Laudatio aus Anlass der Verleihung. des 6. Potsdamer Nachwuchs-Wissenschaftler-Preises. an Frau Rebekka Wiemann

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Transkript:

Es gilt das gesprochene Wort. Heinz Kleger Laudatio aus Anlass der Verleihung des 6. Potsdamer Nachwuchs-Wissenschaftler-Preises an Frau Rebekka Wiemann Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Rebekka Wiemann erhält den mit 5.000 Euro dotierten Potsdamer Nachwuchs-Wissenschaftler-Preis 2012 für ihre besonderen Leistungen auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft. Sie ist am 9. Dezember 1982 in Wuppertal geboren, inzwischen verheiratet und Mutter eines Kindes. Als Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes studierte Frau Wiemann Rechtswissenschaft in Passau und Mainz. Das Erste Juristische Staatsexamen legte sie im Jahr 2006 in Rheinland-Pfalz als Landesbeste von insgesamt 855 Kandidaten ab, das Zweite Juristische Staatsexamen 2008 unter den ersten 1 bis 2 Prozent. Bereits während ihres Studiums interessierte sich Frau Wiemann vor allem für Europa- und Völkerrecht sowie den Rechtsvergleich. Nach einem ergiebigen Forschungsaufenthalt an der Harvard Law School legte sie an der Universität Potsdam im Herbst 2011 eine

Dissertation zum Thema: Sexuelle Orientierung im Völker- und Europarecht vor, die mit summa cum laude bewertet wurde. Dass es sich bei Frau Wiemann um eine hervorragende Juristin handelt, belegt auch ihre derzeitige Tätigkeit für den juristischen Dienst des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union, nachdem sie ihre vorherige Tätigkeit bei den Vereinten Nationen in Genf aufgegeben hat. Ihr Betreuer, Professor Zimmermann, Leiter des MenschenRechtsZentrums an der Universität Potsdam, schreibt, dass Frau Wiemann für alle Arten internationaler Führungstätigkeit in Betracht kommt, zumal sie noch sehr jung ist. Für eine Rückkehr in die Wissenschaft und damit an die Juristische Fakultät der Universität Potsdam, die sich Frau Wiemann vorbehält, spricht schon ihre erwähnte exzellente Dissertation, die man auch gleich als Habilitation werten könnte, um die intellektuelle Abwanderung aus der Universität etwas aufzuhalten. Darin analysiert sie, nach den Worten ihres Gutachters, erstmals umfassend die Rechtsstellung homosexueller Personen im Völkerrecht und im Recht der Europäischen Union. Die aufwendige und detaillierte, gleichwohl für einen Nicht-Juristen angenehm lesbare Arbeit von Frau Wiemann schließt damit eine große Forschungslücke, zumal die weit überwiegende Mehrheit der Literatur auf diesem Gebiet aus dem US-amerikanischen Raum stammt. Mit der breit angelegten Recherche unterschiedlicher Rechtssysteme wird gleichzeitig die grundsätzliche Frage der Menschenrechte im Spannungsfeld von Universalismus und

kulturellem Relativismus erörtert. Dabei wird zum einen deutlich, dass sich das Völker- und Unionsrecht in den letzten Jahrzehnten mit geradezu rasanter Geschwindigkeit verändert hat, was den Schutz von Homosexualität anbelangt. Dieser Fortschritt mag aus unserer Sicht gewiss zustimmungspflichtig sein; auf der anderen Seite wird aber ebenso deutlich, dass überall noch Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung existieren. Einverständliche Homosexualität unter Erwachsenen ist in mehr als 80 Staaten der Welt unter Strafe gestellt bis hin zur Todesstrafe. Letzteres bildet den einen Pol des Spektrums, der andere Pol existiert etwa in Norwegen, wo gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren können. Mit der zweifellos universellen Frage der sexuellen Orientierung wird mithin regional sehr unterschiedlich umgegangen. Vor allem die kulturellen Konzepte der Ehe und des Familienstandes bilden die Grenze des Universalismus. In Frau Wiemanns Arbeit stellt sich die Frage, wie hier das Völkerrecht, welches die staatliche Souveränität menschenrechtlich zu imprägnieren versucht, einen Ausgleich finden kann, ohne seine eigenen Standards aufzugeben. Obwohl innerhalb Europas aufgrund der Harmonisierung durch das EU-Recht die Unterschiede geringer ausfallen, gibt es dennoch gravierende Unterschiede. Wir brauchen nur in das größte Nachbarland von Brandenburg, in das katholisch geprägte Polen zu schauen. Die Untersuchung von Frau Wiemann stellt einen spannenden Beitrag zur Zeitgeschichte des Völker- und Europarechts dar,

welcher zu denken gibt. Die Tabuisierung und fehlende Thematisierung der Homosexualität im Recht reicht bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein. Selbst Amnesty International diskutiert anfangs der 90er Jahre noch, ob Schwulen- und Lesbenrechte überhaupt zu den allgemein anerkannten Menschenrechten gehören. Das coming out des Themas erfolgt auf universeller Ebene in den 90er Jahren erst durch die Teilnehmer an internationalen Konferenzen. Seitdem hat sich allerdings sehr viel sehr schnell verändert, bis in die Sprache hinein, die von der Gender-Forschung bestimmt wird, so dass es schwer fällt, noch mitzuhalten. Frau Wiemann zieht hier Bilanz, ihre gründliche Analyse wird als veröffentlichtes Buch Orientierung geben. Das Thema hat große gesellschaftspolitische Bedeutung für eine zusammenwachsende Welt, in der sich Deutschland in Menschenrechtsfragen zunehmend positioniert, wie jüngst die Petersburger Dialoge wieder gezeigt haben. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass mit diesem Preis auf die Arbeit des Menschen-Rechtszentrums der Universität Potsdam, welches 1994 gegründet worden ist, hingewiesen werden kann. Die Philosophie und das neue, wenig strukturierte Politikfeld der Menschenrechte sind nicht so einfach und selbstverständlich, wie es vielleicht scheinen mag. Sie bedürfen mehr als anderes der interdisziplinären wissenschaftlichen Unterstützung und Reflexion, wofür die Universität der richtige Ort ist. Auch die Menschenrechte, Formen sexueller Orientierung zu schützen, sind keineswegs offensichtlich. Man muss sich schon in den Auslegungsstreit

hineinbegeben und/oder neue Rechte fordern, was beides ohne Handlungsmacht und juristischen Flankenschutz nicht erfolgreich sein wird. Von aktueller Bedeutung für Deutschland ist die Flüchtlingspolitik, wo es um Anerkennungskämpfe für Asylgründe und die Art der Verfahren selber geht, in denen es euphemistisch ausgedrückt schwierig ist, Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung zu beweisen. Einlässlich untersucht Frau Wiemann die Frage, welche Rechte auf Schutz Homosexuelle haben, die ihr Heimatland verlassen müssen, weil sie dort wegen ihrer Homosexualität verfolgt werden. Damit gibt sie Impulse für eine rechtspolitische Diskussion, die immer wieder zu heftigen Frontstellungen Anlass gibt. Die von Oberbürgermeister Jakobs geleitete Jury, der Frau Professor Neiman vom Einsteinforum, Professor Emmermann vom Deutschen Geoforschungszentrum, Professor Lipowsky vom Max-Planck- Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Professor Kliegl vom Institut für Psychologie, Professor Müller-Röber vom Institut für Biochemie und der Laudator angehörten, sind einhellig zur Auffassung gelangt, Frau Rebekka Wiemann für ihre hervorragende wissenschaftliche Arbeit als Preisträgerin vorzuschlagen. Sie wünschen ihr für die Zukunft viel Glück und Erfolg, Professor Heinz Kleger Potsdam, 30. November 2012.