Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, anlässlich der 1. Lesung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) am 10. Oktober 2014 im Deutschen Bundestag Es gilt das gesprochene Wort!
1 Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hochschulbereich gibt es heute so viele Kooperationen zwischen Bund und Ländern wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Das ist nur möglich, weil 2006 in das Grundgesetz aufgenommen wurde, dass auch Kooperationen bei Vorhaben seitens Wissenschaft und Forschung einschließlich der Vorhaben der Lehre möglich sind. Nun haben wir heute unter anderem einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorliegen. In dem Antrag heißt es: Im Jahr 2006 hat die letzte Große Koalition das Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich damals dieser fatalen Weichenstellung widersetzt [ ]. Fest steht: Alle großen Pakte, die wir in den letzten Jahren verabschiedet haben, wären ohne diese Grundgesetzänderung nicht möglich gewesen. Das gilt für den Qualitätspakt Lehre und die Qualitätsoffensive Lehrerbildung genauso wie für den Hochschulpakt. Der Hochschulpakt 2020 ist eine riesige Solidarleistung der westdeutschen Bundesländer und der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Seit dem Inkrafttreten hat der Bund für jeden Studierenden Geld gezahlt. In den alten Ländern musste das kofinanziert werden, in den neuen nicht. Das war entscheidend, denn so wurden die Kapazitäten dort nicht abgebaut. Im Bericht zum Stand der Deutschen Einheit steht, dass im letzten Jahr zum ersten Mal weniger junge Menschen aus den neuen Ländern zum Studieren abgewandert, als aus den alten Ländern zugewandert sind. Das wäre ohne den Hochschulpakt nie passiert. Dafür brauchten wir die Grundgesetzänderung. Lassen Sie mich einen weiteren Satz aus dem Antrag der Grünen zitieren: In der Wissenschaft soll die Kooperation wieder in die Entscheidungsbefugnis von Bund und Ländern gelegt werden [ ]. Die Situation, die wir durch die Grundgesetzänderung geschaffen haben, gab es in der Bundesrepublik Deutschland vorher noch nie. Nun ändert man das Grundgesetz nicht alle Tage. Man überlegt sich gut, ob diese Änderung notwendig ist. Es gibt gute Gründe, warum wir das Grundgesetz ändern. Es geht nicht darum, etwas zu korrigieren oder zurückzunehmen, sondern darum, das, was wir 2006 begonnen haben, fortzuführen. Der Nachteil der 2006 vorgenommenen Grundgesetzänderung, die Bund und Ländern auch in der Lehre eine Zusammenarbeit erlaubt in der Forschung ist das ohnehin möglich ist, dass die Erlaubnis zeitlich befristet
2 ist. Eine Zusammenarbeit ist nur temporär möglich und nicht institutionell verankert. Genau das wird jetzt aber festgeschrieben. Es geht also keineswegs um eine Korrektur eines Fehlers oder um eine Zurücknahme, sondern um die Fortführung des Prozesses. Warum ist uns das so wichtig? Warum wollen wir unbedingt, dass der Hochschulpakt nicht nur 10 oder 15 Jahre läuft? Warum wollen wir die Zusammenarbeit institutionell verankern? Die Antwort lautet: weil die Hochschulen das Herzstück des Wissenschaftssystems sind. Wenn unser Land seinen Wohlstand halten will, dann müssen wir in Forschung und Innovationen gut sein. Überlegungen zu diesem Herzstück des Wissenschaftssystems sollte nicht nur jedes Bundesland für sich anstellen, sondern wir müssen auch in diesem Bereich langfristige Strategien entwickeln können, wie sie ja im außeruniversitären Bereich bereits möglich sind. Wir müssen überlegen können, welche besonderen Qualifikationen wir beispielsweise für das Projekt Industrie 4.0 brauchen. Es geht nicht darum, dass der Bund entscheidet, ob beispielsweise ein Institut in Kiel oder in München angesiedelt wird. Man muss vielmehr über gemeinsame Zielsetzungen nachdenken und Wege finden, um diese Ziele zu erreichen. Dadurch wird auch die Kooperation der Universitäten und Hochschulen mit den außeruniversitären Einrichtungen, die schon heute möglich ist, sehr viel einfacher. Wenn diese Kooperationen viel unkomplizierter sind, schneiden wir auch in allen Rankings besser ab. Dann haben wir vergleichbare Rahmenbedingungen für die außeruniversitären Einrichtungen und für die Hochschulen. In dem Gesetzentwurf geht es nicht darum, das föderale Prinzip, gemäß dem die Länder zuständig sind, zu streichen. Immer, wenn das föderale Prinzip gilt, benötigen wir Einstimmigkeit, auch in der Ministerpräsidentenrunde. Die vorgesehene Grundgesetzänderung ist eindeutig: Wir wollen nicht, dass alle Länder bei jeder Kleinigkeit zustimmen müssen, sondern wir wollen, dass sie mitentscheiden, wenn schwerpunktmäßig Hochschulen betroffen sind. Bei Vereinbarungen zwischen einer Hochschule und einer außeruniversitären Einrichtung müssen nicht alle Bundesländer gefragt werden. Wenn es aber um Grundlegendes geht, zum Beispiel um das Professorinnen-Programm, von dem 180 Hochschulen betroffen sind, oder um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hochschulen, dann brauchen wir die Einstimmigkeit. Diese Einstimmigkeit haben wir 2006 aufgenommen. Einige werden sicher anmerken, dass der Wissenschaftsbereich der Anfang ist und es diese Möglichkeiten auch im Bereich Schule geben solle. Das geht nicht auf die Schnelle, aber es ist der nächste Schritt. Ich verweise an dieser Stelle immer gerne auf den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Er betont, dass es das im schulischen Bereich
3 auf keinen Fall gebe; das gehe den Bund nichts an. Der Ministerpräsident von Hessen sieht das genauso. Meine Ansicht hierzu ist: Es gibt diesbezüglich keine einheitliche Meinung der Bundesländer und solange es die nicht gibt, braucht man gar nicht darüber zu reden. Es kommt noch besser: Vor kurzem haben wir im Bundesrat über die BAföG-Novelle und über die Grundgesetzänderung diskutiert. In dieser Diskussion haben Frau Kramp- Karrenbauer aus dem Saarland, Frau Puttrich aus Hessen, Frau Löhrmann, die Stellvertreterin der Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, und Frau Dreyer als Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz gesprochen. Keine einzige dieser Frauen hat gesagt: Wir wollen die Grundgesetzänderung auch für den Schulbereich. Sie haben gesagt: Wir wollen, dass wir auf der Basis dessen, was geht, zusammenarbeiten, um die großen Probleme der Zukunft zu lösen. Wir brauchen das sieht der Bund auch so bei den großen Herausforderungen wie der Inklusion ein gemeinsam abgestimmtes Handeln, aber nicht zwingend eine Grundgesetzänderung. Die ist nicht notwendig. Wir wollen auch, dass die Kompetenzen in diesen Bereichen bei den Ländern bleiben. Wir haben jetzt ein Gesamtpaket. Das Paket enthält die Grundgesetzänderung, über die wir jetzt diskutieren, und die BAföG-Novelle mit der Entlastung der Länder um 1,2 Milliarden Euro. Dass beide zusammenhängen ist das Ergebnis von Verhandlungen. Im Ergebnis dieser Verhandlungen waren die Länder und der Bund der Meinung, dass es eine gute Situation für beide Seiten ist. Vorgestellt haben wir das auf einer Pressekonferenz. Von den Wissenschaftsministern war zum Beispiel Frau Ahnen dabei und hat das Ergebnis sehr gelobt. Sie hat sich sehr über die Möglichkeiten gefreut, die man dadurch in den Ländern haben wird. Ich bin auch trotz aller Schwierigkeiten der Meinung: Es ist richtig, dass die Verantwortung dafür, wie man mit den frei werdenden BAföG-Mitteln umgeht, bei den Ländern liegt und dass die einzelnen Länder verschiedene Entscheidungen treffen können. Denn die Situation in den Ländern ist unterschiedlich. Manche haben in den letzten Jahren viel in die Hochschulen investiert und haben Schwierigkeiten im schulischen Bereich, in anderen Ländern ist es umgekehrt. Deswegen erwarte und hoffe ich, dass die Mittel entsprechend verantwortungsbewusst eingesetzt werden. Ich halte das Gesamtpaket, das wir jetzt haben, für gut. Der Bund stellt in der genannten Größenordnung Mittel für die Studierenden zur Verfügung. Wir haben eine BAföG-Novelle, bei der es nicht nur um Entlastung geht, sondern in der auch die gestern hier besprochenen Verbesserungen für die Studierenden enthalten sind. Und wir haben diese Grundgesetzänderung. All das wird aus meiner Sicht weit über diesen Tag und über diese
4 Legislaturperiode hinaus wirken. Gerade mit der Grundgesetzänderung wird vieles möglich gemacht und der Föderalismus insgesamt moderner und zukunftsfähiger. Darüber freue ich mich. Vielen Dank!