Außergerichtliches Beschwerdemanagement

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Transkript:

Außergerichtliches Beschwerdemanagement 9 Eine österreichische Erfolgsgeschichte mit Schattenseiten Einleitung Spezielle Hilfe- und Unterstützungseinrichtungen für Patienten haben in Österreich noch keine sehr lange Tradition. Die Erkenntnis, dass neben den traditionellen Rechtsschutz- und Hilfeeinrichtungen, wie etwa Gerichten, Volksanwaltschaft oder auch Rechtsanwälten besondere Einrichtungen, direkt im Gesundheitswesen, erforderlich sind, hat sich erst nach und nach im Laufe der letzten Jahrzehnte durchgesetzt. Ein besonderer (medialer) Druck auf die verantwortliche Gesundheitspolitik wurde wohl auch durch die tragischen Ereignisse im Krankenhaus Lainz ausgeübt. Die Mordserie der drei Stationsgehilfinnen ( Todesengel von Lainz 1 ) in den Jahren 1983 1989 hat zu intensiven politischen Diskussionen geführt, wie denn die Situation und Position der Patienten verbessert werden könnte. Eine Folge war die Einrichtung von einzelnen Landespatientenanwaltschaften, beginnend mit dem Bundesland Kärnten. Die Kärntner Patientenanwaltschaft und die Oberösterreichische Patientenvertretung wurden im Jahr 1991, die Wiener Patientenanwaltschaft und die Steiermärkische Patientenvertretung im Jahr 1992, die NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft 1994, die Salzburger Patientenvertretung 1995, die Patientenvertretungen der Tiroler Landes- und Bezirkskrankenanstalten 1996, die Patientenanwaltschaft von Vorarlberg 1999, die Gesundheits- und 1 http://de.wikipedia.org/wiki/todesengel_von_lainz (28.7.2013)

10 Patientenanwaltschaft von Burgenland 2001 und die Tiroler Patientenvertretung im Jahr 2005 aufgrund von Landesgesetzen eingerichtet. Eine weitere Entwicklung hat sich mit der Formulierung bzw. Kompilierung von Patientenrechten (Patientencharta) in den Jahren ab 1990 gezeigt. Die Patientencharta als ein Staatsvertrag gemäß Art. 15a B-VG zwischen Bund und Bundesländern beinhaltet die wichtigsten Patientenrechte und bringt einen rechtlichen Mindeststandard für die Bundes- und Landesgesetze im Gesundheitswesen. Neben den medial höchst wirksamen Ereignissen im Krankenhaus Lainz war es in der juristischen Diskussion allerdings schon immer ein Thema, auf die besondere Schutzbedürftigkeit und Situation von PatientInnen hinzuweisen. Im Patient-Arzt-Verhältnis können sehr oft Konflikte und Meinungsverschiedenheiten vorliegen, denen die Behauptung eines rechtlichen Anspruches zugrunde liegt oder zugrunde liegen könnte; es kann sich aber auch um zwischenmenschliche-emotionale Konfliktsituationen handeln. Die außergerichtliche Streitbeilegung ist eine erprobte Methode, mit der Konflikte im Verhältnis Patient-Angehörige der Gesundheitsberufe zum Vorteil aller Konfliktparteien gelöst werden können. Das Ziel einer außergerichtlichen Streitbeilegung ist die Erreichung eines Ergebnisses, das einerseits die zwischenmenschlich- kommunikativen, psychologischen, etc. Aspekte der Patient-Arzt-Beziehung besonders berücksichtigt, und andererseits die Rechtsansprüche des Patienten vollständig wahrt. Die außergerichtliche Aufarbeitung von medizinischen Behandlungsfehlern kann nicht nur für die Patienten, sondern auch für die betroffenen Gesundheitseinrichtungen/Gesundheitspersonal viele Vorteile bringen: eine rasche, unbürokratische und gemeinsame Aufarbeitung des Konfliktes, kein Kostenrisiko für die Konfliktparteien, die Wahrung des Gesichtes aller Beteiligten, kein Einzementieren von Positionen, Lösungsvorschläge ohne die Belastungen bzw. Aufregungen eines Gerichtsprozesses, eine objektive Orientierungs-und Filterfunktion für die PatientInnen, damit sie ihre Ansprüche realistisch abschätzen können, eine hohe emotionale Akzeptanz, da keine Verurteilung erfolgt und die Lösungen gemeinsam und einvernehmlich erarbeitet werden.

Außergerichtliches Beschwerdemanagement 11 Besonders hervorzuheben ist die Orientierungsfunktion der außergerichtlichen Streitbeilegung für die Patienten. Durch die qualifizierte und vollständige Aufarbeitung der Beschwerde werden Gerichtsprozesse, die keine Aussicht auf Erfolg haben, vermieden. Die zwei Einrichtungen, die die meisten Fälle der außergerichtlichen Streitbeilegung betreuen, sind die Patientenanwaltschaften (Patientenvertretungen) und die Schlichtungsstellen-, Schiedsstellen der Landesärztekammern. Seit dem Jahr 1992 sind in allen neun Bundesländern Patient- Entschädigungsfonds eingerichtet, die PatientInnen zusätzlich unterstützen und die Einrichtungen des Beschwerdemanagements ergänzen. Patientenanwaltschaften In allen neun Bundesländern sind Patientenanwaltschaften (Patientenvertretungen/Patientenombudsstellen) tätig. Sie sind durch Landesgesetze eingerichtet und sind zumindest für alle Krankenanstalten im Landesgebiet und für alle Patienten in diesen Krankenanstalten zuständig. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Vertretung der Interessen und Rechte der Patienten. Davon zu unterscheiden (obwohl die Bezeichnung gleich ist) sind die Patientenanwälte (eingerichtet aufgrund des Unterbringungsgesetzes), die ausschließlich in psychiatrischen Krankenanstalten (auf psychiatrischen Abteilungen) die Patienten vertreten und unterstützen. Diese sind beim Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft angestellt. Sie vertreten aufgrund des Unterbringungsgesetzes die Patienten im Unterbringungsverfahren und informieren und beraten Patienten, die sich freiwillig im psychiatrischen Krankenhaus (psychiatrische Abteilung) aufhalten. Von den Landes-Patientenanwaltschaften sind die Bewohnervertretungen, die aufgrund des Heimaufenthaltsgesetzes zur gesetzlichen Vertretung von Heimbewohnern in Angelegenheiten von Freiheitsbeschränkungen eingerichtet sind, zu unterscheiden. Ebenso von den Landespatientenanwaltschaften sind die Ombudsstellen der Krankenanstalten zu unterscheiden, die von einigen Landeskrankenanstaltenholdings direkt vor Ort im Bereich des Krankenhauses betrieben werden. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist klar geworden, dass alleine die Schaffung und der Ausbau der Patientenrechte nicht genügen. Die Patienten, aber auch die Angehörigen der Gesundheitsberufe brauchen professionelle Unterstützung und Hilfe, damit die Patientenrechte im täglichen Betrieb beachtet werden. Konsequenz daraus ist, dass Patienten und Personal z.b. verständlich

12 informiert und auch beraten werden müssen. Die Patientenanwaltschaften sind keine Behörden, die rechtlichen Zwang ausüben können. Bei den Patientenanwaltschaften handelt es sich um Serviceeinrichtungen der Länder im Bereich des Gesundheitswesens, die mit schlüssigen und nachvollziehbaren Argumenten überzeugen müssen. Der Aufgabenkern der Patientenanwaltschaften wird im KAKuG umschrieben: Zur Prüfung allfälliger Beschwerden und auf Wunsch zur Wahrnehmung der Patienteninteressen müssen unabhängige Patientenvertretungen (Patientensprecher, Ombudseinrichtungen oder ähnliche Vertretungen) zur Verfügung stehen. Weitere Aufgaben sind länderspezifisch unterschiedlich geregelt, wie z.b.: Beratung und Erteilung von Auskünften, Hilfe bei Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen über Fragen der Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Pflege, Begutachtung von und Anregung zu Gesetzesbestimmungen, Verordnungen und sonstigen Rechtsvorschriften, Vermittlung bei Streitfällen sowie Versuch der außergerichtlichen Schadensregulierung nach Behandlungsfehlern, Partizipation in Kommissionen bzw. Gremien, die sich mit patientenrechtsrelevanten Fragen beschäftigen (z.b. Bundesgesundheitskommission der Bundesgesundheitsagentur, Ethikkommissionen, Landesgesundheitsplattformen, Qualitätssicherungskommissionen, etc.). Die Patientenanwaltschaften haben einen sachlichen und einen örtlichen Aufgabenbereich. Der Sachliche umschreibt die Aufgaben, die der Patientenanwaltschaft zugewiesen sind. Der Örtliche gibt das Gebiet, für das die Patientenanwaltschaft tätig wird, an. Einige Patientenanwaltschaften haben einen umfassenden sachlichen Aufgabenbereich über das gesamte Gesundheits- und Teile des Sozialwesens; so etwa Krankenanstalten, niedergelassener Bereich der Ärzte (Allgemeinmediziner- und Fachärzte), Apotheken, Rettungsdienste, Kuranstalten, Pflegeheime, Hauskrankenpflege. Dies sind die Patientenanwaltschaften von Burgenland, Niederösterreich und Wien.

Außergerichtliches Beschwerdemanagement 13 Bundesland Krankenanstalten Pflegeheime Niedergelassene Ärzte Organisation B X X X zentral K X X zentral NÖ X X X zentral S X X zentral St X X zentral OÖ X X zentral T X zentral V X X X zentral W X X X zentral Abbildung 1: Zuständigkeiten der Patientenanwaltschaften Der örtliche Aufgabenbereich einer Patientenanwaltschaft richtet sich nach der Lage der Gesundheits- oder Sozialeinrichtung, die von einer Beschwerde betroffen ist. Es kommt nicht darauf an, wo der Wohnsitz des beschwerdeführenden Patienten liegt. Die Patientenanwaltschaften verstehen sich als: Sprachrohr für Patienten, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht ausreichend verständlich machen können; Spiegel für das Personal in den Krankenanstalten und im niedergelassenen Bereich- somit ein externer Feedbackgeber; ein externer Beitrag zur Qualitätssicherung, da sie die Beschwerden auswerten und die Ergebnisse an die Entscheidungsträger weitergeben; eine Möglichkeit, um emotional aufgeladene Situationen zu entspannen, Emotionen zu kanalisieren und Gesprächsbereitschaft zu fördern; eine außergerichtliche Einrichtung, um rechtliche Ansprüche unbürokratisch durchzusetzen, mit dem gleichzeitigen Anspruch, dass alle Beteiligten ihr Gesicht behalten können. Die meisten Patientenanwaltschaften werden von Juristen geleitet. Weiteres Fachpersonal steht den Patienten zur professionellen Beratung und Hilfe zur Verfügung (Juristen, Ärzte, Krankenpflegepersonal). Alle Patientenanwaltschaften sind zentral für das gesamte Landesgebiet eingerichtet. Die Krankenanstaltengesetze in Oberösterreich und Vorarlberg haben, zusätzlich zu

14 der Patientenanwaltschaft, für jede Krankenanstalt eigene Informations- und Beschwerdestellen eingerichtet. In anderen Bundesländern gibt es für Krankenanstalten direkt vor Ort betriebene Ombudsstellen (Beschwerdestellen) der Landeskrankenanstaltenholdings. Dies sind Serviceeinrichtungen der Rechtsträger der Krankenanstalten, die weder auf Gesetze gegründet sind noch eine verfassungsrechtlich garantierte Weisungsfreiheit besitzen. Diese Ombudsstellen arbeiten mit den Patientenanwaltschaften eng zusammen und kümmern sich vor allem um die Beschwerden, die den zwischenmenschlichen Bereich betreffen. Professionelles Beschwerdemanagement erfordert als Grundlage das Vertrauen aller Konfliktparteien. Die Konfliktparteien müssen sich darauf verlassen können, dass die Patientenanwaltschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit nach bestem Wissen und Gewissen vorgeht und bei ihren Dienstleistungen ausschließlich fachliche Gesichtspunkte angewendet werden. Dies ist ein bedeutender Unterschied zur allgemeinen Gesundheitsverwaltung, die einer fachlichen Weisungshierarchie unterliegt. Alle Patientenanwaltschaften sind aufgrund der landesgesetzlichen Bestimmungen weisungsfrei gestellt und können damit unabhängig agieren. Mit dieser rechtlich abgesicherten Weisungsfreiheit ist garantiert, dass die Patientenanwaltschaften keiner wie auch immer gearteten Einflussnahme unterliegen. Abbildung 2: Geschäftsfälle der Patientenanwaltschaften Abbildung 2: Geschäftsfälle der Patientenanwaltschaften

Außergerichtliches Beschwerdemanagement 15 Die Patientenanwaltschaften wurden vor allem deshalb eingerichtet, um für die Patienten spezialisierte und qualifizierte Vertretungen ihrer Interessen und Rechte zu gewährleisten. Die Konsequenzen der Überprüfung von Beschwerden sollen allerdings über die Hilfe für den einzelnen Patienten hinausgehen. Die Patientenanwaltschaften bringen daher ihre Erfahrungen (negative wie auch positive) aus der Bearbeitung der Fülle dieser Einzelfälle in die verantwortlichen Stellen der Gesundheitspolitik ein und erreichen somit präventive und strukturelle Effekte. In allen Landesgesetzen (ausgenommen Kärnten) ist für die Rechtsträger von Krankenanstalten ausdrücklich die Zusammenarbeit mit den Patientenanwaltschaften vorgeschrieben. Diese haben zu veranlassen, dass z.b. Auskünfte erteilt werden, Stellungnahmen abgegeben werden, etc. In dieser Hinsicht sind also auch die betroffenen Ärzte zur Zusammenarbeit verpflichtet. Über diesen gesetzlichen Auftrag hinaus hat sich mit sämtlichen Krankenanstalten und mit den niedergelassenen Ärzten eine faktische, im Wesentlichen gut funktionierende, Zusammenarbeit ergeben. Um die Patientenanwaltschaften zu vernetzen und damit eine länderübergreifende Zusammenarbeit zu erreichen, wurde im Jahr 2000, getragen von allen Patientenanwaltschaften, eine Arbeitsgemeinschaft der Patientenanwälte (= ARGE PA) gegründet. Die ARGE verfolgt u.a. folgende Ziele: Förderung und Weiterentwicklung der Patientenrechte, koordiniertes Vorgehen der einzelnen Patientenanwaltschaften/Vertretungen und Koordination der Aktivitäten, Informations- und Erfahrungsaustausch, Weiterentwicklung und Vereinheitlichung der Strukturen der Patientenvertretungen. Die ARGE wird als Dachorganisation z.b. in alle Begutachtungsverfahren einbezogen, die Patientenrechte betreffen. Die Vertreter der ARGE werden zu Arbeitskreisen und Kommissionen als Experten beigezogen. Damit werden die Erfahrungen, die Wahrnehmungen und Bedürfnisse der Patienten, die im täglichen Beschwerdemanagement gemacht werden, auch den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen zugänglich gemacht. Die Angebote und die Arbeit der Patientenanwaltschaften wurden und werden im Laufe der Jahre immer besser angenommen: