Längere Bezugsdauer erhöht Langzeitarbeitslosigkeit

Ähnliche Dokumente
Wanted: Jobs für Flüchtlinge

Keine Gefahr für Vollzeitjobs

fakten zum thema arbeitsmarkt

Den Ärmsten geht es besser

Rente ab 63: Der große Ausverkauf

Jeder Dritte wechselt den Job

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

POLITIK FÜR ALLE SICHER, GERECHT UND SELBSTBESTIMMT. Betrieb Siemens AG Standort Amberg

Rentenpolitik: Die Jungen sind die Dummen


Rente realistisch gerechnet

Wie sich die Lücke schließen lässt

Eröffnungsrede des Bundesjugendsekretärs des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Florian Haggenmiller

Martin Schulz und sein fragwürdiger Umgang mit der Wahrheit

Demografie: Der Druck nimmt zu

Beschäftigungswachstum durch effizientere Allokation auf dem Arbeitsmarkt

Die Lebensverhältnisse im Alter haben sich verbessert

Fragen zur Bundestagswahl 2017

INSM-Frühstücksdialog Mittwoch, den 4. November 2015

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Neue Daten statt Aktionismus

Weniger Chefinnen und Chefs

Arbeit. Spendenkonto: , Bank für Sozialwirtschaft AG (BLZ ) Bremer Institut. für. smarktforschung. und Jugend. berufshilfe e.v.

Gute Arbeit für alle!

Abriss. Umbau oder. ozialstaat noch zu retten? Ist der Sozialstaat noch zu retten? Informationen zur Agenda 2010

Unsicherheit bremst die Wirtschaft

Hilfe zur Selbsthilfe? Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. August 2004

Hartz IV. Themenpapiere der Fraktion

Bilanz und Perspektive nach 10 Jahren Hartz-Gesetze

Aufschwung mit Risiken

UMFRAGE I. QUARTAL 2014

BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

Wandern wegen eines Jobs

Deutsche Städte locken

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Die atypische Beschäftigung - Segen oder Fluch? Beitrag im PDF-Format

3. Sie können das Renteneintrittsalter erhöhen:

Die EU vernachlässigt den Mittelstand

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Arbeitslosengeld. Leistungsempfänger ger in absoluten Zahlen, 1994 bis bis in Tsd

Die aktuelle Renten-Information:

Die Deregulierung der Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der Hartz-Gesetze

ALTERSARMUT Bekämpfung und Vermeidung. Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender SoVD Hamburg

40,5. Vergleich. 11 Fakten. Beteiligung. zum Arbeitsmarkt. 83,6 % Wachstum. Beschäftigung 63,2 % 19 % Arbeit

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Frankreich: Viel Arbeit für den Wahlsieger

Pressekonferenz: Ausbildungsoffensive der Bundesregierung am Arbeitsmarkt

BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

EU-Regionen driften auseinander

Arbeitskräftemangel bremst Wachstum aus

Beitrag: Befristete Arbeitsverträge Ende der Unsicherheit?

Die Rentenbeiträge werden steigen

Lebensarbeitszeit verlängern aber wie? Auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Arbeitsmarkt in Deutschland

EU-Regionen driften auseinander

Konzepte zur Förderung Langzeitarbeitsloser

Aufstocker im SGB II: Werden niedrige Löhne oder wird das ALG II aufgestockt?

MEMORANDUM Sommerschule 2010 Arbeitszeitpolitik in der Krise

Integration von Flüchtlingen als Aufgabe für Arbeitsmarkt und Staatsfinanzen

Statistisches Bundesamt

Arbeitsplätze gestalten, Gesundheit erhalten: Ältere Arbeitnehmer brauchen Perspektiven

Positionspapier als PDF herunterladen. 5-Punkte-Programm für eine gerechte Arbeitswelt

Im Wortlaut von Harald Weinberg, 03. Dezember Linkspolitiker Harald Weinberg: Krankenkassenbeiträge werden schnell steigen

Die Vermessung der Mitte

Gut für alle. Gerecht für alle. Frieden für alle.

"Die Regelaltersgrenze hoch zu setzen, das ist Klassenkampf von oben"

Die Entgeltsicherung Ausgewählte Ergebnisse einer Befragung

RENTE MIT 67 ENTWICKLUNGEN AM ARBEITSMARKT

Zurück in die Zukunft: Statussicherung als normativer Bezugspunkt der Arbeitslosenversicherung

Die Renten steigen jedes Jahr wo ist das Problem? Rente muss für ein gutes Leben reichen. Was passiert, wenn nichts passiert?

Mehr Beschäftigung durch unbefristete Kombilöhne?

Position. 7-Punkte-Plan des SPD- Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Stand: Februar 2017

Das Rentenpaket der Bundesregierung: Manches wird besser, aber nichts wird gut!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Zehn Jahre Hartz-IV in Niedersachsen - Bilanz eines Irrweges

Sharing Economy braucht Vertrauen

(SGB III hier:

Zahlen-Daten-Fakten zum Thema

Neue Chancen für Langzeitarbeitslose. Worum geht es bei Hartz IV?

Rente mit 67 was sich ändert

M+E-Industrie: Fünf Schwergewichte in Europa

diskurs Agenda 2010: Arbeitsmarktentwicklung in Niedersachsen ist kein Grund zum Feiern Neuordnung des Arbeitsmarktes überfällig

REGIERUNGS-PROGRAMM IN LEICHTER SPRACHE

Rentenpolitik nach der Bundestagswahl

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Die Lohnlücke ist kleiner als gedacht

Auch Sorgen haben Konjunktur

Arbeitnehmer: Schlecht bezahlt und trotzdem glücklich?

allensbacher berichte

Entzaubertes Jobwunder

Wir und die Gesellschaft Bin ich drin?

Studienabbrecher: Vom Hörsaal in die Ausbildung

newsletter JANUAR 2013 Liebe Kollegin, lieber Kollege,

(BIAJ) An Interessierte Knochenhauerstraße 20-25

Engelbert Wistuba, MdB: Aktivitäten des Bundes zur Förderung der Beschäftigung Älterer

ES IST ZEIT FÜR SICHERE ARBEIT REFORMBEDARF DER GRUNDSICHERUNG

notwendigen Zusatzjobs und anderen Wundern am deutschen Arbeitsmarkt

Die Grundlage für Ihre Zukunftsplanung

Gute Arbeit für alle!

ARMUTSRISIKEN FÜR FRAUEN URSACHEN AUF DEM ARBEITSMARKT UND DARÜBER HINAUS. Arbeitsmarktkonferenz Networking the Networks

Transkript:

Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln Arbeitsmarkt 21.02.2017 Lesezeit 3 Min Längere Bezugsdauer erhöht Langzeitarbeitslosigkeit Der Plan von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, Älteren länger Arbeitslosengeld zu zahlen, setzt falsche Anreize und gefährdet die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, sagt IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer. Der Arbeitsmarkt in Deutschland noch vor wenigen Jahren: 5,3 Millionen Arbeitslose zählten die Statistiker im Februar 2005. Die Gesundung begann erst, nachdem die rotgrüne Bundesregierung die Agenda 2010 umsetzte. Für manche mag das wie Zufall erscheinen. Es gibt aber etliche Indizien, die dafür sprechen, dass beides miteinander zu tun hat. Wer die Agenda-Reformen rückgängig machen will, etwa indem er die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verlängert oder Befristungen stärker reguliert, gefährdet die seither erzielten Erfolge. Die Arbeitsmarktforschung belegt, dass die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und die Dauer der Arbeitslosigkeit in engem Zusammenhang stehen. Wer auf 24 Monate Geld vom Amt vertrauen kann, geht mit weniger Nachdruck an die Jobsuche als jemand, dem schon nach 12 Monaten Hartz IV droht. Je großzügiger die soziale Leistung ist, desto höher sind auch die Lohnansprüche an eine neue Beschäftigung. Auf der anderen Seite sinkt das mögliche Gehalt mit längerer Arbeitslosigkeit. Eine längere Bezugsdauer führt also dazu, dass die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit immer weiter auseinander geht. Die Folge: Die Arbeitslosigkeit verfestigt sich, es gibt mehr Langzeitarbeitslose. Eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes

würde die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt gefährden. Eine lange Bezugsdauer ist vor allem mit Blick auf ältere Arbeitnehmer nicht sinnvoll. Vor der Agenda 2010 nutzten viele das Arbeitslosengeld und gegebenenfalls im Anschluss die Arbeitslosenhilfe als Überbrückung bis zum vorgezogenen Ruhestand. Die Folge: Im Jahr 2005 waren von den 60- bis 64-Jährigen lediglich 28 Prozent erwerbstätig. Die Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder verkürzte die Bezugsdauer, um diesen Trend umzukehren. Mit Erfolg: Die Arbeitsmarktlage der Älteren hat sich seither spürbar verbessert, mittlerweile arbeitet mehr als die Hälfte (53 Prozent) von ihnen. Anders als von Kritikern befürchtet, hat die Abschaffung diverser Frühverrentungspfade dazu geführt, dass Ältere länger im Beruf bleiben. Ältere Arbeitslose brauchen bessere Unterstützung Die Chancen von Älteren auf einen neuen Arbeitsplatz werden nicht besser, wenn man ihnen länger Arbeitslosengeld zahlt. Vielmehr brauchen sie bessere Unterstützung bei der Wiedereingliederung. Dazu gehört auch die klare Ansage, dass sich die Job- Chancen spätestens nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit dramatisch verschlechtern und es unter Umständen besser ist, eine Arbeit anzunehmen, die vielleicht nicht zu 100 Prozent den Wunschvorstellungen entspricht.

Es hat auch nichts mit Gerechtigkeit zu tun, wenn Älteren länger Arbeitslosengeld gezahlt würde als Jüngeren. Die Arbeitslosenversicherung versichert ein laufendes Risiko. Sie ist kein Sparvertrag, sondern zahlt im Schadensfall so wie die

Krankenversicherung. Diese käme ja auch nicht auf die Idee, langjährig gesunden Mitgliedern eine Schönheitsoperation zu spendieren. Wer lange eingezahlt hat, der hat auch lange von dem daraus resultierenden sozialen Schutz profitiert. Befristungsquote seit Jahren stabil Richtig ist, dass die junge Generation häufiger befristet beschäftigt ist selbst wenn man die Auszubildenden nicht berücksichtigt. Die Zahlen, auf die sich Martin Schulz bezieht, sind jedoch falsch. Nicht 40 Prozent, wie er glaubt, sondern nur knapp 16 Prozent der 25- bis 34-Jährigen befinden sich derzeit in einer Befristung. Ein Blick auf die Statistik zeigt: Seit mindestens zehn Jahren hat sich an den Befristungsquoten so gut wie nichts getan. Wenn es überhaupt einen Trend gibt, dann den, dass die Befristungsquoten bei Jüngeren leicht zurückgehen.

Es gibt also keinen Grund, die Regulierung der Befristung zu verschärfen. Die Betriebe brauchen Befristungen, zum Beispiel bei unsicherer Auftragslage oder für Arbeitszeitflexibilisierungen künftig vielleicht noch mehr als heute. Wie sonst sollte ein Betrieb seinen Arbeitsalltag organisieren, wenn ein Beschäftigter wie es Andrea Nahles plant bald einen gesetzlichen Anspruch darauf hat, zwei Jahre lang nur noch mit halber Stundenzahl zu arbeiten? Wenn die Politik schon etwas gegen Befristungen tun will, könnte sie im öffentlichen Dienst anfangen, denn der weist mit Abstand die höchsten Befristungsquoten auf und hat sich sogar noch einen eigenen Befristungsgrund ins Gesetz geschrieben. Hier auszumisten wäre deutlich sinnvoller, als die Privatwirtschaft mit neuen Regulierungen zu überfrachten. Der Ansprechpartner: Holger Schäfer Senior Economist 1. 2. 3. Seit 2000 im IW Geboren 1969 in Bremen Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bremen Telefon: 030 27877-124 E-Mail: Schaefer.holger@iwkoeln.de Kernaussagen in Kürze: Die Agenda 2010 hat die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Wer ihre Reformen rückgängig machen will, gefährdet die erzielten Erfolge. Eine längere Bezugsdauer führt dazu, dass in Sachen Lohn die Schere zwischen Anspruch der Arbeitslosen und Wirklichkeit immer weiter auseinander geht. Seit mindestens zehn Jahren hat sich an den Befristungsquoten nichts getan. Es gibt also keinen Grund, die Regulierung verschärfen zu wollen.