen geschützten Person auf ein unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren; vii) rechtswidrige Vertreibung oder Überführung oder rechtswidrige Gefangenhaltung geschützter Personen; viii) Geiselnahme; 7

b) jede der folgenden Handlungen, die vorsätzlich unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht begangen wird und die den Tod oder eine schwere Be-einträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit verursacht: i) gegen die Zivilbevölkerung oder einzelne Zivilpersonen gerichtete Angriffe; ii) Führen eines unterschiedslos wirkenden, die Zivilbevölkerung oder zivile Objekte in Mitleidenschaft ziehenden Angriffs in Kenntnis davon, dass der Angriff Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte zur Folge haben wird, die unverhältnismäßig sind; iii) Führen eines Angriffs gegen gefährliche Kräfte enthaltende Anlagen oder Einrichtungen in Kenntnis davon, dass der Angriff Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte zur Folge haben wird, die unverhältnismäßig sind; iv) gegen eine Person gerichtete Angriffe in Kenntnis davon, dass die Person außer Gefecht befindlich ist; v) heimtückische Benutzung des Schutzzeichens des Roten Kreuzes, des Roten Halbmonds oder des Roten Löwen mit Roter Sonne oder anderer anerkannter Schutzzeichen; c) jede der folgenden Handlungen, die vorsätzlich unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht begangen wird: i) die von der Besatzungsmacht durchgeführte Überführung eines Teiles ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet; ungerechtfertigte Verzögerung bei der Heimschaffung von Kriegsgefangenen oder Zivilperso- ii) nen; d) Beeinträchtigung der persönlichen Würde unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlungen jeder Art; e) jede der folgenden Handlungen, die unter Verstoß gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges begangen wird: i) Einsatz von vergifteten Waffen oder anderen Waffen, die unnötige Leiden verursachen sollen; ii) willkürliche Zerstörung von Städten und Dörfern oder durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigte Verwüstung; iii) Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen oder deren Beschießung, gleichviel mit welchen Mitteln; iv) Beschlagnahme, Zerstörung oder vorsätzliche Beschädigung von Einrichtungen, die dem Gottesdienst, der Wohltätigkeit und der Erziehung oder den Künsten und Wissenschaften gewidmet sind, von geschichtlichen Denkmälern und von Werken der Kunst und der Wissenschaft; v) Plünderung öffentlichen oder privaten Eigentums; f) jede der folgenden Handlungen, die unter Verstoß gegen das auf nicht internationale bewaffnete Konflikte anwendbare humanitäre Völkerrecht begangen wird: 8

i) Angriffe auf das Leben, die Gesundheit und das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere vorsätzliche Tötung und grausame Behandlung wie Folter, Verstümmelung und jede Art von körperlicher Züchtigung; ii) Kollektivstrafen; iii) Geiselnahme; iv) terroristische Handlungen; v) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlungen jeder Art; vi) Plünderung; vii) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich bestellten Gerichts, das die allgemein als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet; g) im Falle eines bewaffneten Konflikts der Einsatz von Methoden oder Mitteln der Kriegführung, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind, in der Absicht, weitreichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt zu verursachen und dadurch die Gesundheit oder das Überleben der Bevölkerung in schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen, und das Eintreten des Schadens. 9